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The University of Manchester Research

Zwischen Volksmedizin und Moderne: Die Madaus- Jahrbücher in den zwanziger und dreißiger Jahren [Between folk medicine and modernity: The Madaus Yearbooks in the 1920s and 1930s]

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Citation for published version (APA):

Timmermann, C. (1998). Zwischen Volksmedizin und Moderne: Die Madaus-Jahrbücher in den zwanziger und dreißiger Jahren [Between folk medicine and modernity: The Madaus Yearbooks in the 1920s and 1930s]. Madaus Illustrierte, (2), 32-36.

Published in:

Madaus Illustrierte

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1998 W i n t e r W i n t e r

1998

SPECIAL ISSUE

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historisch

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In den wirtschaftlich und politisch höchst unsicheren Zeiten der vermeintlich goldenen zwanziger Jahre waren die Firmengründer, die drei Madaus-Brüder Gerhard, Hans und Friede- mund, auf die Treue ihrer Kunden wahrlich angewiesen. Die Firma Madaus wurde damals, vor allem von der organisierten Ärzteschaft, erbittert angegriffen. Den Ärzten und ihren Berufsverbänden machte nicht nur die schwieri- ge wirschaftliche Lage zu schaffen, sie litten zudem unter einer handfesten weltanschauli- chen Orientierungskrise, die einiges mit dem gemein hat, was wir seit den sechziger Jahren wieder erleben. Auch zu Anfang dieses Jahrhun- derts schon drängten sich mehr und mehr Absolventen der medizinischen Fakultäten um

eine begrenzte Zahl von Krankenkassenzulas- sungen, während sich in Teilen der Bevölkerung Skepsis gegenüber den Segen der modernen Wissenschaft breitmachte. In den zwanziger Jah- ren sprachen viele Kommentatoren von einer

„Krise der Medizin“. Verunsicherte Patienten brachten Ärzte vor allem mit gefährlichen Operationen und ungeliebten staatlichen Zwangsmaßnahmen in Verbindung, wie den damals umstrittenen Schutzimpfungen und der gefürchteten Salvarsan-Behandlung gegen Syphilis.

Die Geschlechtskrankheit war vor allem in den Großstädten noch sehr verbreitetet. Salvar- san, das erste spezifische Mittel gegen Syphilis vor der Einführung der Antibiotika, konnte

„Unserer verehr- lichen Kundschaft, unseren Freunden und Bekannten gewidmet von Dr. Madaus & Co.“, so fingen sie an, die Jahrbücher, die Madaus zwischen 1926 und 1938 im eigenen Verlag her- ausgab. Die Jahr- bücher dienten Madaus während dieser zwölf Jahre als Aushängeschild und Rechenschafts- bericht, als Reprä- sentationsorgan und Spiegel der Firmen- philosophie.

Zwischen

Volksmedizin und Moderne

Die Madaus-Jahrbücher

in den zwanziger und dreißiger Jahren

üble Nebenwirkungen haben, bis hin zu einigen spektakulären und vieldiskutierten Todesfällen.

Viele Kranke gingen da lieber zu „Heilkun- digen“ – heute würde man sie Heilpraktiker nennen – oder zu den wenigen Ärzten, die eine sanfte, „biologische Medizin“ praktizierten.

Auch Krankenkassenmitglieder zogen oft den Heiler in der Nachbarschaft vor, obwohl sie dort selbst bezahlen mußten. Zahlreiche Laienverei-

ne, die sich der Naturheilkunde, der Homöopa- thie oder der „Biochemie nach Dr. Schüßler“

verschrieben hatten, erfreuten sich regen Zulaufs. In diesen Vereinen und unter den Ärz- ten, die der Schulmedizin ihrer Zeit kritisch gegenüberstanden, fand die Firma Madaus ihre

„verehrlichte Kundschaft“.

Die großen Ärzteverbände sahen die zuneh- mende Popularität der biologischen Heilmetho- den und vor allem die Aktivitäten der nichtap- probierten Laien als eine „gefährliche Zunahme der Kurpfuscherei“, und die “Deutsche Gesell- schaft zur Bekämpfung des Kurpfuschertums“, die sich den Anschein der Unabhängigkeit gab, aber vor allem ärztliche Interessen vertrat, blies

in ihrer Zeitschrift „Der Gesundheitslehrer“

zum Sturm, auch gegen Madaus.

Madaus reagierte auf die Angriffe aus der organisierten Ärzteschaft mit „Volksaufklärung“.

Die Jahrbücher waren Teil einer zunehmend raf- finierteren Werbekampagne für die Firmenphi- losophie. Sie zeigen wie die Firma von ihren Freunden und Bekannten gesehen werden woll- te, und eine attraktive graphische Gestaltung

dürfte sie zu einer beliebten Wartezimmerlektü- re gemacht haben. In den ersten Jahren luden die Bücher wiederholt dazu ein, die Firma zu besichtigen. „Förderung der Volksbildung durch Besichtigung unserer Arzneipflanzen-Kulturen und Fabrikationsanlagen. Massenbesuch in Radeburg“ hieß es im Jahrbuch für 1928. „Hier sieht der Besucher das wohlbehütete Wachstum der köstlichen Arzneikräuter, die Gewinnung der Kraft und Gesundheit spendenden Säfte, er begreift, wie die tausendfältigen Schätze der Natur in ihrem geheimsten Inneren erfaßt und geleitet vom Genius des Menschen, ihrem segensreichen Ziel zugeführt werden.“ Aber nicht nur die Wunder der Natur, auch die Tech- nik beeindruckte: „Bei der weiteren Verfolgung

“Glasnost” war an- gesagt in Radeburg.

Madaus hatte keine Geheimnisse und präsentierte stolz Heilpflanzen- Anbau, Forschungs- und Produktions- einrichtungen.

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historisch

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der Fabrikationsstufen fallen überall die ratio- nelle Arbeitsweise und die zweckmäßigen Ein- richtungen auf, und so mancher zieht seine Leh- ren aus dem Gesehenen.“

Man mußte nicht gleich nach Radeburg reisen, um die Firma kennenzulernen. Die Pro- duktion, zum Beispiel von Pflanzenextrakten, Streukügelchen und Verreibungen wurde in den Jahrbüchern detailliert beschrieben und mit vie-

len Fotos von modernen Laboratorien und blit- zenden Maschinen illustriert. Glasnost war angesagt bei Madaus, man wollte Offenheit signalisieren und war offensichtlich stolz auf die moderne Technik in den Fertigungsstätten.

Für das erste Jahrbuch, 1926, wurde auch der Maschinist, „der Mann von’s Janze“ im Foto festgehalten. 1928 findet sich, stolz abgedruckt neben einem Bild des guten Stücks, das Patent für die erste patentierte Hochpotenziermaschine für homöopathische Verdünnungen, Typ Madaus, die einzige Potenziermaschine mit Reichspatent. Die blitzenden Maschinen waren jedoch nur eine Seite der Medaille. Die Macher der Jahrbücher wollten immer wieder auch ihrer Verbundenheit mit der Volksmedizin Ausdruck geben, davon zeugen romantische Farbdrucke, die zum Beispiel barfüßige und rotwangige Mädchen in bäuerlicher Kleidung beim Sam- meln von Heilkräutern zeigen. Alte Traditionen mit modernen Mitteln verfolgen, das scheint das Credo gewesen zu sein, das man den Lesern ver- mitteln wollte. Fotos und Zeichnungen im Stil der damals populären Lebensreform-Bewegung, von unbekleideten Sonnenanbetern vor drama-

tischer Felskulisse bis zu gesunden Kindern nackt im Garten, apellierten dabei zudem an das Lebensgefühl der zwanziger Jahre.

Zum Ende des Jahrzehnts hin wurden die Jahrbücher mehr und mehr zum Medium der Madaus’schen Forschungsstätten und zum Sprachrohr im Streit um die sogenannten bio- logischen Heilmethoden, denen Madaus sich verschrieben hatte. Die „Deutsche Gesellschaft zur Bekämpfung des Kur- pfuschertums“ auf der einen und die Sprecher der Laien- verbände und der homöopa- thischen und biologischen Ärzte auf der anderen Seite fochten ihre Auseinanderset- zungen um die „Volksge- sundheit“ mit einer Aggressi- vität aus, die man heute vor allem bei religiösen Funda- mentalisten findet. Attacken gegen Madaus kamen dabei nicht nur von den selbster- nannten Bekämpfern der Kurpfuscherei. Das Engage- ment für die Komplex- homöopathie provozierte auch Angriffe von klassisch orientierten Homöopathen.

Vor dem Hintergrund dieser Grabenkämpfe und der sich daraus ergebenden Wagen- burgmentalität verließ sich Madaus – wie andere Her- steller „alternativer“ Heil- mittel auch – nicht auf die existierende medizi- nische Presse, sondern holte sich die Kommuni- kationsmittel gewissermaßen gleich ins Haus.

Im Madaus’schen Verlagshaus erschienen damals neben den Jahrbüchern noch die Zeitschriften

„Biologische Heilkunst“, „Iris-Correspondenz“

Ein vielbeachtetes Madaus-Patent:

Die Hochpotenzier- maschine für homöopathische Verdünnungen.

Im Madaus’schen Verlag erschienen neben den Jahr- büchern eine ganze Reihe von Zeit- schriften, eine sogar in englischer Sprache.

Beitrag, „kann gewiß kein Zweifel bestehen.“ Im gleichen Band lassen die Macher des Jahrbuchs zwei fiktive Ärzte mit den aussagekräftigen Namen Dr. Ehrlich und Dr. Anders über die Vorteile der Homöopathie diskutieren, unter dem Titel „Wie man den Gegner überzeugt.“

Eine „Unterhaltung in der Bücherstube“ sollte die Jahrbuch-Leser über die relevante medizini- sche Literatur des Vorjahres informieren, vor

allem natürlich über solche Bücher, die sich mit den biologischen Heilmethoden oder der „Krise der Medizin“ beschäftigten.

Bis zum Kriegsanfang erschienen die Jahr- bücher, das letzte im Jahre 1938. Nach Hitlers Machtergreifung im Jahr 1933 verschwanden und „Neue Homöopathische Zeitung,“ eine

davon in englischer Sprache, sowie Bücher zu wissenschaftlichen und populären Themen bis hin zum „Liebesleben der Genies“.

Die wissenschaftliche Erforschung und systematische Erschließung volksheilkundlicher Überlieferungen war ein zentraler Bestandteil der Madaus’schen Firmenphilosophie, auch das wird aus den Jahrbüchern deutlich. So fragt im Jahrbuch von 1930 ein

Dr. Gardemin: „Hat die Volksmedicin auf die ärztliche Wissenschaft befruchtend eingewirkt?“

Na klar hat sie das, ist die Antwort. Die Wissen- schaft braucht „nur die Früchte zu ernten, zu denen die Volksmedicin den Keim gelegt hat.“

Die Methoden hierfür entwickelte der Arzt Gerhard Madaus selbst und schrieb auf dieser Grundlage sein dreibän- diges Lehrbuch, das er 1938 veröffentlichte. In die Jahrbücher flossen Ergebnisse aus den eige- nen Forschungslaboren in einer Form ein, die sich oft an damals populären und weit ver- breiteten Wissenschafts- zeitschriften wie dem

„Kosmos“ oder der „Urania“ orientierte. Schon in den ersten Jahrbüchern gab es „Neuigkeiten aus der Heilpflanzenzucht.“ Einzelne Heilpflan- zen, um deren Zucht die Firma sich bemühte, wurden hier mit Bild vorgestellt. Später kamen Berichte aus den eigenen Labors dazu. Das Jahrbuch von 1932 dominierte ein 21 Seiten langer, aufwendig illustrierter Artikel von Gerhard Madaus über „Die Lehre der Signatur in neuer Erkenntnis“, in dem er die Wirkweise von pflanzlichen Arzneien in durchaus zeit- gemäß spekulativer Weise aus der Bipolarität aller Materie vom Urknall an – „am Anfang war die Trennung“ – zu erklären sucht, dabei aber auch auf Erkenntnisse aus den Madaus-Labors zurückgreift.

Auch die Auseinandersetzungen um die

„Krise der Medizin“ fanden ihren Eingang in die Jahrbücher. Seit 1929 steuerte der Hambur- ger Medizinhistoriker Dr. H. Vorwahl Über- sichtsartikel und Stellungnahmen zu medizinal- politischen und weltanschaulichen Themen bei.

„An der Tatsache, daß das Mißtrauen weiter Kreise des Volkes gegen die ‚Schulmedizin‘ noch zugenommen hat,“ schrieb er in seinem ersten

In der

“Krise der Medizin”, die in den 20er und 30er Jahren erbittert ausgefochten wurde, nutzte Madaus die Popularität seiner Freunde und kämpfte für die “Biologische Heilkunst”.

Jedem Homöopathen ist dieser Grundsatz in Fleisch und Blut übergegangen.

Madaus stellte ihn immer wieder in der breiten Öffentlichkeit zur Diskussion.

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37 Vom 20. – 24. April 1998 trafen sich in

Köln führende amerikanische Logopädinnen und Logopäden, leitende Mitarbeiter der amerikanischen SMT-Partnerfirma und der SMT Servox Medizintechnik gemeinsam mit dem I.R.L.-Institut für Rehabilitation Laryn- gektomierter zu einem intensiven Meinungs- und Informationsaustausch. Einer der wichtig- sten Programmpunkte der Veranstaltung war die Erarbeitung eines Konzeptes zur Grün- dung eines I.R.L.-Instituts in den USA.

Die Möglichkeiten und Chancen eines

“I.R.L.-USA” wurden unter gesundheitspoliti- schen, ökonomischen und fachlichen Ge- sichtspunkten intensiv diskutiert. Hinsichtlich der gesundheitspolitischen Situation in den USA ist zu sagen, daß sich das amerikanische Gesundheitssystem zur Zeit im Umbruch befindet. Die Versorgung der kehlkopflosen Patienten wird zum überwiegenden Teil von Krankenkassen oder durch unterschiedliche Versicherungen finanziert. Die Bedingungen und Auflagen, die seitens der Krankenkassen vorgegeben werden, sind jedoch oft sehr ein- schränkend. Es gibt beispielsweise keine freie Arztwahl für den Patienten. Die Versicherun- gen oder Krankenkassen haben im allgemei-

nen feste sogenannte ‘Vertragsärzte’ und/oder ‘Vertragskliniken’, mit denen sie zusammenarbeiten. Das bedeutet für die Patientin- nen und Patienten, daß auch die Möglichkeiten der stimmlichen Rehabilitation im Einzelfall sehr begrenzt sein können. Eine opti- male vor- und nachoperative Versorgung ist somit nicht gewähr- leistet. Darüber hinaus müssen ein Teil der Betroffenen einen hohen finanziellen Beitrag leisten. Zudem stehen den Kehlkopf- losen nur wenige erstattungsfähige Hilfsmittel zur Verfügung.

Die Gespräche des I.R.L.-Teams mit den amerikanischen Kolleginnen und Kollegen ergaben auch, daß die Informationsan- gebote für Betroffene und deren Angehörige sowie die Fort- bildungsmöglichkeiten der Logopäden, verglichen mit Deutsch- land, noch ausbaufähig sind. Das geplante “I.R.L.-USA” könnte hier eine Lücke schließen und die Kooperation bzw. den Aus- tausch zwischen Betroffenen, Logopäden, Selbsthilfegruppen, Krankenkassen und Ärzten verbessern.

Vorab sind jedoch die regionalen Gegebenheiten (z.B. die Ent- fernung zu den Patienten, Anzahl der Patienten pro Bundesstaat, regionale Gesetzgebung) für eine genauere Standortbestimmung noch eingehend zu prüfen.

Im gemeinsamen Gedankenaustausch ergaben sich viele Übereinstimmungen hinsichtlich der therapeutischen Arbeit der Logopäden.

Nach übereinstimmenden Äußerungen aller Teilnehmerinnen und Teilnehmer war das Symposium ein voller Erfolg, weil nicht zuletzt eine gute Basis geschaffen wurde, eine enge Kooperation mit den Kolleginnen und Kollegen in den USA aufzubauen.

I.R.L.-Symposium in Köln

Gründung eines Institutes in den USA geplant

historisch

I L L U S T R I E R T E

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die medizinalpolitischen und weltanschaulichen Themen weitgehend aus dem Inhaltsverzeichnis, und die Bücher beschäftigten sich vor allem mit den Madaus’schen Forschungen. Das medizinal- politische Terrain war gefährlicher geworden.

Zwar hatten sich die neuen Machthaber eine flächendeckende Einführung der biologischen Heilweisen im Rahmen einer „Neuen Deut- schen Heilkunst“ auf die Fahnen geschrieben.

Auch das „Laienelement“

wollten sie berücksichtigen:

Schon 1933 kündigten sie ein Heilpraktikergesetz an, das 1939 schließlich verab- schiedet wurde und durch das die Berufsbezeichnung Heilpraktiker offiziell einge- führt wurde. Allerdings erkannte der neue Staat als legitime Heilpraktiker nur die an, die dem NS-Heil- praktikerbund angehörten, mit dem Ergebnis, daß im

„Dritten Reich“ von den vor 1933 gemeldeten, über 12.000 nichtapprobierten Heilern nur noch knapp 5.000 „bestallte Heilprakti- ker” übrig blieben. Die, die aus irgendeinem Grunde der NS-Heilpraktikervereini- gung nicht beitreten wollten oder durften, zum Beispiel weil ihr Stammbaum sie als nicht „arisch“ auswies, galten

nun erst recht als Kurpfuscher und durften nicht mehr praktizieren. Taten sie es doch, mußten sie mit empfindlichen Strafen rechnen, denn Verbrechen gegen die „Volksgesundheit“

waren im „Dritten Reich“ unverzeihlich. Mit der Selbstgleichschaltung der Ärzteverbände und der dem Heilpaktikerbund beigetretenen Laienorganisationen galten die Krise der Medi- zin und das Kurpfuscherproblem offiziell als gelöst. Allerdings dürften sich auch unter den nun nicht „Bestallten“ Freunde und Kunden des Hauses Madaus befunden haben.

Die Jahrbuch-Macher entzogen sich der politischen und ästhetischen Gleichschaltung nicht. Die zu Anlässen wie den olympischen Spielen 1936 in Berlin mit Macht zur Schau getragene Ästhetik des neuen Regimes fand auch in den Jahrbüchern ihren Niederschlag. Die ein- leitenden Artikel von Dr. Vorwahl wurden län- ger und enthielten nun auch Bekenntnisse zum

„Dritten Reich“. Die graphische Gestaltung der Bücher vermittelte nicht mehr dieselbe frische, visionäre Aufbruchstimmung, das Bekenntnis zu Offenheit und Modernität, das sie in den zwan- ziger Jahren geprägt hatte. Zunehmend alter-

Das nennt man heute Synergie:

Diese Illustration von der schönen Madaus-Gärtnerin zierte nicht nur im Jahrbuch einen Text zur unternehmens- eigenen Heilplanzen- plantage sondern auch den Umschlag der offiziellen Firmenpreisliste mit sämtlichen Madaus-Produkten.

Die Kräutersammlerin war ein Symbol für die Verbundenheit der Jahrbuchmacher mit der Volksmedizin.

tümelnd und völkisch paßte sie sich der vorherr- schenden Ästhetik der dreißiger an. Die späten Jahrbücher scheinen dabei weniger an interes- sierte Laien als an Fachleute gerichtet zu sein.

Die Konzentration auf die eigene Forschung in den Madaus-Labors und in der neugegründeten biologischen Versuchsstation war vermutlich die unverfänglichste Lösung, um die Firma im Gespräch zu halten und dabei Schwierigkeiten

zu vermeiden. Ästhetische und politische Expe- rimente in den Jahrbüchern, während sich die meisten Deutschen gerade freudig gleichschalte- ten, das hätte die Freunde und Bekannten, die verehrliche Kundschaft wohl eher verstört. Auch in den dreißiger Jahren blieben die Madaus- Jahrbücher also ein Spiegel ihrer Zeit.

Carsten Timmermann

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1998 W i n t e r W i n t e r

1998

Referenzen

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