MENSCHEN AN DER BOKU
Rupert Wimmer
InterviewS. 02 | 03
„Ich will Optimismus unter
der Studierenden verbreiten
und ein positives Bild der
Zukunft zeichnen“
Achtsamkeit und Ökoeffizienz
Ein Schüler der HTL in Kuchl ist bei einer Exkursion an das Institut für Holzforschung fasziniert „von den Herren im weißen Kittel“, die im Labor werken. Der Schüler heißt Rupert Wimmer und die Herren im Labor waren Wissenschaftler an der BOKU.
Auch so kommt man zu seiner Studienwahl, zumal, wenn man einen Lehrer hat, der auch an der BOKU studierte. Ganz so zufällig war Wimmers Entscheidung aber nicht. Denn er ist mit drei Geschwistern in einem Sägewerk aufgewachsen. Ein Bru- der hat den Betrieb übernommen, zwei Schwestern arbeiten auch da; Wimmer ist der Einzige in der Familie, der maturiert und ein Studium absolviert hat.
Als Erstgeborener scheint er instinktiv ein Nestflüchter gewesen zu sein. „Ich wollte einfach da raus.“ erinnert er sich. „Heutzutage, wo es so viele Informationen gibt, ist es schwerer, sich zu orientieren als damals“.
In der Forschung möchte Wimmer möglichst wenige Kompromisse eingehen. „In der Naturstofftechnologie will ich Produkte und Prozesse entwickeln, die von Grund auf gut und nicht nur weniger schlecht sind.“ Das heißt, Vollholz ist immer noch die beste Lösung. Holz-Kunststoff-Verbundwerkstoffe sind für ihn keine gute Option, weil man die Bestandteile nicht mehr trennen und nur schwer wiederver- werten kann. „Mischungen von Holz und Plastik sind eigentlich Unfug, eine Uni wie die BOKU sollte einen anderen Weg gehen“.
Bei Produkten sollte man daher möglichst bei einem einzelnen Stoff bleiben. In einem Joghurtbecher können hunderte Chemikalien drin sein, was einigermaßen erschreckend klingt. „Dabei gibt es auf anderen Gebieten durchaus interessante Lösungen – zum Beispiel aus alten Textilien einen Tisch machen – das geht! Wir müssen die meisten Materialien neu designen. Eine Platte soll kein Wegwerfprodukt sein. Wenn sie aus Holz, Gras oder Hanf besteht, ist sie später Nährstoff und kann im biologischen Kreislauf verbleiben.“
Eines von Wimmers Traumzielen ist beispielsweise, Holz mit Extraktstoffen aus Pflanzen dauerhaft zu machen. Oder Klebstoffe aus Lignin zu entwickeln. Oder eine Spachtelmasse, die ohne weitere Zutaten zu 100 Prozent aus Lignin besteht.
„Es gibt auch an der BOKU viele, die diesen Stein der Weisen suchen“, meint Wim- mer. Das klingt beruhigend, wenn auch schwierig und vielleicht schaffen wir das!
InterviewS. 04 | 05
„Mindfulness statt Nachaltigkeit
gefällt mir besser“
„Auf jeden Fall bin ich kein Schwarzseher, ich will Optimismus unter der Studie- renden verbreiten und ein positives Bild der Zukunft zeichnen. Ökoeffizienz ist hier das Wort der Stunde“. Wimmer denkt sehr genau über Worte und Inhalte nach:
„Mindfulness statt Nachhaltigkeit gefällt mir besser“.
Wimmer schätzt an der BOKU besonders, dass hier die ProfessorInnen selbst im Hörsaal stehen und lehren. Das ist anderswo nicht immer der Fall. Bedauerlich, denn
„man braucht Persönlichkeiten als Lehrende, die begeistern können. Meine Master- studierenden waren alle in meinen Vorlesungen. Ich habe die Pflicht, zu überlegen, wie ich die Studierenden in den Hörsaal bekomme.“ Um den Stoff gut zu gestalten produziert Wimmer Fotos und Videos, die er selbst schneidet. Den Studierenden mitgeben möchte er, „dass sie auf die BOKU stolz sind und dass sie sich im Be- ruf selbstbewusst behaupten können.“ Und abgesehen davon „braucht man mehr Frauen auf den höheren Führungsebenen.“
Der zweite Schwerpunkt seiner Forschung bezieht sich auf die Umwelttechnolo- gie in der Holzindustrie. Gemeinsam mit Kollegen, mehreren Instituten sowie dem Kompetenzzentrum Holz werden Technologien entwickelt, mit denen man Holz- feinstaub reduzieren kann. „Staub wird mit elektrostatischer Aufladung versehen, dabei entstehen größere Partikel, die sich besser filtern lassen und wenige in die Bronchien der Arbeiter gelangen.“
Sein Wunsch an die BOKU ist gleichzeitig ein Auftrag an sich selbst: „Es gibt hier sehr viele EinzelkämpferInnen, ich bin oft selbst so einer, mehr Kontakte zueinander wären gut um die vielen Möglichkeiten an der BOKU zu vernetzen und auf den Weg zu bringen.“ Er würde jetzt beim Thema Bioökonomie gern 15 Jahre vorausdenken.
„Da wäre eine gemeinsame Perspektivengruppe über das Tagesgeschäft hinaus wichtig. Sich aktiver um Vernetzung und Austausch kümmern, das könnte doch lohnend sein!“
Rupert Wimmer liebt Musik. Im Kollegen Peter Schwarzbauer hat er einen guten Partner gefunden, mit dem er gerne zusammen Gitarre spielt. Er bevorzugt Folk, Country, Jazz und James Taylor, „Musik kann man bis ins hohe Alter machen und man trifft dabei viele verschiedene Menschen. Das ist großartig.“
Daten und FaktenS. 06 | 07 Rupert Wimmer geb. 19. August 1960 in Hallein Laufbahn und Ausbildung
Seit 2018 Universitätsprofessor für Naturstofftechnologie, Institut für Holztechnologie und Nachwachsende Rohstoffe, BOKU Wien
2013-2016 Gastprofessor für Holz- und Naturfasermaterialien und Gruppenleiter an der Mendel Universität Brünn, Tschechische Republik
2009-2011 Universitätsprofessor und Leiter der Abteilung für Holztechnologie und Holzwerkstoffe an der Georg-August Universität Göttingen
2003-2008 Universitätsprofessor für Naturfaserwerkstoffe an der BOKU Wien 2003-2006 Leiter der Abteilung „Angewandte Forschung“ bei Funder Industrie,
St.Veit/Glan (heute Fundermax)
seit 2003 Key Researcher, Area Manager beim Kompetenzzentrum Holz (mit Unterbr.)
1998-2001 APART-Stipendium der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (METLA Finnland, ORNL USA, CSIRO Australien)
1997 Habilitation an der BOKU („Holzwissenschaften“)
1993-1994 Erwin Schrödinger Post-Doctoral Fellow (FWF): University of Tennessee sowie Oak Ridge National Laboratory, USA
1991 Promotion an der BOKU Wien
1979-1984, Studium der Forst- und Holzwirtschaft an der BOKU Wien, sowie sowie bis 1988 Technischer Umweltschutz (BOKU; TU Wien)
1974-1979 HTL für Holzwirtschaft, Kuchl, Salzburg (mit Ausbildung zum Tischler, Industriekaufmann, Säger)
Sonstiges
2019 Gastprofessur an der Universität Göttingen
2018 Wahl zum Vizepräsident der Society of Wood Science and Technology Laufend Editorial Board Member mehrerer Fachzeitschriften
2018, 2019 Top10 Nominierungen für den Sallinger Science&Business Award 2019 Energy-Globe Award, Niederösterreich
2018 Wilhelm-Klauditz Preis, Deutschland 2013 TUN Preis (T-Mobile Austria) 2004 Josef-Umdasch Forschungspreises
Publikationen
140 referierte Publikationen in Fachzeitschriften, ca. 200 weitere Publikationen (inkl. 11 Buchka- pitel, Buchherausgeber). 8 Patente; h-Faktor = 40 (Google Scholar), 5100 Zitierungen Die drei Top-Publikationen
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Universität für Bodenkultur Wien
BOKU - University of Natural Resources and Life Sciences, Vienna 1180 Wien, Gregor-Mendel-Straße 33
Tel. (+43 1) 47654-0 www.boku.ac.at
Das Interview führte Ingeborg Sperl aus Anlass der Antrittsvorlesung von Rupert Wimmer am 11. November 2019. Foto: Ingeborg Sperl
Univ.Prof. Dipl.-Ing. Dr. Rupert Wimmer
Department für Materialwissenschaften und Prozesstechnik Institut für Holztechnologie und Nachwachsende Rohstoffe Bio- Resources & Technologies Tulln
rupert.wimmer@boku.ac.at Tel.: +43 1 47654-89156