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Archiv "Karotis- Thrombendarteriektomie: Wirksamkeitsnachweis bei symptomatischen hochgradigen Stenosen" (20.11.1992)

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DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT

DIE ÜBERSICHT

Karotis-

Thrombendarteriektomie

Wirksamkeitsnachweis bei symptomatischen hochgradigen Stenosen

Ergebnisse

multizentrischer Studien zur differenzierten Indikationsstellung

Günter Krämer*

eit der ersten Vermutung eines ursächlichen Zu- sammenhanges zwischen einer Stenose der Arteria carotis interna (ACI) und ipsilateralen zerebralen Ischämien sowie der ersten Thrombendarte- riektomie (TEA) vor rund 40 Jahren (6, 10) haben operative Prophylaxe- und Behandlungsverfahren eine zu- nehmende Verbreitung gefunden.

Dies erstaunte angesichts der negati- ven Ergebnisse der beiden einzigen bislang durchgeführten randomisier- ten Studien, die bei allerdings nur kleiner Patientenzahl keinen Vorteil für operativ im Vergleich zu nur me- dikamentös Behandelten erbracht hatten. (8 [n = 316], 16 [n = 41]). So hatte die nordamerikanische Joint Study of Extracranial Arterial Dis- ease (8) zwar eine niedrigere Schlag- anfallhäufigkeit bei den Patienten nachgewiesen, bei denen der Eingriff komplikationslos verlaufen war. Eine hohe perioperative Komplikationsra- te von über 11 Prozent machte die- sen Effekt jedoch zunichte.

Bei höchstens 30 Prozent aller ischämischen Insulte findet sich eine Karotisstenose als Ursache.

Obwohl Endarteriektomien derar- tiger Stenosen seit vielen Jahren zu den häufigsten gefäßchirurgi- schen Eingriffen zählen, war eine empirisch begründbare Nutzen- Risiko-Abschätzung bislang kaum möglich. Die — wenn auch zum Teil noch vorläufigen — Ergebnis- se zweier großer prospektiver Un- tersuchungen erlauben jetzt klare Indikationsstellungen bei sympto- matischen Stenosen mit über 70 Prozent Lumeneinengung.

Parallel zu dem Ergebnis der in- ternationalen Extra-Intrakraniellen Bypass-Studie ohne Nachweis einer Wirksamkeit dieses Eingriffes bei Karotisverschlüssen (7) wurde auch die Diskussion über den Nutzen der TEA bei ACI-Stenosen neu belebt (12, 13, 21). Das Hauptproblem bei der Nutzen-Risiko-Abwägung be- stand in unakzeptabel hohen peri- operativen Komplikationsraten mit einer durchschnittlichen Sterblich- keit von immerhin 2,8 Prozent in den USA Anfang der 80er Jahre (4). Ei- ne weitgehend identische Komplika- tionsrate wurde 1988 für 1302 Pa- tienten aus drei Regionen der USA berichtet (23). Bei einer von diesen Autoren durchgeführten Experten- befragung nach der Angemessenheit des Eingriffs zeigten sich zudem gro- ße Unsicherheiten in der Indikati- onsstellung: retrospektiv wurde je- weils rund ein Drittel der Operatio- nen für indiziert, fraglich indiziert und nicht indiziert gehalten.

Eine Klärung dieser unbefriedi- genden Situation ist nur durch multi-

zentrische kooperative Studien mit großen Patientenzahlen möglich.

Kürzlich wurden zwei derartige Stu- dien bei symptomatischen Karotis- stenosen durchgeführt und Zwi- schenauswertungen vorgelegt: die

„European Carotid Surgery Trial"

(ECST; European Carotid Surgery Trialist's Collaborative Group 1991 [5]) und die „North American Sym- ptomatic Carotid Endarterectomy Trial" (NASCET; North American Symptomatic Carotid Endarterecto- my Trial Collaborators 1991 [15]).

An der ECST haben die hier berich- tenden Kliniken teilgenommen. Die Ergebnisse der Zwischenauswertung werden vorgestellt und die Konse- quenzen für die Indikationsstellung und das praktische Vorgehen be- sprochen.

ECST-Ergebnisse

Seit 1981 wurden an über 80 Zentren aus 14 europäischen Län- dern mehr als 2500 Patienten in die Studie aufgenommen (zu den Pa- tientenzahlen der deutschen Zen- tren siehe Abbildung 1). Die durch- schnittliche Nachbeobachtungszeit von 2200 Patienten mit mindestens einer Verlaufsuntersuchung betrug am 1. Januar 1991 nahezu drei Jahre.

Die wichtigsten Einschlußkriterien waren zerebrale (transitorische ischämische Attacke [TIA], prolon- giertes reversibles neurologisches Defizit [PRIND] oder leichter In- farkt) oder retinale Ischämien (Amaurosis fugax, Retina-Infarkt) im Versorgungsgebiet der ACI wäh- rend der vorausgegangenen sechs Monate, bei denen sich angiogra-

* Die weiteren Mitglieder der Autorengrup- pe sind am Schluß dieser Arbeit genannt.

A1-4006 (52) Dt. Ärztebl. 89, Heft 47, 20. November 1992

(2)

-

6

114

41

42

79 Heidelberg

Berlin

Freiburg

Minden

Mainz

Abbildung 1: Deutsche Zentren, die an der ECST-Studie teilgenommen haben, mit den je- weiligen Patientenzahlen

phisch eine wahrscheinlich ursächli- che Karotisstenose nachweisen ließ.

Es wurden nur solche Patienten in die Studie aufgenommen, bei de- nen sich die betreuenden Ärzte des jeweiligen Zentrums unsicher waren, ob sie von einer Operation profitie- ren oder nicht (Abbildung 2). Patien- ten, die nach Ansicht der betreuen- den Ärzte mit ausreichender Sicher- heit von einer Operation profitierten oder bei denen eine Operation — aus welchen Gründen auch immer — nicht gerechtfertigt erschien, wurden nicht aufgenommen Jedes Zentrum konnte also zusätzliche Ein- und Ausschlußkriterien definieren. Im wesentlichen betraf dies den Steno- segrad. Es wurde unterstellt, daß in Anbetracht der vielen Zentren mit unterschiedlichen Auffassungen alle Stenosegrade ausreichend vertreten sein würden, was auch eingetreten ist.

Die Randomisierung erfolgte in einem Verhältnis 3:2 zugunsten der Operation. Der lokale Stenosegrad (22) der ACI wurde angiographisch beurteilt und in leicht- (0 bis 29 Pro- zent), mittel- (30 bis 69 Prozent) und hochgradig (70 bis 99 Prozent) un- terteilt. Alle Patienten erhielten un- abhängig von einer eventuellen Ope- ration die bestmögliche medikamen- töse Behandlung: Empfehlung zum Einstellen des Rauchens, bei gegebe- ner Verträglichkeit die Gabe von Acyetylsalizylsäure (ASS) oder eines anderen Thrombozytenaggregations- hemmers sowie gegebenenfalls eine antihypertensive Therapie. Insge- samt handelt es sich also um einen Vergleich der kombinierten opera- tiv-medikamentösen Therapie gegen eine alleinige medikamentöse Pro- phylaxe.

Die wichtigsten Zwischenergeb- nisse der ECST-Studie für 778 Pa- tienten mit hochgradigen Stenosen (70 bis 99 Prozent Lumeneinengung;

Randomisierung operativ: medika- mentös = 455:323) sind in den Abbil- dungen 3a und 3b sowie Tabellen 1 und 2 zusammengefaßt. Die hier dar- gestellten Analysen beziehen sich in erster Linie auf schwere oder tödli- che Schlaganfälle (Ischämien und Blutungen) sowie alle Todesfälle an- derer Ursache, wobei Herzinfarkte eine herausragende Rolle spielen.

Tabelle 1: Perioperative Kom- plikationen (Tod und/oder Schlaganfall innerhalb von 30 Tagen

—Tod 4

—Tod/schwerer Schlaganfall 17 (3,7%)

—Tod/alle Schlaganfälle 34 (7,5%) Die Auswertung erfolgte zunächst für zur ACI-Stenose ipsilaterale Hirninfarkte, daneben wurden aber auch alle anderen Schlaganfälle be- rücksichtigt. Zusätzlich erfolgte eine Analyse unter Einbeziehung auch leichterer Schlaganfälle, deren klini- sche Zeichen aber mindestens eine Woche lang nachweisbar gewesen waren.

Die operative Komplikationsra- te betrug für schwere Schlaganfälle (Ischämien und Blutungen) und töd- liche Komplikationen 3,7 Prozent (Tod alleine < 1 Prozent), unter Einbeziehung auch leichter Schlag- anfälle 7,5 Prozent. Nach erfolgreich überstandener Operation war das Schlaganfallrisiko im Vergleich zu der ausschließlich medikamentös be- handelten Gruppe deutlich redu- ziert: für alle auf der operierten Sei- te auftretenden schweren und tödli- chen Ischämien auf zirka ein Achtel (5/455 gegenüber 27/323; Abbildung 3a). Dabei wurde das Hirninfarktri- siko durch die Operation in den er-

sten sechs postoperativen Monaten im Vergleich zu der ausschließlich medikamentös behandelten Gruppe am deutlichsten verringert, während sich danach ein nahezu paralleler Verlauf einstellte. Bei Berücksichti- gung aller schweren und tödlichen Schlaganfälle — unabhängig vom Stromgebiet und unter Einschluß von Blutungen — war der Unter- schied mit einer Risikominderung auf rund die Hälfte weniger deutlich (28/455 gegenüber 33/323; Abbildung 3 b).

Bezieht man die schon erwähnte perioperative Komplikationsrate von 3,7 Prozent in die Berechnung ein, so zeigte sich erwartungsgemäß bei den Operierten zunächst eine höhere Rate an schweren Schlaganfällen und tödlichen Verläufen; diese peri- operative Risikoerhöhung wurde je- doch schon nach wenigen Monaten ausgeglichen.

Eine Analyse unter Einbezie- hung auch der leichten Schlaganfälle ergab nur geringfügig schwächere Vorteile zugunsten der Operation.

Bei alleiniger Betrachtung der ipsila- teralen Ischämien zeigte sich eine Risikominderung auf rund ein Sechstel (9/455 gegenüber 44/323), bei Einschluß aller Schlaganfälle im- mer noch auf knapp die Hälfte (52/455 gegenüber 59/323).

Diese Ergebnisse der ECST-Stu-

die bei hochgradigen Stenosen wer- den durch die weitgehend identi- schen Resultate der nordamerikani- Dt. Ärztebl. 89, Heft 47, 20. November 1992 (55) A1-4009

(3)

Betreuende Ärzte "relativ sicher", daß eine Operation indiziert ist:

kein Einschluß in die Studie

1

Transiente ischämische Attacke, leichter Infarkt oder retinale Ischämie im Versorgungsgebiet der Arterie carotis interne (ACI)

während der vorausgegangenen 6 Monate

Aufklärung des Patienten, eine Operation in Erwägung zu ziehen

II

Durchführung der Karotisangiographie

Betreuende Ärzte "relativ sicher", daß eine Operation nicht gerechtfertigt

ist: kein Einschluß in die Studie

Betreuende Ärzte "im wesentlichen unsicher", ob der Patient von einer Operation profitiert oder nicht:

telefonische Randomisierung über das ECST-Büro:

60 % sofortige Operation versus 40 % alleinige medikamentäse Behandlung

1

Studienzentrum: Bestimmung des Stenosegrades auf der klinisch relevanten Seite der Angiographie vor Randomisierung, d. h. der

"symptomatischen" ACI

leichte Stenose mittelgradige hochgradige (0 - 29 %) Stenose (30 - 69 %) Stenose (70 - 99 %)

schen NASCET-Studie bestätigt. In dieser Untersuchung wurden 659 Pa- tienten mit einer mindestens 70pro- zentigen ACI-Stenose untersucht, die innerhalb der vorangegangenen vier Monate eine TIA oder einen leichten Hirninfarkt erlitten hatten.

Die Randomisierung erfolgte im Verhältnis 1:1. Das Risiko eines in den folgenden zwei Jahren auftre- tenden Schlaganfalls betrug bei den 328 operierten Patienten neun Pro- zent, während es bei den 331 aus- schließlich medikamentös behandel- ten Patienten bei 26 Prozent lag.

Im Gegensatz zu diesen ein- drucksvollen Resultaten beider Stu- dien bei hochgradigen Stenosen war in der ECST-Studie bei leichtgradi- gen Stenosen (0 bis 29 Prozent) kein Nutzen der Operation erkennbar:

Sowohl bei den 219 operierten als auch bei den 155 allein medika- mentös behandelten Patienten war der Langzeitverlauf extrem gutartig (zum Beispiel nur 1/219 und 0/155 ip- silaterale schwere oder tödliche Hirninfarkte). Dies erklärt, daß das perioperative Risiko von 2,3 Prozent während der Nachbeobachtung nicht mehr ausgeglichen werden konnte.

Auch unter Berücksichtigung leich- terer Infarkte und Blutungen in allen Stromgebieten war kein Nutzen der Operation erkennbar.

Konsequenzen für die Indikationsstellung

Sowohl die europäische ECST- als auch die nordamerikanische NASCET-Studie haben große Be- deutung für die Entwicklung geeig- neter Strategien zur Verhütung von Schlaganfällen. Die lange Zeit teil- weise sehr kontrovers geführte Dis- kussion über die Indikation der Ka- rotis-TEA kann zumindest in Teil- aspekten durch diese beiden vonein- ander unabhängigen, großangeleg- ten Studien mit aussagekräftiger Me- thodik beendet werden.

Die positiven Ergebnisse bei Pa- tienten mit hochgradiger ACI-Steno- se (?--- 70 Prozent) beruhen aber auf zwei wesentlichen Voraussetzungen:

einer kritischen Auswahl der zur Operation vorgesehenen Patienten und einem vertretbar niedrigen peri- operativen Komplikationsrisiko.

Abbildung 2: Sche- matische Darstellung des Vorgehens bei der Studie nach dem Prinzip der „thera- peutischen Unsicher- heit'.

Außerdem gelten die Studiener- gebnisse nur für innerhalb der letz- ten sechs Monate vor einer TEA symptomatische ACI-Stenosen. Eine symptomatische Stenose liegt dann vor, wenn sie die wahrscheinliche Ursache einer Durchblutungsstörung in ihrem Versorgungsbereich ist, das heißt andere Ursachen nicht in Be- tracht kommen oder unwahrschein- lich sind. Für Patienten mit länger als sechs Monate zurückliegenden Ereignissen können aus den vorlie- genden Studienergebnissen allenfalls vorsichtige Analogieschlüsse gezo- gen werden.

Die bislang übliche klinische Einteilung zerebraler oder retinaler Ischämien allein nach der Beschwer- dedauer (TIA oder Amaurosis fugax, PRIND, Infarkt) ist unzureichend und in den letzten Jahren durch Be- rücksichtigung pathogenetischer und funktioneller Aspekte ergänzt wor- den. Die Indikationsstellung für eine eventuelle prophylaktische Operati- on muß daher — wie bei ECST und NASCET — klinische wie apparative Gesichtspunkte berücksichtigen. Be- reits abgelaufene ischämische Ereig-

nisse dürfen nicht so schwerwiegend sein, daß eine Rezidivprophylaxe sinnlos erscheint. Dabei kann es sich sowohl um eine oder mehrere TIAs, als auch einen kompletten Infarkt handeln, bei dem das neurologische Defizit funktionell nicht allzu schwerwiegend ist.

So problematisch wie eine allei- nige Berücksichtigung des zeitlichen Verlaufes wäre eine zu strenge Fixie- rung auf den Stenosegrad als einzi- gem Parameter für die Entscheidung zur Operation. Abgesehen von der Ungenauigkeit entsprechender Ein- schätzungen im Bereich von minde- stens ± zehn Prozent kann es nicht sinnvoll sein, jede 75prozentige Ste- nose zu operieren und jede 65pro- zentige nur medikamentös zu behan- deln.

Neben dem Nachweis einer für die Ischämie verantwortlichen „signi- fikanten" ACI-Läsion ist zum Bei- spiel das Fehlen von ursächlich wahrscheinlicheren anderen Patho- mechanismen (zum Beispiel Vorhof- flimmern) zu fordern. Das Ausmaß der Karotisläsion auf der betroffe- nen Seite sollte in der Regel auch A1-4010 (56) Dt. Ärztebl. 89, Heft 47, 20. November 1992

(4)

94.0

89.0 90

80

% ohne schweren oder tödlichen Schlaganfall (einschl. postoperative Letalität innerh. 30 Tage

100

'''''''''''''' ... ...

28/455 operat. Therapie

— 33/323 med. Therapie

0 1 2 3 Jahre

a)

% ohne ipsilateralen schweren oder ischämischen Infarkt

100

91,6 90 -

80 -

5/455 operat. Therapie

— 27/323 med. Therapie

2 3 Jahre

b)

stärker als auf der asymptomatischen und extrakraniell ausgeprägter als intrakraniell (einschließlich Siphon- abschnitt) sein, und es sollte auch kein schwerer diffuser intrakraniel- ler Gefäßprozeß, etwa mit multiplen lakunären Infarkten, vorliegen.

Auch alleinige ischämische Sympto- me im vertebrobasilären Stromgebiet oder Synkopen sind keine Indikation für eine Karotis-TEA (1, 14).

Im Hinblick auf eine periopera- tive Morbidität und Mortalität von maximal acht Prozent ist zu fordern, daß die Karotis-TEA nur von ausrei- chend erfahrenen Gefäßchirurgen durchgeführt wird. Allgemeine Kon- traindikationen wie schwere All- gemeinerkrankungen einschließlich unkontrolliertem Diabetes mellitus und Hypertonus sowie Karzinome mit einer reduzierten Lebenserwar- tung sind zu berücksichtigen (18).

Daraus ergibt sich die folgende Vor- gehensweise:

Symptomatische hochgradige Stenosen 70 Prozent)

Die Ergebnisse sowohl der ECST- als auch der NASCET-Studie lassen unter den dargestellen Vor- aussetzungen für hochgradige ACI- Stenosen einen klaren Nutzen der Operation erkennen.

Symptomatische mittelgradige Stenosen (30 bis 69 Prozent) Hier liegen sowohl aus der ECST- als auch NASCET-Studie noch keine Ergebnisse vor. Da aus statistischen Gründen hier größere Patientenzahlen erforderlich sind als bei hochgradigen Stenosen, um gege- benenfalls signifikante Ergebnisse zu erhalten, wird es noch einige Jahre dauern, bis gesicherte Empfehlun- gen ausgesprochen werden können.

Symptomatische leichtgradige Stenosen (< 30 Prozent)

Für Patienten mit leichtgradigen ACI-Stenosen besteht nach der ECST-Studie in aller Regel keine Operationsindikation. In die NAS- CET-Studie wurden entsprechende Patienten nicht aufgenommen

Abbildung 3: Life- Table-Analysen — Vergleich des Ver- laufs innerhalb von drei Jahren nach Randomisierung. a) Inzidenz ipsilateraler schwerer oder tödli- cher Hirninfarkte nach komplikationlos überstandener Ope- ration; b) Inzidenz al- ler schweren oder tödlichen Schlagan- fälle (Ischämien und Blutungen) unter Ein- schluß der periopera- tiven Insulte und To- desfälle

Kommt es allerdings unter medi- kamentöser Therapie zu rezidivie- renden homolateralen Symptomen, ist eine Operationsindikation zu er- wägen, wenn andere Emboliequellen und eine epileptische oder andere Genese (zum Beispiel fokale sensi- ble Anfälle oder Migräne-Attacken) eindeutig ausgeschlossen sind.

Asymptomatische Stenosen Bei asymptomatischen Patienten ist die Indikationsstellung zum ope- rativen Eingriff besonders problema- tisch. Studien zum Spontanverlauf zeigten weitgehend übereinstim- mend ein ipsilaterales Hirninfarktri- siko unter ein Prozent. In der multi- zentrischen deutschen CASANO- VA-Studie (Carotid Artery Stenosis with Asymptomatic Narrowing: Ope- ration Versus Aspirin) wurden 404 Patienten mit 50- bis 90prozentiger ACI-Stenose randomisiert unter-

sucht, ohne daß sich ein Vorteil für die prophylaktische Operation zeig- te. Die Komplikationsrate (Tod, Schlaganfall, permanente Hirnner- venläsion) lag bei 6,9 Prozent (19).

Drei in den USA laufende Studien sind noch nicht abgeschlossen, und bislang sind auch keine Zwischen- auswertungen bekannt

Bei Patienten mit asymptomati- schen einseitigen ACI-Stenosen be- steht in aller Regel keine Operati- onsindikation (siehe auch 3, 11).

Mögliche Ausnahmen können bei fi- liformen Stenosen (90 bis 99 Pro- zent) sowie bei der Kombination von hochgradigen Stenosen (,>- 70 Pro- zent) mit kontralateralem ACI-Ver- schluß und Nachweis einer reduzier- ten intrakraniellen Reservekapazität der Kollateralversorgung erwogen werden. Hochgradige asymptomati- sche ACI-Stenosen ohne diese zu- sätzlichen Befunde sind im allgemei- nen keine Operationsindikation, da A1-4012 (58) Dt. Ärztebl. 89, Heft 47, 20. November 1992

(5)

27 3

5 5 1

1

0 1

45 * 9 3 2

9 6 2 1

L

Tabelle 2: Todesfälle, Todesursachen und Inzidenz von Schlaganfäl- len innerhalb von drei Jahren

58 (18%) 18 (4%) gesamt

a) Todesfälle und -ursachen (über drei ohne

Jahre) Operation

(n = 323)

mit Operation (n = 455) Op. und/oder Schlaganfall

—andere vaskuläre Ursachen (z. B. Herzinfarkt)

—nicht vaskulär

—unklar

9 32 3 1

gesamt 41 (12,7%) 45 (9,9%)

b) schwere und/oder tödliche Schlaganfälle

gesamt 32 (9,9%) 11 (2,4%)

- ipsilaterale Infarkte kontralaterale Infarkte

—vertebrobasiläre Infarkte

—Blutungen

c) alle Schlaganfälle

—ipsilaterale Infarkte

—kontralaterale Infarkte

—vertebrobasiläre Infarkte

—Blutungen

* ein Patient wurde ein Jahr nach Randomisierung Oper ert und erlitt perioperativ einen schweren Insult.

10 25 6 0

sie eine vergleichsweise günstige Prognose unter konservativer Thera- pie haben (2).

Akuter Hirninfarkt

Beim akuten Hirninfarkt besteht nach wie vor keine Operationsindi- kation. Die bisherigen Erfahrungen haben eine extrem hohe Komplikati- onsrate gezeigt (Mortalität bis zu 50 Prozent; 9). Mögliche Ausnahmen sind ein trotz Antikoagulation fluk- tuierendes neurologisches Defizit bei hochgradiger ACI-Stenose (17) sowie unter Umständen frische ex- trakranielle Gefäßverschlüsse als Komplikation von Karotisoperatio- nen oder Angiographien.

Allzu optimistischen Einschät- zungen, daß durch rechtzeitige gefäßchirurgische Eingriffe in Deutschland jährlich 15 000 tödlich verlaufende Hirninfarkte verhindert

werden könnten (20), sind nicht halt- bar.

In Deutschland kommen pro Jahr etwa 6000 TIA oder leichte Schlaganfälle mit dazu korrelieren- den hochgradigen Karotisstenosen vor. Bei einem Hirninfarktrisiko von zirka sechs Prozent pro Jahr, ohne Operation einen Hirn- oder Herzin- farkt zu erleiden oder zu versterben, errechnen sich etwa 300 bis 400 Pa- tienten pro Jahr, bei denen die Ope- ration nützlich sein könnte. Dabei ist die perioperative Komplikationsrate noch zu berücksichtigen. Bei etwa 150 000 Schlaganfällen pro Jahr ist dies nur ein bescheidener, aber den- noch wesentlicher Beitrag der Ge- fäßchirurgie zur Verhinderung von Schlaganfällen. Die wichtigsten Gründe für diese nur relativ seltene Chance einer operativen Hirnin- farktprophylake liegen darin, daß die meisten Schlaganfälle ohne Vorbo-

ten auftreten und daß ihnen vielfälti- ge Ursachen zugrundeliegen, unter denen Karotisstenosen höchstens ein Drittel ausmachen.

Dt. Ärztebl. 89 (1992) A 1 -4006-4013 [Heft 47]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis im Sonderdruck, anzufordem über die Verfasser.

Weitere Mitglieder der Autorengruppe:

Dr. med. Walther Schmiedt Universitätsklinikum Mainz (Chirurgie)

Prof. Dr. med. Otto Busse

Prof. Dr. med. Johannes Grönninger Klinikum Minden

(Neurologie, Chirurgie)

Prof. Dr. med. G.-Michael von Reutem Prof. Dr. med. Volker Schlosser Universitätsklinikum Freiburg (Neurologie, Chirurgie) Prof. Dr. med. Peter Marx Prof. Dr. med. Rudolf Häring Klinikum Steglitz der FU Berlin (Neurologie, Chirurgie)

Priv.-Doz. Dr. med. Ralph Winter Prof. Dr. med. Jens Allenberg Universitätsklinikum Heidelberg (Neurologie, Chirurgie)

Prof. Dr. med. Charles C. Warlow, F. R. C. P.

Department of Clinical Neurosciences, Western General Hospital, Edinburgh (Scotland)

Korrespondenzanschrift:

Dr. med. Günter Krämer

Klinik und Poliklinik für Neurologie Klinikum der

Johannes Gutenberg-Universität Langenbeckstraße 1

W-6500 Mainz

Dt. Ärztebl. 89, Heft 47, 20. November 1992 (61) A1-4013

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