Sauerstoffmangel und Krankheiten der Kliesche (Limanda limanda) in der östlichen Nordsee
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Authors Dethlefsen, Volkert Download date 23/03/2022 17:09:41
Link to Item http://hdl.handle.net/1834/22949
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Sauerstoffmangel und Krankheiten der Kliesche (Limanda limanda) in der östlichen Nordsee
MELLERGAARD und NIELSEN berichten in einem neuen leES-Papier, das kürzlich in Santan- der (Spanien) während der Jahrestagung des Internationalen Rates für Meeresforschung vorgelegt wurde, über den Einfluß von Sauerstoffmangel auf Klieschenpopulationen und deren Erkrankungen in der östlichen Nordsee. Sie kommen zu dem Schluß, daß schon ein Jahr nach dem Auftreten niedriger Sauerstoffgehalte die Krankheitsraten in Klieschen- populationen ansteigen und daß nach einem Zeitraum von 3 bis 4 Jahren die Befallshäu- figkeiten nicht wieder auf das Ausgangsniveau zurückgefallen sind (MELLERGAARD und NI ELSEN , 1987). Angeregt durch diese Arbeit haben wir eigene Daten der vergangenen Jahre analysiert, um zu sehen, ob ähnliche Ergebnisse auch aus unserem Material über Erkrankungen der Kliesche (Limanda limanda) im Seegebiet der nördlichen Deutschen Bucht ablesbar sind. Hierzu wurden die Ergebnisse für ein Gebiet zwischen den Positi- onen 54° 50'N und 56°N sowie 06° 40'E und 08°E zusammengefaßt. Jeweils im Januar und Frühsommer eines jeden Jahres wurden hier Grundschleppnetzhols zur Erfassung der Häu- figkeit von Erkrankungen der Kliesche mit äußeren Erkrankungen durchgeführt. Im Som- mer der jeweiligen Jahre fanden Messungen der Sauerstoffgehalte im Bodenwasser der Region 55° 20'N bis 55° 40'N und 07° OO'E bis 07° 30'E statt.
Die Ergebnisse für die drei wichtigsten äußerlich auftretenden Erkrankungen sind in den Abbildungen 1 (Lymphocystis), 2 (epidermale Papillome) sowie 3 (akute und abhei- lende Ulcerationen) wiedergegeben. Die Konzentrationen der Sauerstoffgehalte während der einzelnen Jahre kennzeichnen nicht die absoluten Tiefstwerte, die gemessen wur- den, sondern geben durchschnittlich im abgesteckten Gebiet vorgefundene Sauerstoffge- halte wieder, d.h. in bestimmten Regionen sind zumindest im Sommer der Jahre 1981, 1982 und 1983 erheblich niedrigere Minimalwerte angetroffen worden als in den Abbil- dungen dargestellt (DETHLEFSEN und VON WESTERNHAGEN, 1983; DETHLEFSEN, 1985). Für den zeitlichen Verlauf der Häufigkeiten der Krankheiten Lymphocystis und epidermale
Papillome während des Untersuchungszeitraumes ergaben sich für den Krankheitsverlauf recht ähnliche Bilder. Das galt sowohl für die im Winter erzielten als auch für die im Sommer gewonnenen Daten. Das heißt zum Beispiel für die Erkrankungsraten im Som- mer, daß nach einem zunächst niedrigen Krankheitsniveau, das für Lymphocystis um 4%
und für epidermale Papillome um 2% lag, im Sommer 1983 die Krankheitshäufigkeit auf knapp unter 10% sowie für epidermale Papillome auf 3% angestiegen war. Im Sommer 1984 wurden für Lymphocystis knapp 18% Befallshäufigkeit sowie für epidermale Papillome eine Befallsrate um 10% ermittelt. Danach, d.h. im Sommer 1986 und 1987, fanden sich für beide Krankheiten wieder niedrigere Befallshäufigkeiten.
Vergleicht man mit diesem zeitlichen Verlauf die Sauerstoffwerte, die im Spätsommer der jeweiligen Untersuchungsjahre gemessen wurden, so läßt sich feststellen, daß nach den besonders niedrigen Sauerstoffgehalten in den Jahren 1982 und 1983 die Befalls- häufigkeiten der Kliesche mit Lymphocystis und epidermalen Papillomen zunahmen und daß jeweils zwei Jahre nach dem Auftreten der niedrigsten Sauerstoffgehalte ein Maxi- mum der Krankheitshäufigkeiten registrierbar war (Abbildungen 1 und 2).
Grundsätzlich ähnliche Zusammenhänge zeigen sich für den zeitlichen Verlauf der Sau- erstoffkonzentrationen und der Häufigkeit des Befalls der Klieschen mit Ulcerationen (Abbildung 3). Unmittelbar nach dem Auftreten der niedrigen Sauerstoffgehalte stiegen hier die Erkrankungsraten an und bereits im ersten Jahr normaler Sauerstoffwerte san- ken die Befallshäufigkeiten der Klieschen mit Ulcerationen.
Sauerstoffbedingte Veränderungen an Fischen und Bodentieren waren 1982 von der Deut- schen Bucht von DETHLEFSEN und VON WESTERNHAGEN (1983) beschrieben worden. Sie fan- den, daß in Gebieten mit niedrigsten Sauerstoffgehalten nur sehr kleine Fänge zu tätigen waren. In diesen Fängen waren tote Steinpicker, Schollen und Klieschen zu finden. Beim Einsatz einer Unterwasserfernsehkamera konnten tote Steinpicker, Leier-
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Abb. 2: Häufigkeit des Befalls der Kliesche (LimBndB limBndB) mit epidermalen Papillomen.
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Abb. 3: Häufigkeit des Befalls der Kliesche (Limanda limanda) mit Ulcerationen.
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fische, Sandaale und Plattfische am Boden gezeigt werden. Des weiteren fanden sich tote und sterbende Schlangensterne und Muscheln auf dem Boden der Sauerstoffmangel- gebiete. Es wird vermutet, daß Fische Sauerstoffmangelgebieten ausweichen können und so, wie in der Vergangenheit feststellbar, in Gebieten massenhaft auftraten, in denen sie sonst zu dieser Jahreszeit nicht erscheinen. Die zeitlichen Zusammen- hänge zwischen dem Auftreten niedriger Sauerstoff gehalte und den nachfolgenden er- höhten Erkrankungsraten lassen sich damit erklären, daß die genannten Krankheiten sämtlich Infektionskrankheiten zu sein scheinen. Nachgewiesen ist das für die Virus- erkrankung Lymphocystis. Des weiteren konnte gezeigt werden, daß Bakterien an der Hervorrufung von Ulcerationen beteiligt sind und schließlich zeigten dänische Unter- sucher, daß auch Viren bei der Hervorrufung von epidermalen Papillomen eine Rolle spielen.
SNIESZKO (1974) liefert Informationen über den Einfluß von Umweltstreß auf den Aus- bruch infektiöser Erkrankungen von Fischen und von WEDEMEYER (1970) stammen Informa- tionen über die Bedeutung von Streß für die Resistenz von Fischen gegenüber Krank- heiten. Beide Autoren zeigen, daß Streß in vielfältiger Form den Ausbruch infektiö- ser Krankheiten begünstigt, indem die Resistenz der Fische gegenüber solchen Krank- heiten herabgesetzt wird. Sauerstoffmangel, sobald bestimmte Grenzwerte unterschrit- ten werden, muß als schwerwiegender Streß und damit als bedeutende Belastung der Fische und Fischnährtiere angesehen werden. Es ist daher wenig erstaunlich, daß die voran gezeigten zeitlichen Zusammenhänge zwischen Sauerstoffmangel und der Erkran- kung nachweisbar sind. Wir sollten uns allerdings vor Augen führen, daß der Ausbruch von infektiösen Krankheiten immer das Resultat eines Zusammenwirkens einer Vielfalt von anthropogenen und natürlichen Faktoren darstellt. Zu den anthropogenen Faktoren zählen neben Schadstoffen auch die Fischerei und zu den natürlichen Faktoren zählen die Populationsdichte, das Nahrungsangebot, das Wachstum der Fische usw. Diese Fak- toren interagieren, und es ist davon auszugehen, daß niedrigerSauerstoffgehalt die Wirkung sowohl der natürlichen als auch anthropogen bedingter Faktoren verstärkt.
Das heißt, bei Vorhandensein einer entsprechenden Grundbelastung, bestehend aus ei- ner Reihe der vorgenannten Faktoren, brechen Krankheiten aus, unabhängig davon, ob Sauerstoffmangel herrscht oder nicht. In Sauerstoffmangelgebieten allerdings werden diese Effekte verstärkt zu beobachten sein. Aufgrund der hohen Sauerstoffsättigungs- werte während der letzten drei Jahre in der östlichen Deutschen Bucht und in däni-
schen Küstengewässern läßt sich voraussagen, daß die Erkrankungsraten in nächster Zeit zumindest nicht ansteigen werden. Das setzt allerdings voraus, daß andere Ein- flußgrössen konstant bleiben. So ist im Umkehrschluß auch nicht damit zu rechnen, daß bei dem Ausbleiben von Sauerstoffmangel künftig die Fischkrankheiten auf Null zurückgehen werden.
Zitierte Literatur
DETHLEFSEN,V.: Bessere Sauerstoffverhältnisse in der Deutschen Bucht während der letzten beiden Sommer. Infn Fischw. 4 (32): 171-175, 1985.
DETHLEFSEN,V.; WESTERNHAGEN,H.v.: Oxygen deficiency and effects on bottom fauna in the eastern German Bight 1982. Meeresforschung 30: 42-53, 1983.
MELLERGAARD,S.; NIELSEN,E.: The influence of oxygen deficiency on the dab population in the eastern North Sea and the southern Kattegat. Coun.Meet.ICES, E 6: 1-9, 1977.
SNIESZKO,S.F.: The effects of environmental stress on outbreaks of infectious diseases of fishes. J. Fish. Biol. 6: 197-208, 1974.
WEDEMEYER,G.: The role of stress in the disease resistance of fishes. Spec. Publ.
Am. Fish. Soc. 5: 30-35, 1970.
V. Dethlefsen
Institut für Küsten- und Binnenfischerei Außenstelle Cuxhaven