• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Exitus letalis statt Sterben: Ein kleines, aber überaus wichtiges Buch" (21.07.1977)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Exitus letalis statt Sterben: Ein kleines, aber überaus wichtiges Buch" (21.07.1977)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Heft 29 vom 21. Juli 1977

Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

Exitus letalis statt Sterben

Ein kleines, aber überaus wichtiges Buch*)

Klaus Franke

Das Herderbuch „Sterben im Krankenhaus" erachtet der Autor — langjähriger Rezensent des DEUT- SCHEN ÄRZTEBLATTES

— für so wichtig, daß er es jedem Arzt — ausnahms- weise — als Pflichtlektüre verordnen möchte.

„Über das Buch*): Der Prozeß der naturwissenschaftlich-technischen Perfektionierung im Krankenhaus hat bedrohliche Formen angenom- men. Statt dem Menschen zu die- nen, beginnt die Technik ihn zu be- herrschen und Kranksein und Ster- ben immer geschickter hinter Ge- räten und Apparaten zu verstek- ken. Die „ars moriendi" als bewuß- te Bewältigung des Sterbens gerät darüber in Vergessenheit. Auch die Angehörigen werden daran gehin- dert, dem Sterbenden beizustehen.

Diese Entwicklung wird von den Betroffenen als inhumane und ge- fährliche Entartung empfunden Die vorliegenden Tagebuchauf- zeichnungen machen in erschüt- ternder Weise auf die Kehrseite des technischen Fortschritts im Krankenhaus aufmerksam. Sie ge- ben ein Signal, das zur Besinnung und Kurskorrektur aufruft." So heißt es im Klappentext eines Bu- ches voller Kritik an Ärzten und Krankenhäusern — Kritik aber ganz anders, als wir sie in den letz- ten Jahren kennengelernt haben.

Wir sind es langsam gewohnt, ver- unglimpft, verleumdet und diffa- miert zu werden. Nichts von alle- dem findet sich in den vorliegen- den Aufzeichnungen — die Ankla- ge geht um so tiefer! Es sind die Beobachtungen, die eine Frau am Krankenbett ihres Mannes in den letzten vier Wochen seines Lebens im Krankenhaus gemacht hat, und sie sind voller Traurigkeit und Ver-

zweiflung, voll Enttäuschung und Bitterkeit über das, was sie erleben mußte.

Es war ein gutes Krankenhaus, und die Schreiberin hat volles Ver- ständnis dafür, daß alles so ablief, wie sie es erlebte; aber dahinter steht immer wieder die verzweifelte Frage: Muß es wirklich so sein, so kalt, so sachlich, so entwürdigend?

Läßt sich an dieser Unmenschlich- keit nichts ändern?

Die Intensivstation wird als eine

„seltsam unwirkliche Welt, überaus geschäftig, überaus funktionell, auf Rettung und Hilfe abgestellt, aber der Menschlichkeit wenig Raum lassend", erlebt.

Die junge Schwester, der die Ehe- frau den Tod ihres Mannes mitteilt, war voller Trauer, als ob sie es selbst anginge, aber „das war das einzige Mitgefühl, dem ich die vier Wochen über in diesem Kranken- haus begegnet bin." Von einer jun- gen Ärztin wird berichtet, sie war

„bemüht, verantwortlich, tüchtig und gescheit, zugleich aber auf eine unerträgliche Weise verständ- nislos, oberflächlich und undiffe- renziert." Fast alle Ärzte strahlten berufsmäßig freundlichen Optimis- mus und hilfreiche Besorgtheit

*) Rudolf Kautzky (Hrsg.): Sterben im Krankenhaus, Aufzeichnungen über ei- nen Tod, Band 561 der Herderbücherei, Reihe: menschlicher leben, Verlag Her- der, Freiburg/Basel/Wien, 1976, 155 Sei- ten, kartoniert, 4,90 DM,

1865

(2)

Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

Exitus letalis statt Sterben

aus; aber sie nahmen an der Angst des Patienten nicht teil, sie gingen nicht auf ihn ein.

Allein der Krankenhauspfarrer ge- währt dem Todkranken die ganzen vier Wochen über wirklich mensch- liche Nähe. Und der gleiche Pfarrer berichtet, daß sich unter den etwa 50 Ärzten im Krankenhaus nur zwei oder drei fänden, die mit ihm zu- sammenarbeiteten. Die anderen seien größtenteils feindselig gegen ihn eingestellt, und vor allem die jüngeren Ärzte behandelten ihn oft wie einen fremden Besucher, dem kein Recht zustehe, sich auf einer Station aufzuhalten. Über den Pfar- rer wird berichtet, daß er zurück- haltend und in keiner Weise mis- sionarisch auftrat. Woher kann also die Abneigung der Ärzte gegen ihn kommen? Wahrscheinlich doch aus der Empfindung, daß er etwas tut, was zu tun eigentlich ihres Am- tes wäre, was sie aber — aus wel- chen Gründen auch immer — ver- säumen, und deshalb empfinden sie die Person des Krankenhaus- pfarrers als ständige Anklage. Gin- ge es ihnen um den Patienten, dann müßten sie es nur begrüßen, daß ihnen einer etwas abnimmt, wozu sie, vielleicht einfach aus zeitlicher und arbeitsmäßiger Über- lastung, nicht in der Lage sind.

Aber nur der reife Mensch kann wohl so gelassen sein, dem, der seine eigene Unvollkommenheit kompensiert, Wohlwollen entge- genzubringen und nicht Haß und Eifersucht.

Als Resümee dieser Beobachtun- gen ist die Feststellung verständ- lich: „Ich hoffe, einmal ohne diese Ärzte sterben zu können. Ich möchte nicht in ein Krankenhaus, ich möchte die Hilfe eines Arztes, der mir beisteht, aber ich möchte nicht dieser Organisation ausgelie- fert sein!" Mit Entsetzen muß es die Ehefrau miterleben, wie unter den bestgemeinten Bemühungen der Ärzte ein differenzierter Mensch zum medizinischen Objekt entwürdigt wird, bis er zum Exitus letalis kommt — statt zu einem menschenwürdigen Sterben.

Als ich diesen Bericht gelesen hat- te und ihn mit gelehrten Betrach- tungen über das Problem des Ster- bens im Krankenhaus, wie sie in letzter Zeit mehrfach von klugen Soziologen geschrieben wurden, verglich, kam mir das Wort in den Sinn: „Ein bißchen Liebe von Mensch zu Mensch ist mehr wert als alle Liebe zur Menschheit!"

Und darum erscheint mir diese kleine Schrift so wichtig, daß ich von ihr etwas sagen möchte, was ich in den fast zwanzig Jahren mei- ner Rezensententätigkeit noch von keinem Buch gesagt habe:

• Sie gehört in die Hand eines je- den Arztes!

Wäre ich Chefarzt an einem Kran- kenhaus, würde ich sie zur Pflicht- lektüre für alle Ärzte und das Pfle- gepersonal machen und in den täglichen Arztbesprechungen im- mer wieder darauf hinweisen. Aber auch der praktizierende Arzt sollte diese Aufzeichnungen mit großer Aufmerksamkeit lesen.

Wir leben im Zeitalter der amtlich verordneten Qualitätskontrollen, die mit viel Aufwand und Kosten im ärztlichen Labor durchgeführt wer- den müssen. So nützlich und wich- tig sie sind — die nicht kontrollier- ten (weil nicht kontrollierbaren) Qualitäten ärztlichen Tuns drohen dadurch in den zweiten Rang ge- drängt zu werden. Aber wiegt menschliche Verständnislosigkeit, verletzendes und entwürdigendes ärztliches Verhalten für den Patien- ten weniger schwer als ein fal- sches Laborergebnis??

Das Büchlein berichtet nichts, was man nicht auch schon vorher ge- wußt — und wer selbst Patient im Krankenhaus war — auch schon erlebt hätte. Aber selten wurde es so eindringlich ins Bewußtsein ge- bracht, wie durch diese ganz nüch- ternen Aufzeichnungen. Wir sollten der Berichterstatterin dankbar da- für sein.

Anschrift des Verfassers:

Dr. med. Klaus Franke

7264 Bad Teinach/Schwarzwald

FORUM

Rauchfreie Zone

Krankenhaus

Ferdinand Schmidt

Die Zeit sei reif, endlich ener- gische Maßnahmen gegen das Rauchen in Krankenhäusern und Sanatorien einzuleiten, meint der Verfasser; wie, da- von handelt der nachstehende Aussprache-Beitrag. Profes- sor Dr. med. F. Schmidt, der bereits mehrfach im DEUT- SCHEN ÄRZTEBLATT zu Maß- nahmen gegen das Rauchen aufgefordert hat, ist Leiter der Forschungsstelle für präventi- ve Onkologie an der Klini- schen Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg. Außer- dem leitet er den Ärztlichen Arbeitskreis „Rauchen und Gesundheit".

Der Arztliche Arbeitskreis „Rauchen und Gesundheit" erhält in der letz- ten Zeit gehäuft Zuschriften von Kol- legen, die um Informationen zur Ein- führung der „rauchfreien Zone Krankenhaus" in ihrem Bereich bit- ten. Die Zeit ist offenbar reif, endlich energische Maßnahmen gegen das Rauchen auch in Krankenhäusern und Sanatorien einzuleiten. Schließ- lich kann es nicht Aufgabe von Kran- kenhäusern sein, durch Rauch- erlaubnis zahlreiche durch Rauchen begünstigte Krankheiten zu ver- schlimmern oder zur Entstehung neuer Krankheiten beizutragen.

Der Forderung des Ärztlichen Ar- beitskreises „Rauchen und Gesund- heit" nach der „rauchfreien Zone Krankenhaus", die mit besonderem Nachdruck auf dem 1. Deutschen Nichtraucherkongreß 1974 bekräf-

1866 Heft 29 vom 21. Juli 1977 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

' Erfüllet mit Handrissen des weltberühmten Albrecht Dürers von Nürnberg, deren in etlich und achtzig Stuck wahre Originalia von seiner Hand, unter welchen sich fürnemlich

Eine grosse Feldschlacht von Schweitzern zu Fuß, mit der Feder aufs allerfleissigste ausgeschraffirt, verwunderlich, voll Kunst und Arbeit, in FO].1511 Eine grosse Zeichnung mit

Dem edlen Leser, auch allen dieser Studien Erfahrnen und Lehrbegierigen alle schwere und verborgene Stuck, so viel der gnädige Gott Mir zu erfahren und wissen gegeben, aufrecht

Der Verein will unter anderem ein Internet-Portal für E-Learning in der Medizin aufbauen und Lehr-/Lernmaterialien aus den Projekten bereitstellen, einen Überblick über

ist widersprüchig: Die Al- ternative zum Freitod ist weiterleben. Wer hingegen Krebs hat und eine ver- stümmelnde Operation mit 35 Prozent Heilungschan- cen ablehnt, entscheidet

Doppelkärtchen ausschneiden und als Domino verwenden oder jedes Kärtchen für sich ausschneiden und als

- Die 3 Einheiten von Ort, Zeit und Handlung werden eingehalten - Das Geschehen steigert sich bis zum Höhepunkt Pyramide - Die Handlung beschränkt sich auf wenige Personen - Der

Wenn es sich bei der gewählten Schule nicht um die Hauptschule im jeweiligen Schulsprengel handelt, sollte auch noch eine "Zweit-" und vielleicht