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„Frauen im sächsischen Handwerk“

Landtagspräsident Dr. Matthias Rößler zum Internationalen Frauentag am 8. März 2014

(Anrede)

Der Internationale Frauentag ist vor mehr als 100 Jahren im Kampf um die Gleichberechtigung und das Wahlrecht der Frauen ins Leben gerufen worden. Neben dem Eintreten für das Frauenwahlrecht, gleiche Löhne und Selbstbestimmung wandten sich die Frauen von Anfang an auch gegen den Krieg.

Wir wissen, dass sich die Welt damals bereits auf dem Weg in jenen Krieg befand, der als Urkatastrophe Europas gilt. Wenn man Christopher Clarks Buch „Die Schlafwandler“ gelesen hat, weiß man, wie die Europäer vor 100 Jahren in diesen Krieg hineingeschlitterten, den keiner wollte. Bisher war ich überzeugt, dass die Europäer aus der Geschichte gelernt haben. Hoffentlich bleibt meine, bleibt unsere Überzeugung bestehen.

Nach Kriegsende und Revolution war es 1918 eine der ersten Taten der provisorischen Regierung, das aktive und passive Wahlrecht für alle Frauen mit Vollendung des 20. Lebensjahres zu verkünden. Deutschland gehörte damit zu den Vorreitern in Europa und ließ selbst die ältesten Demokratien der Welt noch hinter sich zurück. In den Vereinigten Staaten ist das Frauenwahlrecht auf Bundesebene erst zwei Jahre später eingeführt worden, in der Schweiz und anderswo noch viel später.

Die Weimarer Verfassung trat 1919 in Kraft. Sie hat eine Vielzahl von politischen und sozialen Fortschritten, die Entfaltungsmöglichkeiten der

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Frauen in der Gesellschaft betreffend, mit sich gebracht. Seit damals haben sich Rechtsgleichheit und Chancengerechtigkeit von Generation zu Generation immer stärker durchgesetzt. In der Europäischen Union betrifft dies inzwischen alle Bereiche des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens.

Das Handwerk ist – historisch gesehen – schon seit Menschengedenken eine weibliche Wirkungssphäre gewesen und spiegelt in Sachsen eine tausendjährige Geschichte als Motor der wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung wider. Seidenmacherinnen, Kammmacherinnen oder Goldspinnerinnen waren im Mittelalter mit Männern gemeinsam in Zünften organisiert; Textilberufe galten schon damals als weiblicher Lehrberuf, in denen Meisterinnen ihre eigenen Lehrtöchter ausbildeten.

Auch abseits der rechtlichen Verankerung einer offiziellen Zunftmitgliedschaft waren Frauen in Werkstätten allzeit präsent: Sei es als mitarbeitende Ehefrau, als helfende Tochter oder als das Geschäft weiterführende Witwe. Ich denke da auch an meine Mutter, Gärtnerin mit Meisterbrief, fünf Söhnen und jeden Tag von früh bis abends im Betrieb tätig. Diese Mitarbeit war oft unabdingbar, schließlich musste man seiner Ehefrau oder Tochter keinen Lohn zahlen. Selbst Dachdeckerinnen oder Schmiedinnen sind neben Handels- und Kauffrauen bis ins 16. Jahrhundert nachweisbar.

Danach verschwinden Zeugnisse über Handwerkerinnen zusehends, Frauen wurden aus den Zünften verdrängt und zu nicht eigenständigen Hilfskräften degradiert. Die Gründe hierfür sind vielschichtig und würden den zeitlichen Rahmen sprengen. Doch möchte ich an dieser Stelle zumindest darauf verweisen, dass wir es dabei mit einem

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gesellschaftlichen Konstrukt zu tun haben, welches im Zuge der Professionalisierung, Technologisierung und Mobilisierung erst im späten 18. und 19. Jahrhundert entstanden ist. Bestimmte Eigenschaften wurden den Frauen komplementär zu angeblich männlichen Charakteren zugeschrieben. Auf diese Weise wurden sie von der politischen wie gesellschaftlichen Teilhabe und Mitbestimmung ausgeschlossen und die Arbeiterinnen generell schlechter als die Arbeiter bezahlt.

Dabei ist das Berufsspektrum im Handwerk so wenig geschlechterspezifisch, weil es sich ebenso vielfältig und breit gefächert darstellt wie die Palette seiner Erzeugnisse. Im Bau- und Ausbau-, im Holz-, Bekleidungs-, Lebensmittel-, Gesundheits-, Körperpflege-, Reinigungs-, Glas- oder Papiergewerbe können sich junge Frauen und Männer heute auf dem Wege der Ausbildung, Weiterbildung, Betriebsübernahme oder -neugründung verwirklichen. Um in Anbetracht globaler Weltmärkte auf die regionalen Chancen hinzuweisen, hat der Zentralverband des deutschen Handwerks vor einigen Jahren unter dem Motto „Das Handwerk. Die Wirtschaftsmacht von Nebenan“ eine medienwirksame Kampagne initiiert. Der Slogan verweist auf charakteristische Eigenschaften des Handwerks: Ein hoher regionaler Bezug und damit verbunden ein hohes Maß an Identifikation und landsmannschaftlicher Solidarität, soweit das im Wirtschaftsleben überhaupt möglich ist.

Die Wertschätzung und Marktpräsenz sächsischer Handwerksleistungen und -produkte wird sich jedenfalls auch in Zukunft in allen Lebensbereichen, in denen es auf Qualität und Nachhaltigkeit ankommt, gegen industrielle Massenware hervorheben und behaupten können.

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In den letzten Jahren haben wir glücklicherweise einen deutlichen Anstieg von Handwerkerinnen zu verzeichnen. Laut Zentralverband des Deutschen Handwerks werden mittlerweile mehr als zwanzig Prozent aller Meisterprüfungen von Frauen abgelegt, die Anzahl der Meisterinnen hat sich demnach verdoppelt. Insbesondere der spürbare Fachkräftemangel bietet heute Frauen neue Chancen, auch durch eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, wie sie vor einer Generation noch undenkbar gewesen wären. Nicht zuletzt auch vor diesem Hintergrund ist es für Sachsen unverzichtbar, dass Sie, meine sehr verehrten Damen, Ihren Weg weitergehen, Ihre Erfolge wirksam nach außen tragen und zusammen mit Ihren Kolleginnen auch weiterhin zur Wirtschaftskraft eines Landes beitragen, das schon in der Vergangenheit immer wieder auf Klasse anstatt auf Masse gesetzt hat und damit erfolgreicher als andere gewesen ist.

Ich danke Ihnen an Ihrem Ehrentag auch dafür, dass Sie mit Ihrem Engagement tagtäglich helfen, traditionelle Handwerksberufe am Leben zu erhalten und Ihnen im Freistaat Sachsen eine Zukunft zu geben. Ich wünsche der heutigen Festveranstaltung ein gutes Gelingen und allen Frauen im sächsischen Handwerk auch weiterhin recht viel Erfolg.

Vielen Dank.

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