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Arbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege Oberbayern Federführung: Caritasverband München und Freising e.v.

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Academic year: 2022

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Arbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege Oberbayern Federführung: Caritasverband München und Freising e.V.

1 Problembeschreibung und qualitative Bedarfsanalyse zur fachgerechten Unterstüt- zung seelisch behinderter oder von einer Behinderung bedrohter Asylsuchender und Flüchtlinge in Gemeinschaftsunterkünften der Regierung von Obb. (ROB) und in de- zentralen Unterkünften der Städte und Landkreise

Die unten aufgeführten Vorschläge sollen den Einrichtungen und Diensten der Wohlfahrtspflege in Oberbayern als fachliche Empfehlungen zur Verfügung gestellt werden, um sie in ihren Überlegungen zur zukünftigen Versorgung des genannten Personenkreises zu unterstützen. Eine Folge dieser Überle- gungen können Antragstellungen für Personalaufstockungen für aufsuchende Dienste und Einrichtun- gen bei den zuständigen Kostenträgern, insbesondere der Regierung von Oberbayern sein. Eine ent- sprechende Vorgehensweise zur Mittelbeschaffung könnte ggf. auf dem geplanten Fachforum des Be- zirks (GSV) besprochen werden.

1. Zum Auftrag

Dem Fachausschuss Psychiatrie wurde von der ARGE Freie Obb. der Auftrag zur Bildung eines Ad- Hoc Ausschusses erteilt, um eine Problemanzeige und qualitative Bedarfsanalyse zur fachgerechten Unterstützung psychisch und suchtkranker Flüchtlinge und Asylbewerber in Gemeinschaftsunterkünf- ten der Regierung von Obb. (ROB) und in dezentralen Unterkünften, die die Städte, Landkreise (und in deren Auftrag auch die Kommunen) verantworten, zu erarbeiten.

Es soll ein Abgleich mit möglichen Bestrebungen auf Länderebene erfolgen und die Frage der minder- jährigen Flüchtlinge mit beleuchtet werden. Zu Letzterem wird im Ausschuss Folgendes festgestellt:

Im Bereich der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge ist jugendhilferechtlich ein intensiverer Be- treuungsrahmen vorgegeben und wird so auch umgesetzt. Der grössere Notstand, v.a. vom Umfang her, wird im Erwachsenenbereich und hier v.a. bei jungen Männern festgestellt.

(Die Darstellung gliedert sich in die Bereiche Problembeschreibung, Qualifizierungs- und Leistungs- bedarfserfassung, die farblich abgetrennt abgebildet werden).

2. Allgemeine Problembeschreibung

Wer nach Deutschland flieht, beantragt zunächst Asyl und erhält für die Dauer des Asylverfahrens eine Aufenthaltsgestattung, zunächst wird er/sie in einer sog. Erstaufnahme-Einrichtung untergebracht, da- nach in den dezentralen Asylunterkünften, die die Landkreise zur Verfügung stellen. Über den Asylan- trag entscheidet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, gegen einen ablehnenden Bescheid kann bei den Verwaltungsgerichten Klage eingereicht werden.

Die Erstaufnahmeeinrichtungen haben aufgrund der sehr knappen personellen Ausstattung ihrer sozia- len Dienste große Schwierigkeiten, der Aufgabe nachzukommen, besonders schutzbedürftige Asylsu- chende zu identifizieren, damit sie entsprechend untergebracht und schnell medizinisch, psychiatrisch oder psychotherapeutisch versorgt werden können. Zu den besonders schutzbedürftigen Personen ge- hören neben Schwangeren, unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, Menschen mit schwereren Verlet- zungen oder Behinderungen sowie v.a. traumatisierte Menschen. Traumatisierten Flüchtlingen, die vielfach Gewalt- und Foltererfahrungen gemacht haben, bereitet in Sammellagern die extrem dichte Unterbringung meist große Probleme: Nach sogenannten manmade-desasters ist das Vertrauen in an- dere Menschen in der Regel generell erschüttert, so dass sie sich innerhalb einer solchen Unterbrin- gung oft in einem dauerhaften inneren Alarmzustand befinden. Der Angstpegel ist hoch, viele ziehen sich stark zurück, um nicht aufzufallen. Die Gesundheitsuntersuchungen im Rahmen der Erstaufnah- meeinrichtungen sind knapp, es stehen je Person nur wenige Minuten Untersuchungszeit zur Verfü- gung.

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2 Manchmal besteht im Rahmen der ersten Anhörung im Asylrechtsverfahren die Gelegenheit, auf das Vorhandensein psychischer Probleme bei einem Asylsuchenden zu stoßen. Viele Betroffene ver- schweigen jedoch aus Schamgefühl ihre Symptome, ebenso wie die zugrunde liegenden massiven Ge- walterfahrungen. die aus Angst oder Scham oder als Folge von psychischer Verdrängung nicht berich- tet werden. Traumatisierungen werden dort kaum erkannt, der Zustand der Betroffenen verschlimmert sich im Laufe der Monate und Jahre. Wenn Beschwerden geäussert werden, geschieht dies zunächst oft nur im somatischen Bereich, solange, bis es zu einer ersten grösseren psychischen Krise kommt.

Die Kolleginnen der Caritas Asylsozialberatung Pfaffenhofen, München (Alveni), von Refugio Mün- chen und dem Frauentherapiezentrum, des SPDi Landsberg und dem Krisenzentrum Atriumhaus Mün- chen beschreiben folgende Problemlagen in den Gemeinschaftsunterkrünften und Erstaufnahmeein- richtungen:

 in den Landkreisen befinden sich Flüchtlingsunterkünfte (im Landkreis Pfaffenhofen sind dies ca. 50) oft weit verstreut und in Orten mit sehr schlechter bzw. gar keiner öffentlichen Ver- kehrsanbindung (Beispiel Wolnzach).

 Die Asylberater/innen haben lange Fahrzeiten und einen Betreuungsschlüssel von 1:150 , sie können nur ganz wenige Einzelne betreuen und beraten, wobei die psychische Befindlichkeit nur eine Problemlage unter vielen darstellt.

 Der Rahmen und die Umstände der aktuellen Unterbringung in den betreuten Gemeinschafts- unterkünften und Erstaufnahmeeinrichtungen verschlechtern die psychische Situation, verstär- ken Depressionen und verursachen psychische und physische Eskalationen. Viele Flüchtlinge leben dort mit nicht oder nicht ausreichend behandelten psychischen Krankheiten nach manchmal jahrelangem Fluchtweg abgeschottet unter Bedingungen, die gewiss nicht dazu ge- eignet sind, psychische Befindlichkeiten zu verbessern: Unterbringung in engen Räumen, keine verschliessbaren Zimmer und fehlende Privatsphäre, Angst vor Angriffen durch ausländer- feindliche Gruppen. Leichtere Depressionen, leichte Belastungsstörungen und Traumata wach- sen sich dadurch oft zu schweren Störungen (mit Selbst- und Fremdgefährdung) aus.

 Die psychischen Belastungen und Problemlagen sind unterschiedlicher Art: folgende Beispiele werden genannt: eine traumatisierte Frau leidet an Pseudo-Epilepsie, fällt immer wieder be- wusstlos um und nimmt (selbstdosiert und unregelmässig) Antidepressiva; ein an Morbus Crohn erkrankter Mann mit panischen Ängsten vor Fremden ist in einer grösseren Unterkunft untergebracht, in der es keine verschliessbaren Zimmer gibt; Die in den Unterkünften unterge- brachten Familien sind zum grössten Teil traumatisiert, Kinder sind sehr oft durch die Reisebe- dingungen traumatisiert. Bei afrikanischen Flüchtlingen sind v.a. Suchtprobleme umfangrei- cher, bei Muslimen herrscht der Konsum illegaler Drogen vor.

 Insbesondere bei Selbst- und Fremdgefährdungen stossen die Asylsozialsozialberater/innen an ihre Grenzen: die Vermittlung zur gesetzlichen Vertretung und in die Klinik scheitern häufig.

Die Kontaktaufnahme zur Polizei ist wegen möglicher juristischer Folgen für die Asylsuchen- den jedes Mal gut zu überlegen, einzige Möglichkeit bei dauerhaften Selbst- und Fremdgefähr- dungen ist, (oft nach einem Klinikaufenthalt),die Weiterverlegung der Untergebrachten nach 6- 9 Monaten an die nächste Unterkunft.

 über das Gesundheitsamt beantragte Traumafolgebehandlungen sind zwar möglich, benötigen jedoch i.d.R. viel zu viel Zeit. Die Genehmigungen dauern, da über das Gesundheitsamt und das Sozialamt (z.T. monatelang) begutachtet und geprüft wird. Oft sind die Flüchtlinge dann schon in der nächsten Unterkunft. Folgendes Beispiel wird skizziert: ein Mann übergiesst sich in der Erstaufnahmeeinrichtung mit Benzin, da er aufgrund seiner Arbeitslosigkeit seine Fami- lie nicht versorgen kann und er dies seelisch nicht erträgt; für die dadurch traumatisierte Ehe- frau, die nur kosovarisch spricht, wird eine dolmetschergestützte Therapie beim Sozialamt be- antragt, die sie auch antritt. Nach einigen Wochen erfolgt nun aber eine dezentrale Verbringung der Restfamilie nach Weiden und somit der Therapieabbruch. Insbesondere Syrer/innen und Afghanen/innen sind im Raum Pfaffenhofen von dezentralen Verbringungen betroffen.

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3 3. Asylrechtliche Unterstützung

3.1. Problembeschreibung

Die meisten Asylsuchenden warten Monate und Jahre auf eine Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. Erzwungenes Nichtstun und langes Warten auf den nächsten bü- rokratischen Schritt führen oft zur Chronifizierung vorhandener Depressionen, Belastungsstö- rungen oder Traumata.

3.2.Leistungsbedarf

 Die frühzeitige Abklärung des Asylantrags (Aufenthalt/ Abschiebung) und die Unterstützung bei der Befassung mit den damit verbundenen komplexen sozialrechtlichen Themenstellun- gen trägt, auch, wegen der damit verbundenen Kommunikationsangebote wesentlich zur notwendigen psychischen Stabilisierung der Klienten/innen bei. Sie ist ebenfalls notwendig, um frühzeitig abschätzen zu können, ob und welche Unterstützungsleistungen in welchem Umfang in sinnvoller Weise organisiert und eingesetzt werden können. Sie greift auch in präventivem Sinn der Gefahr einer Psychiatrisierung der Problemstellungen vor.

 Sozialrechtliche Beratung für psychisch erkrankte Asylsuchende ist im Aufgabenspektrum der Asylsozialberatung nicht vorgesehen, bei den SPDis und Institutsambulanzen hingegen schon. Die sozialrechtliche Unterstützung der SPDi-Mitarbeiter/innen zur Abklärung des Asyl-/Aufenthaltsstatus fällt somit grundsätzlich eher in das Leistungsspektrum der SPDis, muss aber mittelfristig in enger Aufgabenabstimmung und kollegialer Beratung durch die Asylsozialberater/innen vor Ort geschehen, um entsprechende Synergien zu erzeugen und Doppelarbeit zu vermeiden.

3.3. Qualifizierungsbedarf

Die SPDi-Mitarbeiter/innen müssen sich hinsichtlich der abgestimmten Abklärung zur und/oder der sozialrechtlichen Beratung zur Abklärung des Asyl-/Aufenthaltsstatus qualifizieren oder qua- lifiziert werden. Sie benötigen Grundkenntnisse zum Asylverfahren, sollten jedoch status- bzw.

asylrechtliche Fragen sowie asylrechtlich relevantes Vorgehen mit den Asylsozialberatern eng abstimmen, um Doppel- oder gegenläufige Interventionen zu vermeiden und die bestmögliche Unterstützungsart für den Klienten zu finden.

4. Sprachliche Übersetzungshilfen 4.1.Problembeschreibung

 In den Unterkünften bestehen in den meisten Fällen Sprachbarrieren, die nur in sehr geringen Fällen sofort beseitigt werden können. Provisorische Lösungen zur Übersetzung (z.B. über z.T.

bundesweit verstreute Landsleute, die telefonisch dolmetschen oder andere Flüchtlinge in der Unterkunft) sind oft nicht neutral (genug) und garantieren oft nicht den Anforderungen des Da- tenschutzes (Schweigepflicht). Außer dem kommunalen Dolmetscher Service des Bayerischen Zentrums für Transkulturelle Medizin e.V. für den Großraum München existieren keine oder zu gering besetzte Dolmetscher-Pools in den Landkreisen und Städten Oberbayerns.

 Psychologische, medizinische oder psychiatrische Diagnostik und Therapie sind ohne Sprach- vermittlung nicht möglich. Innerhalb der kassenärztlichen Versorgung ist die Kostenübernahme von Dolmetscherkosten aber nicht vorgesehen. Dies führt zu massiven Problemen in der Be- handlung und Unterstützung psychisch erkrankter Asylsuchender.

4.2.Leistungsbedarf

 Dolmetschende sind neben der sprachlichen Übersetzung auch oft kulturelle Übersetzer, die die Bedeutungen der geäußerten Gedanken oder Gefühle vor dem passenden kulturellen Hinter- grund umfassender verstehen. Die kontinuierliche Zusammenarbeit mit Dolmetschern ist des- halb sehr wertvoll, um ein vertieftes Verständnis für die Patienten zu entwickeln.

 Der Aufbau, die Schulung und Pflege eines Pools von Dolmetschern mit spezifischer Qualifi- zierung zur Gewährleistung der psychischen Stabilität der Übersetzenden in den Landkreisen und Städten in Oberbayern ist neben dem Aufbau eines Netzwerks von therapeutischen Hilfen

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4 eine wesentliche Aufgabe. um die sozialpsychiatrische Versorgung in Oberbayern migrations- fest zu machen.1

 Hoher Übersetzungsbedarf besteht insbes. bzgl. der Sprachen der Eritreer und Somali.

4.3.Qualifizierungsbedarf

Das Dolmetschen im Kontext traumatischer Erfahrungen und psychischer Probleme bedarf einer spezifischen Qualifizierung (zur Thematik Trauma/Intrusion zur Gewährleistung ge- meinsamer traumasensibler Beratung und durch Strategien zum Schutz des/der Dolmet- schers/in) zum Erhalt der psychischen Stabilität der Übersetzenden, die bei ihrer Arbeit den traumatischen Erlebnissen teilweise näher kommen als ärztliche oder therapeutische Fachkräf- te selbst.

5. Stationäre (und nachsorgende ambulante) medizinisch-psychiatrische Behandlung 5.1.Problembeschreibung

 Bei den Kliniken ist die umfangreiche Vorabklärung des Asylstatus zur stationären Behandlung nicht notwendig (wg. Erstattungsanspruch gem. § 6a AsylbLG); die dortige Beantragung von Nachsorge-Leistungen zur psychischen Stabilisierung hat grössere Chancen, als wenn sie über die Asylsozialberatung in den Unterkünften organisiert wird.

 Kliniken und Arztpraxen haben mangels Finanzierung keinen freien Zugang zu Dolmetscher- diensten, sondern behelfen sich z.T. mit telefonischen Übersetzungsdiensten, gelegentlich wird auch mal die syrische Reinigungskraft zum Übersetzen herangezogen, oder der Zimmernachbar aus der Flüchtlingsunterkunft kommt zum Übersetzen mit, selbst wenn dessen eigene Sprach- kenntnisse im Deutschen noch recht knapp sind. Die Regelbeantragung eines/r Dolmetschers/in gem. § 4 AsylbG kommt bei einer Klinikeinweisung regelhaft zu spät und ist auch während des Klinikaufenthaltes nicht zeitnah genug einzurichten. Die Nachfrage nach geeigneten Dolmet- schern/innen in den Klinken steigt kontinuierlich mit der steigenden Anzahl der behandelten Asylbewerber/innen.

 Die Verabreichung geeigneter Psychopharmaka in der Klinik gestaltet sich auf der Basis unzu- reichender sprachlicher Verständigungsmöglichkeiten und oft fehlender interkultureller Kom- petenz entsprechend schwierig; noch problematischer ist dann die fehlende Unterstützung bei der Medikamenteneinnahme in den Unterkünften nach 3 Tagen. Die in den obb. Kliniken ein- gerichteten Brückenteamkonferenzen können hierbei zur besseren Weiterversorgung Asylsu- chender nach dem Klinikaufenthalt beitragen.

 Als problematisch werden die Kommunikationswege zu den Unterkünften beschrieben, weil es keine aktuelle und vollständige Liste der Unterkünfte und der jeweils zuständigen Sozialdienst- MitarbeiterInnen in den Unterkünften gibt, so dass häufig viel Zeit für die entsprechende Re- cherche aufgewendet werden muss.

 Eine spezifische traumasensible Behandlung ( - die jedoch nicht den vorrangigen Leistungsbe- darf darstellt - ) in den entsprechenden Spezialabteilungen in einigen Kliniken ist nur über ge- sonderte Antragstellung und persönliche Vorstellung möglich.

5.2.Leistungsbedarf

 Notwendig ist eine traumasensible und interkulturell kompetente Unterstützung auf den Stati- onen zur psychischen Stabilisierung und Vermeidung von Retraumatisierungen.

 Den Kliniken müssen kurzfristig qualifizierte Übersetzungshilfen zur Verfügung stehen. (Vo- raussetzung hierfür ist der schon beschriebene regional verfügbare Pool von Dolmet-

schern/innen). Für diese Sprachhilfen muss regelhaft eine Finanzierungsmöglichkeit eingerich- tet werden, da mit ihr die Qualität der Behandlung steigt oder fällt.

 Die weitere psychopharmakologische Behandlung muss über eine Institutsambulanz oder ei- ne/n Nervenfacharzt/ärztin sichergestellt werden. Die Medikamentenabgabe in der Unterkunft

1 (In Österreich ist inzwischen eine mit den Sozialämtern vernetzte internetbasierte Plattform zur Vermittlung von virtuel- len Dolmetschern über Kamera innerhalb eines Tages verfügbar. (Der Psychiatrische Krisendienst Obb. recherchiert derzeit diesbzgl.).

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5 muss (z.B. über einen vorab in der Klinik organisierten ambulanten Pflegedienst) sichergestellt werden.

5.3.Qualifizierungsbedarf

 Mittel-bis langfristig muss den Kliniken in Oberbayern das Gesundheits- und Krankheitsver- ständnis verschiedener Kulturen und die daraus abgeleiteten Techniken und Methoden (z. B.

der Befragung) zur Unterstützung im Einzelfall vertraut sein. Hierzu ist ein entsprechender Motivierungs- und Qualifizierungsprozess zur interkulturellen Sensibilisierung in den Kliniken zu gestalten. Insbesondere die regelhafte Zusammenarbeit mit qualifizierten Dolmet-

schern/innen muss in den Kliniken etabliert werden.

 Der Rückgriff auf eigene Fremdsprachenkenntnisse und die Bereitschaft, mit eigenen, nicht perfekten Sprachkenntnissen (englisch, französisch etc.) Beratungen durchzuführen ist not- wendig und sinnvoll. Eine andere Möglichkeit ist, ‚einfaches Deutsch‘ zu sprechen.

6. Ambulante sozialpsychiatrische Unterstützung 6.1.Problembeschreibung

 Kommt es zu psychiatrischen Notfällen, werden asylsuchende Menschen z.B. aufgrund von Su- izidalität oder akuter Psychose in Kliniken eingewiesen und dort behandelt. Die folgende An- bindung an das ambulante System ist oft mit grossen Schwierigkeiten versehen, auch aufgrund von Sprachschwierigkeiten und kultureller Unterschiede.

 Interkulturell so kompetente Dienste und Einrichtungen, die die Aufgabe einer sozialpsychiatr- schen/psychosozialen Unterstützung für Flüchtlinge in der benötigten qualifizierten Form (mit qualifizierten Dolmetschern/Innen) schon übernommen haben, sind in (Ober-) Bayern noch nicht so breit gestreut: bzgl. der Unterstützung geflüchteter Menschen mit schwereren psychi- schen Problemlagen stehen z.B. die SPDis fachlich eher noch am Anfang. Aufgrund ihrer nied- rigschwelligen Struktur mit der Bereitstellungsmöglöichkeit aufsuchender Hilfen kommen sie jedoch mittelfristig am ehesten für eine fachgerechte Unterstützung psychisch erkrankter Asyl- suchender und Flüchtlinge in Gemeinschaftsunterkünften in Frage.

6.2.1. Leistungsbedarf (Komm-Struktur)

 Auch bei schweren Traumatisierungen kann psychotherapeutische und fokussierte Arbeit an traumatischen Erinnerungen meist erst zu einem späteren Zeitpunkt beginnen, da die Lebenssi- tuation der Betroffenen zunächst von großer Instabilität gekennzeichnet ist. Wirklich sicher können sie auch in Deutschland nicht leben, solange die Frage offen steht, ob sie einen dauer- haften Aufenthalt bekommen werden. Es ist deshalb notwendig und sinnvoll, dass die SPDie zu Beginn der Unterstützung beitragen helfen, abzuklären, welche Hilfen zum aktuellen Zeitpunkt dementsprechend geeignet sein könnten – in der Verknüpfung von Abklärung des Asylantrags (Aufenthalt/ Abschiebung)mit der fachlichen Abklärung vorrangiger psychosozialer Hilfen..

Eine traumatherapeutische Bearbeitung des Schreckens wagen viele Betroffene erst dann, wenn die äußeren Bedingungen ein wenig sicherer sind, wenn nicht mehr alles so unsicher scheint.

Bis dahin sind oft stabilisierende professionelle Traumaberatung oder psychosoziale Gruppen- angebote, beides vorrangig durch die SPDi erbracht, hilfreich. Für all diese Angebote bedarf es der Unterstützung von Dolmetschern und Kulturdolmetschern/innen.

 Der Bedarf an Unterstützung für psychisch erkrankte Asylsuchende reicht von kurzzeitiger Krisenintervention bis hin zur Begleitung über Monate oder sogar Jahre. Den Flüchtlingen kann ein wichtiges Bindungsangebot gemacht werden: ein Angebot, wo sich Menschen für ihr Schicksal interessieren und sie beim möglichen Zugang zu ihnen nicht bekannten oder ver- schütteten Ressourcen unterstützen.

6.2.2.Leistungsbedarf (Geh-Struktur)

 Als kurzfristig mögliche zentrale Massnahme sollten haupt- und ehrenamtliche Unterstüt- zungskräfte in den Unterkünften durch Sozialpsychiatrische Dienste befähigt werden, auf aktu- ell auftretende oder sich chronifizierende psychische Krisen in angemessener Weise zu reagie-

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6 ren. Hierfür sollten durch die SPDi kurzfristig vor Ort schmale Informationsangebote i.S. eines Erste-Hilfe-Massnahmenpakets für den Umgang mit psychischen Krisen (insbes. zum Erken- nen von Traumata, zur Ersteinschätzung und Einschätzung zu Flashbacks und Angstattacken, zum Einholen regionaler und überregionaler Unterstützung zur Krisenbewältigung im Einzel- fall und zur Weitervermittlung an geeignete regionale und überregionale Dienste und Einrich- tungen) gemacht werden. V.a. für Ehrenamtliche sollten die Schulungen vor Ort bereitgestellt werden.

 Ein wesentlicher Leistungsbedarf in den Gemeinschaftsunterkünften vor Ort besteht in der fachlich-sozialpsychiatrischen Einschätzung zu Handlungs- und Behandlungsbedarf im (eska- lierten und akuten) Einzelfall und der Unterstützung bei der Konfliktlösung in Unterkünften.

Hinsichtlich der Sprachbarrieren und des Dolmetsch-Leistungsbedarfes muss hierbei vorrangig auf die Ressourcen vor Ort Rückgriff genommen werden (Z.B. mit ausgebildeten ehrenamtlich tätigen Kulturdolmetschern/innen).

 Zur nicht akut krisenhaften sozialpsychiatrischen Unterstützung der Unterkunftsbewoh-

ner/innen werden zum Einen zentral gelegene Räume benötigt, die eine Unterstützung in einem geschütztem Raum ermöglichen; es ist aber auch zu erarbeiten, wie die sozialpsychiatri-

sche/psychosoziale Unterstützung vor Ort hinsichtlich der bestmöglichen Strukturqualität aus- sehen soll (Z.B. müssten Ehrenamtliche bestenfalls sicherstellen, dass bei aufsuchender sozial- psychiatrischer Hilfe die zu Unterstützenden auch da sind, v.a., wenn ein/e Dolmetscher/in mitkommt; zu Beginn der Zusammenarbeit wären in grösseren Unterkünften ggf. Infoveran- staltungen zum konkret eingerichteten sozialpsychiatrischen Unterstützungsangebot hilfreich).

 Institutionalisierte Kontakte für Fallbesprechungen mit den Mitarbeitern/innen der Unterkünfte sollten mittelfristig Standard werden. Die Asylsozialberatung könnte Fallsituationen gebündelt an SPDi und PSBen vermitteln. Oder die sozialpsychiatrischen Unterstützer/innen machen nach einem Clearing zur diagnostischen Einschätzung in der Unterkunft die Zusage: wir be- treuen zunächst vorrangig die 5 „Fälle“ mit dem dringlichsten Handlungsbedarf und organisie- ren für diese weitere Hilfen. Dies ginge zu Beginn auch ohne grössere interkulturelle Kompe- tenz (V.a. der Asyl-Status muss zunächst bekannt sein): der Rückgriff auf eigene Fremdspra- chenkenntnisse und die Bereitschaft, mit eigenen, nicht perfekten Sprachkenntnissen (englisch, französisch etc.) Beratungen durchzuführen ist notwendig und sinnvoll. Eine andere Möglich- keit ist, ‚einfaches Deutsch‘ zu sprechen. Sozialpsychiatrische Unterstützer/innen können sich peu á peu selbst anlernen, fortbilden, sich mit den Asylberatern/innen zur Fallsituation austau- schen (gegenseitige Vermittlung von Fachwissen für Einzelfälle). Einer der Schlüssel zum Er- folg ist die von Allen kommunizierte Haltung: ‚Wir arbeiten nicht alleine, sondern im System.‘

Es gibt (meist) den für die Unterkunft zuständigen Sozialdienst, der/die sozialpsychiatrische Unterstützer/in bleibt Ansprechpartner in psychosozialen Fragen, koordiniert, wenn nötig die Hilfen und bietet z.B. Gruppen an.

 I.S des Präventionsgedankens besteht ein hoher Bedarf an der Festlegung und Einhaltung von Standards für eine menschen- und familiengerechte, aber auch psychisch deeskalierende Unter- bringung.

6.3. Qualifizierungsbedarf

 Die Asylsozialberater/innen benötigen kurzfristig spezifische Qualifizierungen bzgl. Trauma, Traumafolgestörungen, Stabilisierungsbedarf und –möglichkeiten, sowie zu Krisen-/ Akutin- tervention, da sie bei ihrer Arbeit traumatischen Erlebnissen teilweise näher kommen als ärzt- liche oder therapeutische Fachkräfte selbst, sowie in der täglichen Arbeit mit den Auswirkun- gen von traumatischen Erlebnissen, Traumafolgestörungen, Komorbiditäten, Suizidalität und

„verschiedenen eigenen Lösungsversuchen“ der Klienten sowie deren Einschränkungen im (teilweise sozialen oder asyl-/ bzw. rechtlichen) Alltagshandeln konfrontiert und in der Suche nach Unterstützungs-, Stabilisierungs- und Behandlungs- oder Therapiemöglichkeiten gefor- dert sind.

 In der sozialpsychiatrischen Unterstützung sollte mittelfristig die regelhafte Zusammenarbeit mit qualifizierten Dolmetschern/innen etabliert werden.

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 Mittel-bis langfristig muss den SPDis und BSBen das Gesundheits- und Krankheitsverständnis verschiedener Kulturen und die daraus abgeleiteten Techniken und Methoden (z. B. der Befra- gung) zur Unterstützung im Einzelfall vertraut sein. Hierzu ist ein entsprechender Motivie- rungs- und Qualifizierungsprozess in den Diensten zu gestalten.2

 Es sollten ebenfalls Kompetenzen in traumaspezifischer Beratung im Team vorhanden sein, zusätzlich zu den im Bereich Sozialpsychiatrie üblichen sozialarbeiterischen und psychologi- schen Methoden. Hinsichtlich der Traumakompetenz sind viele Mitarbeiter/innen in den SPDis bereits jetzt grundsätzlich als Unterstützer/innen geeignet.

 Interkulturelle Schulungen können von vielen hauptamtlichen Asylberatern/innen derzeit mangels Zeit und Ressourcen nicht wahrgenommen werden. Trotzdem besteht hier Leistungs- bedarf, der ggf. einrichtungs- und trägerübergreifend organisiert und durchgeführt werden könnte.

7. Ehrenamtliche Unterstützung 7.1.Problembeschreibung

Die große Bereitschaft zu helfen ist in vielen Landkreisen und Ballungsräumen Oberbayerns vor- handen. Das Ehrenamt und das zivilgesellschaftliche Engagement können aber immer nur ergän- zend wirken. Ehrenamtlich arbeitende Asylkreise können sehr hilfreich sein, um das Ankommen in Deutschland zu erleichtern, wenn sie ihrerseits entsprechend vernetzt sind und selbst auf professio- nelle Netzwerke zurückgreifen können. Dies ist, was die sozialpsychiatrische Unterstützung der in den Unterkünften lebenden Asylsuchenden mit psychischen Problemen angeht, in den meisten Landkreisen und Städten Oberbayerns aktuell nicht (ausreichend) gewährleistet. Ehrenamtliche sind im Umgang mit den Flüchtlingen, die seelisch schwer verletzt sind, sehr oft überfordert und allein gelassen.

7.2. Leistungsbedarf

Das Ehrenamt und das zivilgesellschaftliche Engagement können immer nur ergänzend wirken.

Vor dem Hintergrund der steigenden Flüchtlingszahlen und der damit einhergehenden steigenden Kosten müssen vorrangig die Rechtsansprüche der Betroffenen beachtet und gesichert werden.

7.3. Qualifizierungsbedarf

Ehrenamtliche Unterstützer sollten in der Arbeit mit Flüchtlingen v.a. kurzfristig befähigt werden, auf aktuell auftretende oder sich chronifizierende psychische Krisen in angemessener Weise zu re- agieren (s.u. 6.2.2.)

8.Psychotherapeutische Unterstützung 8.1.Problembeschreibung

 Eine der größten Herausforderungen, mit denen Flüchtlinge konfrontiert sind, ist die Be- wältigung der mit den Erlebnissen im Heimatland und den Erfahrungen der Flucht aus ei- nem Krisengebiet einhergehenden Traumatisierung. Eine psychotherapeutische Behand- lung ist in diesem Stadium in vielen Fällen besonders wichtig. Psychotherapie wird von vielen Kommunen jedoch nicht regelhaft bewilligt, sondern nur dann, wenn ein akuter Be- handlungsbedarf nachgewiesen werden kann. So entsteht immer wieder die Situation, dass es versäumt wird, frühzeitig ein nachhaltiges Behandlungsprogramm zu entwickeln, son- dern Flüchtlinge lediglich in akuten Zuständen kurzzeitig in eine Klinik eingewiesen wer- den. Die Traumafolgestörungen chronifizieren, wenn dort nicht das Personal die Notlage

2 Der Europäische Integrationsfonds finanziert ein Integrationsprogramm, das Schulungen finanziert:“…Gefördert werden vor allem Schulungen von Mitarbeitern der Kommunen und kommunalen Träger zum Erwerb interkultureller Kompeten- zen. Befürwortet wird auch die Entwicklung von Strategien zur interkulturellen Öffnung von Kommunen und kommunaler Träger.Begrüßt wird dabei zudem die projektpartnerschaftliche Zusammenarbeit von Migrantenorganisationen mit öffentli- chen Institutionen (u. a. Kommunen) dahingehend, dass bereits bestehende Aktivitäten zur interkulturellen Öffnung auf Seiten der Verwaltung die Angebote der Migrantenorganisationen stärken und so gegenseitige Unterstützungsfunktionen hervorrufen.“

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8 erkennt und ein Hilfenetzwerk existiert, innerhalb dessen es gelingt, die notwendigen Vo- raussetzungen für eine adäquate Unterstützung zu schaffen.

 Plätze bei Therapeuten/innen mit kassenärztlicher Zulassung sind nur in geringer Zahl vorhanden und selbst Staatsangehörige erhalten erst nach erheblichen Wartezeiten einen Termin. Für Flüchtlinge ist die Hürde zum Zugang zu ambulanter Psychotherapie noch- mals erheblich höher, da neben mangelnden Plätzen und der oftmals fehlenden Bereit- schaft der Psychotherapeuten/innen, mit Flüchtlingen zu arbeiten, auch noch die Problema- tik der fehlenden Sprachkenntnisse hinzukommt. Dazu ist manchmal gehörige Überzeu- gungsarbeit nötig. Manche Therapeuten/innen fürchten, dass regelmäßige Anfragen folgen.

Eine weitere Herausforderung kommt hinzu, wenn die Patientin mit einer aufenthaltsrecht- lichen Anerkennung das Recht auf Sozialleistungen erhält. Denn die Krankenkasse über- nimmt nur die Kosten für die Psychotherapie aber nicht die für die Dolmetscherin. An die- sem Punkt müssen oft laufende Therapien beendet werden und es kommt zu einer erneuten Destabilisierung.

 Für die LH München gibt es grundsätzlich mit der allerdings chronisch überlaufenen Ein- richtung Refugio ein geeignetes Angebot zur therapeutischen Unterstützung für Migran- ten/Innen, das das jeweilige kulturelle Verständnis regelhaft mit in die Therapie einbezieht.

Weitere kultur- und traumakompetente niedergelassene Psychotherapeuten/innen sind re- gelhaft auf Monate ausgebucht.

8.2. Leistungsbedarf

 Es besteht der Leistungsbedarf an therapeutischer Unterstützung, die das jeweilige kultu- relle Verständnis und traumaspezifische Kompetenzen regelhaft mit in die Therapie einbe- ziehen. (Voraussetzung hierfür ist der schon beschriebene regional verfügbare Pool von Dolmetschern), um Chronifizierungen und Verschlechterungen des Gesundheitszustandes sowie die Verminderung der Handlungskompetenzen zu reduzieren und damit weitere Problemlagen und einhergehend, anwachsende Folgekosten zu minimie-

ren.

 Eine bestehende Traumatisierung muss zukünftig oberbayernweit grundsätzlich die Anspruchsberechtigung für eine Therapie auslösen. Die über das Gesundheitsamt be- antragten Traumafolgebehandlungen inclusive der Regelbeantragung eines/r Dolmet- schers/in gem. § 4 AsylbG müssen zügiger (innerhalb von Wochen und nicht Mona- ten) von Gesundheits- und Sozialämtern genehmigt werden.

9. Betreutes Wohnen 9.1. Problembeschreibung

 Zwar können diejenigen Ausländer/innen, die sich mit befristetem oder unbefristetem Auf- enthaltstitel absehbar auf Dauer in Deutschland aufhalten, sämtliche Hilfearten nach SGB XII - also auch Wohnungslosenhilfe oder Eingliederungshilfe für Behinderte - beanspru- chen. Sie erhalten auch einen Wohnberechtigungsschein für eine über öffentliche Mittel ge- förderte Wohnung. In der LH München werden diese anerkannten Flüchtlinge aber aktuell aufgrund des akuten Wohnraummangels meist nur in Pensionen überführt; in den Landkrei- sen verbleiben viele Migranten/innen mit Aufenthaltserlaubnis weiter in den Gemeinschafts- unterkünften, was oft zu einer Verschlechterung des psychischen Gesundheitszustandes der Betroffenen beiträgt.

 Die einzige Unterbringungsmöglichkeit hochpsychotischer Asylsuchender, die sich oder an- dere gefährden, ist, (auch nach einem Klinikaufenthalt und der Rücküberweisung in die Un- terkunft) oft nur die Weiterverlegung nach ca. 6-9 Monaten an die nächste Gemeinschaftsun- terkunft, in der sich ähnliche Gefährdungssituationen dann wiederholen.

 Inwieweit i.R. des Asylbewerberleistungsgesetzes3 in der Unterkunft ( - bei einem durch- schnittlichen Verbleib von ca. 15 Monaten im Grossraum München, z.T. aber auch langjähri-

3 Gem. § 2 Absatz 1 AsylbLG nach 15-monatigem Bezug von Grundleistungen oder nach § 3 AsylbLG oder gem. § 25 (5) AsylbLG (Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt).

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9 gen Unterkunftsaufenthalten - ) Eingliederungshilfeleistungen des Betreuten Wohnens (Hei- me (incl. fakultativ geschlossener Plätze), TWGen oder BEW in Gemeinschaftsunterkünf- ten) insbesondere mit dem hier notwendigen Dolmetsch-Leistungsbedarf finanziert würden, hängt von der individuellen Einzelfallprüfung durch den örtlichen bzw. überörtlichen Ein- gliederungshilfeträger ab. Hier ist mit langwierigen Entscheidungsprozessen bzgl. der Kos- tenübernahme (örtlicher oder überörtlicher Sozialhilfeträger) zu rechnen.

 Für Asylbewerber/innen ohne Aufenthaltserlaubnis/-gestattung besteht während des Verfah- rens (mit Aufenthaltsgestattung) eine Möglichkeit der Unterbringung durch private Wohn- sitznahme, für die ggf. auch ein Träger des Betreuten Wohnens einen Antrag stellen könnte (die Miete zahlt die Regierung von Obb., das Essen und die weitere Selbstversorgung muss über das Asylbewerberleistungsgeld selber finanziert werden). Sämtliche Pflichten und Las- ten bleiben bei diesem Modell beim/bei der Vermieter/in und dem Asylsuchenden.

 Insbesondere zur Unterbringung von Familien mit kleinen Kindern und v.a., wenn diese be- reits seit mindestens einem Jahr über ein regelmäßiges Einkommen verfügen, kann während des Verfahrens (mit Aufenthaltsgestattung) die Unterbringung in eigenen Wohnungen bean- tragt werden (wenn geeigneter Wohnraum gefunden wurde).

9.2.Leistungsbedarf

 Es besteht der Bedarf an regionalen Schutz-und Rückzugsräumen (Krisenpensionen) und insbes. fakultativ geschlossene („beschützt geführte“) Plätze für akut und hochpsychotische, sich und Andere gefährdende Asylsuchende.

 Es besteht der Bedarf an kultur- und traumasensiblen Angeboten des Betreuten Wohnens der Eingliederungshilfe (Heime, TWGen oder BEW in dezentralen Gemeinschaftsunterkünften) bei dem insbesondere der notwendige Dolmetsch-Leistungsbedarf mit finanziert wird. Der Rückgriff auf eigene Fremdsprachenkenntnisse und die Bereitschaft, mit eigenen, nicht per- fekten Sprachkenntnissen (englisch, französisch etc.) Beratungen durchzuführen ist anfangs notwendig und sinnvoll. Eine andere Möglichkeit ist, ‚einfaches Deutsch‘ zu sprechen.

 Spdi können Personen und Familien bei der privaten Wohnsitznahme regelhaft unterstützen.

9.3.Qualifizierungsbedarf

 Die regelhafte Zusammenarbeit mit qualifizierten Dolmetschern/innen im Betreuten Wohnen der Eingliederungshilfe sollte mittel- bis langfristig bei ausgewählten regionalen Anbietern (insbes. Heimen mit fakultativ geschlossenen Plätzen) etabliert werden.

 Mittel-bis langfristig muss das Gesundheits- und Krankheitsverständnis verschiedener Kulturen und die daraus abgeleiteten Techniken und Methoden (z. B. der Befragung) zur Unterstützung im Einzelfall vertraut sein. Hierzu ist ein entsprechender Motivierungs- und Qualifizierungsprozess in den Diensten zu gestalten.4

 Es müssen ebenfalls Kompetenzen in traumaspezifischer Unterstützung vorhanden sein.

10. Arbeit und Beschäftigung

 Vor Anerkennung/Ablehnung des Asyls wird die Bereitstellung notwendiger und unerlässli- cher Gesundheitsleistungen kommunalbehördlich geprüft. Dies hat zu einer regional völlig unterschiedlichen Entscheidungs- und Durchführungspraxis geführt. Inwieweit z.B. arbeits- und ergotherapeutische Trainings für psychisch erkrankte Asylsuchende in den Gemein- schaftsunterkünften bereitgestellt werden könnten, muss deshalb für Asylsuchende mit weni- ger als 15 Monaten Aufenthalt immer im Einzelfall geklärt (oder ggf. erklagt) werden.

 Inwieweit nach 15 Monaten ( - bei einem durchschnittlichen Unterkunftsverbleib Asylsu- chender von ca. 15 Monaten, d. h. auch langjährigen Unterkunftsaufenthalten - ) einzelent- geltfinanzierte Arbeits- und Beschäftigungsangebote (T-E-S, T-B-SS) durch den überörtlichen

4 Der Europäische Integrationsfonds finanziert ein Integrationsprogramm, das Schulungen finanziert:“…Gefördert werden vor allem Schulungen von Mitarbeitern der Kommunen und kommunalen Träger zum Erwerb interkultureller Kompeten- zen. Befürwortet wird auch die Entwicklung von Strategien zur interkulturellen Öffnung von Kommunen und kommunaler Träger..“

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10 Sozialhilfeträger finanziert würden, hängt von der individuellen Einzelfallprüfung durch den örtlichen bzw. überörtlichen Eingliederungshilfeträger ab. Hier ist aber mit langwierigen Ent- scheidungsprozessen bzgl. der Kostenübernahme (örtlicher oder überörtlicher Sozialhilfeträ- ger) zu rechnen.

 Die Fahrten zur psychosozialen und psychiatrischen Versorgung und auch die zu Massnah- men für Arbeit und Beschäftigung müssen vom Geld der Flüchtlinge bezahlt werden. Die Er- reichbarkeit von arbeits- und beschäftigungstherapeutischen Massnahmen wird dadurch er- heblich erschwert. Zu empfehlen wäre die generelle Bereitstellung von Sozialtickets in allen Landkreisen und kreisfreien Städten (Ober-)Bayerns.

11. Koordination und Vernetzung

Nötig ist die Erfassung der Adressen und Ansprechpartner/innen in den Erstaufnahme- und Flüchtlingsunterkünften in Oberbayern.

Nötig ist weiter die Erfassung, Vernetzung und Koordination der kommunal bereitgestellten Unterstützung für Flüchtlinge und Asylsuchende (incl. der regional vorhandenen medizinisch ausgebildeten Dolmetscher/innen) mit dem kommunal und überregional tätigen Ressourcen- netzwerk der gemeinde- und sozialpsychiatrischen Versorgung. Sie sollte durch die netzwerk- kompetenten steuerungsunterstützenden Gremien auf Landkreisebene initiiert und in der Folge ein notwendiger Aufgabenbaustein der Fachkräfte zur ambulanten sozialpsychiatrischen Unter- stützung sein.

Zu Art und Umfang des Leistungsbedarfs sozialpsychiatrischer/psychosozialer Leistungen für Asylsuchende mit schwereren psychischen Problemlagen

 Viele Asylsuchende haben in ihren Heimatländern und auf der Flucht Gewalt erfahren und leiden unter gravierenden psychiatrischen Symptomen wie Depressionen oder Panikatta- cken. Die Rate für Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) ist bei Flüchtlingen und Asylbewerbern im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung um das Zehnfache erhöht.5 Eine exakte Bezifferung akut und chronisch erkrankter Asylbewerber/innen in den Erstaufnah- meeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften in Oberbayern ist aber aufgrund der dort bestehenden hohen Fluktuation und aufgrund der Tatsache, dass viele Betroffene aus Schamgefühl ihre Symptome, ebenso wie die zugrunde liegenden massiven Gewalterfah- rungen aus Angst ( - v.a. hinsichtlich möglicher Folgen für das Asylverfahren - ) oder Scham oder als Folge von psychischer Verdrängung verschweigen, nicht möglich.

 Erste grobe Anhaltswerte liefern die Ergebnisse einer Untersuchung der Regierung von Obb., wonach 50% der Asylanträge anerkannt werden, aber 90% für einen längeren Zeit- raum in Oberbayern bleiben sowie die Einschätzung, dass von 30 000 Flüchtlingen und Asylbewerbern ca. 1/3 eine Posttraumatische Belastungsstörung aufweisen.

 Nach Schätzungen der Mitarbeiterinnen der Caritas-Asylsozialberatung für den Landkreis Pfaffenhofen sind 50% der in den Unterkünften Lebenden psychisch belastet oder haben ein Suchtproblem, die Hälfte oder zumindest ein Drittel in mehr oder weniger akuter Form.

 Nach Schätzungen der Mitarbeiterinnen der Dienste für Flüchtlinge der Caritas in der LH München, Alveni, sind von den insgesamt 1800 Unterstützten in ihren 8 betreuten Unter- künften in und um München ca. 40% (ca. 720) der erwachsenen Untergebrachten traumati- siert. In den Erstaufnahmeeinrichtungen seien es ca. 30%, bei Kindern und Jugendlichen liege die Anzahl höher. Ein grösserer Unterstützungsbedarf wird v.a. für viele junge Män- ner mit psychischen und Suchtproblemlagen6 festgestellt7.

5 Bühring, Petra (2015): ‚Traumatisierte Flüchtlinge und Asylbewerber: Hilfe für Opfer von Kriegsgewalt‘. Deutsches Ärzteblatt 2015; 112 (14): A-620/ B- 530 / C-515

6 Fachvertreter/innen der Suchthilfe bestätigen vielfältige suchtspezifische Problemlagen (durch problematischen legalen und illegalen Drogenkonsum) in den Unterkünften und einen ähnlichen Leistungs- und Qualifizierungsbedarf von Einrich- tungen und diensten der Suchthilfe.

7 Dem prozentualen Mehranteil an männlichen Asylsuchenden steht ein prozentualer Mehranteil an unterstützenden weib lichen Fach- und Ehrenamtskräften gegenüber, was in der weiteren Zusammenarbeit explizit reflektiert werden sollte.

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 Sowohl bei der Caritas-Asylsozialberatung für den Landkreis Pfaffenhofen wie auch bei Alveni in der Landeshauptstadt gibt es in den unterstützten Unterkünften fortlaufend Asyl- suchende mit hochakuten, hochpsychotischen Erkrankungsphasen oft in selbst- und fremd- gefährdender Form und sofortigem sozialpsychiatrischem Behandlungs- und Unterstüt- zungsbedarf.

Da mit einem Abebben des Flüchtlingsstroms vorerst nicht zu rechnen ist, ist anzunehmen, dass sich die Situation in den Unterkünften nicht entspannen wird und auch der Leistungsbedarf an dau- erhafter Unterstützung psychisch erkrankter Asylsuchender in Gemeinschaftsunterkünften und Erst- aufnahmeeinrichtungen in Oberbayern weiter steigen wird.

Aufgrund der genannten quantitativen Anhaltswerte, der aktualisierten Rechtslage und den festge- stellten Unterstützungsbedarfen besteht nunmehr die Möglichkeit, v.a. aber die Notwendigkeit die Unterstützung psychisch erkrankter Asylsuchender und Migranten/innen in Oberbayern flächende- ckend aufzubauen. Dies muss zusammenfassend insbesondere in folgenden Bereichen geschehen:

 Asylrechtliche Unterstützung

 Sprachliche Übersetzungshilfen

 Stationäre (und nachsorgende ambulante) medizinisch-psychiatrische Behandlung

 Ambulante sozialpsychiatrische Unterstützung

 Psychotherapeutische Unterstützung

 Betreutes Wohnen

 Koordination und Vernetzung.

Die Aufgabenbereiche der fachgerechten ambulanten sozialpsychiatrischen und asylrechtlichen Un- terstützung sowie der regionalen Koordination und Vernetzung sind dabei synergetisch miteinander zu verknüpfen und integriert zu erbringen. Hinsichtlich der Überlegungen zu möglichen berufsquali- fikatorischen Rahmenvorgaben für die Umsetzung der letztgenannten Aufgabenbereiche ist vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels in sehr vielen Regionen Oberbayerns höchstmögliche Flexibilität zu empfehlen.

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