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“Plötzlich war er vorbestraft”

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VN-Interview. Maria Fritsche (45), Historikerin an der Uni Trondheim

“Plötzlich war er vorbestraft”

„Verantwortung zum Widerstand wird größer.“ Foto: VN/Hartinger

Die Historikerin über Deserteure, Widerstand und Opferrollen in Österreich.

BREGENZ. (VN-mip) Maria Fritsche, Vorarlberger Historikerin an der Universität Trondheim, sprach im Rahmen des Gedenktages gegen Gewalt und Rassismus im Landhaus über

Widerstand und Deserteure. Die VN trafen sie davor zum Interview.

Wie würden Sie das Image von Wehrmachtsdeserteuren in Österreich beschreiben?

FRITSCHE: Vor zehn Jahren war es schon noch so, dass Deserteure von Teilen der

Bevölkerung als Verräter, Feiglinge oder Kameradenschweine bezeichnet wurden. Es ist auch heute noch zu hören. Speziell von bestimmten Parteien und manchen Veteranen.

Wie schwer war es, für Ihre Forschung Deserteure zu finden?

FRITSCHE: Es war nicht einfach, jemanden zu finden, der noch dazu darüber reden wollte, weil viele nach dem Krieg beschimpft wurden . . .

. . . und Menschen wie Waldheim mit ihrer eigenen Pflichterfüllung konfrontierten.

FRITSCHE: Genau. Pflichterfüllung wird irgendwie neutral bewertet. Als ob Pflichterfüllung per se etwas Gutes ist, ohne zu reflektieren: Für wen erfülle ich eigentlich die Pflicht? Die Deserteure personifizieren vielleicht auch ein bisschen das schlechte Gewissen. Es waren ja sehr wenige von den insgesamt 1,2 Millionen Österreichern, die in der Wehrmacht gedient haben.

Was waren die Hauptgründe für Soldaten, zu desertieren?

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FRITSCHE: Es gab meistens ein Bündel an Motiven. Heimweh, Angst, die Sorge um die Familie, dass man nicht mehr mitmachen wollte, religiöse, humanistische oder politische Motive. Meistens desertierten die Soldaten im Hinterland, nicht direkt an der Front.

Stieg die Anzahl von Deserteuren zu Kriegsende merklich an?

FRITSCHE: Die Anzahl ging schon 1939 stetig nach oben und 1944 noch einmal radikal rauf, als die Alliierten gelandet sind. Die meisten, die im Sommer oder im Herbst 1944

desertierten, dachten, dass der Krieg in drei Wochen vorbei sei.

Würden Sie Deserteure und Widerstand gleichsetzen?

FRITSCHE: Nein. Zum einen muss man definieren, was Widerstand überhaupt ist. Da gab es den eindeutig politischen Widerständler, der aktiv kämpfte, Flugblätter verteilte oder Juden versteckte. Aber dann gab’s noch die kleinen Widerstandsformen. Zum Beispiel, wenn jemand englischen Rundfunk hörte. Das Rundfunkverbrechen stand unter Todesstrafe. Von Rehabilitierungsgegnern kam oft das Argument: Deserteure waren keine

Widerstandskämpfer. Aber es gab natürlich eindeutig politische oder religiöse Desertierer, das war sehr wohl Widerstand.

Gab es auch Vorarlberger?

FRITSCHE: Tobias Studer aus dem Großen Walsertal zum Beispiel. Er wurde 1942 mit 18 Jahren einberufen, kam 1944 verwundet zurück und wollte nicht mehr. Seiner

Partisanenausbildung war es zu verdanken, dass er bis zur Befreiung überlebte. Allerdings hat ihn danach jemand angezeigt und er wurde als Straftäter festgenommen. Oder August Weiß aus Dornbirn, überzeugter Katholik und Pazifist. Er wollte nicht in den Kriegsdienst und versuchte, in die Schweiz zu fliehen. In Frastanz wurde er festgenommen. Er musste in eines dieser berüchtigten Emslandlager in Nordwestdeutschland und kam nach 15 Monaten mit 35 Kilo Körpergewicht an die Ostfront. Als er nach dem Krieg eine Arbeit suchte, war er dann plötzlich vorbestraft.

Sind nicht auch jene Opfer, die als junge Männer einberufen wurden?

FRITSCHE: Individuell sind sie natürlich Opfer. Aber wenn man so einen breiten Opferbegriff hat, dann wird die Leistung jener, die verfolgt worden sind, weil sie das Regime bekämpft haben, total ignoriert und gleichgemacht. Aber niemand macht den jungen Männern zum Vorwurf, dass sie nicht desertiert sind.

Gibt es auch heute eine Verantwortung zum Widerstand?

FRITSCHE: Es gibt die rechten Populisten, die weiterhin Deserteure beschimpfen. Die

Veteranen vom Ulrichsberg kann man nicht bekehren, die sind nicht das große Problem. Aber FPÖ, Pegida und Co., da hat man das Gefühl, die haben nichts aus der Geschichte gelernt. Die Verantwortung zum Widerstand wird wieder größer.

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