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Falsches Denken über die Geldpolitik | Die Volkswirtschaft - Plattform für Wirtschaftspolitik

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Die Volkswirtschaft  5 / 2015 65 EINBLICK

Falsches Denken über die Geldpolitik

Martin Hellwig

Prof. Dr., Direktor am Max-Planck-Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern, Bonn.

1 Barry Eichengreen (1992) Golden Fetters: The Gold Standard and the Great Depression, 1919–1939, Oxford University Press.

Dieser Tage lese ich immer wieder, die Verluste der Schweizerischen Nationalbank auf Anlagen in frem- den Währungen bedrohten ihre Solvenz. Die Auto- ren sind zumeist Praktiker, ausgewiesene Bank- spezialisten, die allerdings nicht die Zeit gefunden haben, sich mit den Unterschieden zwischen einer Zentralbank und einer Geschäftsbank zu befassen.

Eine moderne Zentralbank kann praktisch nicht zahlungsunfähig werden, denn das Geld, das sie zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten braucht, produ- ziert sie zumeist selbst. Das Geld, das die Zentral- bank ausgibt, erscheint in der Bilanz als Verbind- lichkeit, aber es verpflichtet sie zu nichts.

Als Banknoten noch in Gold einzulösen waren, war das anders. Damals begründete die Einlöse- pflicht eine echte Verbindlichkeit. Heute haben wir eine reine Papierwährung, ohne Einlösepflicht. Die Bilanzierungspraxis ist gleichwohl geblieben. Kein Wunder, dass die Bankspezialisten verwirrt sind. Da wird etwas als Verbindlichkeit behandelt, was keine ist. Nach betriebswirtschaftlicher Logik sollte die Geldausgabe der Zentralbank nicht als Verbindlich- keit bilanziert werden. Gleichwohl geschieht dies.

Die Zentralbankbilanz enthält daher stille Reserven.

Und jede neue Geldausgabe erhöht diese Reserven.

Stellen wir uns vor, die Zentralbank kauft eine Aktie:

Die Aktie bringt Dividenden, das Geld für den Kauf kostet die Zentralbank aber nichts. Der Barwert der Nettoerträge der Zentralbank wird um den Barwert der Dividenden erhöht, aber das erscheint nicht in der Bilanz. Sollte die Aktie wertlos werden, so weist die Zentralbank zwar einen Verlust aus, aber dieser Verlust ist nicht grösser als der stille Gewinn beim Kauf der Aktie. Die Vorstellung, dass eine moderne Zentralbank insolvent werden kann, beruht somit auf einem mangelhaften Verständnis der Zentral- bankbilanz.

Die Bilanzierungspraxis dient allerdings dem Schutz des Geldwesens vor der Gier der Eigentü- mer der Zentralbank und vor der Geldentwertung.

Würden die Gewinne aus der Geldschöpfung immer

gleich ausgewiesen, so würden die Eigentümer deut- lich höhere Ausschüttungen verlangen und vielleicht fordern, die Gewinne durch zusätzliche Geldschöp- fung noch weiter zu erhöhen. Das könnte zur Infla- tion führen und zu Verlusten bei den Besitzern von Bargeld und anderen auf Geld lautenden Werten.

Derzeit ist das Inflationsrisiko aber gering. Die exorbitante Zentralbankgeldschöpfung der letzten Jahre war nur ein Ersatz für den Kollaps der Giral- geldschöpfung der Geschäftsbanken in der Krise.

Dadurch wurde ein Kollaps der Realwirtschaft ver- hindert. Jedoch ist noch nicht klar, wie die Geld- politik wieder zur Normalität zurückkehren kann.

Die Diskussion über diese Frage sollte sich aber auf die volkswirtschaftlichen Probleme konzentrieren und nicht durch Warnungen vor den gar nicht vor- handenen Solvenzrisiken der Zentralbank verzerrt werden.

Mancher betrachtet Papiergeld als Teufelszeug und ist grundsätzlich gegen Aktivitäten der Zentral- bank. Und wenn die Warnung vor der Inflation an der Realität vorbeigeht, so warnt man vor Bilanzrisiken und Verlusten. Der US-Wirtschaftshistoriker Barry Eichengreen zog in dem monumentalen Werk «Gol- den Fetters» zur Weltwirtschaftskrise den Schluss:

Die Krise entstand, weil die Zentralbanken unter dem Goldstandard eine restriktive Geldpolitik be- trieben, um Gold zu horten, und sie dauerte jeweils, bis ein Land vom Goldstandard abging und bis die Zentralbank aufhörte, in Kategorien des Goldstan- dards zu denken.1 Verfehlte betriebswirtschaftliche Kategorien spielen heute die Rolle der Kategorien des Goldstandards.

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