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ind es denn nur Schlagworte – „Qualität“, „Qualitätssiche- rung“, „Qualitätsmanage- ment“ –, die aus der Industrie über Beratungsfirmen in die Kran- kenhäuser getragen werden? Ist nicht Qualität seit jeher Leitlinie des ärztli- chen Handelns, und werden damit internes Qualitätsmanagement und externe Qualitätssicherung überflüs- sig? Schließlich ist doch der Arzt berufsrechtlich verpflichtet, seinen Beruf gewissenhaft auszuüben (zum Beispiel § 1 Abs. 3 Muster-Berufs- ordnung).Standards und Leitlinien
Auf bestehende Defizite ver- weist die ernste Diskussion unter ver- schiedenen Partnern innerhalb des Gesundheitswesens um effiziente Strukturen und Prozesse für eine opti- male medizinische Versorgung. Von ärztlicher Seite werden zunehmend Qualitätsvorgaben in Form von Stan- dards, Leitlinien und ähnlichem als Ergebnis eines wissenschaftlichen Diskurses formuliert beziehungswei-
se geeignete Zirkel zur Erstellung sol- cher Leitlinien eingerichtet.
Eher aufgrund betriebswirt- schaftlicher Überlegungen wird in Krankenhäusern und anderen Institu- tionen des Gesundheitswesens ein umfassendes Qualitätsmanagement als Verfahren implementiert, um die Effizienz der Leistungen zu steigern.
Das bedeutet häufig, daß bei mini- mierten Ressourcen die gleiche (oder eine akzeptabel erscheinende gerin- gere) Qualität erreicht werden soll.
Dieser Prozeß berührt ethische, be- rufsrechtliche, ökonomische und poli- tische Interessen. Ärzte und Patien- ten erleben sich zur Zeit in diesem Zielkonflikt der divergierenden In- teressen, wie auch die anderen Part- ner des Gesundheitswesens. Weitge- hend unberücksichtigt bleibt bislang in dieser Kostendiskussion die Frage, in welchem Spannungsverhältnis die angestrebte Rentabilität eines Kran- kenhauses oder einer Institution zum volkswirtschaftlichen Gesamtnutzen steht.
Um die Probleme aus dieser Ver- antwortungskonstellation des Arztes zwischen Qualität und Wirtschaftlich- keit einer Lösung näher zu bringen, ist der Sachverstand von berufserfah- renen Ärztinnen und Ärzten unver- zichtbar. Die Teilnahme am dreistufi- gen Kurs setzt eine fundierte ärztliche Berufserfahrung voraus. Der Kurs umfaßt drei Stufen mit insgesamt 200 Unterrichtsstunden und schließt mit einer Prüfung ab (Informationen bei:
Matthias Felsenstein, Landesärzte- kammer Baden-Württemberg). Die Erteilung der Zusatzbezeichnung ist
an eine mindest fünfjährige ärztliche Tätigkeit beziehungsweise eine abge- schlossene Weiterbildung gebunden.
Der Erwerb der Zusatzbezeichnung ist in Baden-Württemberg inzwischen durch die Änderung der Weiterbil- dungsordnung vom 22. Januar 1997 der Satzung der Landesärztekammer Baden-Württemberg geregelt.
Ziel der Bundesärztekammer und der Landesärztekammer Baden- Württemberg ist es, in diesem The- menfeld „Ärztliches Qualitätsma- nagement“ Ärztinnen und Ärzte sy- stematisch fortzubilden. Dabei sind insbesondere Bereiche, die während des Medizinstudiums und der ärztli- chen Weiterbildung nicht ausreichend berücksichtigt wurden, im Stoffplan der Kurse enthalten(siehe Kasten).
Techniken und Methoden
Ein Schwerpunkt der modular aufgebauten Kurse lag auf den Tech- niken und Methoden des praktischen Qualitätsmanagements. In Klein- gruppen wurde mit Instrumenten geübt, die geeignet sind, eine patien- ten- und kundenorientierte Ergebnis- qualität des Behandlungsprozesses in die tägliche Praxis umzusetzen. Mehr als 30 Referentinnen und Referenten aus Politik, Wissenschaft, Kranken- hausverwaltung, Industrie, Bera- tungsfirmen, öffentlichem Gesund- heitswesen und anderen Institutionen vermittelten die Lehr- und Lerninhal- te des Curriculums. Hierbei kamen al- le modernen didaktischen Hilfen zum A-3162 (30) Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 47, 21. November 1997
P O L I T I K AKTUELL
Qualitätsmanagement
Erfolgreiche Qualifizierung zum Ärztlichen Qualitätsmanagement
1Texte und Materialien der Bundesärztekam- mer zur Fort- und Weiterbildung, Band 10:
Curriculum Qualitätssicherung. Herausgeber:
Bundesärztekammer, Herbert-Lewin-Straße 1, 50931 Köln, sowie Kassenärztliche Bundes- vereinigung, Herbert-Lewin-Straße 3, 50931 Köln, und die Arbeitsgemeinschaft der Wis- senschaftlichen Medizinischen Fachgesell- schaften (AWMF), Moorenstraße 5, 40225 Düsseldorf; vgl. Curriculum ärztliches Qua- litätsmanagement. Deutsches Ärzteblatt, Heft 36/1996.
In den letzten Jahren wird die gesundheitspolitische Diskussion von der Frage beherrscht, wie die Qualität der medizinischen Leistungen gesichert und gleichzeitig die Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung erreicht werden kann. Diese Diskussion erfordert kompetente Ärztinnen und Ärzte mit einer fundier- ten Fortbildung auf dem Gebiet des Ärztlichen Qualitätsmana-
gements. Um Wissen und Können zu vermitteln, veranstaltete
die Landesärztekammer Baden-Württemberg in Heidelberg
einen dreistufigen Kurs in Kooperation mit der Akademie für
Medizinische Informatik am Klinikum der Universität Heidel-
berg auf der Grundlage des Curriculums ärztliche Qualitätssi-
cherung der Bundesärztekammer
1, das im Jahr 1996 erschien.
Einsatz, wie beispielsweise Modera- tionstechniken, problemorientiertes Lernen, Rollenspiele, Metaplantech- nik, Methoden der Fehleranalyse und -bewertung, praktische EDV-Übun- gen, Mind-Mapping und Gruppendis- kussionen. Insbesondere wurden Me- thoden zur Analyse von Rationali- sierungspotentialen anhand von Fall- beispielen vorgestellt und praxisnah geübt. Darüber hinaus standen Mo- derations- und Kom-
munikationstechniken sowie Projektarbeit im Mittelpunkt. Hier konnte jeder Teilneh- mer erarbeiten, wie In- teressenkonflikte zwi- schen Gruppen mit ge- gensätzlichen Interes- sen rational angegan- gen werden können.
Bereits aktiv tätig
Viele der Teilneh- mer sind bereits aktiv in Funktionen im ärzt- lichen Qualitätsma- nagement tätig. Sie konnten aufgrund ei- gener Erfahrungen vermitteln, daß die Integration des An- spruchs auf optimale Behandlung von sei- ten des Patienten ei- nerseits und der öko-nomischen Interessen des Trägers andererseits eine anspruchsvolle und wichtige Herausforderung für den Arzt darstellt. Nur wenn es dem Arzt gelingt, zugleich Anwalt seines Pati- enten zu sein wie auch Manager der Interessen seiner Organisation, wird sich verhindern lassen, daß das be- rufliche Ethos durch den wachsen- den ökonomischen Druck erodiert wird. Die Orientierung an einer qua- litativ hochstehenden und wirtschaft- lich erbrachten Versorgung des Pati- enten als dem Hauptzweck des Ge- sundheitswesens droht verlorenzu- gehen, wenn die erforderlichen Ana- lysen ausschließlich aus der Perspek- tive der Betriebswirtschaft oder ex- terner Beratungsinstitute vorgenom- men werden.
Deswegen erachten die Kursteil- nehmer es für wichtig, daß einige Ärz- tinnen und Ärzte – qualifiziert durch die Zusatzausbildung – in diesem Spannungsfeld zwischen Ökonomie und dem ärztlichen Ethos Mittler- funktionen übernehmen. Durch diese Funktion eines ärztlichen Qualitäts- managers werden Controller oder Be- triebswirte nicht ersetzt, sondern ihre Tätigkeit in sinnvoller Weise ergänzt.
Ärztliches Qualitätsmanagement er- fordert eine fundierte Berufsausbil- dung mit abgeschlossener ärztlicher Weiterbildung und die zusätzliche Qualifikation im Qualitätsmanage- ment, insbesondere Kenntnisse der Informationsverarbeitung und des Controlling. Besonders wichtig er- scheint die Befähigung zur Integrati- on und Koordination gegensätzlicher Interessen, die ein hohes Maß an so- zialer Kompetenz voraussetzt.
Kompetenzgerangel
Die Auseinandersetzung über Sinn und Zweck der Qualitätssiche- rung und des Qualitätsmanagements wurde und wird manchmal von Kom-petenzgerangel überlagert. Unbe- schadet dessen sind Krankenhäuser ebenso wie die anderen Institutionen des Gesundheitswesens aufgrund gesetzlicher Rahmenbedingungen (§ 137 in Verbindung mit § 112 SGB V für Krankenhäuser, § 112 b Abs. 1 SGB V für das ambulante Ope- rieren sowie abgeleitete Verträge) ge- zwungen, Maßnahmen zur externen Qualitätssicherung umzusetzen und leistungsbezogene Vergütungssyste- me zu implementieren. Viele Institu- tionen im Gesundheitswesen haben bereits mit einem umfassenden inter- nen Qualitätsmanagement begonnen, um die ökonomischen Zielvorgaben zu erreichen, ohne die Qualität der medizinischen Leistungen absenken zu müssen.
Die Zusatzqualifikation ist für Ärztinnen und Ärzte in der gegen- wärtigen Umbruchphase des Ge- sundheitswesens wichtig. Vorstellba- re Einsatzfelder mit dieser Zusatz- qualifikation sind beispielsweise Stabsfunktionen bei der Kranken- hausleitung oder Koordinations- funktionen im umfassenden Qua- litätsmanagement, Mitwirkung beim Controlling beziehungsweise zahl- reiche andere Brückenfunktionen zwischen ärztlicher Tätigkeit und der Betriebsleitung in allen Sektoren des Gesundheitswesens.
Anschrift der Verfasser
Priv.-Doz. Dr. med. Alfons Bach Koordinator für Qualitätsmanage- ment, Klinikum der
Ruprecht-Karls-Universität Voßstraße 2
69115 Heidelberg
Dr. med. Johann F. Freund Referat „Medizin und Recht/
Medizinisches Qualitätsmanagement“, Medizinischer Dienst der Kranken- versicherung in Baden-Württemberg Otto-Hahn-Straße 1
77933 Lahr
Matthias Felsenstein
Leiter der Abteilung „Fortbildung und Qualitätssicherung“
Landesärztekammer Baden-Württemberg Jahnstraße 38 A 70597 Stuttgart A-3164 (32) Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 47, 21. November 1997
P O L I T I K AKTUELL
Inhaltliche Schwerpunkte der Kurse I bis III:
Ethik in der Medizin
Rechtsgrundlagen (Sozial-, Berufs-, Haftungs- und Strafrecht)
Struktur des Gesundheitswesens
Krankenhausbetriebslehre und Controlling Informationsverarbeitung und Biometrie Kommunikations- und Moderationstechniken Klinische Epidemiologie und
Outcome Research
Praxis des Qualitätsmanagements (Projektmanagement, Organisations- techniken, Moderatorentraining, Qualitätszirkel)
Instrumente des Qualitätsmanagements (Qualitätsmodelle, Indikatoren, Monitoring, Kosten-Nutzen-Analyse, Methoden der Umsetzung)