A1980 Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 3819. September 2008
S
eit einigen Tagen ge- nießt Nina S. die„Sinfonie der Sin- ne“ in vollen Zügen.
Hinter diesem musi- kalischen Titel verbirgt sich ein Neuenahrer Wohlfühlprogramm, das für die Lateinlehrerin aus Berlin ein Labsal für Körper und Seele ist.
„Anwendungen mit Thermalwasser, Massagen und raffinierte kosmeti- sche Behandlungen – einfach himm- lisch“, schwärmt sie. Nur einen Steinwurf entfernt vom Rotwein- wanderweg hoch über der Ahr – dem nördlichsten Rotweinanbaugebiet der Welt – zählt Bad Neuenahr zu den meistbesuchten Heilbädern Deutschlands.
Die Entstehung des Bades liest sich wie ein Märchen, in welchem eine gütige Fee ihre Hand im Spiel hatte. Denn nur zufällig stieß man bei Grabungen zwischen den Orten Heppenheim und Wadenheim auf eine Quelle mit warmem, säuerli- chem Mineralwasser. Kurz darauf, im Jahr 1852, war das „Apollina- ris“-Tafelwasser geboren, und das Tal der Ahr wurde berühmt.
Das war jedoch noch nicht alles:
Wenig später entdeckten ein Ahr- weiler Weinhändler und ein Gelehr- ter aus Bonn in einigen Kellern des Dorfes Beul – dem heutigen Neu- enahr – Gase. Ein stark kohlesäure- haltiges, „blutwarmes“ alkalisches, an Kochsalz armes Wasser sprudelte aus dem Boden. Lediglich das welt- berühmte Vichy-Wasser wies ähnli- che Werte auf. Unter Führung des findigen Geschäftsmanns Georg Kreuzberg wurde ein Heilbad ge- plant nach dem Vorbild bekannter Orte wie Baden-Baden, Wildungen und Lippspringe.
Am 28. Juli 1858 war es so weit.
Die Einweihung wurde pompös ge- feiert. Keine Geringere als Prinzes- sin Augusta von Preußen, die späte- re erste deutsche Kaiserin, fungierte
als Taufpatin der Quelle. Die Chro- nik berichtet, dass „schon am Mor- gen des damaligen Mittwochs sich eine große Menschenmenge von auswärts auf den Weg nach dem Dorfe Beul am Fuß des Berges Neu- enahr begab, wo in fieberhafter Ar- beit während der letzten acht Tage eine ‚möglichst geordnete‘ Feststät- te entstanden war und künstliche Gärten und Fahnenschmuck einen noch unfertigen Zustand verdeck- ten“. Dennoch, Prinzessin Augusta sah gnädig über alle Unzulänglich- keiten hinweg und erfüllte ihren Part mit königlicher Würde: „Nach- dem die Quelle eingesegnet war, goss Augusta eine daraus gefüllte Schale langsam in die Quelle und verlieh ihr den Namen Augusten- quelle.“ Für das Bad brach nach 150 JAHRE BAD NEUENAHR
Ein königliches Spa feiert Geburtstag
Von Kaiserin Augusta getauft, von Erich Ollenhauer und Romy Schneider mit Besuch beehrt, die Bad Neuenahrer Therme bietet höchste Entspannung
in geschichtsträchtiger Atmosphäre.
K U LT U R
dem königlichen Besuch das Golde- ne Zeitalter an. Der deutsche Erb- und Geldadel strömte herbei, um in den hei- lenden Wassern Neu- enahrs zu kuren und den
„Großen Sprudel“ zu be- wundern, dessen kraftvoller Strahl auch heute noch in ein großes rundes Becken zischt.
Die beiden Weltkriege des 20.
Jahrhunderts brachten den Kurbe- trieb zeitweilig zum Erliegen. Be- sonders der Zweite Weltkrieg hatte massive Auswirkungen, denn „Neu- enahr blieb von den Kampfhandlun- gen nicht verschont“, erzählt Kur- direktor Rainer Mertel. Hotels und Kuranlagen wurden in Lazarette und Krankenhäuser umfunktioniert.
Die Wende kam 1948 im Gefolge der Währungsreform. Als am 18.
Dezember desselben Jahres die Spielbank ihre Pforten in den Räu- men des Kurhauses öffnete, stieg Bad Neuenahr auf wie Phönix aus der Asche und avancierte schlagar- tig zum „Partytreff“ der Bonner Re- publik. Legendär waren die Presse- bälle, auf denen sich die Prominenz aus Politik und Film ein Stell- dichein gab. Hildegard Knef plau- derte mit Erich Ollenhauer, Romy Schneider kam im Schlepptau von Mutter Magda, und Willy Fritsch tanzte mit Lilian Harvey Walzer wie „einst im Mai“.
Bad Neuenahr hat sich im Laufe der letzten Jahrzehnte von Grund auf erneuert, ohne jedoch den Charme der Gründerzeit zu verlieren. Das von ionischen Säulen flankierte Thermalbadehaus weckt nostalgi- sche Gefühle. Die Maxime, Traditio- nen zu wahren und gleichzeitig neue Wege zu beschreiten, hat dem Heil- bad letztlich den Titel eines „Royal Spa of Europe“ eingebracht.
Uta Buhr
Foto:Kurverwaltung Bad Neuenahr
Informationen: www.neuenahr.de