Sabine Haas, Marion Weigl; Gesundheit Österreich Armut und Gesundheit, 5./6. März 2015, Berlin
Strategische Ausrichtung und Verankerung von
Frühen Hilfen in Österreich
Ausgangsbasis
» Entscheidungskompetenzen für Gesundheits- und Sozialsystem liegen Großteils auf Ebene der Bundesländer
» Bisherige Mutter-Kind-Vorsorge vorrangig auf medizinische Aspekte ausgerichtet
» Zunehmende Auseinandersetzung mit Health in all Policies in Österreich (und in der Folge mit den Möglichkeiten die
Gesundheitsdeterminanten zu beeinflussen)
» Kinder- und Jugendgesundheitsstrategie 2011 mit Frühen Hilfen als wichtige Maßnahme (Ziel 4: In der frühen Kindheit das Fundament für langfristige Gesundheit legen)
-> als erste Umsetzungsmaßnahme Beauftragung der Gesundheit Österreich GmbH mit Grundlagenprojekt (2011-2014) zur Erfassung der Ausgangssituation für Frühe Hilfen in Österreich sowie zur
Bereitstellung relevanter fachlicher Grundlagen (Auftraggeber:
BMG/BGA)
Erhebung der Ausgangssituation - Ergebnisse
Mittels feldaktivierender Methoden (114 Interviews, Fokus Gruppen mit SWOT-Analyse, Online-Erhebung – 623 Fragebögen ausgefüllt)
Steigendes Interesse an Frühen Hilfen
» aber kein kohärentes Verständnis
Verschiedenste relevante Unterstützungsleistungen/Angebote existieren, aber:
» nur ein kleiner Teil explizit für Familien in belastenden Lebenssituationen,
» kaum aufsuchende Angebote verfügbar,
» Selbstbehalte sind oft Vorrausetzung für die Inanspruchnahme,
» Sozioökonomisch benachteiligte Gruppen werden kaum erreicht.
Kooperation und Vernetzung nur sporadisch gelebt
Ein Programme konsistent mit unserer Definition: Netzwerk Familie
Ziele von Frühen Hilfen für Österreich
Frühe Hilfen zielen darauf ab, die frühkindliche Entwicklung zu unterstützen, speziell bei Kindern (0-3 Jahre) aus sozio- ökonomisch benachteiligten Familien und Familien mit
speziellen Belastungen.
Spezifische Ziele:
»
Ressourcen der Familien stärken und Stress reduzieren
»
Wohlbefinden und Entwicklung der Kinder zu einem frühen Zeitpunkt fördern
»
Zu einem gesunden Aufwachsen beitragen, inklusive dem Recht auf Schutz, Förderung und Teilhabe
»
Gesundheitliche und soziale Chancengerechtigkeit fördern
Definition von Frühen Hilfen
Multiprofessionelle Unterstützungssysteme mit koordinierten
Leistungen/Maßnahmen für Eltern und Kinder in der frühen Kindheit, die auf regionaler Ebene etabliert werden.
Kernelemente:
» Systematische Identifizierung und Vermittlung von Familie in belasteten Lebenssituationen
» Integration und enge Kooperation von Institutionen und Maßnahmen aus verschiedenen Bereichen (wie Schwanger- schaftsberatung, Förderung der Erziehungskompetenzen, Gesundheitsdienstleistungen, Frühförderung, Kinder- und Jugendhilfe, soziale Dienstleistungen etc.)
» Niederschwelliger Zugang (v.a. Hausbesuche) und kontinuierliche Unterstützung (Familienbegleitung)
Grundprinzipien: Freiwilligkeit, Ressourcenorientierung, Verhinderung von Stigmatisierung
Agenda setting
» Stakeholder-Workshop mit Entscheidungsträgern und
Schlüsselpersonen auf Bundesebene (5 WS mit 43 Teilnehmer/innen)
» Nationale Konferenz zu Frühen Hilfen (ca. 200 Teilnehmer/innen)
» Tagungen und Workshops in allen 9 Bundesländern durch regionale Partner organisiert und abgehalten
» Gezielte Beiträge bei jenen Tagungen (ca. 35) und in jenen Österreichischen Zeitschriften (ca. 25), die für die relevante
„Fachöffentlichkeit“ (Berufsgruppen, Praxisfelder, Entscheidungsträger/innen) relevant sind
» Intersektorale Unterstützung: intersektoral besetzte
Steuerungsgruppe, nationale Fachtagung (Finanzierung, Eröffnung), intersektorales Schreiben von 4 Bundesminister/innen mit
gemeinsamen Commitment zu Frühen Hilfen (an die jeweiligen Verantwortlichen auf Landesebene ausgeschickt)
Eckpunkte eines Idealmodells für Österreich
Basisangebot für alle „Familien“ („universelle Prävention“)
» Im Sinne von Gesundheitsförderung als eingeschränkte Unterstützung für alle „Familien“
» Erster Kontakt mit schwangeren Frauen und mehrere
Hausbesuche innerhalb der ersten Monate nach der Geburt des Kindes
in Kombination mit
Regionalen Frühen Hilfen („indizierte Prävention“) ähnlich des Vorarlberger Modellprojektes „Netzwerk Familie“
» Regionales Netzwerk mit multiprofessioneller Angebote/Maßnahmen
» Netzwerkmanagement
» Kernintervention: Familienbegleitung (vorrangig durch Hausbesuche) im Sinne einer Beziehungskontinuität und Vertrauensbasis sowie case management
„Idealmodel Frühe Hilfen“
in der
Schwangerschaft
und im 1. Lebensjahr nach der Geburt
m ultiprofessionelles Netzwerk
Basisangebot regionales
Frühe Hilfen-Netzw erk
Fam ilien- begleitung Netzwerk- M anagem ent
universelles Angebot für alle Fam ilien
indiziertes Angebot für Fam ilien in belastenden
Lebenssituationen
Vorarlberger Netzwerk Familie
2013 wurden 300 Familien (mit 568 Kindern) von Netzwerk Familie unterstützt (4-5 % aller Familien aus Vorarlberg):
» Geringe Belastung (41 %) – geringe Unterstützung, v.a. Monitoring
» Hohe Belastung (4 %) – Vermittlung zu Kinder- und Jugendhilfe Familien wurden an Netzwerk Familie von Krankenhäusern (32 %) vermittelt oder kamen als Selbstmelder/innen (33 %).
Alter der Kinder der neu begleiteten Familien:
» <1 Monat (30 %)
» 63 % aller begleiteten Familien wurden spätestens im 3.
Lebensmonat des Kindes erreicht
Wirkungen auf die Familien (Beobachtungen der Mitarbeiter/innen und Kooperationspartner/innen): Verbesserte Eltern-Kind-Interaktionen und sozioökonomische Situation der Familien, entspanntere Situation und Beziehungen in den Familien, etc.
GÖG-Leitfaden
» Basis: Grundlagenprojekt, Erfahrungen aus Pilotprojekt und von Netzwerk Familie, Feedback von Fachleuten
» Struktur:
Teil A - Konzept, Strukturen von Frühe Hilfen-Netzwerken,
Teil B – Anleitung zum Aufbau regionaler Frühe Hilfen-Netzwerke, unterteilt in 4 Phasen (Planung, Vorbereitung, Strukturaufbau,
laufende Pflege)
» Inhalte:
Beschreibung der relevanten Aufgaben und Aktivitäten, zu berücksichtigende Faktoren wie mögliche Hürden, Empfehlungen für die Umsetzung,
ergänzt durch konkrete Anregungen aus der Praxis
Auswirkung des GÖG-Projektes
» Abgestimmte Definition von Frühen Hilfen für Österreich
» Idealmodell für Frühe Hilfen in Österreich inklusive Leitfaden für den Aufbau regionaler Frühe Hilfen-Strukturen
» diverse Berichte und Materialien
» Zunehmende Implementierung (Pilotprojekt in 5 Regionen seit 2014)
» Intersektorales Interesse und Involvierung von Entscheidungsträger/innen
» Interesse und Involvierung relevanter Berufsgruppen und Fachleute
» Hohe politische Relevanz (Gesundheitspolitik)
» Verschiedene Finanzierungsmöglichkeiten konnten identifiziert und teilweise sichergestellt werden
Politische Relevanz
Insbesondere:
»
Kinder- und Jugendgesundheitsstrategie
– eines von mehreren Zielen»
Gesundheitsziele für Österreich
– wichtigerMaßnahmenbereich zum Ziel „Gesundes Aufwachsen“
»
Kindergesundheitsstrategie der Sozialversicherung
»
Regierungsprogramm 2013 – 2018
– Frühe Hilfen werden in den Kapiteln zu Familie und Sozialem erwähnt»
Gesundheitsförderungsstrategie
– Frühe Hilfen als prioritäres Ziel definiert»
Vorsorgemittel 2015/16
– Frühe Hilfen als Schlüsselbereich definiertAusblick regionale Umsetzung
Implementierung des indizierten Angebots in allen 9 Bundesländern in den Jahren 2015 bis Mai 2017
:» Referenzmodell: Netzwerk Familie bzw. „Idealmodell“
» Kooperation von Landesregierungen (oft Gesundheit, Soziales und Kinder- und Jugendhilfe) und Sozialversicherungen
» Finanzierung vorrangig durch Vorsorgemittel und Landes-
gesundheitsförderungsfonds (teilweise auch andere Sektoren)
» Netzwerke in allen Bundesländern (Weiterführung bzw. –entwicklung der bestehenden Netzwerke und Etablierung neuer Netzwerke)
» Plan bis Mitte 2017: Flächendeckendes Angebot in 3 Bundesländern (Vorarlberg, Burgenland und Salzburg); 1 bis 3 regionale Netzwerke in den weiteren Bundesländern; insgesamt regionale Frühe Hilfen- Netzwerke in etwa 40 Bezirken Österreichs; Begleitung von rund 2.000 Familien
Ausblick überregionale Begleitung
Aufbau eines Nationalen Zentrums Frühe Hilfen (NZFH.at)
Ziel: Unterstützung einer gut abgestimmten, effizienten und qualitätsgesicherten regionalen Umsetzung
Zentrale Aufgaben:
» Bundesweite Abstimmung und Vernetzung: Österreichweite Gesamtkoordination; Austausch und Vernetzung zwischen den
Bundesländern bzw. regionalen Netzwerken; Bereitstellung von Materialien, Vorlagen etc.
» Qualitätssicherung: Organisation der Schulungen von Netzwerk- Manager/innen und Familienbegleiterinnen; Bereitstellung einer (österreichweiten) Dokumentation; Organisation/Begleitung einer österreichweiten Evaluation
» Wissenstransfer und Öffentlichkeitsarbeit: Aufarbeitung und Bereitstellung (internationaler) Evidenz, Unterstützung der regionalen Öffentlichkeitsarbeit, Fachtagung, Website, News, Artikel
Kontakt
Sabine Haas Marion Weigl
Gesundheit Österreich
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