Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen PERSONALIA
zeigte sich bereits ein gutes Jahr später, als die ASÄ den Entwurf ei- nes Grundsatzprogrammes vorlegte, in dem bereits die wesentlichen Züge des heute von den Sozialde- mokraten offiziell vertretenen inte- grierten, regionalisierten und mit- bestimmten Gesundheitswesens er- scheinen. Im März 1973, als auf der 14. ASÄ-Bundeskonferenz in Köln die Öffnung für alle Interessenten vollzogen wurde, kandidierte Bar- dens, damals noch Erster Vorsitzen- der der Arbeitsgemeinschaft, nicht mehr.
In der ASÄ und der Gesundheitspoli- tik der Partei, wenn auch nicht so sehr in der Fraktion, in der immer noch Sachverstand und Knochenar- beit gefragt sind, haben seitdem an- dere das Sagen gehabt. Von sich reden machte vor allem die Kommis- sion Gesundheitspolitik unter Frie- del Läpple, die dann 1975 ihre „Ge- sundheitspolitischen Leitsätze" so- wie eine Vorlage für den gesund- heitspolitischen Teil des Orientie- rungsrahmens '85 der SPD vorlegte.
Beides unterschied sich tatsächlich gewaltig von dem, was Bardens und seine Freunde zuvor unter Gesund- heitspolitik verstanden hatten. Der SPD-Parteitag in Mannheim, auf dem sich zur Gesundheitspolitik le- diglich noch die „Progressiven" ver- nehmen ließen, verabschiedete im November 1975 mit dem OR '85 auch die „progressiven" Ideen, die die Kommission Gesundheitspolitik in das Parteiprogramm eingebracht hatte. Die „Leitsätze" sind bis heute
„Materialien" geblieben. Eine aus- führliche inhaltliche Diskussion dar- über, auf einer eigens angesetzten Gesundheitspolitischen Fachkonfe- renz in Gelsenkirchen vor der Bun- destagswahl 1976, wurde von der Parteispitze abgeblockt.
Auch das spricht dafür, daß man- chen Verantwortlichen in der SPD die allzu reformfreudigen, immer noch recht unausgegorenen und in die Zeit der leeren Kassen kaum pas- senden Ideen der jungen Garde nicht ganz geheuer sind. Eine Chance für Sachverstand und Soli- dität, ein Chance auch für Dr. med.
Hans Bardens? NJ
Walter Schindler 80
Dr. Walter Schindler, Ehrenpräsi- dent der Deutschen Psychothera- peutischen und Sozialmedizini- schen Gesellschaft, feierte in glän- zender Verfassung seinen 80. Ge- burtstag in London. Er gehört zu den großen alten Männern dieser Forschungszweige.
Der am 25. August 1896 in Ober- schlesien geborene Schindler nahm am Ersten Weltkrieg teil und promo- vierte in Breslau 1921. Seine psy- choanalytische Schulung durchlief er bei Stekel, dem Mitarbeiter Sig- mund Freuds. Die interne Medizin eignete er sich in Berlin bei Gold- scheider an. Nach umfassender Aus- bildung in pathologischer Anatomie wie in der philosophisch grundier- ten Psychiatrie in der Cassirischen Klinik ließ er sich in Berlin als ärztli- cher Psychotherapeut in freier Pra- xis nieder.
Schindler wurde im damaligen Ber- lin zum Treffpunkt sämtlicher tie- fenpsychologischer Schulen, die sich schon immer wechselseitig be- fehdeten. Aber die in vierzehntägi- gem Turnus in Schindlers Haus ein- gerichteten Treffs bauten über alle Gräben Brücken. Das damalige Re- gime beendete schroff dieses Sym- posion.
Dr. Walter Schindler, Ehrenpräsident der Deutschen Psychotherapeutischen Ge- sellschaft, feierte seinen 80. Geburts- tag Foto: privat
1938 emigrierte Schindler nach Lon- don, wo er heute noch lebt und Fel- low der Royal Psychological Society ist.
Dr. Schindler ist trotz seiner bitteren Lebenserfahrungen in Deutschland der Mann mit dem etwas hintergrün- digen Humor geblieben. Er läßt es sich nicht nehmen, immer wieder die Lindauer Psychotherapiewo- chen zu besuchen und seine Erfah- rungen in der Gruppenarbeit mitzu- teilen. E. Schaetzing/H
Gerhard Rose 80
Der Hygieniker und Tropenmedizi- ner Professor Dr. Gerhard Rose fei- erte am 30. November 1976 bei guter Gesundheit seinen 80. Geburtstag.
Professor Rose war Teilnehmer am Ersten Weltkrieg, kämpfte als Mit- glied des Freikorps Rossbach in Oberschlesien mit, lebte von 1929 bis 1936 als Hygieneberater und Mi- litärarzt in China, begleitete die Le- gion Condor im spanischen Bürger- krieg und gründete im Zweiten Welt- krieg das Institut für Wehrhygiene der Luftwaffe. Nach 1945 rang er fast zwei Jahrzehnte um seine persön- liche Rehabilitation. 1964 wurde der zweite Freispruch wegen erwiesener Unschuld rechtskräftig: Die US-Ge- richte in Nürnberg, Dachau und Landsberg hatten ihm die Verant- wortung für Menschenversuche un- terstellt.
In den Jahren der juristischen Aus- einandersetzungen arbeitete er in der freien Wirtschaft. — Im Mittel- punkt seiner Forschungen standen die Bekämpfung der Bilharziose, Pocken, Cholera, Pest, Fleckfieber, Rückfallfieber, epidemische Genick- starre und Wurmkrankheiten, Hepa- titis epidemica, Malaria und Pappa- tacifieber. Die Zahl seiner in- und ausländischen militärischen und medizinischen Orden ist kaum über- sehbar. Aber schönste und beste Auszeichnung für Gerhard Rose ist das Bewußtsein, für die Verletzten der Kriege, für die Bewohner von abgelegenen und seuchenbedroh- ten Gebieten immer „da" gewesen zu sein. Dr. Hellmann/H