DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
A
m 9. Dezember will der Bundestag in 2. und 3.Lesung über das Gesund- heits-Strukturgesetz befinden.
Ein seltsames gesetzgeberi- sches Verfahren geht somit sei- nem Ende zu. Das Gesundheits- Strukturgesetz ist im Grunde ge- nommen am Parlament vorbei konzipiert und formuliert wor- den. Die ersten Absprachen wurden zwischen den Sozialpoli- tikern der Koalition und natür- lich dem Bundesgesundheitsmi- nister getroffen. Stichwort: Nür- burgring; die dort geführten
„Anhörungen" sind einigen der in die Eifel zitierten „Leistungs- anbieter" bis heute in schwarzer Erinnerung. Der Entwurf, der nach Nürburg präsentiert wur- de, wurde vom Minister von An- fang an so behandelt, als sei er bereits geltendes Recht. Die Bundesregierung brachte das Gesetzespaket schließlich in der koalitionsintern ausgehandelten Form als Gesetzentwurf ein.
Dann passierte Absonderli- ches. Die Bundesregierung und insbesondere der von der CSU gestellte Bundesgesundheitsmi- nister entdeckten ihr Herz für die oppositionellen Sozialdemo-
Strukturreform
Parlamentarische Farce
kraten. In Lahnstein kochten CDU, CSU, SPD und FDP einen neuen Entwurf aus, der zwar im Geiste des alten formuliert war (schließlich stand jedesmal die alte sozialliberal geprägte Garde des Ministeriums Pate), aber doch in vielem von der Nürburg- ring-Fassung abwich. Obwohl der Gesetzentwurf „Modell Nür- burg" bereits im Parlament la- gerte, wurde das Gesundheits- Strukturgesetz nochmals einge- bracht: das „Modell Lahnstein"
wurde dem Bundestag gemein- sam von Koalition und SPD vor- gelegt. Das Lahnstein-Ergebnis behandelten der Bundesgesund- heitsminister und sein sozialde- mokratischer Gegenpart gleich- falls so, als handele es sich be- reits um geschriebenes Recht.
Der Deutsche Bundestag spielt in der Tat bei einem der- art in die Details gehenden Ge- setz eine traurige Rolle. Ein so
kompliziertes Gebilde wie die gesetzliche Krankenversiche- rung kann einfach nicht bis in al- le Einzelheiten sachverständig vom Parlament geregelt werden.
Der brave Bundestagsabgeord- nete ist hilflos einigen wenigen Experten seiner Fraktion ausge- liefert, und die wenigen erfah- renen Bundestagsabgeordneten hängen von den Sachkundigen im Ministerium ab. Die Lösung könnte eigentlich nur heißen:
Der Gesetzgeber beschränkt sich auf Rahmenbedingungen, vertraut der Eigeninitiative der Versicherten und Patienten und überläßt sodann noch notwendi- ge Detailregelungen den Selbst- verwaltungen.
Die Hoffnung freilich, daß es je zu einer derartigen Befrei- ung der Krankenversicherung von staatlichen Fesseln kommt, ist gering. Der derzeitige Bun- desgesundheitsminister hat zwar, noch bevor seine Struktur- reform Gesetz ist, angekündigt, schon bald werde die nächste Reform eingeläutet. Doch von ihm ist — nach den Erfahrungen mit ihm bei diesem GSG — kei- ne Initiative für ein freiheitliche- res System zu erwarten. NJ
F
rauenförderung an Uni- versitätskliniken ist drin- gend erforderlich. Denn noch immer werden Frauen im Studium und in der Be- rufspraxis benachteiligt. Zu die- sem Ergebnis kam eine Tagung„Frauenförderung an Universi- tätskliniken" in Gießen, veran- staltet von der Arbeitsgemein- schaft „Klinika" der Bundeskon- ferenz der Frauen- und Gleich- stellungsbeauftragten an Hoch- schulen.
Seit 20 Jahren, so wurde be- mängelt, liege der Anteil berufs- tätiger Arztinnen bei 25 Prozent, obwohl fast die Hälfte der Studi- enanfänger im Fach Medizin in- zwischen weiblich sei. Dr. Moni- ka Sieverding, an der Freien Universität Berlin tätige Psycho- login, ging in ihrem Vortrag auf Aufstiegsbarrieren für _Ärztin- nen ein (vgl. auch DA, Heft
Ärztinnen
Frauenförderung an Unikliniken
4/1992). Vergleiche zeigten, daß in den neuen Bundesländern dieselben psychologischen Bar- rieren für Frauen wirksam seien wie in den alten. Allerdings sei- en in der ehemaligen DDR 60 Prozent der berufstätigen Ärz- tinnen und Ärzte Frauen; dies sei durch gezielte frauenför- dernde Maßnahmen erreicht worden.
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Tagung erarbei- teten in einem Musterplan zur Frauenförderung Vorschläge, um den Frauenanteil im ärztli-
chen und wissenschaftlichen Be- reich von Klinika zu erhöhen.
Ein wesentlicher Teil davon be- zieht sich auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Als Beispiel für die immer noch unbefriedigende Situation führte die Frauenbeauftragte des Universitätsklinikums Ru- dolf Virchow der FU Berlin, Prof. Dr. Gaby Kaczmarczyk, das Praktische Jahr an. Den Stu- dierenden stünden nur 25 Fehl- tage im Jahr zu — inclusive Krankheit, Schwangerschaft und Geburt eines Kindes. Bei länge- ren Fehlzeiten werde das Jahr nicht anerkannt.
Auf der nächsten Tagung der Arbeitsgemeinschaft „Klini- ka" wollen sich ihre Mitglieder mit der Situation der medizini- schen Fachkräfte sowie der Frauen in Verwaltung und Technik befassen. EB
Dt. Ärztebl. 89, Heft 49, 4. Dezember 1992 (1) A1-4153