A-2001 Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 34–35, 24. August 1998 (13)
S P E K T R U M LESERBRIEFE
steht, Gott sei Dank, der von Ihnen gerügte Meinungsun- terschied, der Sie allerdings nicht verunsichern soll.
Und nun die liebe Zeit und Ruhe: Wir arbeiten im- mer unter Zeitdruck. Ausrei- chend Zeit ist in der fachärzt- lichen Praxis eigentlich nicht vorgesehen. Diese wird auch nicht bezahlt. Wenn wir uns nicht an die Regeln der Öko- nomie halten, sind wir in einem Verdrängungssystem nicht existent . . .
Dr. med. Jürgen Fege, Hauptstraße 8, 09618 Brand- Erbisdorf
Konjunktur
Zu dem Beitrag „Der Aufschwung sta- bilisiert sich“ von Walter Kannen- gießer in Heft 24/1998:
Scheinargument
In dem Artikel wurde die Vermutung geäußert, daß durch hohe Wachstumsraten ein Abbau der Arbeitslosig- keit erfolgen könnte. Dies ist ein Scheinargument, das zwar gerne seitens der Politik geäußert wird, an der tat- sächlichen wirtschaftlichen Situation allerdings völlig vorbeigeht. Betrachtet man das jährliche Wachstum der vergangenen 30 Jahre, so er- gibt sich ein durchschnittli- ches Wachsen des Bruttoin- landsproduktes um 2,5 Pro- zent, bezieht man nur die letzten 20 Jahre ein, so ergibt sich eine Zunahme von jähr- lich knapp 2 Prozent (Statisti- sches Jahrbuch 1994, Seite 682). Wo, fragt man sich, kommen dann die Arbeitslo- sen her?
Das derzeitige Wirt- schaftssystem führt dazu, daß eine leicht steigende Produk- tions- und Wirtschaftstätig- keit mit einer Arbeitslosig- keit auf hohem Niveau ver- bunden ist. Die Ursache ist in der umfangreichen Rationali- sierung von Arbeitsplätzen bei stetiger Produktivitätszu- nahme der letzten Jahre zu sehen . . .
Stephan Peters, Wilhelm- straße 10, 35037 Marburg
DDR
Zu dem Leserbrief „Würde haben wir heute kein bißchen mehr“ von Dr.
med. Uwe Kerner in Heft 27/1998:
Nostalgie – und kein Ende
Es ist höchst erstaunlich:
In der DDR wurde „alles“ für den kranken Menschen von der Sozialversicherung be- zahlt, obwohl bei einem
„Faustkeilmedizin“-Niveau, das ist logisch, oft gar nicht einmal das medizinisch unbe- dingt Notwendige getan wer- den konnte.
Und selbst der fachärztli- che Reflexhammer („Faust- keil“) bewegte sich im Kreise Strausberg bei Berlin über viele Jahre selten bis wenig.
Bei diesen Gedankengän- gen wird mir angesichts der heutigen Wunsch- und Un- terhaltungsmedizin richtig schwindelig. Wie wäre es, wenn nostalgische Trauer- klöße ihre „West“-Karossen tauschen und sich von einem fossilen Trabanten wachrüt- teln lassen würden?
Wolfgang Winkler, Allee der Kosmonauten 151 B, 12685 Berlin
Wo bleibt die Würde in der früheren DDR?
Wie immer mag es die guten Arzt-Patienten-Ver- hältnisse in der ehemaligen DDR gegeben haben, aber – es gab auch Fälle von Beste- chung, Korruption, um in ei- nem Ambulatorium, einer Poliklinik schneller unter- sucht, behandelt zu werden oder von einem bestimmten Arzt betreut zu werden. Daß trotzdem ein gutes Verhältnis zustande kam oder fortbe- stand, ist, wie überall, durch- aus möglich. Das „Faust- keil“-Niveau bestand zwar weitestgehend in der ehe- maligen DDR, aber die Politiker, Parteifunktionäre, FDGB-Funktionäre hatten ja ihr Staatskrankenhaus in Berlin, darüber hinaus waren einige Universitäts-Kliniken
mit westlichen Geräten, Me- dikamenten usw. ausgerüstet.
Hinsichtlich der „Würde“
sei angemerkt, daß ich es für würdelos halte, wenn ich nicht frei meine Meinung sa- gen kann, sondern Gefahr laufen muß, „verpfiffen“ zu werden. Die Behandlung nichtparteigebundener Hoch- schulassistenten oder -lehrer und deren auch nach der Wende nicht erfolgte Rehabi- litation ist ebenso bekannt wie die teilweise bedenk- liche „Förderung“ ehemaliger SED-Genossen oder sonst politisch engagierter Zeitge- nossen. Wo bleibt da die
„Würde“ in der ehemaligen DDR?
Prof. Dr. H.-J. Maurer, Obere Flurstraße 11, 88131 Bodolz- Enzisweiler
Zu dem „Seite eins“-Beitrag „Entsoli- darisierung?“ von Dr. Harald Clade in Heft 25/1998:
Auf Kernbereiche beschränken
. . . In der sozialen Markt- wirtschaft sollte der Staat sich auf Kernbereiche beschrän- ken und nicht eine ganze Nation zu einer Windelkin- dergemeinschaft verkommen lassen (Marx und Engels las- sen grüßen!). Natürlich be- deutet mehr Staat mehr Macht (und finanzielle Si- cherheit) für Funktionäre, doch kann man deshalb das Recht auf Selbstbestimmung für den Rest der Bevölkerung verwehren?
Daß eine numerische Ein- schränkung der Kranken- versicherung Solidargemein- schaft zu fehlender Absiche- rung von Großrisiken führt, ist statistisch bei Millionen- zahlen nicht nachweisbar.
Fehlenden DM-Beträgen ste- hen auch weniger Ausgaben gegenüber! Laßt die GKV sich auf den Personenkreis beschränken, dem wirklich unter die Arme gegriffen werden muß, gegebenenfalls mit Hilfe von Steuergeldern.
Das könnte dem Solidaritäts-
gedanken nur zugute kom- men . . .
Drs. Ronald Steenbeek, Ro- senheimer Straße 2, 83080 Oberaudorf
Bundesausschuß
Zu dem Beitrag „Bundesausschuß Ärzte/Krankenkassen: ,Kein akzepta- bler Stil‘“ von Dr. Sabine Glöser in Heft 28–29/1998:
Überhebliche Reaktion
Patienten gehen auf die Straße und fordern diagnosti- sche und therapeutische Lei- stungen, die ihnen als dring- lich und medizinisch notwen- dig erscheinen. Wir haben heute eine meist aufgeklärte und differenzierte Patien- tenklientel, die sich vielfach in Selbsthilfegruppen organi- siert.
Wenn diese „organisier- ten“ Patienten sich nun vor dem Bundesausschuß zu Wort melden, halte ich dieses in ei- nem demokratischen System für legitim und mehr als ver- ständlich. Herr Minister See- hofer hat diesen Ausschuß mit einer solchen Macht aus- gestattet, daß gerade dort der Protest vorgebracht werden muß, wo denn sonst?
Statt dessen reagiert der Vorsitzende des Ausschusses, Herr Jung, mit einer derarti- gen Überheblichkeit, die ei- nem die Sprache verschlägt . . . Dr. med. Helmut Olberding, Brinkstraße 9, 49393 Lohne
Unsensibel
. . . Es wundert, wie un- sensibel Karl Jung, der im- merhin als Staatssekretär vor- mals ein hohes politisches Amt bekleidet hat, im Um- gang mit der Öffentlichkeit ist. Vielleicht erfordert das derzeitige Amt mit seinen un- liebsamen Entscheidungen eine robuste Hemdsärmelig- keit. Die Öffentlichkeitsar- beit sollte er besser professio- nelleren Leuten überlassen.
Dr. med. Wolfgang Link, Almsstraße 3, 31134 Hildes- heim