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Gender und die Auseinandersetzung um Arbeit und Beruf: junge Frauen in Ostdeutschland

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Gender und die Auseinandersetzung um Arbeit und Beruf: junge Frauen in Ostdeutschland

Karin Weiss und Janette Brauer, Potsdam

ISSN 1470 – 9570

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Gender und die Auseinandersetzung um Arbeit und Beruf: junge Frauen in Ostdeutschland

Karin Weiss und Janette Brauer, Potsdam

Die unterschiedliche historische Entwicklung der beiden deutschen Staaten führte zu unterschiedlichen institutionellen und gesetzlichen Rahmenbedingungen für Erwerbsarbeit, Familiengründung sowie Kinderbetreuung und damit auch Geschlechtsrollenmodellen. Nach der Vereinigung beider deutschen Staaten und der damit einhergehenden Übernahme des bundesdeutschen Gesellschaftssystems prallten diese unterschiedlichen Modelle aufeinander. Der Beitrag setzt an der Frage an, wie ostdeutsche Jugendliche, die anfänglich noch in der DDR sozialisiert wurden, in diesem vorhandenen Konfliktfeld heute die Gleichberechtigung der Geschlechter erleben und welche Rollenmodelle sie daraus ableiten.

Anhand leitfadengestützter Interviews wird herausgearbeitet, welche Rollenmuster ostdeutsche Jugendliche, die sich im Übergang von der Schule in den Beruf befinden, in bezug auf Berufstätigkeit und Familiengründung unter den gegebenen gesellschaftlichen Verhältnissen entwickeln. Dabei werden auftretende Unterschiede in den Vorstellungen von weiblichen und männlichen Jugendlichen vorgestellt.

1. Einführung

Nach der deutschen Vereinigung und der damit verbundenen Übernahme der westdeutschen Institutionen und Gesetze haben sich in Ostdeutschland die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für Frauen verändert. In der DDR war die Vollerwerbstätigkeit von Frauen, auch von (alleinerziehenden) Müttern mit Kindern, die Regel. Die DDR unterstützte parallele Berufstätigkeit und Mutterschaft. Sozialpolitische Maßnahmen in Form von ausreichenden Möglichkeiten zur Kinderbetreuung sowie eine im Durchschnitt kontinuierliche und qualifizierte Berufsarbeit ermöglichten den Frauen eine größere Unabhängigkeit von ihrem Partner und ihrer Familie und unterstützten damit die Ansprüche der Frauen auf ein selbstbestimmtes Leben (vgl. Trappe 1995). Die hohe Integration der Frauen in das Erwerbsleben war allerdings nicht unbedingt auch mit einem gleichberechtigten Berufsleben verbunden. So waren die Frauen zwar in hohem Maße in den Arbeitsmarkt integriert, doch gab es, wie Trappe und Rosenfeld (2001) auswiesen, sogar eine noch weitergehende geschlechtstypische Segration innerhalb der Erwerbssphäre als in der BRD. Auch die Chancen der Frauen auf gut dotierte Berufspositionen waren geringer als für Männer. Obwohl also eine ökonomische Gleichstellung durch eine grundlegende Berufstätigkeit gegeben war, war hinsichtlich der Form der Berufstätigkeit eine Gleichstellung nicht erreicht worden.

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Ebenfalls darf die grundsätzliche Berufstätigkeit der Frauen in der DDR nicht darüber hinwegtäuschen, dass Hausarbeit und familiale Kinderbetreuung weiter hauptsächlich zu Lasten der Frauen ging (vgl. Dannenbeck 1992; Trappe 1995). Innerhalb der Privatsphäre lebten also auch in der DDR die gleichen Rollenmuster weiter wie in der BRD. Lemke (1991) spricht deshalb von einer „asymmetrischen Gleichberechtigung“.

Allerdings waren die Frauen selbst oft überzeugt, ein gleichberechtigtes Leben zu führen. So kommt Trappe (1995: 216) zu dem wesentlichen Ergebnis, dass die zeitliche Parallelität von Beruf und Familie und die damit gewährleistete relative ökonomische Unabhängigkeit vom Partner zu einem integralen Bestandteil der Identität von in der DDR sozialisierten Frauen und zum eigenen Bewertungsmaßstab ihrer Emanzipation wurde.

Auch in der öffentlichen Diskussion galt die Gleichberechtigung als erfüllt, Probleme in dieser Hinsicht wurden nicht problematisiert. So folgert z.B. Oesterreich (2002: 181):

„Frauen in der DDR fühlten sich ihren Männern gegenüber tatsächlich gleichberechtigt“. Dieses Gefühl der bestehenden Gleichberechtigung verhinderte letztendlich jedoch jede weitere Auseinandersetzung und Forderung.

In den alten Bundesländern hatte sich dagegen das Drei-Phasen-Modell entwickelt, nach dem die Frauen mit der Geburt eines Kindes aus dem Erwerbsprozess ausschieden, sich der Kindererziehung widmeten und erst später wieder eine – eingeschränkte – Erwerbstätigkeit aufnahmen, die dem Familienleben nachgeordnet war (Engstler 1998:

109 f.). Ein Anspruch auf eine eigene berufliche Karriere wurde zu Gunsten der Familie von vornherein aufgegeben. Auch das heutige Familienleitbild orientiert sich, auch wenn die Erwerbsquoten von Frauen stetig zunehmen, nach wie vor vorrangig an einem kontinuierlich vollerwerbstätigen Mann und einer nur eingeschränkt erwerbstätigen Mutter. In der Phase der Nichterwerbstätigkeit (durch Familienarbeit) ist die Frau auf das Vorhandensein eines Ernährers und im Falle der Bedürftigkeit auf das Fürsorgeprinzip des Staates angewiesen. Die Mütter in der BRD waren im Gegensatz zu denen in der DDR damit wirtschaftlich abhängig, die Frauen in der DDR konnten also einen „Gleichstellungsvorsprung“ verzeichnen (Geißler 1992). Anders als in der DDR gab es allerdings in der (alten) BRD eine offensive Frauenbewegung, die emanzipatorische Anstrengungen unternahm und immer wieder öffentliche Debatten zur Gleichberechtigung anstieß und anstößt. Diese Frauenbewegung war und ist jedoch nicht unumstritten, gerade ihre Offensivität führte zu einer teilweisen Distanzierung

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auch der Frauen selbst, und die politische Durchsetzungkraft der Bewegung ist nach wie vor begrenzt.

Nach der Übernahme des bundesdeutschen Gesellschaftssystems prallten die unterschiedlichen Modelle aufeinander. Mit der Einführung der ökonomischen, politischen und sozialen Systeme in die neuen Bundesländer wurden auch die Rahmenbedingungen der weiblichen Berufstätigkeit ebenso wie die der Kinderbetreuung übertragen. Auch wenn bis heute die Versorgung mit Kindergärten in den neuen Bundesländern nach wie vor weitergehender ist als in den alten, gleichen sich die Verhältnisse doch an, der Gleichstellungsvorsprung hat sich verringert (Oesterreich 2002). Frauen in Ostdeutschland sind stärker als Männer von Arbeitslosigkeit betroffen, auch bei der beruflichen Erstausbildung lässt sich eine stark geschlechtstypische Segregation nachweisen (vgl. z.B. Weiss und Isermann 2003). Das veränderte Erziehungssystem legt heute andere Rollenmodelle und Erziehungsideale nahe als zu Zeiten der DDR. Frauen in Ostdeutschland, so z.B. Oesterreich (2002: 181), sind nach der Wende „in eine vorher unbekannte ökonomische Abhängigkeit zu Männern geraten“. Auf der anderen Seite wurde durch die Vereinigung die vorher nicht thematisierte Fragestellung der privaten gleichberechtigten Arbeitsteilung in die öffentliche Diskussion einbezogen, also alternative – und weitergehende – Modelle der Gleichberechtigung diskutierbar gemacht, wie es zu Zeiten der DDR nicht möglich war.

Wie gehen nun Jugendliche, die anfänglich noch in der DDR sozialisiert wurden – also selbst noch mit den Gleichberechtigungsvorstellungen der ostdeutschen Mütter und Väter gross wurden – mit den heute veränderten gesellschaftlichen Bedingungen und deren Auswirkungen auf die Geschlechterrollen um? Die Jugendlichen, die heute vor dem Eintritt in die Berufswelt stehen, befinden sich im Konfliktfeld zwischen den vorgelebten Rollenbildern ihrer Eltern, die durch die DDR-Realitäten geprägt sind, und den veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, die besonders für Frauen strukturelle Benachteiligungen mit sich bringen. Die in der DDR üblichen Rollenmuster stimmen mit den heutigen gesellschaftlichen Bedingungen nicht mehr überein.

Dieser Beitrag geht der Frage nach, welche Vorstellungen ostdeutsche Jugendliche unter diesen Widersprüchen hinsichtlich ihrer eigenen Geschlechterrolle entwickeln. Vier Fragenstellungen stehen dabei im Zentrum:

1. Wie sind die Erfahrungen der Jugendlichen mit den Rollenmodellen der Eltern?

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2. Welche Rollenvorstellungen entwickeln heute weibliche ostdeutsche Jugendliche?

Inwieweit verfolgen sie auch weiterhin den in der DDR typischen Anspruch auf eine finanzielle Unabhängigkeit durch die volle Berufstätigkeit? Welchen Anspruch entwickeln weibliche Jugendliche auf eine eigenständige berufliche Karriere?

3. Welche Rollenvorstellungen entwickeln männliche Jugendliche unter den gegebenen gesellschaftlichen Widersprüchen? Inwieweit unterstützen männliche Jugendliche den Anspruch von Frauen auf eine Erwerbstätigkeit? Wie stehen männliche ostdeutsche Jugendliche zu einem möglichen Anspruch ihrer weiblichen Altersgenossen, der über die in der DDR übliche rein auf die Erwerbstätigkeit bezogene Gleichberechtigung hinausgeht?

4. Wie stehen ostdeutsche Jugendliche zur westdeutschen Frauenbewegung? Haben die ostdeutschen Mädchen die Forderungen der Frauenbewegung hinsichtlich einer weitergehenden Gleichberechtigung für sich übernommen? Wie stehen die männlichen Jugendlichen zur Frauenbewegung, die doch weit mehr von ihnen fordert als es das ostdeutsche Modell der Gleichberechtigung tat?

2. Methode

Die hier formulierten Fragestellungen werden anhand von qualitativen Daten aufgearbeitet, die in einer von der DFG geförderten Längsschnittstudie erhoben wurden (Brandenburger Jugendlängsschnitt1). Ziel der Studie war es, die Entwicklung politischer Einstellungen ostdeutscher Jugendlicher am Beispiel Brandenburgs nachzuzeichnen und zu erklären. Basis der hier vorliegenden Analyse sind leitfadengestützte Interviews von 18 Jugendlichen (neun weibliche / neun männliche), die über vier Messzeitpunkte (MZP) zwischen 1996 bis Herbst 1998 an den Erhebungen teilnahmen. Alle Jugendlichen besuchten zum MZP 1 die 10. Klasse eines Gymnasiums (16-17jährige). In dem Beitrag werden die Einstellungen und Meinungen der

1 Der Brandenburger Jugendlängsschnitt umfasst die Kooperation zweier DFG-geförderter Projekte (Teilprojekt A: an der Fachhochschule Potsdam unter Leitung von Frau Prof. Dr. Karin Weiss; Teilprojekt B: an der Universität Potsdam unter Leitung von Prof. Dr. Hans Oswald), die mit weitgehend identischem Instrumentarium die politische Sozialisation von Brandenburger Gymnasiasten (Teilprojekt B) und Gesamt- und Realschülern (Teilprojekt A) untersuchten.

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Jugendlichen als die Vielfalt von Stellungnahmen zur gesellschaftlichen Wirklichkeit vorgestellt. Die folgenden Interviewpassagen sind eine Auswahl von Antworten, die exemplarisch für vorzufindende Sichtweisen stehen.

3. Ergebnisse

3. 1. Erfahrungen der Jugendlichen hinsichtlich der Rollenmuster ihrer Eltern – Gleichberechtigung als Thema

Die Jugendlichen gehen in unterschiedlichem Maße auf die Rolle ihrer Eltern in den Sphären der Erwerbsarbeit und der privaten Lebensführung ein. Sie erleben die Berufstätigkeit beider Eltern als Selbstverständlichkeit, über die man nicht mehr reden muss. Einige der Jugendlichen erleben nach der Wende ihre Mütter auch ganz selbstverständlich als die Hauptverdiener der Familie.

T: Bei uns in der Familie ist es halt so, dass mein Vater im Prinzip den Haushalt führt, also weil meine Mutter, die geht bis spät abends arbeiten, die kann es irgendwo überhaupt nicht mehr machen. Aber, das war eben im Osten so, dass die Frau arbeiten gegangen ist.

Ich bin daran gewöhnt irgendwo, und ich empfinde es überhaupt nicht mehr anders, es ist für mich eine Selbstverständlichkeit. Ich meine es ist vielleicht nicht für alle so, aber ich persönlich sehe es eben so durch meine Erziehung und durch mein Umfeld. (männlich) Für alle Jugendlichen ist Gleichberechtigung etwas Selbstverständliches und Positives.

J: Also muss ich schon sagen, dass ich das ganz gut finde mit der Gleichberechtigung, weil früher war das ja nun so gewesen, dass die Frau nur immer, ja mein Mann hier und das und das mach ich, und die Frau war eigentlich immer nur für den Haushalt da und für die Kinder. Und daher find ich das jetzt auch ganz gut, dass Frauen eben auch arbeiten und sich selber eben, wie soll ich sagen, so weiterbilden. (weiblich)

Auch in den Fällen, wo Jugendliche eine eher traditionelle Rollenverteilung im häuslichen Bereich erleben, werden die Eltern dennoch als gleichberechtigt bezeichnet.

L: Also die (Gleichberechtigung A.d.V.) ist vorhanden, weil die Probleme oder überhaupt, wenn es Angelegenheiten gibt, wird nicht gesagt, wie das früher vielleicht war, dass da ist der Mann im Haus und er ist das Familienoberhaupt, also das gibt es überhaupt nicht, jeder hat selbst zu sagen, was er zu sagen hat und dann wird eben ein Kompromiss geschaffen. Und ich meine, damit lässt sich leben. Naja und bei der Hausarbeit, da ist es wieder so ein bisschen mehr die Tendenz zur Mutter hin, ich meine, dafür macht mein Vater dann den Garten, da wechseln sie sich wieder ab, da kommt es ja ins Gleichgewicht. (weiblich)

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D: Mein Vater, der kümmert sich mit um die Tiere. Da gehört ja der ganze Komplex hier dazu, das Haus, Notariat und das hat er sich alles erschaffen durch Arbeit, meine Mutter arbeitet hier mit drin. Und meine Mutter geht dann halt nach Hause und macht uns den Haushalt und er kümmert sich halt hier um das ganze geschäftliche. So dass das genau geteilt ist, sag ich mal. Und beide unterstützen sich gegenseitig. Also eine Hand wäscht die andere und daher denk ich mal herrscht bei uns vollkommene Gleichberechtigung jetzt in unserer Familie. (männlich)

Das Vorhandensein von Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern wird von den weiblichen und männlichen Jugendlichen sowohl an der Möglichkeit der Erwerbstätigkeit für Mann und Frau, aber auch am Umstand, dass der Mann im Ausgleich zur Arbeit der Frauen im Haushalt Arbeiten am Haus oder im Garten, Reparaturen u.a. verrichtet, gemessen. Das gemeinsame Treffen von Entscheidungen, die Möglichkeit, offen die Meinung sagen zu können, dies alles macht für die Jugendlichen Gleichberechtigung in einer Partnerschaft aus. Alle befragten Jugendlichen erleben ihre Eltern als gleichberechtigt, und keiner der Jugendlichen stellt die weibliche Berufstätigkeit in Frage. Insofern wachsen alle der befragten Jugendlichen mit dem in der DDR typischen Rollenmodell auf, die DDR-spezifischen Interpretationen von Gleichberechtigung zeigen sich weiterhin wirksam und haben damit auch Einfluss auf die Orientierungen der eigenen Rolle der Jugendlichen.

Gleichberechtigung ist in den Augen der Jugendlichen eine Selbstverständlichkeit, über die kein weiteres Wort verloren werden muss.

3. 2. Rollenvorstellungen der Mädchen

Konsequenterweise ist auch eine grundsätzliche Berufstätigkeit für die weiblichen Jugendlichen eine Selbstverständlichkeit. Ambivalent sind sie jedoch hinsichtlich der Frage, wann und wie Kinder und Berufstätigkeit miteinander zu verbinden sind, die Zukunftsvorstellungen in Bezug auf eine Familiengründung sind von Fall zu Fall unterschiedlich. So gibt es Jugendliche, die noch keine konkreten Vorstellungen haben und sehen wollen, was ihnen das Leben bringt. Gemeinsam ist der Mehrheit der hier befragten weiblichen Jugendlichen jedoch, für ihr späteres Leben in jedem Fall zunächst eine wirtschaftliche Basis schaffen zu wollen.

J: Also – ich habe mir so überlegt, wenn man so richtig Fuss gefasst hat im Berufsleben, dann würde ich gerne so ein, zwei Kinder kriegen. Wenn man den passenden Mann dazu hat, vielleicht auch heiraten, – was aber nicht unbedingt sein muss. Mal sehen, so Ende zwanzig, schätze ich mal. (weiblich)

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K: Heirat und Kinder? Sehr viel später schon, ja. Erst mal überlege ich, ob ich wirklich studiere oder mich gleich in irgendeinen Job schmeiße, wo ich irgendwie gute Zukunftschancen habe und auch irgendwie rumwursteln, alles Mögliche machen kann.

Also ich bin schon motiviert, da einen eigenen Weg zu gehen, und an Mann und Kinder irgendwie später zu denken. (weiblich)

Die Entscheidung für Kinder wird von den Jugendlichen an einer möglichst gefestigten Position im Erwerbssystem festgemacht. Kinder stellen im Vergleich zur DDR für die Jugendlichen heute einen Risikofaktor dar, der in der Lebensplanung berücksichtigt werden muss. Die Existenzsicherung in Form einer abgeschlossenen Berufsausbildung und das Vorhandensein eines Arbeitsplatzes ist für die Jugendlichen heute eine notwendige finanzielle Basis, um überhaupt an das Kinderkriegen denken zu können.

Dies führt unter anderem auch dazu, dass weibliche Jugendliche die Kinderplanung auf ein höheres Lebensalter verlegen. Es sind allerdings ausschließlich weibliche Jugendliche, die die Frage nach der dann notwendigen Vereinbarkeit von Beruf und Familie stellen. Sie sind es, die Überlegungen über die Parallelität von Beruf und Familie anstellen. Die Aussagen der Jugendlichen zeigen jedoch hier, dass sie die Vorstellung, dass Frauen zu Hause bleiben, wenn Kinder in einer Partnerschaft vorhanden sind, als überholt empfinden.

L: Na erst mal möchte ich nicht zu früh Kinder haben, nicht gleich nach der Ausbildung, das würde mich ja irgendwie hindern und mich zurückstufen, also ich hätte nicht gleich den Anschluß um weiterzuarbeiten, um im Berufsleben mir ein eigenes Standbein zu schaffen. Und ich will auch nicht, ein ganzes Jahr Kinderurlaub nehmen, man könnte das so machen ein halbes Jahr die Frau, ein halbes Jahr der Mann. Ich meine, ich bin in die Kinderkrippe gegangen und meine Schwester auch und wir haben keinen psychischen Schaden davon getragen. Ich hätte kein Problem damit, mein Kind später auch dahin zu bringen, wenn es überhaupt noch welche gibt, wenn sie bis dahin nicht schon alle geschlossen haben. Ich meine dann kann jeder weiter seiner Karriere nachgehen.

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Doch zeigen sich auch Anpassungstendenzen an die gegebenen gesellschaftlichen Bedingungen, die ein längeres Ausscheiden der Frau aus dem Berufsleben in Betracht und damit die Übernahme des BRD-Modelles in Erwägung ziehen.

N: Also ich denke mal, da würden sich schon ein paar Möglichkeiten bieten. Also – erstmal hat man ja das Babyjahr, denke ich mal. Also, dass das erste Jahr auf jeden Fall aus dem Beruf ausgestiegen wird, – und danach wird man sehen. Also ich würde im Notfall auch für länger aussteigen, kommt darauf an, was sich so anbietet. Ob man die Kinder irgendwo unterkriegt. (weiblich)

Die Möglichkeiten, den Anforderungen in Familie und Beruf gerecht zu werden, beurteilen die weiblichen Jugendlichen individuell unterschiedlich. Generell besteht bei

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ihnen jedoch der Wunsch, auch mit Kindern weiterhin einer Berufstätigkeit nachzugehen.

I: Hast du Vorstellungen, also wenn du Kinder hättest, willst du dann trotzdem arbeiten oder willst du dann Mutter sein und dich ausschließlich um Kinder kümmern?

A: Nein, also Mutter sein und Haushalt und Kinder und so, nein auf keinen Fall, das wäre für mich irgendwo ein Stillstand. (weiblich)

L: Und da würde ich auch wieder weiter arbeiten, also ich möchte nicht zuhause bleiben.

Wenn man zwei, drei Jahre aus dem Beruf raus ist, dann hat man es sicherlich schwer wieder reinzukommen. Und das möchte ich eigentlich nicht, ich möchte doch arbeiten.

Erstmal unter Menschen, man ist unabhängig gegenüber dem Mann, man verdient ja eigenes Geld und das ist doch schon ziemlich wichtig. (weiblich)

Es sind verschiedene Faktoren, die den Anspruch weiblicher Jugendlicher auf Berufstätigkeit motivieren. Zum einen geht es dabei um eine finanziell unabhängige Absicherung der eigenen und der Existenz möglichen Nachwuchses, zum zweiten besteht der Anspruch, sich über einen Beruf selbst zu verwirklichen. Dabei steht nicht unbedingt eine Karriere im Vordergrund, sondern einen Beruf zu haben, der einen erfüllt. Deutlich wird, dass weibliche Jugendliche in jedem Fall berufstätig sein wollen.

Sie übernehmen dabei aber auch meist ganz selbstverständlich die Verantwortung für die Organisation der Betreuung ihres möglichen Nachwuchses, wie dies dem DDR üblichen Rollenmodell entsprach. Normative Ansprüche werden damit übernommen und eine Selbstverortung in bestimmte Zuständigkeitsbereiche qua Geschlecht vorgenommen.

Allerdings bringen die weiblichen Jugendlichen auch zum Ausdruck, dass sie, anders als sie es vielleicht aus ihrem Elternhaus kennen, von den Männern mehr Unterstützung bei der Bewältigung des Haushaltes wünschen.

J: Aber ich denke mal so im Haushalt, da müssten die Männer ein bisschen mehr anpacken. Die denken immer Frauen naja, Haushalt und Kinder, und ich geh arbeiten.

Das finde ich nicht so gut. Wenn dann sollen beide wirklich den gleichen Anteil im Haushalt übernehmen.(weiblich)

M: Ich würde sagen gerechte Arbeitsteilung, naja, weiß ich nicht, der Haushalt wird geteilt, ich wasche ab, mein Mann trocknet ab oder irgendwie so, und bei den Kindern auch. Also alles teilen, nicht dass einer die ganze Arbeit hat, und einer liegt da vorm Fernseher rum oder so. (weiblich)

Dennoch wird eine gleichberechtigte Aufgabenverteilung nicht eingefordert, teilweise sogar abgelehnt. Die einen beziehen sich hierbei auf die Individualität jedes einzelnen

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Menschen, die anderen wünschen kaum Veränderungen im gewohnten Umgang zwischen den Geschlechtern.

B: In Bezug auf den Haushalt da denke ich mal, also da soll halt jeder das machen, was ihm liegt, also nicht diese altertümlichen Ansichten. Man sollte es halt zum Beispiel so zwischen einem Ehepaar regeln, dass die Dinge, die gemacht werden müssen, von dem halt gemacht werden, der das halt kann und dem das auch Spaß macht. Und es kommt darauf an, ob es der kann oder der andere. (weiblich)

M: Durch die Reden von ewiger Gleichberechtigung bin ich auch ziemlich beeinflusst, – weil ich auch immer sage, „nein, ich will nicht an den Herd“ und so, aber ich hab mich auch schon öfter dabei erwischt, dass ich halt sage „ja ich koche uns jetzt was oder so“.

Also – irgendwie ist es dann doch noch drin. Ich weiß nicht, ob man das jetzt auch unbedingt ausschalten müsste, es sollte irgendwie so ein Kompromiss gefunden werden.

Dass jetzt die Rollenverteilung nicht unbedingt so strikt ist, aber auch nicht so unbedingt gleichberechtigt. Also die Frau sollte immer noch ein bisschen mehr für die Küche sein, also der Schwerpunkt immer noch ein bisschen darauf liegen und so. (weiblich)

Hier kommt also eine durchaus ambivalente Haltung der jungen Frauen zu ihrer Rolle als Frauen zum Ausdruck. So sehr die Berufstätigkeit als solche von allen befragten weiblichen Jugendlichen als selbstverständlich erlebt wird, so wenig wird eine auch private gleichberechtigte Arbeitsverteilung – als Voraussetzung einer solchen Berufstätigkeit unter den veränderten gesellschaftlichen Bedingungen – als notwendig und als einzufordern angesehen.

3.2.1. Berufs- und Karrierechancen

Wie bewerten nun gerade die weiblichen Jugendlichen die Möglichkeiten, das für sie so wichtige Recht auf Arbeit umzusetzen? Wie sehen ihre Vorstellungen und konkreten Erfahrungen hinsichtlich des Lehrstellen- und Arbeitsmarktes und der Berufswahl aus?

In den Ausführungen der Jugendlichen wird deutlich, dass Jugendliche beiderlei Geschlechts Benachteiligungen von Frauen im Erwerbsbereich wahrnehmen. Es sind jedoch auch hier vorrangig weibliche Jugendliche, die Probleme bei der Lehrstellen- und Arbeitsplatzsuche tatsächlich thematisieren. Es geht dabei immer um den Sachverhalt, dass weibliche Jugendliche aufgrund ihres Geschlechtes von vornherein beim Zugang zur Berufswelt gegenüber ihren männlichen Altersgenossen benachteiligt werden. So wird darauf hingewiesen, dass weibliche Bewerber oftmals bessere Schulleistungen oder höhere Schulabschlüsse nachweisen müssen als männliche, um eine Lehrstelle im gewählten (besonders in einem männerdominierten) Beruf zu bekommen.

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I: Meinst du die Gleichberechtigung ist in Deutschland vorhanden?

J: Größtenteils denke ich mal schon. Aber so im Beruf dann, na ja, da teilt sich denke ich mal die Meinung. Ich meine klar, wenn man gut ist als Frau, aber man muss eben noch mehr zeigen wie Männer.

I: Meinst du da müsste durchaus noch was verändert werden?

J: Auch so als Bankkaufmann zum Beispiel, als Mädel da brauchst du mindestens ein Abitur und musst super gut sein und ein Junge, der kann mittelmäßig sein und kommt trotzdem dran. (weiblich)

Die weiblichen Jugendlichen fühlen sich aufgrund ihres Geschlechtes männlichen Lehrstellensuchern gegenüber benachteiligt. Sie nehmen in diesem Zusammenhang wahr, dass Frauen Unrecht widerfährt und es Veränderungen geben muss.

L: Es fängt schon bei uns in der 10. Klasse auf dem Gymnasium an, fünf Schüler wollen eine Ausbildung anfangen, da haben welche hier über 400 Bewerbungen geschrieben – aber die Jungen haben viel weniger geschrieben, da wollten zwei Jungen eine Lehrstelle bekommen und drei Mädchen, und ich meine, dass dann immer Jungs nur bevorzugt werden bei Lehrstellen, das finde ich auch nicht in Ordnung. (weiblich)

Diskriminiert fühlen sich weibliche Jugendliche auch aufgrund ihrer Aufgaben hinsichtlich der Reproduktion und Kinderbetreuung, die ihnen die Lehrstellen- und eine spätere Arbeitsplatzsuche erschweren bzw. zur Arbeitslosigkeit von Frauen führt. Es wird als Diskriminierung empfunden, wenn Frauen bereits in Bewerbungsgesprächen nach ihren Kinderwünschen befragt werden. Kritisiert wird in dem Zusammenhang auch, dass dies Männern nicht widerfährt, obwohl es heute gesetzlich geregelt ist, dass auch Männer das Erziehungsjahr nehmen können oder im Krankheitsfall der Kinder zu Hause bleiben.

J: Also 10. Klasse Abschluss das ist so schwierig jetzt, irgendwie eine Ausbildung zu finden, gerade als Mädchen. Na vor allen Dingen finde ich es auch immer schlimm, wenn sie dann sagen: „ja mit Kind ja sowieso nicht“. Ich meine klar ist so ein kleines Kind oft krank mein Gott, aber bei Gleichberechtigung könnte ja auch der Mann zu Hause bleiben nicht nur unbedingt die Frau. (weiblich)

L: Ein Junge fällt nicht so schnell aus, wenn er mal meinetwegen Kinder kriegt, bei einer Frau muss man denken: ach na ja wenn sie heiratet, bleibt sie vielleicht irgendwann zu Hause und dann stehen wir wieder da. Und wenn sie ein Kind kriegt, das Kind wird öfter krank, das seh ich bei meiner Schwester, jetzt hat sie zwar wieder eine Arbeitsstelle bloß wie lange. Oder bei Eignungstests kommt immer die Frage, wollen sie, oder haben sie später die Absicht, Kinder zu bekommen? Weil die kann man ja jetzt noch nicht beantworten. Dann ist immer gleich, wenn man sagt: Ja. Dann heißt es gleich: Und danke schön, das war es, wir melden uns in 14 Tagen, und dann war es das gewesen. Denn ich

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meine, warum heißt es immer gleich, wenn man sagt, man möchte Kinder haben, dass man auch, dass die Frau den Erziehungsurlaub nehmen muss? (weiblich)

Die Existenz von frauen- und männerdominierten Berufen wird von weiblichen Jugendlichen ebenfalls als problematisch erlebt. So thematisieren sie, dass Frauen aufgrund immer noch existierender Vorurteile in Männerberufen meistens höhere Leistungen erbringen müssen als Männer, um sich hier profilieren zu können.

B: Obwohl das auch wieder so ein Thema ist, dass sich eine Frau erstmal durchsetzen muss in so einem Männerberuf. Also eine Frau muss da vielleicht mehr leisten als ein Mann und das ist irgendwie, nein. Aber ich finde es gut, dass es überhaupt schon, ich meine vor 40 Jahren oder so, da wäre überhaupt noch nicht darüber diskutiert worden.

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Eine andere Jugendliche fühlt sich auf dem Arbeitsmarkt in frauenspezifische Berufe gedrängt und somit in ihrer Berufswahl eingeschränkt. Sie persönlich möchte nicht auf die Frauen oftmals zugeschriebene Rolle als Mutter und Hausfrau reduziert werden.

Auch einen typisch weiblichen Beruf wie Sekretärin möchte sie nicht ergreifen. Ihr schwebt ein Beruf vor, der abwechslungsreich ist und ein spezielles Können erfordert.

L: Also wenn ein Firmenchef zu entscheiden hätte, ob er jetzt einen Automechaniker oder eine Automechanikerin einstellt, wird er immer den Jungen nehmen, dass ist ganz klar.

Also eines wüsste ich, ich will nicht, ich würde nicht gleich heiraten und Kinder kriegen, und hintern Schreibtisch würde ich nicht gehen. Ja, sage ich jetzt noch, würde ich mich auch nicht so schnell setzen wollen, weil ich, naja, die Abwechslung irgendwie brauche, vielleicht zur Polizei oder Auslandskorrespondentin. (weiblich)

Dennoch stehen die weiblichen Jugendlichen einer geschlechtsspezifischen Berufswahl durchaus auch ambivalent gegenüber. Sie wird einerseits abgelehnt, andererseits wird sie aufgrund gängiger Stereotype aber dann doch auch wieder als „natürlich“ angesehen.

Ausgangspunkt der Überlegungen der Jugendlichen sind hier die unterschiedliche biologische Ausstattung von Männern bzw. Frauen.

A: Also Gleichberechtigung schon, aber irgendwie in Maßen, glaube ich. Also ich finde, dass die Frau psychisch stärker ist und der Mann physisch, also vom Bau und so.

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Andere weibliche Jugendliche reproduzieren zwar ebenfalls diese Stereotype, stellen sie jedoch gleichzeitig auch wieder in Frage. Sie verweisen eher auf die bei der Berufswahl zu berücksichtigende Individualität einer Person. Diese Jugendlichen erleben sich als Individuen mit unterschiedlichen Interessen und Fähigkeiten, ihr Geschlecht spielt in diesem Zusammenhang eine untergeordnete Rolle. Eine derartige Sichtweise wünschen sie sich auch in der Erwerbssphäre.

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A: Ich glaube, der Mann kann schon schwerere Arbeiten machen, aber das heißt nicht, dass Frauen sowas nicht könnten, Frauen können das auch, aber vielleicht anders. Es gibt Frauen, die bestimmt genauso männlich sind wie irgendein Mann, und es gibt Männer, die genauso fraulich sind wie eine Frau, ich glaube, da gibt es, das würde ich nicht einschränken, das muss jeder an sich entscheiden. (weiblich)

B: Na ich weiß nicht, ob dass jetzt, dass Männer KFZ-Mechaniker oder Schreiner sind, ob es darauf beruht, dass sie es einfach besser können, weil es gibt einen Unterschied. Es gibt klar einen Unterschied zwischen Mann und Frau auf jeden Fall, allein schon im Denken und so. Also vom Körperbau her gibt es ja auch Unterschiede. Und obwohl man kann es ja auch alles ändern irgendwie und es gibt auch genügend technische Hilfsmittel, um da irgendwelche schwere Arbeiten zu verrichten. (weiblich)

Die weiblichen Jugendlichen befinden sich hier in einem Spannungsfeld, einerseits thematisieren sie geschlechtsspezifische Benachteiligungen und Einschränkungen in der Erwerbssphäre, andererseits bestätigen sie die Richtigkeit der Konstruktion von Frauen- und Männerberufen, in dem sie auf eine „natürliche“ Geschlechterdifferenz verweisen.

Deutlich wird also in Bezug auf die Berufswahl, dass die weiblichen Jugendlichen von großen Ambivalenzen geprägt sind. Ähnlich wie für den privaten Bereich zeigt sich auch im Erwerbsbereich, dass einerseits an Stereotypen der Geschlechterdifferenz festgehalten wird, andererseits aufgrund von Benachteiligungsgefühlen und Ungerechtigkeitsempfindungen nach mehr Chancengleichheit durch Betonung der Individualität als Individuum gesucht wird.

3. 3. Vorstellungen der männlichen Jugendlichen zum Rollenmodell

Die männlichen Jugendlichen orientieren sich ebenfalls an dem in der DDR üblichen Rollenmodell. So wird eine weibliche Berufstätigkeit befürwortet.

T: Naja also wir haben ja sowieso im Osten gelebt, und da haben wir das ja eigentlich ganz anders gehandhabt, da ging ja die Frau arbeiten und so. Irgendwo wurde es uns schon anerzogen, dass die Frau die gleichen Rechte hat wie der Mann, das wurde auch in der DDR eigentlich relativ konsequent durchgeführt. (männlich)

Das Problem der Vereinbarkeit von Familie und Beruf – gerade unter den veränderten gesellschaftlichen Bedingungen einer eingeschränkten öffentlichen Unterstützung – wird hierbei jedoch nicht thematisiert. Sie delegieren dieses Problem an die Frauen. In bezug auf die Beteiligung an den familialen Aufgaben befürworten einige männliche Jugendliche zwar eine gleichberechtigte Verteilung der häuslichen Aufgaben, doch in der Regel wird eher an Mithilfe, nicht wirklich an eine gleichberechtigte Teilung der Hausarbeit und Kinderbetreuung gedacht.

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S: Na bin ich auch für, also ist auch Gleichberechtigung da. Möglich – und wird ja auch praktiziert – also es ist nicht so, dass unbedingt die Frau den Haushalt macht, sondern das macht auch mal der Mann. (männlich)

Andere sprechen sich direkter dahingehend aus, die bestehende traditionelle Verteilung der Hausarbeit auch in ihrer Partnerschaft eher beibehalten zu wollen.

A: Ich persönlich so im Haushalt? Hausarbeit ist nicht so mein Ding. Also – und meine Mutter nimmt mir das auch ab, und da bin ich ganz zufrieden – also von der Hinsicht kann ich also damit leben irgendwo. Aber dafür mache ich dann meistens auch mal was draußen. Also eher Gartenarbeit. Also, ja ist natürlich irgendwie wieder so eine Ansicht, dann sollten doch die Männer auch lieber im Haushalt mitarbeiten – oder auch gleichberechtigt helfen irgendwo, aber – da habe ich ein Problem mit. (männlich)

Die Benachteiligungen von Frauen auf dem Arbeitsmarkt wird von einigen der männlichen Jugendlichen durchaus wahrgenommen. So gehen zwei der männlichen Jugendlichen explizit auf die Benachteiligungen von Frauen aufgrund möglicher Reproduktionsleistungen und die daraus resultierenden Folgen ein.

I. Na sicherlich haben Frauen heute in dieser Gesellschaft einen schwierigen Stand, denke ich mal, von den wirklichen Machtberufen her. Weil also das stimmt, glaube ich auch wirklich, dass man Frauen nicht so gerne einstellt, wegen Schwangerschaftsurlaub halt eben. Und so eine Karrierefrauen, gut – die haben’s natürlich einfacher dann, aber das kann man glaube ich so direkt im Wirtschaftsleben gar nicht beeinflussen, wer wen einstellt. (männlich)

D: Jeder hat die gleichen Rechte, genau wie mit der Nationalität und sozialer Herkunft, jeder hat die gleichen Rechte und das ist ja im Gesetz vereinbart, denke ich mal. Steht ja drin, was man nun darf. Und genauso finde ich das auch richtig. Trotzdem finde ich es immer noch schlecht, dass Männer bevorzugt werden im Arbeitsleben. Und das kann man wieder zurückschließen auf dieses Kinderbekommen, ja? Weil eine Frau, die muss, ist auch mal krank oder muss sich mal krank melden, wenn das Kind krank ist. Ist schlimm, ich finde das grausam. (männlich)

Allerdings wird die Frage nach dem Abbau solcher Benachteiligungen oder auch die nach einer Veränderung der Männerrolle dabei in keiner Weise gestellt. Die geschlechtstypische Berufswahl aufgrund der geschlechtsspezifischen Stereotype wird ebenfalls als „normal“ empfunden.

M: Ich glaube, es ist schon in einem programmiert, dass der Mann eher für körperliche Arbeit und die Frau, ja, vielleicht eher für das Dienstwesen, also Dienstleistungen etc. Es, also so eine Herauskristallisierung, denke ich, ist schon immer dagewesen. (männlich) Auch die männlichen Jugendlichen greifen hier auf das kollektive kulturelle Muster der unterschiedlichen biologischen Ausstattung zurück, um soziale Realitäten zu begründen.

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Männlichen Jugendlichen dient dies allerdings eher als Rechtfertigung, geschlechtspezifische Berufszuweisungen beizubehalten.

T: Na also gewisse Berufe, die sind ja für Frauen gänzlich gesperrt und da gibt es dann auch Gründe für, also zum Beispiel das Militär bis auf den Sanitätsdienst und auch ein Bergarbeiter, also das sind relative Männerberufe und da muss man natürlich denn auch betrachten, dass ja erstmal die Frauen körperlich nicht so unbedingt diese Arbeit verrichten können, also in diesem Bereich anfälliger sind und denn die Psyche, darf man nicht unterschätzen, denn es ist ja erwiesen, dass Frauen zum Beispiel, also wenn sie jetzt Untertage arbeiten, schneller labil werden als Männer und das ist ja beim Militärdienst genau so. Und jetzt in den andern Berufen, es hat sich irgendwie halt so eingebürgert, also das ist eben nur Angewohnheit, man könnte das auch ändern, aber es besteht vielleicht gar nicht so ein Bedarf daran, das zu ändern. (männlich)

F: Gleichberechtigung ist immer wichtig irgendwie. Zwischen Mann und Frau, na ja , können sie ruhig machen. Ich meine, trotzdem können sie nicht irgendwie alle Berufe machen, und ich find das eigentlich ganz in Ordnung. (männlich)

Die männlichen Jugendlichen erleben die Existenz von männer- und frauenspezifischen Berufsgruppen im Gegensatz zu den weiblichen Jugendlichen nicht als Problem. Zwei von ihnen schätzen ein, dass der Zugang zu männerspezifischen Berufen für das andere Geschlecht heutzutage weitestgehend offen ist. Emanzipatorische Forderung nach mehr Chancengleichheit bei der Berufswahl finden sie daher überflüssig.

F: Es gibt sicherlich immer noch Frauen- und Männerjobs, aber ich meine, dass es jetzt noch so krass ist, dass man nach Gleichberechtigung brüllen muss. Das finde ich übertrieben. Also wie gesagt, da werden schon offene Türen eingerannt. (männlich) M: Ach ich möcht das vielleicht anders ausdrücken. Ich sage mal, die Frau kann vielleicht in Deutschland, also vielleicht zu einer Prozentzahl von 98 bis 99 % denke ich, die sie an Berufen zum Beispiel wirklich machen will, ja eben auch verwirklichen. Und vielleicht ist es ein Prozent irgendwas, vielleicht in der Bundeswehr oder so, die sie eben nicht machen kann. Aber ich denke, dass sich die Frau, wenn sie den Willen hat, das gut verwirklichen kann. Es ist schon ziemlich selten, dass es Frauen gibt, die sich Berufe mit körperlicher Anstrengung aussuchen. (männlich)

Andere gestehen den Frauen zwar ein Recht auf Arbeit zu, sprechen sich jedoch direkt dahingehend aus, dass manche traditionell bedingte Männerberufe und Führungspositionen weiterhin Männerdomäne bleiben sollten.

A: Also ich finde, dass die Frauen im Berufsleben und so eine Bereicherung sind, na eben für die Arbeitswelt, denke ich doch so, ja. Ja aber manche Führungsstellen oder so sollten denn doch, also bestimmte Berufe, die eben wirklich nur für Männer sind, sollten auch bei den Männern bleiben meiner Meinung nach.

I: Zum Beispiel was fällt dir da ein?

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A: Na die Armee, also Bundeswehr direkt. Also das ist eben die Aufgabe des Mannes und sonst schwere körperliche Arbeit ist eben auch für den Mann, ist von der Tradition so her.

Und ich meine, dass heutzutage so viele Frauen rumrennen, die dann schon in den obersten Chefetagen sitzen und so, ist gut, also hab ich nichts dagegen, sollen sie machen und ich kann auch nichts dagegen haben, also was soll ich machen. (männlich)

Auch hier zeigen sich also bei den von uns befragten Jugendlichen eher DDR- traditionelle Rollenmodelle. Während die grundsätzliche Berufstätigkeit der Frauen vollständig akzeptiert ist und nicht in Frage gestellt wird, sehen die männlichen Jugendlichen darüber hinaus keinerlei Grund zur Unterstützung, weder hinsichtlich der Rollenverteilung in der Familie, noch bei der Frage nach beruflichen Chancen und Freiheiten. Berufstätigkeit wird bejaht, genauso aber auch eine geschlechtsspezifische Segregation auf dem Arbeitsmarkt und eine DDR-typische Rollenverteilung in der Familie. Alles in allem, so scheint es, hat sich für die männlichen Jugendlichen mit der Wende nichts verändert, sie leben die Rollenmuster der DDR ungebrochen weiter.

3.4. Einstellungen zur Emanzipationsbewegung

Die emanzipatorischen Bestrebungen von Frauen haben in der (alten) BRD eine lange Tradition, und sie haben in wesentlichen Dingen dazu beigetragen, dass die Gleichberechtigung von Männern und Frauen heute zumindest formalrechtlich durchgesetzt ist. Welche Vorstellungen über die Emanzipationsbetrebungen von Frauen haben nun die befragten Jugendlichen, die erst nach der Wende damit konfrontiert wurden, und wie bewerten sie diese?

Jugendliche beiden Geschlechts äußern deutlich eine ablehnende Haltung gegenüber der Emanzipationsbewegung. Auch weibliche Jugendliche assoziieren diesen Begriff mit einer Stärkung der Position der Frau auf Kosten der männlichen Position und bewerten dies klar negativ. Es widerspricht ihrer Vorstellung von der Gleichheit der Geschlechter, die westlich tradierte Emanzipationsbewegung wird als „Ungleichheitsbewegung“

erlebt.

B: Also Gleichberechtigung ist o.k., also meine Meinung dazu ist, dass ist alles gut, wenn die Frau gleichberechtigt dem Mann ist. Und ich finde es halt nicht in Ordnung, wenn irgend jemand gegenüber dem anderen höher steht. Also wenn der Mann höher steht, dann finde ich das nicht in Ordnung, aber auch wenn die Frau höher steht, finde ich das auch nicht in Ordnung. Ich finde diese Emanzipation der Frau, das geht mir irgendwie zu weit, weil es ist ja schon wieder genau das Gegenteil, wenn sie sagen, ja sie wollen halt nicht diese Männerdominanz, sondern naja das halt umgedreht. Ich weiß nicht, ich kann mich damit irgendwie nicht so identifizieren, weil ich möchte halt Gleichberechtigung, da ist keiner höher gestellt. (weiblich)

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L: Ich denke mal, dass die Gleichberechtigung schon soweit ist, dass Frauen teilweise schon mehr Rechte sich einräumen als Männer. Was ich eigentlich auch schwachsinnig finde. Also Emanzipation und so, wenn es zu weit geht. Man sollte jetzt nicht sagen: „ja weil ihr uns jahrhundertelang unterdrückt haben, unterdrücken wir euch jetzt mal ein paar jahrhundertelang“. Also ich denke mal, wir sollten soviel gesunden Menschenverstand haben, dass wir beiden gleiche Rechte einräumen. (weiblich)

I: Du würdest dich nicht als besonders emanzipierte Frau oder so darstellen?

K: Oh Gott – Frauen, die den Spieß dann umdrehen und sich für besser halten als Männer, sind genauso schwachsinnig wie Männer, die denken, das männliche Geschlecht ist besser als das weibliche. Ich find diese Emanzen furchtbar, die dann wirklich das Matriarchat zurückwünschen, das finde ich genauso schwachsinnig, weil das Matriarchat ist vorbei, das Patriarchat ist jetzt im Ausräuchern der letzten Atemzüge. Und jetzt kann einfach nur noch die Partnerschaft kommen im Prinzip, also die Gleichberechtigung halt.

(weiblich)

Andere Jugendliche gehen noch weiter und plädieren dahingehend, den weiblichen Anspruch auf gleichberechtigte Behandlung aus Rücksichtnahme auf männliche Befindlichkeiten aufzugeben. Sie fordern einen verständnisvolleren Umgang mit Männern, wollen diesen mehr Zeit für die Auseinandersetzung mit veränderten Rollenerwartungen einräumen und lehnen Aktivitäten mit emanzipatorischem Hintergrund ab.

M: Bloß naja, ich meine, die Frauen, die sollten auch ein bisschen mehr kameradschaftlich sein, was ich sehr wichtig finde. Ich meine, die Männer müssen es sein. Ja, also die Frauen, die denken manchmal: es muss alles gleich sein. Die Frau muss gleichberechtigt sein, und die Männer: tja, nun, meine Herren, benehmen Sie sich dementsprechend, so denken manche Frauen.

I: So, Du meinst, die Frauen setzten ihre Ansprüche zu rigoros durch?

M: Ja. Das wollte ich eigentlich sagen damit. Vielleicht geht das auch ein bisschen zu schnell. Vielleicht hätten sie sich ein bisschen Zeit lassen sollen damals? Ich meine, es ist jetzt auch für die Männerwelt ein bisschen sehr plötzlich. (weiblich)

L: Aber ich denke nicht, dass man das durch Diskussionen oder durch irgendwelche Initiativen oder Emanzipationen beschleunigen kann. Das ist – weiß ich nicht – einfach eine Sache der Evolution. Das kommt so, weiß ich nicht, genau wie damals eben der Mensch entstanden ist und über dieses Tier dann halt eine Machtposition errungen hat, genauso wird irgendwann auch die Frau höhergestellt werden. Ich finde, man sollte das nicht so krass nehmen mit der Emanzipation. Weil, ich finde, – die Chancen haben Frauen schon. Ich bin echt dagegen, so krass da mit Demonstrationen und mit irgendwelchen Flugblättern und Zeitungen diese Frauenherrschaft hervorzudrücken. Das sollte einfach auf dem normalen Weg irgendwie mit Chancengleichheit erzielt werden.

(weiblich)

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Bis auf die Erklärung, in Bezug auf das Geschlechterverhältnis keine Dominanz zugunsten eines Geschlechtes zu befürworten, führen die weiblichen Jugendlichen keine Begründungen für die eher negative Sicht auf Emanzipationsbestrebungen von Frauen an. Sie empfinden die Frauenbewegung als männerfeindlich. Sie sehen den Mann als Partner und nicht als „Feind“ – wie es in ihren Augen die „westliche“

Emanzipationsbewegung tut – , und sprechen sich klar gegen die Bewegung aus. Auch hier spielt möglicherweise die DDR-Sozialisation eine wesentliche Rolle. Die Jugendlichen gehen selbstverständlich von einer bereits realisierten Gleichberechtigung der Geschlechter aus. Sie fühlen sich gleichberechtigt, wie sie es von ihren Müttern erlebt haben, obwohl sie Benachteiligungen aufgrund ihres Geschlechtes wahrnehmen.

Ein Einfordern von weiteren Rechten erscheint deshalb überflüssig oder sogar als männerfeindlich und demzufolge als Ideologie von Ungleichheit.

Die männlichen Jugendlichen beurteilen die Frauenbewegung ähnlich. Sie ist übertrieben, da Gleichberechtigung in Deutschland vorhanden ist. Die Bereitschaft, Frauen und Männern die gleichen Rechte zuzugestehen, ist nach Meinung der männlichen Jugendlichen ausreichend vorhanden.

F: Gleichberechtigung? „Au Scheiße! Au weia.“ Ich mache meine Späße darüber, also beispielsweise über diesen Versuch der gewaltsamen Gleichberechtigung. ReporterInnen, also, das sind solche kleinen Sachen, also das nervt einfach. Der große Schrei nach Gleichberechtigung ist doch überholt. Ich finde, da werden heutzutage noch Türen eingerannt, die längst offen sind. Also ich persönlich habe keinen Konflikt mit Frauen und – ganz im Gegenteil, aber ich denke manchmal diese Bewegung der Gleichberechtigung ist ein bisschen übertrieben. (männlich)

Andere männliche Jugendliche empfinden das Verhalten der Frauenbewegung bzw. von

„Emanzen“ als zu dominant. Ein Jugendlicher fühlt sich sogar eher aufgrund seines Geschlechtes angegriffen und sieht dies nicht im Sinne einer Gleichberechtigung.

A: Aber manche Frauen sind ja auch so, die haben – besonders die Emanzen da – die müssen das ja immer mit ganz äußerster Kraft versuchen da irgendwas durchzusetzen.

Und so – Gleichberechtigung so und gehen dann aber wirklich massiv vor gegen Männer.

Also das ist dann auch schon wieder nicht so ganz in dem Sinne. (männlich)

Ein anderer gar beurteilt Frauen als zu dominant, da heute bereits ein erzwungener Geschlechtsverkehr in der Ehe als Vergewaltigung gilt und gesetzlich verfolgt werden kann.

M: Gleichberechtigung der Frau speziell? Ja, ich bin der Meinung, dass es zur Zeit schon sehr, eine sehr hohe Gleichberechtigung der Frau gibt. Also, dass sie ziemlich

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in den Nachrichten, und auch, dass es schon Filme darüber gibt, also es gilt als eine Vergewaltigung der Frau, die dem Mann angetraut ist, deshalb denke ich schon, dass es eine Tendenz dahin gibt, dass vielleicht eine ganz kleine Hoheit der Frau da vielleicht überwiegt.

I: Dass die Frau sogar ein bisschen dominant ist, meinst du?

M: Ja. Da man sich ja jetzt sehr darauf konzentriert hat, irgendwie die Frau gleichberechtigt zu machen, diese Bewegung aber nicht stoppen kann, sondern dass die etwas über das Ziel hinausschießt. (männlich)

Die westliche Frauenbewegung hat also weder bei den weiblichen noch bei den männlichen Jugendlichen der neuen Bundesländer Unterstützer gewonnen. Im Gegenteil, die Bewegung wird als Bewegung für Ungleichheit empfunden. Obwohl also gerade weibliche Jugendliche sehr wohl Benachteiligungen bei der Berufswahl und auf dem Arbeitsmarkt wahrnehmen, sehen sie in der Frauenbewegung keine Hilfe zur Bewältigung dieser Benachteiligungen.

4. Resümee

Die dargestellten Vorstellungen der Jugendlichen machen deutlich, dass die in der DDR geprägten kulturellen Muster der Geschlechterhierarchie und der damit verbundenen Formen der Arbeitsteilung in Beruf und Familie auch heute noch einen wesentlichen Einfluss auf die Jugendlichen haben. Die weiblichen Jugendlichen orientieren sich weitestgehend an dem DDR-üblichen Modell der berufstätigen Frau und Mutter. Sie sind sich dabei sehr wohl einer Reihe von Benachteiligungen in der Erwerbssphäre bewusst, die sie wahrnehmen, ansprechen und als Benachteilung aufgrund des Geschlechtes bewerten. Sie nehmen die durch die veränderten Rahmenbedingungen erschwerten Voraussetzungen, wie sie ja auch beispielsweise von Nickel (1997: 26ff) hinsichtlich der Bevorzugung männlicher Lehrlinge bestätigt werden, also deutlich wahr. Ebenso wie bereits Schenk und Schlegel (1993) für ostdeutsche Frauen nachwiesen, führt dies jedoch auch bei den hier befragten weiblichen Jugendlichen nicht zu einer Reduzierung ihrer Ansprüche auf Berufstätigkeit oder auf gleichberechtigte Zugangschancen zum Arbeitsmarkt. Es zeigt sich dagegen eher, wie Trappe (1995:

218f) vermutete, eine Neueinordnung der Familienbildung im Lebenszusammenhang der ostdeutschen Mädchen. Die Jugendlichen orientieren sich eher dahin, erst eine gefestigte Position im Erwerbssystem und damit eine finanzielle Absicherung zu

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erreichen, bevor sie eine Familiengründung anstreben. Diese wird damit auf ein späteres Lebensalter verschoben. Das westliche Familienleitbild, welches sich vorrangig an einem kontinuierlich vollerwerbstätigen Mann und einer nur eingeschränkt erwerbstätigen Frau orientiert, spiegelt sich dagegen in den Vorstellungen der Jugendlichen bisher kaum wieder. Eine gar ausschließliche Konzentration auf reproduktive Tätigkeit und nur Hausfrau sein wird vollkommen abgelehnt. Das

„Hausfrauenmodell“ hat sich als kulturelles Modell in der DDR aufgelöst (vgl. auch Dölling 1991) und konnte sich bei den weiblichen Jugendlichen der ostdeutschen Bundesländer bisher auch nicht wieder etablieren.

Aber auch hinsichtlich der privaten Rollenaufteilung scheint das DDR-Modell nach wie vor existent zu sein. Die weiblichen Jugendlichen sehen sich als berufstätige Frauen, die jedoch ganz selbstverständlich auch die Hauptarbeit in der Kinderbetreuung und im Haushalt leisten. Die hiermit verbundene Doppelbelastung der Frauen wird von einem Teil der weiblichen Jugendlichen noch nicht einmal thematisiert. Die Doppelrolle der Frau haben diese Mädchen also deutlich verinnerlicht und längst in ihr Selbstbild integriert. Allerdings gibt es auch weibliche Jugendliche, die die stereotypen Zuschreibungen an Frauen hinsichtlich des Familienbereiches eher ablehnen und ihre Wünsche nach Veränderungen im Geschlechterverhältnis äußern. Hinsichtlich der privaten Rollenaufteilung zeichnet sich also ein ambivalentes Bild ab. Ähnliche Befunde zeigt die Civic-Education-Studie der IEA (vgl. Oesterreich 2003: 179 ff), die ebenfalls eine relativ hohe Zahl von jungen weiblichen Ostdeutschen ausmachte, die eine traditionelle Rollenverteilung eher ablehnen. Allerdings konstatiert Oesterreich hier eine verstärkte Übernahme traditioneller Aufgabenverteilungen unter jüngeren weiblichen Ostdeutschen, während ihre Mütter noch stärker eine gleichberechtigte Rollenverteilung favorisierten.

Auch die männlichen ostdeutschen Jugendlichen orientieren sich nach wie vor an dem in der DDR üblichen Rollenmodell. So sehen sie sich als vollberufstätige Männer, die ab und zu Unterstützung bei den familiären Aufgaben gewähren. Auch von ihnen wird also eine Rückkehr der Frau zur „Berufsmutter“ nicht propagiert. Anders als im Phasenmodell der BRD ist auch für die männlichen Befragten eine Berufstätigkeit ihrer Partnerin selbstverständlich. Allerdings ist ihre Unterstützung auf die Berufstätigkeit als solche begrenzt und bezieht nicht familiale Aufgabenverteilungen mit ein. Die vorgelebten Geschlechtsrollenbilder der Eltern haben also auch für die männlichen

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Jugendlichen nach dem Übergang in das veränderte Gesellschaftssystem der Bundesrepublik weiterhin einen starken Einfluss. Nicht nur die gleichzeitige Erwerbstätigkeit beider Elternteile wird für die eigene Partnerschaft präferiert, sondern auch die Verteilung der familiären Aufgaben am Vorbild der Eltern, die in den Augen der männlichen Jugendlichen ein gleichberechtigtes Verhältnis darstellten. Die heute veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, die allerdings eine Erwerbstätigkeit der Frauen erschweren, nehmen die männlichen Jugendlichen dabei in keiner Weise als Handlungsaufforderung wahr. Während weibliche Jugendliche sich mit den für sie negativen Folgen der Vereinigung, insbesondere auf dem Arbeitsmarkt, kritisch auseinanderzusetzen versuchen, bleiben die männlichen Jugendlichen bei den aus der DDR gewohnten Rollen. Sie sehen keinen Anlaß, ihr eigenes Verhalten zu verändern und ihre – zukünftigen – Partnerinnen zu unterstützen.

Weibliche wie männliche Jugendliche lehnen die westdeutsche Frauenbewegung deutlich ab. Zwar erheben einige der weiblichen Jugendlichen selbst Forderungen hinsichtlich einer weitergehenden Gleichberechtigung, die eigentlich aus der westdeutschen Frauenbewegung stammen. Trotzdem wird diese von ihnen generell negativ bewertet und abgelehnt. Die weiblichen Jugendlichen sehen die emanzipatorischen Bemühungen weniger als Kampf um gleiche Rechte für Frauen als eine Unterdrückung des Mannes.

Insgesamt zeichnet sich also ein durch große Ambivalenzen geprägtes Bild der Rollenvorstellungen ostdeutscher weiblicher Jugendlicher. Während einerseits an die DDR Rollenmuster fast nahtlos angeknüpft wird und Gleichberechtigung als vollzogen angesehen wird, werden doch auch die veränderten Bedingungen wahrgenommen und thematisiert. Allerdings sind es ausschließlich die weiblichen Jugendlichen, die hier auch einen Handlungsbedarf sehen, obwohl sie auf der anderen Seite in der privaten Aufgabenverteilung auch wieder an traditionelle Aufgabenteilungen anknüpfen. So werden also auf der einen Seite Berufstätigkeit und Arbeit als zentral angesehen, die Rahmenbedingungen in Familie und Arbeitsmarkt, die eine tatsächliche gleichberechtigte Berufstätigkeit ermöglichen würden, jedoch nur beschränkt eingefordert.

Offen bleibt, inwieweit sich die Geschlechtsrollenorientierungen der hier interviewten Jugendlichen verändern werden, wenn sie aus dem für sie heute noch bestehenden relativen Schutzraum der Schule heraustreten und sich mit den Bedingungen auf dem

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Arbeitsmarkt nicht nur in Gedanken, sondern auch in der Realität auseinander setzen müssen. Anzunehmen ist, dass das Thema Gleichberechtigung mit dem Eintritt in das Berufs- und Arbeitsleben gerade für weibliche Jugendliche zunehmend an Bedeutung gewinnen wird, nämlich dann, wenn für sie deutlich wird, dass ihre bisherigen Vorstellungen und Erwartungen von möglichen Lebensentwürfen nicht umsetzbar sind.

Offen bleibt allerdings auch, inwieweit dann individuelle Problemlösungen gesucht werden oder die Benachteiligungen auf dem Arbeitsmarkt oder in der Familie zu einer veränderten Haltung gegenüber den emanzipatorischen Bestrebungen der Frauenbewegung und einer Solidarisierung der Betroffenen oder ihrer Partner führen werden. Deutlich wird ja bereits, dass eine Integration von Frauen in den ostdeutschen Arbeitsmarkt sehr stark von der individuellen Qualifikation abhängt (vgl. auch Nickel 1997), was individuelle statt kollektive Problemlösungen für den Einzelnen näher legt.

Hier entstehen neue Differenzierungen und Hierarchien unter den Frauen, die gerade eine Solidarisierung der Frauen untereinander wiederum erschweren könnten. Doch auch bei kollektiven Problemlösungen erscheint die Situation der Frauen nicht einfach.

In den nach wie vor nicht abgeschlossenen Wandlungsprozessen in den Erwerbsstrukturen haben strukturelle Asymmetrien in der Geschlechterordnung eine

„selbstregulative“ Tendenz, so Nickel (1997: 28): „Sie stellen sich trotz individueller

‚Widerständigkeiten’, entgegengesetzter subjektiver Interessen und partnerschaftlicher Orientierung von Frauen und Männern her.“ Ob die ostdeutschen weiblichen Jugendlichen also eine reale Chance haben werden, ihre Rollenvorstellungen auch zu leben, wird wohl nur zum Teil von ihnen selbst, sondern weit mehr von den Bedingungen des Arbeitsmarktes abhängen.

Literatur

Dannenbeck, Clemens (1992) Einstellungen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

In: Hans Bertram (Hg.) Die Familie in den neuen Bundesländern. Stabilität und Wandel in der gesellschaftlichen Umbruchssituation. Opladen: Leske+Budrich, 239-62.

Dölling, Irene (1991) Der Mensch und sein Weib. Frauen- und Männerbilder.

Geschichtliche Ursprünge und Perspektiven. Berlin: Dietz-Verlag.

Engstler, Heribert (1998) Die Familie im Spiegel der amtlichen Statistik. 3.

Aktualisierte und erweiterte Neuauflage. Bonn: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.

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Geißler, Rainer (1992) Die Sozialstruktur Deutschlands. Opladen: Westdeutscher Verlag.

Lemke, Christiane (1991) Die Ursachen des Umbruchs 1989. Politische Sozialisation in der ehemaligen DDR. Opladen: Westdeutscher Verlag.

Nickel, Hildegard Maria (1997) Der Transformationsprozeß in Ost- und Westdeutschland und seine Folgen für das Geschlechterverhältnis. Aus Politik und Zeitgeschichte B 51/97, 20-29.

Oesterreich, Detlef (2002) Politische Bildung von 14-Jährigen in Deutschland. Studien aus dem Projekt Civic Education. Opladen: Leske + Budrich.

Priller, Eckhardt (1997) Der Dritte Sektor in den neuen Bundesländern. In: Helmut Anheimer; Eckhardt Priller (Hrsg.) Der Dritte Sektor in Deutschland.

Organisation zwischen Staat und Markt im gesellschaftlichen Wandel. Berlin: Ed.

Sigma, 99-125.

Schenk, Sabine; Schlegel, Uta (1993) Frauen in den neuen Bundesländern – Zurück in eine andere Moderne? Berliner Journal für Soziologie, 3 (3), 369-84.

Trappe, Heike (1995) Emanzipation oder Zwang? Frauen in der DDR zwischen Familie, Beruf und Sozialpolitik. Berlin: Akademie-Verlag.

Weiss, Karin; Isermann, Katrin (2003) Der Übergang von der Schule in den Beruf ostdeutscher Jugendlicher – Geschlechtsspezifische Besonderheiten bei Berufseintritt und Berufseinschätzung. Potsdamer Studien zur Frauen- und Geschlechterforschung, 7 Jg. Heft 2003: Geschlechterverhältnisse in Ostdeutschland, 87-111.

Biographische Angaben

Karin Weiss: Dr. Dipl. Päd., Professorin für Sozialpädagogik an der Fachhochschule Potsdam; Forschungsschwerpunkte: Sozialisationsforschung, Institutionelle Erziehung, Migration und Interkulturelle Pädagogik

Janette Brauer: Dipl. Päd., ehemalige Mitarbeiterin im DFG-Forschungsprojekt zur politischen Sozialisation Jugendlicher in Brandenburg an der FH Potsdam, Fachbereich Sozialwesen, derzeit Promotionsstudentin der Hans-Böckler-Stiftung;

Forschungsschwerpunkte: Geschichte der Gehörlosenpädagogik; Sozialisations- forschung

Referenzen

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Chamakalayil, Lalitha, Diplom-Psychologin, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut Kinder- und Jugendhilfe, Hochschule für Soziale Arbeit FHNW, Schwerpunkte: Soziale