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Gute Arbeitsbedingungen fördern die Produktivität | Die Volkswirtschaft - Plattform für Wirtschaftspolitik

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Academic year: 2022

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FOKUS

Die Volkswirtschaft  4 / 2019 21 ter Arbeitsbedingungen produktiver wird und seinen Marktanteil vergrössern kann, schafft es mehr und «bessere» Arbeitsplätze.

Um diesen positiven Kreislauf in Gang zu set- zen, braucht es praktische Instrumente und evi- denzbasierte Beratung. Deswegen unterstützt das Seco die beiden ILO-Programme «Better Work» und «Sustaining Competitive and Respon- sible Enterprises» (Score). Diese bilden das Rück- grat der Seco-Aktivitäten auf diesem Gebiet.

Das «Score»-Programm hat zum Ziel, die Pro- duktivität und die Arbeitsbedingungen in klei- nen und mittleren Zulieferbetrieben aus Entwi- cklungs- und Schwellenländern zu verbessern.

Seit 2009 erhalten KMU in den Seco-Partnerlän- dern Schulungen und Betriebsberatungen unter anderem zu Qualitätsmanagement, Arbeitssi- cherheit, kooperativer Personalführung und umweltfreundlichen Produktionsmethoden. In den Genuss des «Score»-Programms kommen beispielsweise KMU im verarbeitenden Gewer- be in Indonesien, in Ghana, in Myanmar und in Kolumbien – sowie Betriebe in der Agrarindus-

A

ngesichts des grenzüberschreitenden Cha- rakters von Lieferketten spielen Arbeits- themen bei der wirtschaftlichen Entwick- lungszusammenarbeit eine wichtige Rolle: Die Unternehmen und die Produzenten vor Ort müssen nationale Arbeitsnormen einhalten, die im Einklang mit internationalen Verpflich- tungen und Konventionen stehen. Auch Konsu- menten und Abnehmer pochen zusehends auf die Einhaltung dieser Standards. Gleichzeitig sollten die Vorschriften für die produzierenden Unternehmen keinen Wettbewerbsnachteil ver- ursachen. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) unterstützt die Partnerländer der Schweiz bei Arbeitsthemen rechtlich und technisch. Da- für arbeitet das Amt eng mit der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) zusammen.

Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) stellen weltweit rund zwei Drittel aller Arbeits- stellen und sorgen für einen wesentlichen Teil der Einkommen der Bevölkerung. Sie spie- len daher eine Schlüsselrolle für eine nachhal- tige wirtschaftliche Entwicklung. Allerdings sind KMU tendenziell oft weniger produktiv als Grossunternehmen, und die Einhaltung von Ar- beits- und Umweltstandards stellt für sie viel- fach eine gewaltige Herausforderung dar. Aus Sicht der wirtschaftlichen Zusammenarbeit gilt deshalb: Wenn ein Unternehmen aufgrund gu-

Gute Arbeitsbedingungen fördern die Produktivität

Eine höhere Produktivität und bessere Arbeitsbedingungen sind kein Widerspruch: Dies zeigen von der Schweiz unterstützte Projekte in Entwicklungsländern.  Monica Rubiolo

Abstract  Arbeitsthemen sind ein wichtiges Teilgebiet der wirtschaft- lichen Entwicklungszusammenarbeit der Schweiz. Bessere Arbeitsbe- dingungen sind in grossen und kleinen Firmen entlang der Lieferketten nötig, um ein nachhaltiges Wachstum zu ermöglichen. Mit praktischen Instrumenten und evidenzbasierter Beratung wird im Rahmen von Ini- tiativen, die durch das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) unter- stützt und von der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) umgesetzt werden, gezeigt, dass Investitionen in bessere Arbeitsbedingungen zu höherer Produktivität führen.

Familienbetrieb in Myanmar verbessert seine Arbeitsabläufe

Bei Phyo Dana, einem Familienunternehmen in Myanmar, arbeiten rund 120 Angestellte. Die Firma stellt Snacks wie  Kar- toffelchips und «Bean Sticks» her. Im April 2018 nahm Phyo Dana am ILO-Programm «Sustaining Competitive and Respon- sible Enterprises» (Score) teil. Um langfristiges und nachhalti- ges Handeln im Unternehmen zu verankern, wurde ein «Enter- prise Improvement Team» geschaffen. In diesem Komitee sind Mitarbeitende aller Produktionsstufen vertreten. Das Fazit fällt positiv aus: «Die Zusammenarbeit bei der Produktion hat sich verbessert», sagt der Produktionsleiter Maw Maw gegen- über «Score». Dank einer besseren Stimmung unter den Mit- arbeitenden gebe es für ihn weniger Konflikte, bei denen er vermitteln müsse. Auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht hat sich das Programm gelohnt: «Wir arbeiten systematischer», sagt Maw Maw. Als Folge stieg die Produktivität.

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INTERNATIONALE ARBEITSORGANISATION

22 Die Volkswirtschaft  4 / 2019

trie in Peru und in der Holzmöbelproduktion in Vietnam. In praktischen Schulungen erfahren die KMU, wie sich die Arbeitsbedingungen ver- bessern lassen. So werden sie auf eine internatio- nale Ausrichtung vorbereitet (siehe Kasten).

Textilsektor im Fokus

Das Programm «Better Work» richtet sich haupt- sächlich an Exportbetriebe im Bekleidungs- und Textilsektor. Es hilft den Unternehmen, die na- tionalen Arbeitsgesetze und die internationalen Arbeitsnormen einzuhalten. Darüber hinaus för- dert es den Dialog zwischen den Stake holdern und erarbeitet Lösungen, die von der Regierung, den Unternehmen, den Arbeitnehmenden und internationalen Einkäuferorganisationen ge- tragen werden. Auf globaler Ebene entwickelt «Better Work» praktische Hilfsmittel zur Bewer- tung von Unternehmen betreffend Einhaltung von Arbeitsstandards.

Beide Programme haben zum Ziel, Fach- wissen zu generieren und die Relevanz guter Arbeitsbedingungen für mehr Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit aufzuzeigen. Nebst der Schweiz nimmt bei «Score» auch Norwegen teil – bei «Better Work» sind es unter anderem Australien, Dänemark, Deutschland, die Nie- derlande und die USA. Diese breitere Abstüt- zung ermöglicht es, eine Koalition für die iden- tifizierten Lösungsansätze zu bilden.

Produktivität gesteigert

«Score» hat bisher in 15 Ländern Schulungen für mehr als 300 000 Arbeitnehmende durch- geführt. Die Investitionen in gute Arbeitsbedin- gungen zahlen sich betriebswirtschaftlich aus:

So stieg die Produktivität in den insgesamt 1400 KMU um bis zu 50 Prozent. Gleichzeitig fielen bis zu 64 Prozent weniger Ausschussware an.

Die Abfallmenge reduzierte sich um 48 Prozent,

SECO

Konnte die Arbeits- bedingungen dank dem ILO-Programm

«Better Work» ver- bessern: Kleiderfabrik Namyang Songmay in Vietnam.

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FOKUS

Die Volkswirtschaft  4 / 2019 23 die Zahl der Arbeitsunfälle sank um 29 Prozent,

und die krankheitsbedingten Personalausfälle gingen um 22 Prozent zurück (vgl. Abbildungen).

Eine Impact-Analyse des Programms «Better Work» zeigt: Firmen, die am Programm teilneh- men, sind weniger anfällig für den Einsatz von Zwangsmassnahmen. Zudem konnten die Fäl- le von sexueller Belästigung substanziell redu- ziert werden, und die Qualität der Arbeitsplät- ze wurde allgemein verbessert. Darüber hinaus trägt das Programm dazu bei, dass geschlechts- bedingte Lohngefälle reduziert werden. Aus Unternehmenssicht sind die Vorteile ebenfalls zahlreich: höhere Produktivität, geringere Mit- arbeiterfluktuation, Rentabilitätssteigerung, bessere Geschäftsaussichten mit Grosseinkäu- fern und grössere Einkaufsaufträge.

Die Resultate der beiden Programme verdeut- lichen, dass für Firmen kein Zielkonflikt zwi- schen besseren Arbeitsbedingungen und höherer Produktivität besteht. Nicht zuletzt profitieren auch Schweizer Unternehmen und Konsumen- ten, indem die Lieferketten nachhaltiger werden.

Lieferketten verantwortungsvoll gestalten

Das sich stetig verändernde Handelsumfeld macht Veränderungen unumgänglich. Gefordert sind auch die multinationalen Unternehmen:

Im Rahmen der UNO-Agenda 2030 erwartet die Staatengemeinschaft, dass sie verantwortungs- voll handeln und einen Beitrag zum wirtschaft- lichen, sozialen und ökologischen Fortschritt leisten.1 Besonderes Augenmerk gilt ihren Liefer- ketten – was sich oft in verschiedenen Auflagen und multiplen Audits für Zulieferer und KMU manifestiert. Damit eine verantwortungsvolle- re Beschaffungspraxis der internationalen Ab- nehmer zu mehr Nachhaltigkeit in die Lieferkette führt und negative Nebenwirkungen vermieden werden, braucht es eine gute Einbettung in die nationalen Reformbemühungen. Denn die Ent- wicklungsländer sind selbst für die Umsetzung besserer Arbeitsbedingungen verantwortlich: Sie müssen dafür sorgen, dass die Gesetze eingehal- ten werden.

Eine weitere Herausforderung für die Arbeitspolitik ist die Digitalisierung, die be- wirkt, dass sich bestehende komparative Vortei-

Monica Rubiolo

Dr. rer. soc., Leiterin Handelsförderung, Staatssekreta- riat für Wirtschaft (Seco), Bern

le ändern. Da die künftigen Formen der Arbeit und die Auswirkungen der Digitalisierung für Arbeitnehmende, Arbeitgeberseite und Regie- rungen zurzeit nur ansatzweise vorhersehbar sind, bleibt die technische Beratung eine Her- ausforderung. Umso wichtiger werden Inves- titionen in die Berufsbildung und Trainings, welche die Lücke zwischen vorhandenen Kom- petenzen der Arbeitnehmenden und vom Markt nachgefragten Qualifikationen schliessen.

Abb. 1: Zeitersparnis beim Erreichen der Produktionsziele («Better Work», Vietnam)

25 Minuten

1

Anzahl Jahre bei «Better Work»

3 4 5

2 -100

-75 -50 -25 0

ILO / DIE VOLKSWIRTSCHAFT

Abb. 2: Rentabilität («Better Work», Vietnam)

Anzahl Jahre bei «Better Work»

4 Umsatz/Kosten

+25%

0 1 2 3

Jahr 1 Jahr 4

ILO / DIE VOLKSWIRTSCHAFT

1 Siehe auch OECD- Leitsätze für multi- nationale Unterneh- men: OECD (2018).

OECD Due Diligence Guidance for Responsi- ble Business Conduct.

Innerhalb von vier Jahren stieg die Rentabilität um 25 Prozent.

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