- Einleitung
- Chemische Charakterisierung - Furazolidon
- Nitrofural - Nitrofurantoin - Löslichkeit
- Allgemeine Wirkungen und Wirkungsspektrum Wirkungsmechanismus - Pharmakologisch-toxikologische Eigenschaften-Anwendungsgebiete - Furazolidon
- Nitrofural (Nitrofurazon) - Nitrofurantoin
- Toxikologie und Risiken
- Akute und chronische Toxizität
- Toxische Erscheinungen als Nebenwirkungen - Allergische Reaktionen
- Blut-/Blutbildveränderungen - Fertilitätstoxizität
- Störungen von enzymatischen Systemen - Organtoxizität
- Neurotoxizität und sonstige Nebenwirkungen - Zusammenfassung und Bewertung
- Literatur Einleitung
Zahlreiche heteroaromatische Nitroverbindungen wie beispielsweise die antibakteriell wirksamen Nitrofuranderivate gehören schon seit vielen Jahren zu den modernen synthetischen Arzneistoffen.
Das große Interesse für diese sehr variable Substanzklasse scheint auf ihrer leichten chemischen Zugänglichkeit und dem sehr breiten, oft über den antibakteriellen Bereich hinausgehenden Wirkungsspektrum zu beruhen, da Nitrofurane nicht nur über eine antibakterielle, sondern zusätzlich über eine antimykotische und eine trichomonadenhemmende Wirkungskomponente verfügen. Als synthetische Chemotherapeutika ergänzen und bereichern sie die Gruppe der (natürlichen) Antibiotika.
Viele wichtige Derivate leiten sich vom Nitrofurfural 1 ab. Die therapeutisch eingesetzten Substanzen sind ausschließlich 5-Nitrofuranderivate.
Steht die Nitrogruppe nicht in 5-Position, oder sind 3- oder 4-Position durch weitere Substituenten besetzt, geht die Wirksamkeit verloren.
Drei der wichtigsten und bekanntesten Vertreter sind das Furazolidon, das Nitrofural und das Nitrofurantoin.
Nitrofural wurde als Lokaltherapeutikum bereits 1944, Furazolidon 1952 und Nitrofurantoin 1953 in die Therapie eingeführt.
Nitrofural ist das älteste antibakteriell wirksame Nitrofuran-Chemotherapeutikum.
Nitrofurane werden therapeutisch sowohl in der Human- als auch in der Verterinärmedizin eingesetzt.
Das in der Humanmedizin vordringlich zur Behandlung von Harnwegsinfektionen verwendete Nitrofurantoin dominiert gegenüber den anderen Nitrofuran- verbindungen, wohingegen in der Veterinärmedizin bei entsprechender Indikation vordringlich Furazolidon und Nitrofural angewandt werden.
Mit zunehmender therapeutischer sowie rein prophylaktischer Anwendung wuchs auch die Zahl von Meldungen und von Veröffentlichungen über unerwünschte Wirkungen und toxische Nebeneffekte dieser Verbindungen.
Im allgemeinen werden bereits im Vorfeld der Zulassung von Arzneimitteln Toxizitätsstudien und (spezielle) arzneimitteltoxikologische Untersuchungen zur Erstellung des "Toxizitätsprofils" durchgeführt.
Unerwünschte Wirkungen und mögliche Risiken, die im Rahmen vorhergehender Untersuchungen (noch) nicht bekannt geworden sind, treten jedoch manchmal erst bei Anwendung der Arzneimittel über einen begrenzten Zeitraum hinaus auf.
Die auf diese Weise gewonnenen Erkenntnisse können dann für eine weitergehende bzw. abschließende Beurteilung im Sinne einer Risikobewertung herangezogen und genutzt werden.
Demnach steht bei der Anwendung der Nitrofurangruppe dem zweifellos bei günstiger Resistenzlage bestehenden Nutzen ein hohes toxisches Risiko gegenüber, wodurch erneut eine sorgfältige Nutzen-Risiko-Abschätzung erforderlich wird.
Ziel dieser Arbeit ist es, eine kritische Bewertung von Furazolidon, Nitrofural und Nitrofurantoin auf Grund der langjährigen Erfahrung in der Therapie und der inzwischen zahlreich vorhandenen Literaturarbeiten vorzunehmen.
Es wird versucht, das "toxikologische Profil" erneut zu erarbeiten, um das nach dem derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnisstand tatsächlich vorhandene toxische Potential dieser Verbindungen besser als bisher abschätzen und beurteilen zu können.
Zusammenfassung- und Bewertung
Nitrofurane erfassen im Warmblüterorganismus ein sehr breites Erregerspektrum.
Auf Grund schlechter Gewebsverträglichkeit werden sie fast ausschließlich oral appliziert. Dabei werden im allgemeinen nur geringe Mengen resorbiert, so daß sich ihre Hauptwirksamkeit bei Mensch und Tier auf pathogene Bakterienarten und Kokzidien im Darm erstreckt. Daraus erwachsen auch die hauptsächlichsten Störungen. Nur das Nitrofuranderivat Nitrofurantoin wird fast vollständig aus dem Darm resorbiert und wirkt in seinem Hauptausscheidungsorgan, der Niere, antimikrobiell. Wirkungsrückgang und auch toxische Erscheinungen als Nebenwirkungen auf den tierischen Organismus sind bei allen Formen einer Niereninsuffizienz zu erwarten.
Furazolidon besitzt:
- eine geringe therapeutische Breite; es muß mitneurotoxischen Wirkungen bei Kalb und Schwein und mit Kardiomyopathien bei Huhn, Ente und Pute gerechnet werden;
- eine mutagene und karzinogene Potenz, - eine spermatozide Wirkung.
Aufgrund der hohen toxischen Potenz von Furazolidon bei Enten und Gänsen ist eine Anwendung bei diesen Spezies kontraindiziert. Gentoxische Effekte von Furazolidon sind an Bakterien- und Säugerzellen (Lymphozyten, Hepatozyten, Lyphomazellen) nachgewiesen. Furazolidon ist kanzerogen für Ratten und Mäuse.
Es treten vermehrt Mammakarzinome (weibliche Tiere), Weichteilkarzinome (auch
männliche Tiere), Lymphosarkome, dermale Fibrome, Neubildungen der Hyopophyse, Adenome der Schilddrüse und Schweißdrüsen und testikuläre Mesotheliome auf. Teratogene und embryotoxische Wirkungen von Furazolidon sind an Tieren nicht beschrieben worden.
Das klinische Erscheinungsbild der Furazolidon-Vergiftung beim Schwein wurde durch Überschreiten der prophylaktischen und therapeutischen Dosierung und Medikationsdauer provoziert und beschrieben. Die Symptomatik der Vergiftung äußert sich bei Fehldosierungen in Störungen des ZNS, die eine sichere Diagnosestellung nicht erlaubt und einen Nachweis von Furazolidon im Futter erforderlich macht.
Nitrofural ist tumorigen und karzinogen für Mäuse und Ratten.
Es treten Fibroadenome und Adenokarzinome der Brustdrüse bei weiblichen Tieren auf.
Nitrofural hat spermatozide Wirkung und reduziert reversibel die Hodengewichte erheblich. Nitrofural hemmt die Synthese von Cortikosteron und Testosteron.
Nitrofural wirkt neurotoxisch an Mensch, Huhn und Kalb (Nitrofural-Polyneuropathie), wobei Übererregbarkeit und Krämpfe auftreten. An Hühnerküken tritt ein Thiaminmangel, verbunden mit Anorexie und Gewichtsverlust, auf.
Aufgrund der hohen toxischen Potenz von Nitrofural bei Enten und Gänsen ist eine Anwendung bei diesen Spezies kontraindiziert.
Nitrofural besitzt:
- eine nur geringe therapeutische Wirksamkeit gegenüber Kokzidien bei Hühnern, Puten und Kaninchen,
- eine geringe therapeutische Breite; bei den empfohlenen Dosierungen muß mit toxischen Effekten gerechnet werden; Polyneuritis kann bei Hühnern nach systemischer Anwendung therapeutischer Dosen auftreten,
- spermatogenesehemmende Wirkung.
Nitrofurantoin ist mutagen für zahlreiche Bakterien, Hefezellen und Säugerzellen.
Tumorigene Wirkungen sind für Nitrofurantoin im Gegensatz zu den meisten Nitrofuranen bisher nicht nachgewiesen worden. Ebenso sind teratogene Wirkungen nicht bekannt geworden.
Nitrofurantoin hat in therapeutischer Dosierung spermatozide Wirkung und hemmt die ADP-induzierte Thrombozytenaggregation.
Beim Menschen wird über das Auftreten gefährlicher unerwünschter Wirkungen nach langfristiger Gabe von Nitrofurantoin (sogenannter "Nitrofurantoin-Lunge", Polyneuropathie und chronischer Hepatitis) berichtet.
Nitrofurantoinhaltige Fertigarzneimittel (sogenannte "Hohlraumtherapeutika") sollen sich - nach Ausschluß urologischer Ursachen wie z.B. einer mechanischen Abflußstauung - nur zur Therapie akuter und oberflächlich lokalisierter unkomplizierter Infektionen der Harnblase und der ableitenden Harnwege eignen, da nur eine auf die klinischen Erscheinungen ausgerichtete Therapie sinnvoll ist.
Nitrofurantoin gilt aber immer noch als das Mittel der Wahl (als "Reserve") zur oralen Langzeitrezidivprophylaxe bei chronisch rezidivierender Pyelonephritis und zur Zystitisbehandlung.
Obwohl bei Furazolidon Dosierungen benötigt werden, die toxikologisch bedenklich sind und trotz der z. T. hohen toxischen Potenz sollte es, wenn auch (stark)
eingeschränkt und zeitlich begrenzt, kontrolliert therapeutisch - weniger prophylaktisch - eingesetzt werden.
Die systemische Anwendung von Nitrofural bei lokaler Wundbehandlung ist hilfreich und gilt als gesichert.
Bleibt im Sinne einer Nutzen-Risiko-Abwägung als abschließende Beurteilung bzw.
Bewertung festzustellen, daß die Nitrofurane, insbesondere das Furazolidon, das Nitrofural und das Nitrofurantoin auf Grund der nach wie vor günstigen Resistenzsituation sowie des breiten Wirkungsspektrums nicht vollständig aus dem Arzneischatz verschwinden sollten, zumal eine Kreuzresistenz mit anderen Chemotherapeutika und Antibiotika nicht vorkommt bzw. erst nach einer Latenzphase von (mehreren) Monaten auftritt.
Die weitere Entwicklung wird die Zukunft zeigen.