Aufsätze • Notizen
BRIEFE AN DIE REDAKTION
STELLENANZEIGEN
Der Verfasser dieses Briefes ist ein eifri- ger Leser des Kleinanzeigenteiles des DEUTSCHEN ÄRZTEBLATTES, wie schon sein Brief in Heft 13/1979 auswies:
Zwickmühle
Ja, ich beschäftige mich intensiv mit dem Stellenanzeiger des Deutschen Ärzteblattes. Warum? Nun, ich möchte gerne wissen, was verlangt und was geboten wird . . . Eigent- lich sollte es ja klar sein, was ver- langt wird. Da es sich um eine ärztli- che Wochenschrift handelt, wird we- der Taufschein noch Staatsbürger- schaftsnachweis, sondern medizini- sche Sachkunde verlangt. Folge- richtig wird weiter hinten im Klein- gedruckten ebensolche Sachkunde geboten. Die Wahl sollte also nicht schwerfallen, weder für das großfor- matige Stellenangebot des Kranken- hauses Strausshausen i. t. M.*) noch für die kleinzeilige Stellensuche des Arztes Y aus Somewherien. Doch weit gefehlt, da heißt es in den er- sten Zeilen des Großformates: deut- sche Ärzte mögen sich mit den übli- chen Unterlagen bewerben, wäh- rend sich in den ersten Zeilen der Kleinanzeige mehr oder minder ver- schämt ein afrikanischer, sprich schwarzer, vorderasiatischer, sprich brauner, oder ostasiatischer, sprich gelber, Kollege zu erkennen gibt. In den letzten Zeilen des Großformates aus Strausshausen wird ein anstän- diges Glaubensbekenntnis verlangt.
Der Suchende geht wohl aus Grün- den des Zeilenpreises in der Regel auf diese Kleinigkeit nicht ein. Nun sind beides, Nationalität (bzw. Haut- farbe) und Glaubensbekenntnis (bzw. dessen Fehlen), Merkmale, die vom Grundgesetz ausdrücklich als Ausleseprinzipien verneint wer- den . Man stelle sich nun die Zwickmühle vor, in die das Kurato- rium aus Strausshausen i. t. M.*) ge- rät, das bei Abfassung seines Groß- formates versäumte, nur deutsche Ärzte anzusprechen (wer wird denn so chauvinistisch sein?), wohl aber einen katholischen Bewerber er- munterte (wer wollte dagegen wohl etwas sagen)? Nun meldet sich ein Chinese, der sich bei näherem Hin-
sehen als treuer, gelber Katholik er- weist und, um die Sache noch kniff- liger zu machen, über genau den Sachverstand verfügt, der verlangt wurde. Bleibt diese Stelle unbe- setzt? (*) i. t. M = im tiefen Mittel- alter)
Dr. med. U. Steenblock Kantonsspital
Basel/Schweiz
AUSBILDUNG
Zu dem Bericht über die Ergebnisse der
„Kleinen Kommission zu Fragen der ärzt- lichen Ausbildung": „Mehr Praxis in die Ausbildung!" (Heft 46/1979) erreichte uns Mitte Januar folgender Brief:
Utopie
Schon die Forderung der Über- schrift „Mehr Praxis in die Ausbil- dung!", ist eine Utopie. Falls Herr Kollege Hoppe Kinder in der Ausbil- dung hätte, wüßte er wahrscheinlich mehr darüber, als Pathologe meint er aber, daß alle Studienobjekte in der Ausbildung der Ärzte so tolerant sind wie sein „Anschauungsmate- rial". „Mehr Praxis in die Ausbil- dung" scheitert nicht an irgendeiner Art der Approbationsordnung, son- dern fast allein an den Studenten- zahlen, für die niemals genügend Patienten vorhanden sein können.
Neue Definitionen des Ausbildungs- zieles bringen hier gar nichts. Außer- dem weiß man längst, was der Arzt — sprich Hausarzt, um diesen geht es, nicht um einen imaginären Basis- arzt —, können muß. Er kann in kei- nem Fall aus der Universität hervor- gehen, das war noch nie der Fall, immer hatte er vor der Niederlas- sung eine Weiterbildung (früher ein Jahr Pflichtassistentenzeit), und je- der von uns hat damals noch Jahre darüber hinaus angehängt, um spä- ter bestehen zu können. Man brauchte dazu weder Kommissionen der Bundesärztekammer noch Emp- fehlungen der Konzertierten Aktion oder Kleine Kommissionen. Aber das normale Augenmaß scheint al- len diesen Kommissionen zu fehlen, denn sie bemühen sich um ein un- lösbares Problem, nämlich 40 000 überflüssigen Ärzten die nötige Wei-
terbildung zu ermöglichen oder sie schon als fertige Ärzte aus den Uni- versitäten zu entlassen. Je nach den Beziehungen der Kommission zu den Geldgebern für ein zum Schei- tern verurteiltes Unterfangen schie- ben sie die praktische Tätigkeit in die Ausbildung oder in die Weiterbil- dung. Jeder weiß jedoch, daß die Ausbildung zur Erreichung des Zie- les untauglich ist. Sicher ist nur, daß nur der weitergebildete Allgemein- arzt die Fähigkeit haben kann, unser diffiziles Gesundheitswesen zu er- halten und dem Patienten das sein kann, was dieser ob seiner immen- sen Ausgaben dafür erwarten darf.
Wenn kein Geld und keine Stellen für die Weiterbildung des Hausarz- tes da sind, dann muß man eben die massive Fehlentwicklung stoppen und das jetzt unzulängliche Recht für die Begrenzung der Studenten- zahlen ändern. Denn wer hat das
„Recht", dem Steuerzahler 22 Mil- liarden (und das benötigen 40 000 überflüssige Ärzte bis 1990) aus der Tasche zu ziehen und dabei gleich- zeitig zu behaupten, es fehle Geld für die Weiterbildung der Hausärz- te? Die Anwendung des Begriffes
„Zwangsweiterbildung" für die obli- gatorische Weiterbildung zum Allge- meinarzt mutet geradezu grotesk an.
Sie erinnert an den Sprachgebrauch
„Berufsverbot" der offiziellen Publi- kationsorgane der DDR für sattsam bekannte Tatbestände. Die Lösung des Problems kann jetzt nur mehr eine politische sein, nur der Bundes- tag kann beschließen. Ärzteverbän- de, KVen und Kambern können nur Empfehlungen geben. Die bisheri- gen Empfehlungen der verantwortli- chen Körperschaften haben bis jetzt wenigstens nicht das Interesse der Bevölkerung, sondern nur die lobby- istische Brillensicht einer Vertretung von Angestellten erkennen lassen.
Es bleibt nur die Hoffnung, daß nie- mand im Bundestag die Fehlinvesti- tion von 22 Milliarden DM verant- worten will.
Dr. med. W. Zierhut 1. Vorsitzender der
Vereinigung der Praktischen und Allgemeinärzte Bayerns Ludmillastraße 13
8000 München 90
554 Heft 9 vom 28. Februar 1980 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT