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Archiv "Die erste Ärztin Großbritanniens: Examen per Ultimatum" (10.10.1984)

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Ihr Wille fand seinen Weg: Dr. Elizabeth Garrett-Anderson (1836-1917)

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

GESCHICHTE DER MEDIZIN

Die erste Ärztin Großbritanniens

Im Oberhaus des britischen Par- laments (House of Lords) spra- chen im Januar 1975 die in diese Kammer erhobenen Mitglieder aller drei führenden Parteien einmütig ihr Bedauern über ein bevorstehendes Ereignis aus:

Die Schließung des Elizabeth Garrett-Anderson Hospitals in Euston Road, London. Dieses Spital war einzig in seiner Art. Es wurde von einer Frau, der ersten Ärztin Großbritanniens, im Jahre 1866 gegründet und war seither von Frauen geleitet worden.

In der Mitte des vergangenen Jahrhunderts war es undenkbar, daß Frauen Ärztinnen werden konnten, aber im Jahre 1849 promovierte die in Bristol gebo- rene, in den Vereinigten Staa- ten aufgewachsene Elizabeth Blackwell in New York zum Dok- tor der Medizin. Einige Jahre später unternahm sie eine Vor- tragsreise nach England und hielt ihre Ansprachen unter dem provozierenden Titel: „Medizin

— ein Beruf für Frauen".

Einer dieser Vorlesungen wohn- te Elizabeth Garrett bei. Sie war 1836 als Tochter eines wohlha- benden Kaufmanns in Alde- burgh, in der Grafschaft Suffolk, geboren und hatte die in diesen Kreisen übliche Erziehung ge- nossen. Als sie nach dem Be- such dieser Versammlung ihren Eltern eröffnete, daß sie Ärztin werden wolle, erntete sie hefti- gen Widerstand. Ihre Mutter

meinte, sie würde diese Schan- de nicht überleben, und flehte die Tochter an, statt Medizin Krankenpflege zu erlernen, was seit dem Auftreten der Florence Nightingale (1820-1910), der Re- formatorin des Spitalpflegewe- sens, ein ehrbarer Beruf gewor- den war. Elizabeth entgegnete, daß das Studium des mensch- lichen Körpers nicht entehrend sein könne, da Gott diesen Kör- per geschaffen habe. Schließ- lich gab ihr Vater Newson Gar- rett, das Ziel seiner Tochter an- erkennend, seine Einwilligung und war von da an ihr eifrigster Helfer.

Verletzte Eitelkeit in der Männerbastion

Im Jahre 1860 gab es keine me- dizinische Fakultät, die bereit gewesen wäre, Frauen zum Stu- dium zuzulassen. Elizabeth Gar- retts Antrag wurde von allen Schulen abgewiesen. Nach zä- hem Suchen fand sie endlich Unterstützung durch den Ver- walter des Middlesex Hospitals in London, der sie vorerst für sechs Monate als Pflegerin zu- ließ und ihr dann erlaubte, Vor- lesungen mitzuhören. Bei einer klinischen Vorführung stellte ein prominenter Professor eine den

Examen per Ultimatum

Stella Rotenberg

Ausgabe A 81. Jahrgang Heft 41 vom 10. Oktober 1984 (91) 2995

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Die erste Ärztin Großbritanniens

Zustand eines Patienten ange- hende Frage an seine Studen- ten, und nur Elizabeth Garrett konnte sie richtig beantworten.

Am Abend desselben Tags un- terschrieben die meisten ihrer männlichen Kollegen ein Ge- such, daß Frauen das Studium der Medizin verboten sein solle, und stellten ein Ultimatum: Ent- weder verlasse Elizabeth Garrett das Spital, oder sie würden es tun!

Die Leiter des Middlesex Hospi- tals sahen sich gezwungen, ih- rer einzigen Studentin den wei- teren Besuch des Spitals zu un- tersagen. Nach diesem Vorfall wandte sich Elizabeth an die So- ciety of Apothecaries, eine Kör- perschaft, die Medizin lehrte und nach bestandenen Prüfun- gen ein Diplom (nicht aber ein Doktorat) verlieh, das den Absol- venten das Recht gab, Medizin zu praktizieren. Diese Society erlaubte Elizabeth, Vorlesungen zu hören, bei Operationen an- wesend zu sein und zu assistie- ren, und versprach, sie zu allen Prüfungen zuzulassen. Inzwi- schen waren ihre Bemühungen

in Ärztekreisen bekannt gewor- den, und es fanden sich mehre- re Ärzte, die bereit waren, sie privat zu unterrichten. Sie lernte Anatomie an der London Hospi- tal Medical School, Geburtshilfe an der Royal lnfirmary in Eding- burgh, und weitere Fächer an der schottischen Universität in St. Andrews.

Mißglückter Boykott

Als sie sich im Jahre 1865, nach fünfjährigem Studium, der End- prüfung unterziehen wollte, er- klärten die Vorsteher der Socie- ty of Apothecaries, daß sie sie nicht examinieren würden. Va- ter Garrett drohte mit gericht- licher Klage wegen Nichteinhal- ten eines gegebenen Verspre- chens, Elizabeth wurde zum Endexamen zugelassen und be- stand das Examen mit höchster Auszeichnung.

So wurde Elizabeth Garrett die erste Ärztin in Großbritannien.

Sie eröffnete eine Praxis in ih- rem Heim und eine Poliklinik für Frauen und Kinder, die sie gratis oder gegen geringes Entgelt be- handelte.

Um diese Zeit entschloß sich die medizinische Fakultät der Uni- versität Paris, Frauen zum Medi- zinstudium zuzulassen, und Eli- zabeth begann, sich auf die Dok- torprüfung (in französischer Sprache) vorzubereiten. 1870 wurde sie an der Sorbonne zum Doktor promoviert und wurde die erste Frau, die ihren medizi- nischen Doktorhut and der Sor- bonne erwarb.

1871 heiratete Frau Dr. Garrett den Reeder James Shelton An- derson, den Vizepräsidenten ei- nes Kinderspitals, in dem sie ar- beitete. Ihre Poliklinik für Frau- en wurde zu klein für die An- sprüche ihrer Patientinnen, und sie beschloß, ein neues großes Spital zu bauen. Zu diesem Zweck sprach sie in vielen Ver- sammlungen und warb um den Zustrom junger Frauen zum Me- dizinstudium und — um Geld!

Dieser Feldzug hatte Erfolg, schon nach einem Jahr konnte der Grundstein für das „Neue Spital" (später: Elizabeth Gar- rett-Anderson-Hospital) gelegt werden. Dr. Garrett-Anderson arbeitete dort bis zu ihrem Tod im Jahre 1917.

Die Schließung dieses Kranken- hauses von Frauen für Frauen, wegen mangelhafter finanzieller Unterstützung durch den Staat, war es, die das Bedauern der Mitglieder des Oberhauses her- vorgerufen hatte.

Anschrift der Verfasserin:

Stella Rotenberg 38 The Drive Alwoodley Leeds LS17 7QD

West Yorkshire, England

Für den Terminkalender

Georg Baselitz in Nürnberg

—Bis zum 4. Noverriber zeigt die Kunsthalle Nürnberg in der No- rishalle Zeichnungen von Georg Baselitz, die in einem Zeitraum von 30 Jahren (1953 bis 1983) entstanden sind. Die Zeichnun- gen von Baselitz stehen in en- gem Zusammenhang mit seinen Gemälden, und so reflektieren sie auch deren Entwicklung. Ge- org Baselitz denkt durch seine Zeichnungen. Sie dienen ihm nicht mehr als Skizzen zu dem, was er malt, sondern zu dem, wie er malt. GG

Antiquitäten in Dortmund — Die Westdeutsche Antiquitäten-Aus- stellung „West Antique" findet vom 8. bis zum 11. November auf dem Dortmunder Ausstel- lungsgelände statt. Das sehr reichhaltige Angebot umfaßt an- tike Möbel, Graphiken, Gemäl- de, Ikonen, Plastiken, Glas und Porzellan, Uhren, Schmuck, Puppen und altes Spielzeug so- wie Bücher und nicht zuletzt Volkskunst. Die „West-Antique '84" ist von 10 bis 19 Uhr täglich geöffnet. PW

Dagmar Raulinat in Hamburg

—Die Ärztekammer Hamburg zeigt gegenwärtig und noch bis zum 4. Dezember dieses Jahres die Ausstellung „Manus, chirur- gische Eingriffe — erotische Im- pressionen" mit Bildern der Kre- felder Künstlerin. Dagmar Rauli- nat studierte zunächst Mode und Textildesign in Hamburg und Krefeld. Vor einigen Jahren erwachte ihr Interesse an medi- zinischen Themen. Sie erkannte den graphischen Reiz von Zell- strukturen und chirurgischer Präzision. Ihre persönliche, be- obachtende Teilnahme an Ope- rationen ermöglichten ihr faszi- nierende Betätigungsfelder.

Weitere Auskünfte zur Ausstel- lung: Pressestelle der Hambur- ger Ärzteschaft. ÄH 2996 (92) Heft 41 vom 10. Oktober 1984 81. Jahrgang Ausgabe A

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