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Eine evangelikale Bewegung erschüttert die Parteiendemokratie in Costa Rica

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Reaktionär, frauenfeindlich, homophob

Eine evangelikale Bewegung

erschüttert die Parteiendemokratie in Costa Rica Von Andreas Stamm,

Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE)

vom 12.03.2018

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Eine evangelikale Bewegung erschüttert die Parteiendemokratie in Costa Rica

Bonn, 09.03.2018. Am 4. Februar dieses Jahres fanden in Costa Rica Wahlen statt, die die Parteiendemokratie des zentralamerikanischen Landes erschüttert haben.

Ein charismatischer Fernsehprediger erzielte vor allem mit homophoben Thesen einen Erdrutschsieg und kommt überraschend in die für den 1. April vorgesehe- ne Stichwahl um die Präsidentschaft. Hier spiegelt sich ein verbreiteter Trend in Lateinamerika wider: der rapide Aufstieg konservativer evangelikaler Gruppen in Gesellschaft und Politik.

Seit 70 Jahren verlaufen Regierungswechsel in Costa Rica durchweg friedlich auf Basis einer funk- tionsfähigen Parteiendemokratie. Von 1970 bis 2014 wurden sieben Präsidenten von dem sozialdemo- kratischen Partido Liberación Nacional (PLN) und fünf von dem konservativen Partido Unidad Social Cristiana (PUSC) gestellt. 2014 setzte sich erstmals der Kandidat einer anderen Partei durch, des linksliberalen Partido Acción Ciudadana (PAC). Das überkommene Zweipar- teiensystem war zu Ende. Die Wahl im Februar 2018 führte zu Ergebnissen, die kurz zuvor nicht voraussehbar waren. Die evangelikale Bewegung des Partido Renovación Nacional (PREN) kam noch im November 2017 auf Zustimmungswerte von unter 5 Prozent und erhielt am 4. Februar fast 25 Prozent der Stimmen. Der PAC Kandidat erzielte knapp unter 22 Prozent.

Das Ende des Zweiparteiensystems in Costa Rica Im Hintergrund hatte sich schon länger Unmut bei traditionellen Bevölkerungsteilen aufgebaut. Dieser kristallisierte sich insbesondere zu Themen heraus, die die Evangelikalen in weiten Teilen Lateinamerikas seit Jahren instrumentalisieren: Gleichstellungspolitik (als

„Genderideologie“ verunglimpft), eine pluralistische Sexualerziehung, und vor allem die gleichgeschlecht- liche Ehe. Am 9. Januar verpflichtete ein Urteil des Interamerikanischen Menschenrechtsgerichtshof IDH seine Mitgliedsstaaten dazu, gleiche Rechte für gleichgeschlechtliche Ehen zu garantieren. Die costa- ricanische Verfassung verpflichtet die Regierung zur Umsetzung von Urteilen des IDH. Der Kandidat des PREN kündigte dennoch an, das Urteil im Falle eines Wahlsiegs zu missachten. Dies führte innerhalb von nur vier Wochen zu seinem kometenhaften Aufstieg, der zu einer Zustimmung von fast 25 Prozent bei den Feb- ruarwahlen führte.

Im überwiegend katholischen Lateinamerika verzeich- nen evangelikale, vor allem pfingstkirchliche Bewegungen in den letzten drei bis vier Jahrzehnten Zulauf. Während sich 1970 noch etwa 92 Prozent der Menschen dem katholischen Glauben zuordneten, waren es 2014 nur noch 69 Prozent. In einigen Ländern rechnen sich große Teile der Bevölkerung heute dem

protestantischen Glauben zu, so wie in Guatemala 40 Prozent, in Honduras 36 Prozent, in Nicaragua 26 Pro- zent und in Costa Rica zwischen 15 Prozent und 25 Prozent.

Während diese Bewegungen lange Zeit eher unauffällig agierten, greifen sie zunehmend nach politischem Einfluss und Macht. So wurde 2015 ein evangelikaler Fernsehkomiker Präsident von Guatemala. Seit 2016 ist ein protestantischer Priester Bürgermeister von Rio de Janeiro. In Kolumbien hat die pfingstkirchliche Bewegung massiv gegen den Friedensvertrag zwischen der Regierung und der Rebellenorganisation FARC gearbeitet und maßgeblich zu seiner Ablehnung in der ersten Abstimmung im Oktober 2016 beigetragen.

Der Aufstieg evangelikaler Gruppen begann in Guate- mala bereits in den 1930ern und erfolgte in verschie- denen Ländern unterschiedlich rasch. Ihre Mission- sarbeit zielt vor allem auf die besonders armen Bevölk- erungsschichten, teilweise auf indigene Gruppen und Nachkommen versklavter Afrikaner, zum Beispiel an der zentralamerikanischen Karibikküste. Früh wurden diese Zielgruppen durch den Einsatz von Massenkom- munikationsmitteln wie Radio und Fernsehen („Televangelistas“) erreicht, heute durch professionelle Netzwerke multimedialer Diffusionskanäle (RedeRe- cord, UnoRed). So wurden die zunächst verstreut lebenden Zielgruppen früh erreicht. Durch die Land- flucht der letzten Jahrzehnte siedeln diese heute vor allem in Marginalvierteln der Großstädte, wo evange- likale Kirchen oft das einzig sichere Stück öffentlichen Raumes darstellen.

Die „drive-through“-Gebiete Costa Ricas

Was in den USA das „flyover country“ ist, das sind in Costa Rica die „drive through“-Gebiete, Regionen an beiden Küsten, die die Stadtbevölkerung nur bei Wochenend- und Urlaubsfahrten zu den Stränden erlebt. Die dort lebende Bevölkerung ist von Armut und Arbeitslosigkeit betroffen und von der wirtschaft- lichen Dynamik im zentralen Hochland abgekoppelt.

Evangelikale Kirchen sind oft erste Anlaufstellen bei Naturkatastrophen und persönlichen Notlagen. Daher ist ihr Zulauf hier besonders stark. Ihr politischer Arm PREN erhielt bei den Februarwahlen in der Pazi- fikprovinz 35 Prozent und an der Karibikküste 42 Pro- zent der Stimmen. Da sich die hier lebende Bevölker- ung seit Jahrzehnten vernachlässigt fühlt, ist unwahr- scheinlich, dass sie sich bei der Stichwahl am 1. April grundlegend anders entscheiden wird. Deren Ausgang ist Mittel März absolut offen.

In diesem Jahr stehen noch Wahlen in Brasilien, Kolum- bien, Mexiko, Venezuela und Paraguay an. Auch in diesen Ländern spielen die Evangelikalen eine zunehmende Rolle.

© Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE), Die aktuelle Kolumne, 12.03.2018

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