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„ Ist es wirklich sinnvoll und effizient, an den Univer­sitäten die Ressourcen für die Grundausstattung im Wettbewerb zu vergeben?

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Academic year: 2022

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S t a n d p u n k t

© 2019 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Physik Journal 18 (2019) Nr. 1 3

L

iebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Physik-Begeisterte, ich wünsche Ihnen allen ein frohes neues Jahr und hoffe, dass Sie Ihren privaten und beruflichen Ambitionen nach- gehen, dabei gute Erfolge erzielen und Ihr Leben zufrieden gestalten können.

Als Hochschullehrer und DPG-Präsident habe ich mich jüngst gefragt, wie wir in der Universität die Zukunft entwickeln wollen und wo wir die gravierendste Hürde für unsere Absichten sehen. Wollen wir den viel zitierten Zu- sammenhang von Forschung und Lehre à la Wilhelm von Humboldt ausleben? Beiträge zu den gesellschaftlich als wichtig erklärten „Grand Challenges“ leisten? Den Boden bereiten für die reine Erkenntnis? Erfolge im Rennen um institutionelle oder auch persönliche Anerkennung und Ressourcen erzielen? Wahrscheinlich von allem zumin- dest ein wenig, und alle Aspekte berühren menschlich und gesellschaftlich nachvollziehbare Triebfedern.

Aber was fehlt uns am meisten, wenn wir diesen Zielen in den Hochschulen nacheifern, und zwar so, dass wir einerseits Studenten die Gelegenheit zur breiten Bildung (und nicht nur Ausbildung) geben und andererseits Bei- träge zur Spitzenforschung leisten? Zeit!

Zeit fehlt uns deutlich mehr als die materiellen Res- sourcen. Zwar haben in den Laborwissenschaften, dazu zählt ganz klar die Physik, verlässliche Ressourcen einen derart niedrigen Stand erreicht, dass ohne das Einwer- ben großer Mengen von Drittmitteln der Betrieb – bis hin zur Lehre – kaum mehr möglich ist. Die alte Idee der DFG-Förderung als „Ergänzungsausstattung“ ist in erheblichem Umfang einem Rennen um eine minimale Grundausstattung gewichen. Dennoch besteht kaum ein Zweifel: Mit der öffentlichen Förderung gelingt es, unsere Hochschulen international wettbewerbsfähig aufzustellen.

Allerdings stelle ich mir die Frage: Ist es wirklich sinn- voll und effizient, an den Universitäten die Ressourcen für die Grundausstattung de facto im Wettbewerb zu verge- ben? Was verlieren wir, wenn wir einen größeren, ange- messenen Teil der Mittel nach dem viel gescholtenen Prin- zip der Gießkanne vergeben? Jeder Gärtner weiß, dass ein vielfältig und nicht nur in vereinzelten Hochstammrosen blühender Garten buchstäblich von der Gießkanne lebt!

Ein Lob der Gießkanne

Zeit freiräumen für Lehre und Kreativität erfordert bessere Grundausstattung für die Universitäten.

Dieter Meschede

Auch jungen Forschern gelingt der Einstieg in dauer- hafte Positionen an der Hochschule nur im harten Wett- bewerb. Könnten wir nicht mit mehr Gießkanne mehr Ef- fizienz im Hinblick auf die begehrte „blue sky“-Forschung und auch die gesellschaftlich relevante Forschung an den Hochschulen gewinnen und Kreativität freisetzen? Auch die Kreativität, sich einmal um wirtschaftliche Verwer- tung zu kümmern, bei der wir bekanntlich nicht so gut abschneiden?

Der Wettbewerb um Forschungsmittel ist kein Hun- dertmeterlauf, der streng metrisch zu erfassen ist. Er bleibt immer Bewertung und ist gegen opportunistische Einflüsse nicht immun. Unser System legt es Hochschul- forschern nahe, sehr viel Zeit darauf zu verwenden, die Bedingungen für ihre Forschung im Wettbewerb um Ressourcen und Publikationen zu optimieren. Weil wir alle nur über endliche Kräfte verfügen, fallen diejenigen Aufgaben am schnellsten unter den Tisch, für die es keine unmittelbare Belohnung gibt: Das ist in der Hochschule in erster Linie die Lehre. Das beklagen wir dann – und richten Wettbewerbe (!) ein, um dieses Defizit zu beheben.

Wir wenden also immer mehr Zeit auf, um die durch- aus vorhandenen Ressourcen nach manchmal obendrein fragwürdigen Kriterien zu verteilen und verursachen dabei neue Defizite. Wie können wir aus dieser Falle herauskommen?

Die wachsende Wettbewerbsstrukturierung der Grund ressourcen für Wissenschaft und Bildung scheint mir die Folge eines verschwindenden Grundvertrauens zu sein: Die gesellschaftlichen Institutionen, welche die Ressourcen bereitstellen, erwarten von den Empfängern der Ressourcen, allen voran den Hochschulen, umfas- sende Kontrolle. Eng getaktete Zielvorgaben und deren Evaluation sind gewünscht, ob damit aber wichtige Ziele erreicht werden, bleibt oft genug unklar.

Aus meiner Sicht könnte es sich lohnen, wenn beide – die wissenschaftliche Gemeinschaft und die Gesell- schaft, der sie am Ende dienen will – daran arbeiten, die- ses Grundvertrauen bewusst wieder zu entwickeln und dadurch eine auch in Zukunft üppig blühende Wissen- schaftslandschaft vorzubereiten. Ein Lob der Gießkanne, die uns Zeit, Kreativität und Unabhängigkeit im Dienst der Gesellschaft zurückbringen könnte!

Prof. Dr. Dieter Meschede, Präsident der Deutschen Physika­

lischen Gesellschaft und Physik­

professor an der Universität Bonn

„  Ist es wirklich sinnvoll und effizient, an den Univer­

sitäten die Ressourcen für die Grundausstattung im Wettbewerb zu vergeben?

Standpunkt

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