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Arbeitsrecht in der Insolvenz

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Arbeitsrecht in der Insolvenz

Rechtsanwalt Prof. Dr. Georg Annuß, LL. M.

Masterstudiengang Arbeitsrecht

Modul 4.1 Arbeitsrecht in der Umstrukturierung und Unternehmenskrise WWU Münster

09. Oktober 2021

(2)

1. Insolvenzrechtliche Grundzüge 2

2. Das Eröffnungsverfahren 11

3. Insolvenzgeld 14

4. Das eröffnete Insolvenzverfahren 18

5. Der Arbeitnehmer als Insolvenzgläubiger 23

6. Der Arbeitnehmer als Massegläubiger 24

7. Sonderregeln bei Masseunzulänglichkeit 28

8. Insolvenzanfechtung 30

9. Interessenausgleich 39

10. Sozialplan 46

11. Betriebsübergang 49

12. Betriebsbedingte Kündigung 55

13. Betriebliche Altersversorgung 63

Arbeitsrecht in Sanierung und Insolvenz

Inhaltsübersicht

(3)

▪ Primärfunktion des Insolvenzverfahrens ist die bestmögliche gemeinschaftliche Befriedigung der Gläubiger (§ 1 InsO).

▪ Die Erhaltung des Unternehmens ist kein eigenständiges Ziel des Insolvenzverfahrens, sondern allenfalls “Mittel zum Zweck” (BGH 13.03.2003 – IX ZR 64/02). Es steht nicht gleichrangig neben dem Ziel der Gläubigerbefriedigung.

▪ Grundsatz der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung (“par conditio creditorum”), vgl. §38 InsO.

▪ Das Insolvenzverfahren wird durch den Grundsatz der Gläubigerautonomie beherrscht.

▪ Grundsätzliche Anwendung der Bestimmungen der ZPO, soweit nicht in der InsO etwas anderes bestimmt ist (§ 4 InsO).

▪ Wichtigste Abweichung von der ZPO: Amtsermittlungsgrundsatz gemäß §5 InsO.

Insolvenzrechtliche Grundzüge

- Fundamentalprinzipien des Insolvenzverfahrens

(4)

▪ Eröffnungsantrag

− „Das Insolvenzverfahren wird nur auf schriftlichen Antrag eröffnet“ (§13 Abs. 1 Satz 1 InsO).

− Antragsberechtigt sind die Gläubiger und der Schuldner (§ 13 Abs. 1 Satz 2 InsO).

− Der Antrag ist zu stellen bei dem Insolvenzgericht, in dessen Bezirk der Schuldner seinen allgemeinen Gerichtsstand hat (§3 InsO).

▪ Eröffnungsgrund

− „Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens setzt voraus, dass ein Eröffnungsgrund gegeben ist“ (§

16 InsO).

− Eröffnungsgründe sind:

• Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO): Wenn der Schuldner nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen.

• Drohende Zahlungsunfähigkeit (nur bei Antrag durch den Schuldner; § 18 InsO): Wenn der Schuldner voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungsverpflich- tungen im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen (Prognosezeitraum regelmäßig 24 Monate).

• Überschuldung (nur bei juristischen Personen, §19 InsO).

Insolvenzrechtliche Grundzüge

- Eröffnungsvoraussetzungen (1)

(5)

▪ Eröffnungsantrag bei Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit oder KGaA: Durch Gläubiger oder jeden persönlich haftenden Gesellschafter (§ 15 Abs. 1 Satz 1 InsO)

▪ Eröffnungsantrag bei juristischen Personen:

− Der Antrag kann gestellt werden von Gläubigern oder

• von jedem Mitglied des Vertretungsorgans (Vorstand, Geschäftsführer, etc. - §15 Abs. 1 Satz 1 InsO)

• Im Fall der Führungslosigkeit (= Fehlen eines Vorstands oder Geschäftsführers; nicht: bloße Unerreichbarkeit) von jedem Gesellschafter, bei einer AG oder einer Genossenschaft auch von jedem Mitglied des Aufsichtsrats.

− Antragspflicht bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung:

• Die Mitglieder des Vertretungsorgans müssen ohne schuldhaftes Zögern, spätestens drei Wochen nach Eintritt des Eröffnungsgrundes Insolvenzantrag stellen (§15a InsO;

entsprechendes gilt für Personengesellschaften ohne natürliche Personen als phG; beachte aber § 1 COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz).

• Bei Verletzung dieser Insolvenzantragspflicht Strafbarkeit gemäß § 15a Abs. 4 InsO!

• Keine Antragspflicht insbesondere für Prokuristen oder HBV.

Insolvenzrechtliche Grundzüge

- Eröffnungsvoraussetzungen (2)

(6)

▪ Regelverfahren: Verwertung der Insolvenzmasse durch den Insolvenzverwalter entsprechen dem Grundmodell der InsO.

▪ Insolvenzplanverfahren (§§ 217 ff. InsO):

− Gläubigerbefriedigung erfolgt abweichend von den Bestimmungen der InsO aufgrund autonomer und durch Mehrheitsbeschluss zustande gekommener Vereinbarungen der Insolvenzgläubiger (§217 InsO).

− Vorlage des Insolvenzplans kann durch Insolvenzgericht, Insolvenzverwalter oder Schuldner erfolgen (§218 InsO).

− Der Insolvenzplan besteht aus

• dem darstellenden Teil (§220 InsO): darin werden die Maßnahmen nach Verfahrenseröffnung beschrieben, welche die Grundlagen für die geplante Gestaltung der Rechte der Beteiligten schaffen sollen.

• dem gestaltenden Teil (§221 InsO): darin wird festgelegt, wie die Rechtsstellung der Beteiligten durch den Plan geändert werden soll.

− Bei der Festlegung der Rechte der Beteiligten sind Gruppen zu bilden, soweit Gläubiger mit unterschiedlicher Rechtsstellung betroffen sind.

− Aus Gläubigern mit gleicher Rechtsstellung können Gruppen mit Gläubigern gleichartiger wirtschaftlicher Interessen gebildet werden (§ 222 InsO).

Insolvenzrechtliche Grundzüge

- Insolvenzplanverfahren als Alternative (1)

(7)

− Für die nicht nachrangigen Insolvenzgläubiger ist im gestaltenden Teil des Insolvenzplans

anzugeben, um welchen Bruchteil die Forderungen gekürzt, für welchen Zeitraum sie gestundet, wie sie gesichert oder welchen sonstigen Regelungen sie unterworfen werden (§224 InsO).

− Die Forderungen nachrangiger Insolvenzgläubiger gelten, wenn im Insolvenzplan nichts anderes bestimmt ist, als erlassen (§ 225 InsO).

− Sollen Rechte an Gegenständen begründet, geändert, übertragen oder aufgehoben werden, so können die erforderlichen Willenserklärungen der Beteiligten in den gestaltenden Teil des

Insolvenzplans aufgenommen werden (§ 228 InsO).

− Zur Annahme des Insolvenzplans ist erforderlich, dass in jeder Gruppe

• die Mehrheit der abstimmenden Gläubiger dem Plan zustimmt und

• die Summe der Ansprüche der zustimmenden Gläubiger mehr als die Hälfte der Summe der Ansprüche der abstimmenden Gläubiger beträgt (§ 244 InsO).

− Nach der Annahme des Insolvenzplans durch die Gläubiger und der Zustimmung durch den Schuldner bedarf er der Bestätigung durch das Insolvenzgericht (§ 248 InsO).

Insolvenzrechtliche Grundzüge

- Insolvenzplanverfahren als Alternative (2)

(8)

− Minderheitenschutz: Auf Antrag eines Gläubigers ist die gerichtliche Bestätigung zu versagen, wenn ein Gläubiger dem Plan widersprochen hat und er durch den Plan voraussichtlich

schlechter gestellt wurde, als er ohne einen Plan stünde (§ 251 InsO).

− Mit der Rechtskraft der Bestätigung des Insolvenzplans treten die im gestaltenden Teil festgelegten Wirkungen für und gegen alle Beteiligten ein (§254 InsO).

− Der rechtskräftig bestätigte Plan ist im Hinblick auf die in ihm festgestellten Forderungen ein Vollstreckungstitel (§ 257 InsO).

− Sobald die Bestätigung des Insolvenzplans rechtskräftig ist, beschließt das Insolvenzgericht die Aufhebung des Insolvenzplanverfahrens (§258 InsO).

− Ist im Insolvenzplan nichts anderes bestimmt, so wird der Schuldner mit der im gestaltenden Teil vorgesehenen Befriedigung der Insolvenzgläubiger von seinen restlichen Verbindlichkeiten

gegenüber diesen Gläubigern befreit (§227 InsO).

Insolvenzrechtliche Grundzüge

- Insolvenzplanverfahren als Alternative (3)

(9)

− Die Eigenverwaltung (§§ 270 ff. InsO) ist ein janusköpfiges Insolvenzverfahren ohne Insolvenzverwalter.

− In der Eigenverwaltung übernimmt der Schuldner selbst – unter der Aufsicht eines sog.

Sachwalters – die Insolvenzverwaltung.

− Die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis bleibt weiterhin beim Schuldner (§ 270 Abs. 1 Satz 1 InsO). Demgemäß hat er auch wesentliche Aufgaben des Insolvenzverwalters zu übernehmen (Verwertung von Sicherungsgut, Befriedigung der Insolvenzgläubiger).

− Der Sachwalter hat die wirtschaftliche Lage des Schuldners zu prüfen und die Geschäftsführung sowie die Ausgaben für die Lebensführung zu überwachen (§274 Abs. 2 Satz 1 InsO).

− Nur der Sachwalter kann bestimmte Haftungsansprüche geltend machen und die Insolvenzanfechtung vornehmen (§280 InsO).

− Die vorläufige Eigenverwaltung – das sog. „Schutzschirmverfahren“ (§§ 270b ff. InsO).

Insolvenzrechtliche Grundzüge

- Eigenverwaltung als Alternative

(10)

▪ Die Gläubigerversammlung ist das oberste Selbstverwaltungsorgan im Insolvenzverfahren. Sie ist allerdings nicht Vertreterin der Gläubiger und kann daher keine Rechtshandlungen mit Wirkung für und gegen die Gläubiger vornehmen.

▪ Als Gläubigerversammlung gilt jede vom Gericht einberufene (§74 Abs. 1 Satz 2 InsO) und geleitete Zusammenkunft der Insolvenzgläubiger, die der Ausübung des Selbstverwaltungsrechts der Gläubiger dient.

▪ Teilnahmeberechtigt sind alle absonderungsberechtigten Gläubiger, alle Insolvenzgläubiger, der Insolvenzverwalter, die Mitglieder des Gläubigerausschusses und der Schuldner (§ 74 Abs. 1 Satz 2 InsO):

▪ Aufgaben und Rechte der Gläubigerversammlung (Beispiele):

− Wahl eines anderen als des vom Gericht bestellten Verwalters (§ 57 InsO).

− Entscheidung über Einsetzung/Beibehaltung eines Gläubigerausschusses (§ 68 InsO).

− Entscheidung über Fortführung/Stilllegung des Unternehmens (§ 157 InsO).

− Zustimmung zu besonders wichtigen Rechtshandlungen des Verwalters, sofern kein

Gläubigerausschuss besteht (§ 160 InsO; insbesondere Veräußerung von Unternehmen, Betrieb oder Warenlager im Ganzen).

Insolvenzrechtliche Grundzüge

- Die Gläubigerversammlung

(11)

Der Gläubigerausschuss (§§ 67 ff. InsO) ist wie die Gläubigerversammlung ein

Selbstverwaltungsorgan. Er soll die ständige Mitwirkung der Gläubiger im Insolvenzverfahren sicherstellen.

Der Gläubigerausschuss ist kein zwingendes Organ. Über seine Einsetzung entscheidet vor der ersten Gläubigerversammlung das Insolvenzgericht, danach die Gläubigerversammlung.

Wesentliche Aufgabe des Gläubigerausschusses ist die Unterstützung des Insolvenzverwalters bei der Führung seiner Geschäfte (

§

69 InsO).

Aber: Der Gläubigerausschuss ist kein Hilfsorgan des Insolvenzverwalters. Beide sollen als gleichberechtigte Organe der Insolvenzverwaltung zusammenarbeiten.

Will der Insolvenzverwalter vor dem Berichtstermin das Unternehmen des Schuldners

stilllegen oder veräußern, so hat er die Zustimmung des Gläubigerausschusses einzuholen (§ 158 InsO).

Zustimmung zu besonders wichtigen Rechtshandlungen des Verwalters (§ 160 InsO).

Insolvenzrechtliche Grundzüge

- Der Gläubigerausschuss

(12)

▪ Das Insolvenzverfahren wird nur eröffnet, wenn ein Eröffnungsgrund (§16 InsO) vorliegt und das Schuldnervermögen voraussichtlich ausreicht, um die Verfahrenskosten zu decken (§26 InsO).

▪ Verfahrenseröffnung unmittelbar nach Antragstellung ist häufig weder möglich noch tunlich (Insolvenzgeld!).

▪ Das Insolvenzgericht hat unmittelbar nach Antragstellung alle Maßnahmen zu treffen, die

erforderlich erscheinen, um bis zur Entscheidung über den Antrag eine den Gläubigern nachteilige Veränderung in der Vermögenslage des Schuldners zu verhüten (§21 InsO).

− Selten: Einsetzung eines „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalters, auf den bereits im

Eröffnungsverfahren die allgemeine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis übergeht (§ 22 Abs.

1 S. 1 InsO).

Der „starke“ vorläufige Verwalter hat in weiten Teilen Kompetenzen wie der Insolvenzverwalter nach Verfahrenseröffnung (die von ihm begründeten Verbindlichkeiten gelten nach

Verfahrenseröffnung als Masseverbindlichkeiten, § 55 Abs. 2 InsO).

− Häufiger: „Schwacher“ vorläufiger Verwalter (§ 22 Abs. 2 InsO), der durch einzelne

Zusatzbefugnisse zum „halbstarken“ vorläufigen Verwalter gemacht werden kann. Oftmals Anordnung eines allgemeinen Zustimmungsvorbehalts zugunsten des vorläufigen Verwalters.

Das Eröffnungsverfahren (1)

(13)

▪ Das Eröffnungsverfahren endet durch den Beschluss des Insolvenzgerichts über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

− Ist der Insolvenzantrag unzulässig, wird er als unzulässig zurückgewiesen.

− Liegt kein Insolvenzgrund vor, ist der Eröffnungsantrag als unbegründet zurückzuweisen.

− Reicht das Schuldnervermögen voraussichtlich nicht aus, um die Kosten des Verfahrens zu decken, ist der Eröffnungsantrag mangels Masse abzuweisen (§26 InsO).

− Liegt kein Grund für eine Zurückweisung oder Abweisung des Eröffnungsantrags vor, so ist das Insolvenzverfahren durch Eröffnungsbeschluss zu eröffnen (§§ 27 – 29 InsO).

Das Eröffnungsverfahren (2)

(14)

Die arbeitsrechtlichen Sonderregelungen (§ 113 und §§ 120 bis 128 InsO) gelten nicht im Eröffnungsverfahren, auch wenn ein starker vorläufiger Verwalter bestellt wurde.

Durch die Einleitung des Eröffnungsverfahrens kommt es nicht zur Unterbrechung

anhängiger Zivilprozesse. Anders nur, wenn ein „starker“ vorläufiger Verwalter bestellt ist (§

240 Satz 2 ZPO).

Wird kein „starker“ vorläufiger Verwalter bestellt, bleiben grundsätzlich alle Arbeitgeberbefugnisse beim Schuldner.

Bei schwachem vorläufigem Verwalter und allgemeinem Zustimmungsvorbehalt ist eine vom Schuldner ohne Zustimmung des vorläufigen Verwalters ausgesprochene Kündigung nach Ansicht des BAG unwirksam (bejahend BAG 10.10.2002 – 2 AZR 532/01, wo überdies auf die Anwendbarkeit von § 182 Abs. 3 i.V.m. § 111 Satz 2, 3 BGB hingewiesen wird).

Arbeitsrecht im Eröffnungsverfahren

(15)

„Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei einem Insolvenzereignis für die vorausgegangenen drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben. Als Insolvenzereignis gilt

1. die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers,

2. die Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse oder 3. die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung

des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt.“ (§ 165 Abs. 1 Satz 1, 2 SGB III).

Höhe des Insolvenzgeldes entspricht dem Nettoentgelt, limitiert auf das aus dem Bruttoentgelt entsprechend der Beitragsbemessungsgrenze folgende Nettoentgelt (§ 167 SGB III).

Das Insolvenzgeld ist eine aus den Mitteln der Insolvenzgeldumlage (§§ 358 bis 361 SGB III – 2021: 0,12 % des rentenversicherungspflichten Bruttoarbeitsentgelts) finanzierte

Entgeltersatzleistung der Bundesagentur für Arbeit.

Anspruch auf Insolvenzgeld besteht nur für die Zeit bis zum Eintritt des Insolvenzereignisses, nicht für die Zeit danach.

Das Insolvenzgeld (1)

(16)

▪ Insolvenzgeldfähig sind nur durchsetzbare Arbeitsentgeltansprüche (BSG 27.09.1994 – 10 RAr 1/93). Demgemäß gilt:

− Verzichtet der Arbeitnehmer in einem arbeitsgerichtlichen Vergleich (teilweise) auf seine Entgeltansprüche, entfällt insoweit auch der Insolvenzgeldanspruch (BAG 27.09.1994 – 10 RAr 1/93).

− Kein Insolvenzgeld für Entgeltansprüche, die aus anderen Gründen (insbesondere arbeits-/tarifvertragliche Ausschlussfristen) nicht mehr durchgesetzt werden können.

▪ Insolvenzgeld muss der Arbeitnehmer innerhalb von zwei Monaten nach dem Insolvenzereignis bei der Agentur für Arbeit beantragen (§§ 323 Abs. 1, 324 Abs. 3 Satz 1 SGB III).

▪ Gemäß § 169 Satz 1 SGB III gehen Ansprüche auf Arbeitsentgelt, die einen Anspruch auf Insolvenzgeld begründen, bereits mit der Antragstellung (nicht erst mit der Zahlung des Insolvenzgeldes!) auf die Bundesagentur über.

▪ Insolvenzgeldvorschuss nach pflichtgemäßem Ermessen der Agentur für Arbeit, wenn das Arbeitsverhältnis beendet ist ( § 168 SGB III).

Das Insolvenzgeld (2)

(17)

▪ In der Praxis wichtig: Vorfinanzierung des Insolvenzgelds (§ 170 SGB III).

− Soweit der Arbeitnehmer vor seinem Antrag auf Insolvenzgeld Ansprüche auf Arbeitsentgelt einem Dritten übertragen hat, steht der Anspruch auf Insolvenzgeld diesem zu (§ 170 Abs. 1 SGB III).

− Im 1. Schritt der Vorfinanzierung: Bank gewährt Darlehen zur Befriedigung der Entgeltforderungen gegen Abtretung der Arbeitsentgeltansprüche.

− 2. Schritt der Vorfinanzierung: Darlehen wird getilgt durch Insolvenzgeldzahlungen an die Bank.

− Beachte: Neuer Gläubiger hat keinen Anspruch auf Insolvenzgeld für Ansprüche auf

Arbeitsentgelt, die ihm vor dem Insolvenzereignis ohne Zustimmung der Agentur für Arbeit zur Vorfinanzierung der Arbeitsentgelte übertragen wurden (§ 170 Abs. 4 Satz 1 SGB III).

− Die Agentur darf der Übertragung nur zustimmen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass durch die Vorfinanzierung der Arbeitsentgelte ein erheblicher Teil der Arbeitsplätze

erhalten bleibt.

Das Insolvenzgeld (3)

(18)

▪ Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über (§80 Abs. 1 InsO).

▪ Anhängige Prozesse gegen den Schuldner, die die Insolvenzmasse betreffen, werden unterbrochen (§240 Abs. 1 ZPO).

▪ Der Insolvenzverwalter hat aufzustellen:

− Verzeichnis der Massegegenstände (§ 151 Abs. 1 Satz 1 InsO),

− Gläubigerverzeichnis (§152 Abs. 1 InsO),

− Vermögensübersicht (§ 153 Abs. 1 Satz 1 InsO).

▪ §60 Abs. 1 InsO als zentrale Haftungsbestimmung: „Der Insolvenzverwalter ist allen Beteiligten zu Schadensersatz verpflichtet, wenn er schuldhaft die Pflichten verletzt, die ihm nach diesem Gesetz obliegen. Er hat für die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Insolvenzverwalters

einzustehen“.

▪ Schadensersatz bei Begründung nicht erfüllbarer Masseverbindlichkeiten: „Kann eine

Masseverbindlichkeit, die durch eine Rechtshandlung des Insolvenzverwalters begründet worden ist, aus der Insolvenzmasse nicht voll erfüllt werden, so ist der Verwalter dem Massegläubiger zum Schadensersatz verpflichtet“ (§61 Abs. 1 Satz1 InsO).

Das eröffnete Insolvenzverfahren

– Die Stellung des Insolvenzverwalters

(19)

▪ Masse- und Insolvenzforderungen:

− Aus der Insolvenzmasse sind die Kosten des Verfahrens (§ 54 InsO) und die sonstigen Masseverbindlichkeiten (§ 55 InsO) vorweg zu befriedigen (§ 53 InsO).

− Erst nach den Masseverbindlichkeiten sind die zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens bestehenden Ansprüche der Insolvenzgläubiger (§38 InsO) zu befriedigen.

▪ Die Unterscheidung zwischen Masse- und Insolvenzforderungen ist essentiell: Es gilt folgender Grundsatz:

− Forderungen aus der Zeit vor Insolvenzeröffnung sind Insolvenzforderungen (Ausnahme: vom

„starken“ vorläufigen Verwalter begründete Verbindlichkeiten sind Masseverbindlichkeiten -

§ 55 Abs. 2 InsO).

− Forderungen aus der Zeit ab Insolvenzeröffnung sind Masseforderungen.

− Für die Abgrenzung ist jeweils der Zeitpunkt der Anspruchsentstehung maßgeblich, nicht derjenige der Fälligkeit (BAG 24.09.2003 – 10 AZR 640/02).

Das eröffnete Insolvenzverfahren

– Bedeutung für das Arbeitsverhältnis (1)

(20)

▪ Für die Unterscheidung von Masse-und Insolvenzforderungen gilt das „Erarbeitungsprinzip“.

Ansprüche sind grundsätzlich dem Zeitraum zuzuordnen, in dem sie erarbeitet worden sind:

− Sind Sonderleistungen echtes Entgelt für geleistete Arbeit, sind sie quotal zu teilen.

− Handelt es sich um Leistungen, deren Entstehungsvoraussetzungen erst nach

Insolvenzeröffnung liegen und kein echtes Entgelt sind, so soll es sich insgesamt um Masseverbindlichkeiten handeln.

− Anspruch auf Urlaubsabgeltung ist Masseverbindlichkeit, der in vollem Umfang gegen den Verwalter besteht, auch wenn die Insolvenzeröffnung spät im Kalenderjahr erfolgt (also keine quotale Teilung! BAG 18.11.2003 – 9 AZR 347/03).

Das eröffnete Insolvenzverfahren

– Bedeutung für das Arbeitsverhältnis (2)

(21)

− Bei Altersteilzeit gilt ebenfalls das Erarbeitungsprinzip:

• Entgeltguthaben, die vor Insolvenzeröffnung für die Zeit der Freistellungsphase erarbeitet worden sind, sind Insolvenzforderungen gemäß §38 InsO.

• Entgeltansprüche, die nach Insolvenzeröffnung für die Zeit der Freistellungsphase erarbeitet worden sind, sind Masseforderungen gemäß §55 Abs. 1 Nr. 2 InsO.

Das BAG spricht davon, dass die Leistungen in der Freistellungsphase „spiegelbildlich“ zu der Arbeitsleistung in der Arbeitsphase zu leisten sind (BAG 19.12.2006 – 9 AZR 230/06; BAG 30.10.2008 – 8 AZR 54/07).

Exkurs: Hat der Betriebsrat vor Insolvenzeröffnung einen Rechtsanwalt als Berater oder

Sachverständigen hinzugezogen und dauerte dessen Tätigkeit bis nach der Insolvenzeröffnung an, sind die Honoraransprüche für die bis zur Insolvenzeröffnung erbrachten Beratungsleistungen keine Masseverbindlichkeiten, sondern Insolvenzforderungen (BAG 09.12.2009 – 7 ABR 90/07).

Das eröffnete Insolvenzverfahren

– Bedeutung für das Arbeitsverhältnis (3)

(22)

▪ Besonderheiten beim Zeugnisanspruch

− Der Zeugnisanspruch ist ein nichtvermögensrechtlicher Anspruch.

− Ist das Arbeitsverhältnis bei Insolvenzeröffnung bereits beendet, richtet sich der

Zeugnisanspruch nicht gegen den Insolvenzverwalter, sondern gegen den Schuldner.

− Ein etwa bei Insolvenzeröffnung anhängiger Streit über das Zeugnis wird nicht gemäß § 240 Abs. 1 ZPO unterbrochen, sondern ist gegen den Schuldner fortzuführen.

− Besteht das Arbeitsverhältnis über die Insolvenzeröffnung hinaus fort, ist der Zeugnisanspruch ab Eröffnung gegen den Verwalter zu richten (BAG 23.06.2004 – 10 AZR 495/03).

Der Verwalter muss dann die gesamte Zeit des Arbeitsverhältnisses bei der Erteilung des Zeugnisses berücksichtigen.

Das eröffnete Insolvenzverfahren

– Bedeutung für das Arbeitsverhältnis (4)

(23)

▪ § 87 InsO: „Die Insolvenzgläubiger können ihre Forderungen nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgen“.

▪ § 89 Abs. 1 InsO: „Zwangsvollstreckungen für einzelne Insolvenzgläubiger sind während der Dauer des Insolvenzverfahrens weder in die Insolvenzmasse noch in das sonstige Vermögen des

Schuldners zulässig“.

▪ Insolvenzforderungen sind gemäß §174 Abs. 1 InsO schriftlich beim Insolvenzverwalter

anzumelden. Bei der Anmeldung sind der Grund und der Betrag der Forderung anzugeben (§ 174 Abs. 2 InsO). Der Anmeldung sollen die Urkunden, aus denen sich die Forderung ergibt, in Abdruck beigefügt werden (§ 174 InsO).

▪ Wird eine angemeldete Forderung vom Insolvenzverwalter oder einem Insolvenzgläubiger bestritten, so kann sie gerichtlich festgestellt werden lassen (§ 179 InsO).

▪ Soweit es um die Feststellung von Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis geht, sind die Arbeitsgerichte zuständig (§ 185 InsO).

▪ Wichtig: Neben den Vorschriften der InsO über die Anmeldung von Insolvenzforderungen zur

Tabelle finden Ausschlussfristen für Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis keine Anwendung (BAG 15.02.2005 – 9 AZR 78/04).

Der Arbeitnehmer als Insolvenzgläubiger

(24)

▪ Gemäß § 53 InsO sind Masseverbindlichkeiten vorweg, d.h. außerhalb des Insolvenzverfahrens, zu berücksichtigen.

▪ Masseverbindlichkeiten brauchen nicht zur Insolvenztabelle angemeldet zu werden.

▪ Wird eine Masseforderung versehentlich erfolgreich zur Insolvenztabelle angemeldet, ändert dies nichts daran, dass sie weiterhin als Masseforderung geltend gemacht werden kann (vgl. nur BAG 15.02.2005 – 9 AZR 78/04). Die versehentliche Anmeldung zur Insolvenztabelle wahrt einzel- oder tarifvertragliche Ausschlussfristen (BAG 15.02.2005 – 9 AZR 78/04).

▪ Vollstreckungsverbot für Masseverbindlichkeiten innerhalb der ersten sechs Monate nach

Insolvenzeröffnung (§ 90 Abs. 1 InsO), soweit es sich nicht um privilegierte Masseverbindlichkeiten im Sinne des § 90 Abs. 2 InsO handelt.

▪ Für „gewöhnliche“ Masseverbindlichkeiten ist bei Masseunzulänglichkeit das Vollstreckungsverbot des § 210 InsO zu beachten.

Der Arbeitnehmer als Massegläubiger

(25)

BAG 31.07.2002 – 10 AZR 275/01

▪ „Abfindungsansprüche aus einem vor Insolvenzeröffnung aufgestellten Sozialplan sind Insolvenzforderungen iSv § 38 InsO, falls der Abschluss nicht durch einen vorläufigen

Insolvenzverwalter mit Verfügungsbefugnis iSv § 55 Abs. 1 InsO erfolgte“ (insoweit besteht eine gewisse Friktion mit BAG 14.03.2019 – 6 AZR 4/18).

BAG 27.09.2007 – 6 AZR 975/06

▪ Der Anspruch auf Abfindung, der auf einer Vereinbarung zwischen dem Schuldner und dem Arbeitnehmer beruht, ist grundsätzlich nur Insolvenzforderung nach § 38 InsO und nicht

Masseverbindlichkeit nach §55 Abs. 1 Nr. 2 InsO, auch wenn er erst nach Insolvenzeröffnung entsteht.

▪ Abfindungen sind in der Regel kein Entgelt für nach Insolvenzeröffnung erbrachte Arbeitsleistungen, sondern stellen einen Ausgleich für durch den Verlust des Arbeitsplatzes entstehende Nachteile und/oder eine Honorierung der Zustimmung des Arbeitnehmers zur vorzeitigen Vertragsauflösung dar.

Retention-Bonus (1)

(26)

BAG 12.09.2013 - 6 AZR 980/11

▪ Sagt der AG dem AN eine Prämie zu, wenn er bis zu einem bestimmten Stichtag keine

Eigenkündigung erklärt (Halteprämie), und liegt der Stichtag nach Insolvenzeröffnung, handelt es sich unabhängig davon, dass der Anspruch auf die Prämie auflösend bedingt ist, um eine

Masseverbindlichkeit iSv §55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO.

▪ Das LAG hat rechtsfehlerhaft die Vereinbarung der Halteprämie als Gewährung einer kongruenten Deckung angesehen. Die Zusage der Halteprämie stellt eine inkongruente Deckung dar. Das

arbeitsvertragliche Leistungsprogramm wurde durch die Zusage einer Halteprämie nachträglich zugunsten des Klägers abgeändert, ohne dass dieser darauf einen Anspruch hatte.

▪ Die Indizwirkung von Inkongruenz und Kenntnis der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit kann durch Umstände des Einzelfalls ausgeschlossen sein. Dies ist dann der Fall, wenn Einzelfallumstände ergeben, dass die angefochtene Rechtshandlung von einem anderen, anfechtungsrechtlich unbedenklichen Willen geleitet war und das Bewusstsein der Benachteiligung anderer Gläubiger infolgedessen in den Hintergrund getreten ist.

Retention-Bonus (2)

(27)

BAG 14.11.2012 – 10 AZR 3/12 (bestätigt 13.11.2013 – 10 AZR 848/12; BAG 23.03.2017 – 6 AZR 264/16)

▪ Unter welchen Voraussetzungen jährliche Sonderzuwendungen als Masseverbindlichkeiten iSd. §55 Abs.

1 Nr. 2 Alt. 2 InsO anzusehen sind, hängt von dem Zweck der Sonderzuwendung ab.

▪ Mit einer Sonderzuwendung kann die vom Arbeitnehmer im Bezugszeitraum erbrachte Arbeitsleistung zusätzlich honoriert werden. Der Anspruch auf eine solche Sonderzuwendung entsteht regelmäßig während des Bezugszeitraums entsprechend der zurückgelegten Dauer („pro rata temporis“)und wird nur zu einem anderen Zeitpunkt insgesamt fällig. Insolvenzrechtlich sind solche arbeitsleistungsbezogenen

Sonderzuwendungen dem Zeitraum zuzuordnen, für den sie als Gegenleistung geschuldet sind: Soweit mit ihnen Arbeitsleistungen vergütet werden, die nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erbracht wurden, handelt es sich um Masseforderungen. Für einen ratierlichen Erwerb des Anspruchs in dem hier

dargestellten Sinne genügt es, dass der Anspruch - unabhängig von einer gleichmäßigen Zielerfüllung im Geschäftsjahr - kontinuierlich an die Arbeitsleistung anknüpft.

▪ Sonderzuwendungen können auch als „Treueprämie“ langfristige oder als „Halteprämie“ kurzfristige bzw.

künftige Betriebstreue honorieren. Die Zahlung solcher Sonderzuwendungen hängt nicht von einer bestimmten Arbeitsleistung, sondern regelmäßig nur vom Bestand des Arbeitsverhältnisses ab.

Insolvenzrechtlich sind derartige stichtags- oder anlassbezogene Sonderzuwendungen dem Zeitraum zuzurechnen, in den der Stichtag fällt. Liegt der Stichtag zeitlich nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, handelt es sich um eine Masseverbindlichkeit.

Retention-Bonus (3)

(28)

▪ „Sind die Kosten des Insolvenzverfahrens gedeckt, reicht die Insolvenzmasse jedoch nicht aus, um die fälligen sonstigen Masseverbindlichkeiten zu erfüllen, so hat der Insolvenzverwalter dem

Insolvenzgericht anzuzeigen, dass Masseunzulänglichkeit vorliegt“. (§208 Abs. 1 Satz 1 InsO).

▪ Im Fall der Masseunzulänglichkeit gilt die besondere Tilgungsreihenfolge des § 209 InsO:

„Neumasseverbindlichkeiten vor Altmasseverbindlichkeiten“.

▪ Neumasseverbindlichkeiten sind gemäß § 209 Abs. 2 InsO insbesondere:

− Verbindlichkeiten aus einem Dauerschuldverhältnis für die Zeit nach dem ersten Termin, zu dem der Verwalter nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit kündigen konnte (Nr. 2);

− Verbindlichkeiten aus einem Dauerschuldverhältnis, sowie der Verwalter nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit für die Insolvenzmasse die Gegenleistung in Anspruch genommen hat (Nr. 3).

▪ Ist der Insolvenzverwalter an der Freistellung ggf. durch den arbeitsrechtlichen

Beschäftigungsanspruch gehindert? (im insolvenzrechtlichen Schrifttum wird das überwiegend verneint).

Sonderregeln bei Masseunzulänglichkeit

(29)

BAG 08.05.2014 – 6 AZR 246/12

▪ Eine Privilegierung von Vergütungsansprüchen durch ihre Einordnung als Neumasseverbindlichkeiten rechtfertigt sich regelmäßig nur, wenn der Arbeitnehmer durch tatsächliche Arbeitsleistung zur

Anreicherung der Masse beiträgt. Dies setzt voraus, dass das Arbeitsverhältnis in Vollzug gesetzt ist.

▪ Ein Arbeitnehmer, der nicht arbeitet, erbringt keine Gegenleistung. Verhindert ein freigestellter AN, der vom InsV zur Arbeitsleistung aufgefordert wird, durch Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts, dass seine Arbeitskraft der Masse tatsächlich zugutekommt, fließt der Masse kein Gegenwert zu.

Vergütungsansprüche als Neumasseverbindlichkeiten

(30)

▪ Rechtshandlungen, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind und die Insolvenzgläubiger benachteiligen, kann der Insolvenzverwalter nach Maßgabe der §§ 130 bis 146 InsO anfechten.

▪ Insolvenzanfechtung dient der Masseanreicherung, um dem Grundsatz der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung zum Durchbruch zu verhelfen.

▪ Anfechtbar sind:

− Rechtshandlungen innerhalb der letzten drei Monate vor Eröffnungsantrag oder nach

Eröffnungsantrag, wenn der Gläubiger die bestehende Zahlungsunfähigkeit bei Vornahme der Rechtshandlungen bekannt war oder wenn er den Eröffnungsantrag kannte (§ 130 InsO);

− Rechtshandlungen, durch die eine inkongruente Deckung erlangt wird (§131 InsO);

− Rechtshandlungen, die die Insolvenzgläubiger unmittelbar benachteiligen (§132 InsO);

− Rechtshandlungen, die innerhalb der letzten zehn Jahre vor Eröffnungsantrag in dem Vorsatz der Gläubigerbenachteiligung erfolgen („Absichtsanfechtung“ - § 133 InsO);

− unentgeltliche Leistungen des Schuldners innerhalb der letzten vier Jahre vor Eröffnungsantrag (vgl. dazu BAG 17.12.2015 – 6 AZR 186/14).

Insolvenzanfechtung gegenüber Arbeitnehmern (1)

(31)

▪ Rechtsfolgen der Anfechtung (§ 143 InsO), Grundsatz:

− Was durch die anfechtbare Handlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist, muss zur Insolvenzmasse zurückgewährt werden.

− Die Vorschriften über die Rechtsfolgen einer ungerechtfertigten Bereicherung, bei der dem Empfänger der Mangel des rechtlichen Grundes bekannt ist, gelten entsprechend.

▪ Gewährt der Empfänger einer anfechtbaren Leistung das Erlangte zurück, so lebt seine Forderung wieder auf. Eine Gegenleistung ist aus der Insolvenzmasse (nur) zu erstatten, soweit sie in dieser noch ununterscheidbar vorhanden ist oder soweit die Masse um ihren Wert bereichert ist (§ 144 InsO).

▪ Wichtige Einschränkung der Anfechtungsmöglichkeit: Bargeschäfte.

Gemäß § 142 InsO ist eine Leistung des Schuldners, für die unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in sein Vermögen gelangt, nur anfechtbar, wenn die Voraussetzungen der Absichtsanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO gegeben sind.

Insolvenzanfechtung gegenüber Arbeitnehmern (2)

(32)

▪ Praktische Fragen

− Selbst wenn ein Arbeitnehmer, der in der Krise Zahlungen auf rückständige Lohnforderungen erhält, weiß, dass der Arbeitgeber auch anderen Arbeitnehmern noch Entgelt schuldet, zwingt allein diese Kenntnis des Arbeitnehmer nicht zu einem Schluss auf die Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers. Ein Arbeitnehmer ohne Einblick in die Liquiditätslage des Unternehmens muss sich nicht erkundigen, ob das Unternehmen noch zahlungsfähig ist (BGH 19.02.2009 – IX ZR 62/08).

− Eine Sanierungsvereinbarung, wonach der Arbeitnehmer einen Sanierungsbeitrag infolge von Teilzeitarbeit gegen abgesenktes Entgelt leistet, er im Falle der Insolvenz jedoch für die letzten zwölf Monate vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses so gestellt werden soll, wie er ohne die Teilzeitbeschäftigung gestanden hätte (wobei der Arbeitgeber auch die volle Arbeitszeit

verlangen kann), ist weder anfechtbar noch sittenwidrig. Der Anspruch auf die

Vergütungsdifferenz ist eine Masseverbindlichkeit (BAG 19.01.2006 – 6 AZR 529/04).

− Zuständig für die Insolvenzanfechtung gegenüber den Arbeitnehmern sind die Arbeitsgerichte (GmS OGB 27.09.2010 – GmS-OGB 1/09).

Insolvenzanfechtung gegenüber Arbeitnehmern (3)

(33)

BAG 06.10.2011 – 6 AZR 262/10 (BAG 24.10.2013 – 6 AZR 466/12; BAG 29.01.2014 – 6 AZR 345/12)

▪ „Unter welchen zeitlichen Voraussetzungen verspätete Entgeltzahlungen des Arbeitgebers noch

Bargeschäfte im Sinne von §142 InsO sind und damit der Privilegierung dieser Vorschrift unterliegen, ist im Schrifttum umstritten. So soll ein Bargeschäft bereits dann ausgeschlossen sein, wenn die

Vergütung nicht nur einige Tage verspätet oder nicht einigermaßen pünktlich gezahlt wird. Als zeitliche Grenze des Bargeschäftscharakters einer verspäteten Lohnzahlung werden auch Fristen von drei Wochen, von ca. vier Wochen, von nicht mehr als 30 Tagen und von nicht mehr als einem

Kalendermonat genannt.“

▪ „Jedoch sind nach der Verkehrsanschauung Entgeltzahlungen von Arbeitgebern für Arbeitsleistungen in den letzten drei Monaten, die Arbeitnehmer im Hinblick auf den […] Insolvenzgeldzeitraum zumeist als abgesichert anzusehen pflegen, […] noch Leistungen im engen zeitlichen Zusammenhang mit der von den Arbeitnehmern erbrachten Gegenleistung.“

BAG: Arbeitsverhältnis und Bargeschäft

(34)

BAG 29.01.2014 – 6 AZR 345/12

▪ Die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung sind nicht stets schon dann zu bejahen, wenn der AG zahlungsunfähig war und der AN dies wusste. Vielmehr muss das Indiz der

Zahlungsunfähigkeit und ihrer Kenntnis einzelfallbezogen auf seine Beweiskraft hin geprüft werden.

▪ Bei Zahlungen im Rahmen eines Bargeschäfts oder in bargeschäftsähnlicher Lage ist darauf zu achten, dass die Vorsatzanfechtung nicht über ihren Normzweck hinaus ausgedehnt und dass dem vom Gesetzgeber beabsichtigten Stufenverhältnis von§ 130 I 1 Nr. 1 und §133 InsO Rechnung getragen wird.

▪ Bejahte man bei Kenntnis des AN von der Zahlungsunfähigkeit stets die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung, würde nicht ein durch missbilligtes Verhalten erlangter Sondervorteil

rückgängig gemacht, sondern im Regelfall vom AN, der ohne adäquate Handlungsalternative verpflichtet war, seine Arbeitsleistung weiter zu erbringen, ein Sonderopfer verlangt.

BAG: Bargeschäft und Anfechtung

(35)

BAG 29.01.2014 – 6 AZR 345/12

Die §§ 129 ff. InsO lassen den rückwirkenden Zugriff des InsV auf das Existenzminimum für den von der Anfechtung erfassten Zeitraum uneingeschränkt zu.

Dem AN wird dadurch nachträglich der zur Absicherung des Existenzminimums erforderliche, durch eigene Arbeitsleistung verdiente Betrag wieder entzogen.

Der AN hat jedenfalls dann, wenn der spätere Schuldner das Entgelt (weitgehend) pünktlich zahlt, keine adäquaten Handlungsmöglichkeiten, dem Risiko einer Insolvenzanfechtung vorzubeugen. Er kann letztlich nur weiterarbeiten und hoffen, dass es nicht zur Insolvenz kommt.

Der Senat erwägt daher, in Fällen kongruenter Deckung durch eine verfassungskonforme

Auslegung der §§ 129 ff. InsO das im Entgelt enthaltene Existenzminimum anfechtungsfrei zu stellen.

BAG: Verfassungskonforme Auslegung der §§ 129 ff. InsO?

(36)

BAG 21.11.2013 – 6 AZR 159/12

Werden Entgeltansprüche nicht durch den Vertragsarbeitgeber, sondern durch ein anderes Unternehmen erfüllt, fehlt es nicht bereits deshalb an Inkongruenz, weil der Schuldner und der zur Zahlung angewiesene Dritte über die Rechtsträgergrenzen hinweg ein „einheitliches

Unternehmen“ unterhalten und die finanzielle Mittel aus einem Topf stammen

Das deutsche Insolvenzverfahren ist rechtsträgerbezogen ausgestaltet. De lege lata gilt der Grundsatz „ein Rechtsträger – eine Masse“. Dieser gebietet auch anfechtungsrechtlich die sorgfältige Trennung der Vermögensmassen.

Dies gilt auch, wenn die Unternehmen einen Gemeinschaftsbetrieb führen. Zahlt daher nicht der Vertragsarbeitgeber den Lohn, sondern ein anderes am gemeinsamen Betrieb beteiligtes Unternehmen, liegt eine nicht geringfügige Abweichung zwischen materiell-rechtlich

geschuldeter und tatsächlicher Leistung und damit eine inkongruente Leistung iSv

§

131 I InsO vor.

BAG: Inkongruenz bei verbundenen Unternehmen

(37)

BAG 26.09.2013 – 8 AZR 1013/12 (vgl. auch BAG 20. Juni 2013 - 8 AZR 280/12)

Nach § 202 Abs. 1 BGB kann die Verjährung bei Haftung wegen Vorsatzes nicht im Voraus durch Rechtsgeschäft erleichtert werden. § 202 Abs. 1 BGB verbietet nicht nur

Vereinbarungen über die Verjährung, sondern auch über Ausschlussfristen, die sich auf eine Vorsatzhaftung des Schädigers beziehen. § 202 BGB stellt eine Verbotsnorm im Sinne von

§

134 BGB dar. An die Stelle der unwirksamen Abrede tritt die gesetzliche Verjährungsregelung.

▪ §

202 Abs. 1 BGB steht einer tarifvertraglichen Ausschlussfrist, die auch Ansprüche aus vorsätzlichem Handeln erfasst und nach

§

4 Abs. 1 Satz 1 TVG (Tarifbindung) oder

§

5 Abs. 4 TVG (Allgemeinverbindlichkeit) normative Wirkung entfaltet, allerdings nicht entgegen (vgl. auch BAG 18. August 2011 - 8 AZR 187/10). Eine bloße Geltung infolge

arbeitsvertraglicher Bezugnahme genügt insoweit hingegen nicht.

BAG: Eingreifen von Ausschlussfristen

(38)

BAG 24.10.2013 – 6 AZR 466/12 (siehe auch BAG 03.07.2014 – 6 AZR 451/12)

Nach der Entscheidung des GemS OGB ist der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für

Ansprüche des Insolvenzverwalters nach § 143 I InsO auf Rückzahlung von Arbeitsvergütung eröffnet, weil es sich um eine Rechtsstreitigkeit aus dem Arbeitsverhältnis handelt (GmS-OGB 27.09.2010, GmS-OGB 1/09).

Dennoch unterfällt der insolvenzrechtliche Rückforderungsanspruch tariflichen Ausschlussfristen nicht.

Gemäß § 1 I TVG erstreckt sich die normative Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien nur auf den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen sowie die Ordnung betrieblicher und betriebsverfassungsrechtlicher Fragen. Die §§ 129 ff. InsO begründen

demgegenüber ein gesetzliches Schuldverhältnis ohne jede Rücksicht auf ein in der Insolvenz fortbestehendes Arbeitsverhältnis oder ein früheres Arbeitsverhältnis zum Insolvenzschuldner.

Ein derartiges gesetzliches Schuldverhältnis steht außerhalb der Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien.

BAG: Insolvenzanfechtung und Ausschlussfristen

(39)

Vermittlungsversuch findet nur statt, wenn der Insolvenzverwalter und der Betriebsrat dies gemeinsam wollen (§ 121 InsO).

Führt der Insolvenzverwalter eine Betriebsänderung durch, ohne über sie einen

Interessenausgleich mit dem Betriebsrat versucht zu haben, trifft ihn die Pflicht zur Zahlung eines Nachteilsausgleichs gemäß § 113 BetrVG.

Bei der Festsetzung der Höhe des Nachteilsausgleichs ist die Insolvenzsituation nicht zu berücksichtigen (BAG 22.07.2003 – 1 AZR 541/02).

Anspruch auf Zahlung des Nachteilsausgleichs ist Masseverbindlichkeit, wenn die Betriebsänderung nach Insolvenzeröffnung beschlossen und durchgeführt wird (BAG 22.07.2003 – 1 AZR 541/02).

Kommt es durch die Verursachung von Nachteilsausgleichsansprüchen zu einer Schmälerung der Masse, kann der Insolvenzverwalter gegenüber den nachteilig betroffenen Beteiligten gemäß § 60 InsO schadensersatzpflichtig sein.

Interessenausgleich

– insolvenzbedingte Besonderheiten (1)

(40)

BAG 07.11.2017–1 AZR 186/16

▪ Der Nachteilsausgleichsanspruch ist Insolvenzforderung, wenn unabhängig vom Verhalten des

Insolvenzverwalters die Betriebsstilllegung vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begonnen wurde und der Versuch eines vorherigen Interessenausgleichs unterblieben ist.

▪ Der Senat hält daran fest, dass eine Nachteilsausgleichsanspruch wegen Beginns der Betriebsänderung durch den Insolvenzverwalter ohne Interessenausgleich Masseforderung nach§55 Abs. 1 Nr. 1, Alt. 1 InsO ist.

▪ „Vorliegend wurde die betriebliche Organisation der Insolvenzschuldnerin erst mit dem Ausspruch der Kündigungen der Arbeitsverhältnisse durch den Insolvenzverwalter nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens unwiederbringlich aufgelöst. Hierin liegt seine die Nachteilsausgleichsverpflichtung auslösende Handlung, weil in diesem Zeitpunkt ein hinreichender Interessenausgleichsversuch nicht unternommen war. Vor Ausspruch der Kündigungen waren keine unumkehrbaren Maßnahmen getroffen“.

▪ Nicht unumkehrbar sind insbesondere: Einstellung der betrieblichen Tätigkeit, Freistellung der Arbeitnehmer.

Interessenausgleich

– insolvenzbedingte Besonderheiten (2)

(41)

▪ Beschlussverfahren nach § 122 InsO (= gerichtliche Zustimmung zu Durchführung einer

Betriebsänderung statt Interessenausgleich; vgl. dazu umfassend ArbG Lingen 09.07.1999 – 2 BV 4/99).

− Beteiligte

• Insolvenzverwalter (Verfahren steht nicht für Erwerber eines Betriebs aus der Insolvenz zur Verfügung)

• Betriebsrat

− Beschlussverfahren ist vom ArbG vorrangig zu erledigen (§ 61a Abs. 3 ArbGG)

− Einigungsstellenverfahren kann vom Insolvenzverwalter parallel betrieben werden (§122 Abs. 1 Satz 3 InsO).

• Insolvenzverwalter kann schauen, welcher Weg am schnellsten zum Ziel führt.

• Falls Antrag keinen Erfolg hat, muss der Insolvenzverwalter immer noch die Möglichkeit haben, über ein Einigungsstellenverfahren Nachteilsausgleichsansprüche zu vermeiden.

Interessenausgleich

– insolvenzbedingte Besonderheiten (3)

(42)

− Beabsichtigte Betriebsänderung muss im Antrag hinreichend bestimmt beschrieben werden.

− Antragsgegner muss das betriebsverfassungsrechtlich zuständige Gremium sein (BR, GBR, KBR).

− Rechtzeitige und umfassende Information nach § 111 Satz 1 BetrVG.

− Schriftliche Aufforderung zur Aufnahme von Verhandlungen oder tatsächlicher Beginn der Verhandlungen über Interessenausgleich.

− Trotz Verhandlungsbereitschaft des Insolvenzverwalters kommt innerhalb von drei Wochen ab Zugang der Aufforderung oder Beginn der Verhandlungen kein Interessenausgleich zustande.

• Die Drei-Wochen-Frist läuft nicht notwendigerweise erst mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

• Der Insolvenzverwalter kann in kann in bereits vom Schuldner begonnene Verhandlungen eintreten, wenn er dieselbe Betriebsänderung anstrebt.

Interessenausgleich

– insolvenzbedingte Besonderheiten (4)

(43)

− Wirtschaftliche Lage des Unternehmens erfordert Durchführung der Betriebsänderung ohne vorheriges Verfahren nach §112 Abs. 2 BetrVG.

• Bei Liquidation:

Zeitverlust würde Insolvenzmasse schmälern, weil im Betrieb die laufenden Kosten nicht erwirtschaftet werden können.

• Bei Fortführung

− Durch Versuch eines Interessenausgleichs würde die Existenz des Betriebs gefährdet oder eine Veräußerungschance zunichte gemacht.

− Die sozialen Belange der Arbeitnehmer gebieten keine Durchführung des Verfahrens nach § 112 Abs. 2 BetrVG.

• Ein bloßes Verzögerungsinteresse er Arbeitnehmer wird nicht geschützt.

• Ein Einigungsstellenverfahren bietet keine konkrete Aussicht auf eine sozialverträgliche Lösung.

Interessenausgleich

– insolvenzbedingte Besonderheiten (5)

(44)

− Rechtsgestaltende Wirkung des arbeitsgerichtlichen Beschlusses tritt mit Rechtskraft ein.

• Erst mit Rechtskraft des Zustimmungsbeschlusses hat der Insolvenzverwalter „grünes Licht“ für die Durchführung der Betriebsänderung.

• Beschlussverfahren soll grundsätzlich in einer Instanz erledigt sein. Gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts findet eine Beschwerde zum LAG nicht statt (§ 122 Abs. 3 Satz 1 InsO).

• Eine Rechtsbeschwerde an das BAG ist vom ArbG zuzulassen, wenn

a) der Beschluss grundsätzliche Bedeutung hat oder

b) der Beschluss von Entscheidungen divergenzfähiger Bundesgerichte oder anderer Arbeitsgerichte abweicht und auf dieser Abweichung beruht.

• Eine Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht möglich. § 122 Abs. 3 InsO verweist nicht auf §§

72a und 92a ArbGG.

Interessenausgleich

– insolvenzbedingte Besonderheiten (6)

(45)

− Nach umstrittener Ansicht ist auch der Erlass einer einstweiligen Verfügung möglich:

• § 122 Abs. 2 InsO verweist allgemein auf die Vorschriften über das Beschlussverfahren, also auch auf § 85 Abs. 2 ArbGG.

• Dagegen spricht aber, dass bereits der Antrag im Hauptsacheverfahren die Eilbedürftigkeit der Betriebsänderung voraussetzt. Im Übrigen nimmt eine einstweilige Verfügung mit

Gestaltungswirkung die Hauptsache vorweg.

• Ein Verfügungsgrund kommt daher allenfalls in Ausnahmekonstellationen in Betracht:

a) Konkret drohende Masseunzulänglichkeit (§ 207 InsO)

b) Sanierung würde bei weiterem Zeitverzug vereitelt.

• Risiko für Insolvenzverwalter: Wird einstweilige Verfügung im Hauptsache-verfahren aufgehoben, nachdem mit Betriebsänderung begonnen wurde, entstehen Nachteilsausgleichsansprüche.

Interessenausgleich

– insolvenzbedingte Besonderheiten (7)

(46)

▪ Sozialplanaußenschranke für in der Insolvenz aufgestellte Sozialpläne: Nach § 123 Abs. 1 InsO beträgt das maximale Volumen des Sozialplans zweieinhalb Monatsverdienste der von einer Entlassung betroffenen Arbeitnehmer

− Entlassung: betriebsbedingte Kündigung oder Aufhebungsvertrag oder Eigenkündigung auf Veranlassung des Insolvenzverwalters.

− Monatseinkommen: Es gelten die Grundsätze des § 10 Abs. 3 KSchG.

− Überschreitung führt grundsätzlich zur Gesamtnichtigkeit des Sozialplans.

▪ Sozialplaninnenschranke: Nach § 123 Abs. 2 InsO darf nicht mehr als ein Drittel des Masse (nach Abzug der Kosten des Insolvenzverfahrens und sonstiger Masseverbindlichkeiten), die ohne

Sozialplan für die Verteilung an alle Insolvenzgläubiger zur Verfügung stünde, zur Berichtigung der Sozialplanverbindlichkeiten verwendet werden (relative Schranke). Übersteigt der Gesamtbetrag aller Sozialplanforderungen diese Grenze, sind die einzelnen Forderungen anteilig zu kürzen.

Sozialplan – insolvenzbedingte Besonderheiten (1)

(47)

▪ Forderungen aus einem im eröffneten Insolvenzverfahren aufgestellten Sozialplan sind formal Masseverbindlichkeiten:

− Anmeldung und Feststellung im Insolvenzverfahren sind nicht erforderlich.

− Die relative Obergrenze nach § 123 Abs. 2 Satz 2 InsO bewirkt jedoch wirtschaftlich, dass sie erst nach den sonstigen Masseforderungen befriedigt werden.

− Soweit hinreichende Barmittel zur Verfügung stehen, soll der Insolvenzverwalter mit Zustimmung des Insolvenzgerichts Abschlagszahlungen auf Sozialplanforderungen leisten (§123 Abs. 3 InsO). Der Verwalter muss dabei darauf achten, dass er die relative Obergrenze nicht

überschreitet.

Sozialplan – insolvenzbedingte Besonderheiten (2)

(48)

▪ Der insolvenznahe Sozialplan:

− Gemäß § 124 Abs. 1 InsO kann ein Sozialplan, der vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens, jedoch nicht früher als drei Monate vor dem Eröffnungsantrag aufgestellt wurde, sowohl vom Insolvenzverwalter als auch vom Betriebsrat widerrufen werden.

− Im Falle des Widerrufs wird der Sozialplan rückwirkend beseitigt.

− Bereits erbrachte Leistungen

• können nicht zurückgefordert werden, sind aber auf Ansprüche des Arbeitnehmers aus einem späteren Insolvenzsozialplan anzurechnen und

• sind bei der Berechnung der maximalen Gesamtdotierung eines späteren Insolvenzplans nach §123 Abs. 1 InsO zu berücksichtigen.

Sozialplan – insolvenzbedingte Besonderheiten (3)

(49)

▪ § 613a BGB gilt in der Insolvenz nicht uneingeschränkt.

▪ Grundsatz der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung verlangt teleologische Reduktion.

Betriebsübergang in der Insolvenz (1)

Bestandsschutz Haftung des Erwerbers

unmodifizierte Geltung modifizierte Geltung

(50)

Betriebsübergang in der Insolvenz (2)

Haftung des Erwerbers für im jeweiligen Zeit- raum entstandene An- sprüche der Arbeit- nehmer

Inhaber der

Herrschaftsmacht

Insolvenz- eröffnung

Übergang der Herrschaftsmacht

InsS InsV Erwerber

(-)

Ausnahme:

„starker“ Verwalter

(+)

Masseverb

(+)

(51)

▪ Entscheidend für die Haftung des Erwerbers ist mithin der Zeitpunkt des Betriebsübergangs.

− Nach Ansicht des BAG liegt Übergang vor, sobald der Erwerber aufgrund rechtsgeschäftlicher Übereinkunft in der Lage ist, die Leitungsmacht im Betrieb mit dem Ziel der Betriebsfortführung auszuüben.

− Nicht erforderlich ist, dass die Leitungsmacht bereits tatsächlich ausgeübt wird (BAG 26.03.1996 – 3 AZR 965/94).

▪ Ist ein Erwerber gefunden, will dieser aber vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens weder den Kaufvertrag unterzeichnen noch die Leitungsmacht übernehmen, ist es regelmäßig nicht rechtsmissbräuchlich, wenn mit beidem bis nach Insolvenzeröffnung abgewartet wird (BAG 26.03.1996 – 3 AZR 965/64).

▪ Gleiches gilt, wenn zwar der schuldrechtliche Vertrag vor Insolvenzeröffnung ausverhandelt ist, jedoch der rechtliche und tatsächliche Übergang der Leitungsmacht durch die Insolvenzeröffnung aufschiebend bedingt ist (BAG 04.07.1989 – 3 AZR 765/87). Vorsicht: Nach BAG ist abschließende Verhandlung aller Verträge vor Eröffnung Indiz für Übergang auch der tatsächlichen Leitungsmacht vor Eröffnung (BAG 26.03.1996 – 3 AZR 965/94).

Betriebsübergang in der Insolvenz (3)

(52)

Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft

InsSchuldner

AN BM

BQG AN Erwerber

InsSchuldner

AN BM

BQG AN Erwerber

Dreiseitiger

Vertrag

(53)

BAG 18.08.2011 – 8 AZR 312/10; BAG 25.10.2012 – 8 AZR 572/11

▪ Nach der Rechtsprechung des Senats ist der Abschluss eines Aufhebungsvertrages mit einem Betriebsveräußerer und damit zusammenhängend der Abschluss eines Arbeitsvertrages mit einer BQG trotz eines anschließenden Betriebsübergangs grundsätzlich wirksam, wenn die Vereinbarung auf das endgültige Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Betrieb gerichtet ist.

▪ Grundsätzlich gewährt § 613a BGB keinen Schutz vor einvernehmlicher Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne sachlichen Grund.

▪ § 613a BGB wird jedoch umgangen, wenn der Aufhebungsvertrag die Beseitigung der Kontinuität des Arbeitsverhältnisses bei gleichzeitigem Erhalt des Arbeitsplatzes bezweckt, weil zugleich ein neues Arbeitsverhältnis vereinbart oder zumindest verbindlich in Aussicht gestellt wurde.

▪ Dagegen gewährt § 613a BGB einen Schutz vor einer Veränderung des Vertragsinhaltes ohne

sachlichen Grund. Dieser Schutz darf nicht umgangen werden; dies stellte ein rechtlich nicht erlaubtes Ziel dar, das nicht verfolgt werden kann auf einem das Gesetz zwar formal erfüllenden, aber seinem Sinn und Zweck nicht gerecht werdenden Weg.

Der aktuelle Stand zu § 613a BGB und BQG (1)

(54)

Hessisches LAG 10.06.2013 – 16 Sa 1663/12

„§ 613a BGB wird jedoch umgangen, wenn der Aufhebungsvertrag die Beseitigung der Kontinuität des Arbeitsverhältnisses bei gleichzeitigem Erhalt des Arbeitsplatzes bezweckt, weil zugleich ein neues Arbeitsverhältnis vereinbart oder zumindest verbindlich in Aussicht gestellt wurde. Dies gilt auch, wenn der Arbeitnehmer die Umgehung des § 613a BGB damit begründet, es sei zwar nicht ausdrücklich ausgesprochen worden, jedoch nach den gesamten Umständen klar gewesen, dass er vom Betriebserwerber eingestellt werde. Diese Umstände hat der Arbeitnehmer näher darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen. Auch in diesem Falle liegt die objektive Zwecksetzung des

Aufhebungsvertrages in der Beseitigung der Kontinuität des Arbeitsverhältnisses bei gleichzeitigem Erhalt des Arbeitsplatzes. Diese Prüfung berücksichtigt auch in angemessener Weise die für den betroffenen Arbeitnehmer bestehende, seine rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit

beeinträchtigende Drucksituation. Fehlt es an dem gleichzeitigen Abschluss oder dem

Inaussichtstellen eines neuen Arbeitsvertrages, so stellt sich der Aufhebungsvertrag für den

Arbeitnehmer als ein -im Rahmen der Vertragsfreiheit zulässiges- Risikogeschäft dar, weil nicht klar ist, ob der Betriebserwerber den Arbeitnehmer übernehmen wird.“

Der aktuelle Stand zu § 613a BGB und BQG (2)

(55)

▪ Gemäß § 113 InsO kann ein Arbeitsverhältnis sowohl vom Arbeitnehmer als auch vom

Insolvenzverwalter ohne Rücksicht auf eine vereinbarte Vertragsdauer oder einen vereinbarten Ausschluss des Rechts zur ordentlichen Kündigung gekündigt werden. Die Kündigungsfrist beträgt drei Monate zum Monatsende, wenn nicht eine kürzere Frist maßgeblich ist.

▪ § 113 InsO ändert nichts daran, dass der Insolvenzverwalter die allgemeinen und besonderen Kündigungsschutzregelungen sowie sonstige beim Ausspruch einer Kündigung relevanten Bestimmungen berücksichtigen muss.

▪ § 113 Satz 1 InsO verdrängt den Ausschluss einer ordentlichen Kündigung sowohl durch Tarifvertrag als auch durch Betriebsvereinbarung (BAG 22.09.2005 – 6 AZR 526/04).

▪ § 113 Satz 1 InsO beseitigt nicht sonstige Kündigungserschwerungen, wie beispielsweise Bindung der Kündbarkeit an Zustimmung des Betriebsrats (BAG 19.01.2000 – 4 AZR 911/98).

Betriebsbedingte Kündigung in der Insolvenz (1)

(56)

▪ §

113 InsO findet auf alle Arten ordentlicher Kündigungen Anwendung und gilt daher sowohl für Beendigungs- als auch für Änderungskündigungen.

▪ §

113 InsO ist auch auf sog. Nachkündigungen des Insolvenzverwalters anzuwenden, mit denen bereits gekündigte Arbeitsverhältnisse erneut gekündigt werden, auch auf Kündigungen vor Dienstantritt (BAG 23.02.2017 – 6 AZR 665/15).

▪ §

113 InsO gilt nach Ansicht des LAG Berlin-Brandenburg auch für solche

Arbeitsverhältnisse, die der Insolvenzverwalter mit Wirkung für die Masse neu begründet hat (LAG Berlin-Brandenburg 11.07.2007 – 23 Sa 450/07).

Kündigt der Verwalter, so kann der Arbeitnehmer wegen der vorzeitigen Beendigung des Dienstverhältnisses als Insolvenzgläubiger Schadenersatz verlangen (§ 113 Satz 3 InsO).

Betriebsbedingte Kündigung in der Insolvenz (2)

(57)

▪ § 125 InsO vermutet, dass die Kündigungen durch dringende betriebliche Erfordernisse getragen sind.

− Zur Widerlegung muss der AN darlegen und beweisen, dass der Beschäftigungsbedarf nicht weggefallen ist. Der AN muss also darlegen, dass sein bisheriger Arbeitsplatz noch vorhanden ist oder wo er sonst im Betrieb oder Unternehmen weiterbeschäftigt werden kann.

− Vermutung bezieht sich dann auf das Fehlen einer Beschäftigungsmöglichkeit im gesamten Unternehmen, wenn der örtliche Betriebsrat den Interessenausgleich abgeschlossen hat. Dies sei allerdings nur so lange gerechtfertigt, wie „die Mitprüfung der zugrunde liegenden

Gegebenheiten durch den BR auch stattgefunden hat“ (BAG 06.09.2007 – 2 AZR 715/06).

− Bestreitet der AN in erheblicher Weise, dass die Betriebsparteien sich mit

Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten in anderen Betrieben befasst haben, so muss der AG dies darlegen und beweisen (BAG 06.09.2007 – 2 AZR 715/06).

Betriebsbedingte Kündigung in der Insolvenz

– Interessenausgleich mit Namensliste (1)

(58)

▪ Gemäß § 125 InsO ist die soziale Auswahl der namentlich bezeichneten Arbeitnehmer nur auf grobe Fahrlässigkeit überprüfbar.

− Grob fehlerhaft, wenn ein „evidenter, ins Auge springender Fehler vorliegt und der Interessenausgleich jede Ausgewogenheit vermissen lässt“.

− Nur wo der Sache nach nicht mehr von einer sozialen Auswahl gesprochen werden kann, dürfe grobe Fehlerhaftigkeit angenommen werden.

− Absenkung der Prüfungsdichte hinsichtlich des gesamten Auswahlprozesses (Festlegung des Auswahlkreises einschließlich Betriebsabgrenzung, berechtigte betriebliche Interessen,

Gewichtung der Sozialkriterien) – vgl. nur BAG 12.03.2009 – 2 AZR 418/07.

Betriebsbedingte Kündigung in der Insolvenz

– Interessenausgleich mit Namensliste (2)

(59)

▪ Wirksamkeit von Teil-Namenslisten?

− Anerkannt für zeitlich gestaffelte Betriebsänderungen, sofern sämtliche auf derselben Stufe jeweils zu kündigenden Arbeitnehmer in der Namensliste aufgeführt sind (BAG 22.01.2004 – 2 AZR 111/02).

− Darüber hinaus? „Regelmäßig wird nur aus einer die unternehmerische Entscheidung insgesamt erfassenden Liste deutlich, wie sich die dem Interessenausgleich zugrunde liegende

Betriebsänderung […] auf die konkreten Beschäftigungsmöglichkeiten der Arbeitnehmer im Betrieb insgesamt auswirkt“ (BAG 26.03.2009 – 2 AZR 296/07).

− Enthält die Namensliste auch Arbeitnehmer, denen aus Sicht der Betriebsparteien nicht wegen der Betriebsänderung, sondern aus anderen Gründen zu kündigen ist, so hat die Namensliste insgesamt nicht die Wirkungen des § 125 InsO (BAG 26.03.2009 – 2 AZR 296/07).

Betriebsbedingte Kündigung in der Insolvenz

– Interessenausgleich mit Namensliste (3)

(60)

▪ § 126 InsO stellt ein schwerwiegendes Verfahren zur Verfügung, das in der Praxis so gut wie keine Rolle spielt.

− Verdrängung des individuellen Kündigungsschutzprozesses durch kollektives Beschlussverfahren.

− Auffangvorschrift zu § 125 InsO, falls Interessenausgleich mit Namensliste nicht erreicht werden kann.

− Parallel zum Beschlussverfahren nach § 122 InsO durchführbar.

▪ Beteiligte des Verfahrens nach § 126 InsO sind:

− Insolvenzverwalter

− Betriebsrat (sofern vorhanden)

− alle im Antrag und ggf. in Hilfsanträgen bezeichneten Arbeitnehmer

− Im Fall des § 128 InsO der Erwerber des Betriebs

Betriebsbedingte Kündigung in der Insolvenz

– Beschlussverfahren zum Kündigungsschutz (1)

(61)

▪ Voraussetzungen des Verfahrens nach § 126 InsO (nur, wenn ein BR besteht):

− Betriebsrat wurde umfassend und rechtzeitig informiert

− mindestens drei Woche vor der gerichtlichen Anhörung im Beschlussverfahren

− wurden Verhandlungen über einen Interessenausgleich mit dem zuständigen Betriebsrat aufgenommen oder

− wurde der zuständige Betriebsrat schriftlich zur Aufnahme der Verhandlungen über einen Interessenausgleich aufgefordert.

▪ Materielle Voraussetzungen des Verfahrens nach § 126 InsO:

− Soziale Rechtfertigung der im Antrag bezeichneten Kündigungen.

− Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt: Schluss der mündlichen Anhörung der

Verfahrensbeteiligten, bei bereits ausgesprochenen Kündigungen der Zeitpunkt des Zugangs.

− Der Prüfungsmaßstab für die soziale Rechtfertigung entspricht dem im normalen Kündigungsschutzprozess.

− Sonstige Unwirksamkeitsgründe (§ 102 BetrVG, §§ 168 ff. SGB IX etc.) werden nicht geprüft.

Betriebsbedingte Kündigung in der Insolvenz

– Beschlussverfahren zum Kündigungsschutz (2)

(62)

▪ Rechtsmittel und Bindungswirkung

− Beschlussverfahren soll grundsätzlich in einer Instanz erledigt sein. Gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts findet eine Beschwerde zum LAG nicht statt (§ 126 Abs.2 Satz 2 i.V.m. § 122 Abs. 3 Satz 1 InsO).

− Eine Rechtsbeschwerde an das BAG ist vom ArbG zugelassen, wenn

• der Beschluss grundsätzliche Bedeutung hat oder

• der Beschluss von Entscheidungen divergenzfähiger Bundesgerichts oder anderer Arbeitsgerichte abweicht und auf dieser Abweichung beruht.

Wird die Rechtsbeschwerde zugelassen, kann sie von jedem beteiligten Arbeitnehmer selbständig eingelegt werden.

− Eine Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht möglich.

− Eine rechtskräftige Entscheidung im Beschlussverfahren hat bindende Wirkung für individuelle Kündigungsschutzverfahren, es sei denn, die Sachlage hat sich nach dem Schluss der letzten mündlichen Verhandlung wesentlich geändert (§ 127 Abs. 1 InsO).

Betriebsbedingte Kündigung in der Insolvenz

– Beschlussverfahren zum Kündigungsschutz (3)

(63)

▪ Grundsatz: Insolvenzsicherung gemäß § 7 Abs. 1 BetrAVG über den Pensionssicherungsverein aG für Versorgungszusagen in den Durchführungswegen: Direktzusage, Unterstützungskasse,

Pensionsfonds und (in einem besonderen Fall) Direktversicherung.

▪ Der PSV sicher nur gemäß § 1b BetrAVG gesetzlich unverfallbare Anwartschaften.

▪ Höchstgrenze der Besicherung gemäß § 7 Abs. 3 BetrAVG: Dreifaches der monatlichen

Bezugsgröße gemäß § 18 SGB IV (2020 in Westdeutschland: EUR 3.290,00 x 3 = EUR 9.870,00).

▪ Ansprüche gegen den PSV sind gemäß § 7 Abs. 4 BetrAVG um Leistungen der betrieblichen Altersversorgung durch sonstige Träger der Versorgung zu kürzen.

▪ Mitteilungs- und Meldefrist gemäß § 9 Abs. 1 BetrAVG.

▪ Ansprüche auf BAV des Arbeitnehmers gegen den Schuldner gehen gemäß § 9 Abs. 2 BetrVG kraft Gesetzes auf den PSV aG über mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

▪ Beitrag zum PSV betrug 2020 4,2 Promille (2015: 2,4 Promille; 2014: 1,3 Promille; 2009, 14,2 Promille) der Beitragsbemessungsgrundlage i.S.d. § 10 Abs. 3 BetrAVG.

Betriebliche Altersversorgung in der Insolvenz

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BAG 18.07.2013 – 6 AZR 47 /12

▪ Die im Rahmen einer doppelseitigen Treuhand begründete Sicherungstreuhand erlischt grundsätzlich nicht nach §§ 115, 116 InsO mit der Insolvenzanfechtung.

▪ Eine doppelseitige Treuhand begründet kein Aussonderungs-, sondern ein Absonderungsrecht.

▪ Der Treuhänder ist grundsätzlich nach § 173 Abs. 1 InsO zur Verwertung des Sicherungsguts berechtigt.

BAG 15.01.2013 – 9 AZR 448/11

▪ Der Sicherungsanspruch gemäß § 8a Abs. 4 Satz 1 ATZG ist jedenfalls dann auf die Zeit vor der Insolvenzeröffnung beschränkt, wenn der Arbeitnehmer nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens keine Arbeitsleistung mehr erbringt. „Die Absicherung gegen ein Risiko, das sich bereits verwirklicht hat, widerspricht dem allgemeinen Sprachverständnis.“

Insolvenzfestigkeit der doppelseitigen Treuhand

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