sprachtypologischen Vergleich
Von Gerd Steiner, Marburg
1. Identifikation der Präfixe mu= und t-
1.1 Die Präfixe mu= und e= gehören immer noch zu den schwierig¬
sten Morphemen des sumerischen Verbums. Schon ihre Existenz ist nicht
unumstritten; stritdg sind auch ihre Form und deren Varianten, vor aUem
aber ihre Bedeutung und Funktion. Ein Grund für diese verschieden¬
artigen Probleme ist sicherlich, daß mu= und e= bei der Übersetzung von
sumerischen Verbalformen in eine andere Sprache, sei es das Akkadische
[vgl. YOSHIKAWA 1979: 187] oder eine rezente Sprache [vgl. z.B. DEI¬
MEL 1939: 151; SOLLBERGER 1952: 121 § 32131J in der Regel [vgl. aber
Tabelle 2 (B); § 5.3 mit Tabelle 6 (A)] vernachlässigt werden können.
Offenbar haben sie keine Bedeutung und Funktion, die dabei als relevant
anzusehen wäre, jedenfalls auf den ersten Blick.
1.2 Eine Erörtemng der morphologischen Phänomene in Zusammen¬
hang mit den Präfixen mu= und e= oder gar anderer Analysen ist hier nicht
möglich. Es werden vielmehr folgende morphologische Merkmale dieser
Präfixe als gegeben vorausgesetzt [vgl. dazu vor allem - wenn auch mit
Abweichungen im einzelnen - THUREAU-Dangin 1907: POEBEL 1908;
1923; 1931; SCHOLTZ 1934; FALKENSTEIN 1949; 1959j:
(1) Die Verbalmorpheme mu= und e= sind existent und im Präfixsystem
des Verbalkomplexes gleichrangig; sie scliließen sich gegenseitig
aus.
(2) Die Posidon der Präfixe mu= und e= im Präfixsystem ist nach den
Modalpräfixen (Negativpräfix nu=; Optativpräfix ha=; usw.) und
vor den dimensionalen Präfixen [vgl. dazu $ 3.1 mit Tabelle 1]. Ihre
Position kann auch unbesetzt bleiben, so daß in Opposition zu den
beiden Präfixen ein Präfix 0= anzunehmen isl.
(3) Die Vokale der Präfixe mu= und e= sind 'veränderlich'. Sie können
bei Fusion mit einem Vokal anderer Qualität ihre Qualität vedieren,
z.B. mu=0-i-a= (Dativpräfix der 1. sg.) > ma-, oder an den Vokal
einer nachfolgenden Silbe assimiliert werden, vor allem e= > i= vor
einem 'geschlossenen' Vokal [POEBEL 1931] bzw. überhaupt als
'normale' Form.
Cornelia Wunsch (Hrsg.): XXV. Deutscher Orientalistentag, Vorträge, München 8.-13.4.1991
(ZDMG-Suppl. 10). - © 1994 Franz Steiner Veriag Stuttgart
Die sumerisciien Verbalpräfixe mu= und e= im sprachiypologisciien Vergleich 33
1.3 Das F*räfix mu= ist in einem Verbalicomplex in der Regel eindeu¬
dg zu identifizieren, das Präfix e= / i= dagegen nur dann, wenn es einen
Verbalkomplex einleitet. Der Grund dafür ist darin zu sehen, daß das Mor¬
phem e= / i= mit dem Vokal eines vorangehenden Modalpräfixes Fusion
eingeht, wobei in der Regel der Vokal des Modalpräfixes in der Qualität
dominiert; eine Ausnahme ist die Kombination mit dem Optativpräfix ha=,
wobei sich die 'assimilierte' Form he - ergibt. Indirekt ist die Realisiemng
des Morphems e= / i= jedoch daran zu erkennen, daß ein nachfolgendes
pronominales Morphem Ihi als Iml erscheint [vgl. § 3.4]; ein Kriterium
bieten auch vereinzelte 'Pleneschreibungen' wie n u - ü -. In vielen Fällen
ist jedoch nicht sicher zu entscheiden, ob ein graphisch nicht 'realisiertes'
Morphem e= / i = durch Fusion 'aufgesogen' worden ist oder ob das
Präfix 0= [vgl. § 1.2 (2)] voriiegt [vgl. auch § 5.2 (2)]; sicher ist das
Präfix 0= z.B. bei allen Verbalkomplexen anzunehmen, deren erstes
'reales' Präfix das Lokativpräfix ba= oder das Adessivpräfix be= / bi= ist.
2. Theorien zur Bedeutung und Funktion von mu= und t-
2.1 Für die Frage der Bedeutung und Funkdon der Präfixe mu= und
e= sind hier grundsätzlich nur die Theorien relevant, die sowohl ihre
Existenz und Gleichrangigkeit als auch eine oppositionelle Bedeutung vor¬
aussetzen [vgl. auch § 1.2]. Zu berücksichtigen sind jedoch auch Theo¬
rien, nach denen die phonologische Variante i= zu e= als Präfix ni=
aufgefaßt, und solche, nach denen als oppositionelles Morphem zu mu=
ein Präfix 0= angenommen wird.
2.2 Die wichtigsten dieser Theorien lassen sich unter folgenden
Aspekten zusammenfassen [vgl. auch SCHOLTZ 1934: 1-8 § 1.1-2; JESTIN
1935: 21-24 §§ 46-50; SOLLBERGER 1952: 120f § 32130; YOSHIKAWA
1957: 7-11; RÖMER 1982; THOMSEN 1984]:
(1) Indikation von Aktanten (oder Partizipienten) des Vorgangs:
(la) mu= und e= beziehen sich auf Subjekt und/oder Objekt des Verbums
[BERTIN 1896; LANGDON 1907: 221-223; DELITZSCH 1914; AIST¬
LEITNER 1923; GADD 1924; vgl. auch JESTIN 1935: 28-30 § 54;
HALLO 1957].
(lb) "während mM gebraucht wird von einem gegenwärtigen oder als ge¬
genwärtig gedachten Gegenstand, verbindet sich mit e der Begriff
der Feme" [WITZEL 1912: bes. 76; vgl. 1932: 88].
(lc) mu= bezieht sich auf eine nominale Konstituente der 'Personenklas¬
se', e= auf eine der 'Sachklasse' innerhalb der Phrase; jedoch kann
e= auch eine 'neutrale' Bedeutung haben [FALKENSTEIN 1949;
1950: 158-181 §§ 112-114; 1959; SOLLBERGER 1952: 121-140 §
32131-5; vgl auch D'JAKONOV 1967; OBERHUBER 1967].
(2) Indikation einer lokalen Orientierung:
(2a) "e s'emploie lorsque le sujet est 'au centre' et que l'action est dirigee
du centre vers le 'dehors', mu lorsque le sujet est au 'dehors' et que
l'action est dirigee du dehors vers le 'centre' [THUREAU-DANGIN
1907: bes. 397 f.; vgl. auch MEISSNER 1922; LANDSBERGER 1924:
bes. 123; GOETZE 1936].
(2b) mu= bezeichnet eine Bewegung oder Orientierung des Vorgangs auf
den 'Sprecher' zu (deutsch "her"), e= eine Bewegung oder Orien¬
tierung des Vorgangs vom 'Sprecher' weg (deutsch "hin") [DEIMEL
1924; 1932: 192; 1935; 1939; 1954].
(3) Indikation einer 'Zeitlage': mu= berichtet die Handlung ohne Bezie¬
hung auf einen bestimmten Zeitpunkt, während e= / i= die berichtete
Handlung vom Standpunkt der unmittelbaren Gegenwart aus gese¬
hen und auf diese bezogen darstellt [POEBEL 1908: bes. 224; 1923:
bes. 215 § 527; vgl. auch MEISSNER 1913].
(4) Indikation der logischen Orientiemng als "subjektive Teilnahme" des
Redenden: "Bei e- ist mehr der 1. logische (Ausgangs)punkt gegen¬
über dem 2. logischen (Ziel)punkt betont, bei mu- mehr der 2. ge¬
genüber dem 1." [SCHOLTZ 1934: bes. 16].
(5) Indikation einer 'sozialen' Orientiemng:
(5a) mu= bezeichnet die "sphere superieure" oder die Bewegung darauf hin, e= umgekehrt die "sphere inferieure" oder die Bewegung darauf
hin [JESTIN 1946; 1951; etwas anders 1976].
(5b) mu= bezeichnet die Orientierung zur Gottheit, zum Heiligen, sowie
zum sozial Höherstehenden, e= die Orientierung weg davon [CHRI¬
STIAN 1957: bes. 63 f.; 1961].
(5c) mu= bezeichnet die Handlung gegenüber einem Ranghöheren oder
die Handlung eines Ranghöheren, e= die Handlung gegenüber
einem Rangniedrigeren oder die Handlung eines Rangniedrigeren,
eines Gegners, von Tieren oder Sachen [YOSHIKAWA 1957].
(5d) mu= bezeichnet "high social status", e= "lower social status" im Sinne von "topicality", sowie jeweils die Bewegung darauf hin, da¬
bei kann e= auch 'neutrale' Bedeutung haben [YOSHIKAWA 1978:
206; 1979].
(5e) mu= bezeichnet eine Tätigkeit zum eigenen Nutzen, e= eine Tätigkeit
zum Nutzen eines anderen, wobei ebenfalls e= 'neutral' sein kann
[STRUVE 1962].
Die sumerisciien Verbalpräfixe mu= und e= im spraciilypologisciien Vergleich 35
(6) Indikation der 'absoluten' Orientierung "with respect to the spea¬
ker's posidon in time and place": *mu= bezeichnet "the speaker's 'ken'" in Opposition zu dem Präfix 0=, das "the speaker's 'non- ken'" bezeichnet [JACOBSEN 1956; 1965].
(7) Indikadon der 'Fokusierung':
(7a) mu= ist "positively marked for focus", [0=]ba- "negatively", i=
"neutral" [Gragg 1973: bes. 93].
(7b) mu= "is focussed positively for person ...", (e=) / i= "is non-focus-
sed, and therefore truly neutral" [VANSTIPHOUT 1985: bes. 13 (v)].
2.3 Selbst bei posidver Bewertung treffen diese verschiedenartigen
Vorschläge für die Bedeutung und Funktion von mu= und e= immer nur
für einen mehr oder weniger großen Teil der Belege zu. KRAUS [1958:
bes. 82 f.] versucht daher "eine Synthese aus bewährten Theorien"
[Thureau-Dangin 1907; Landsberger 1924; scholtz 1934; Fal¬
kenstein 1949; 1950; SOLLBERGER 1952; JACOBSEN 1956] durch ein
"eklektisches Verfahren", kommt aber nur zu dem Ergebnis: "die Verwen¬
dung des Konjugadonspräfixes mu-, welches die 'subjektive Teilnahme
des Redenden' am berichteten Geschehen ausdrückt, ist stilbedingt". Es ist
jedoch zu vermuten, daß die meisten dieser angenommenen Bedeutungen
letztlich nur Varianten einer Grundbedeutung sind. Dabei ist zu berück¬
sichtigen, daß bei einem Teil der Belege die angenommene 'neutrale'
Funktion des Präfixes e= nur scheinbar ist, weil tatsächlich das Präfix 0=
[vgl. §§ 1.2 (2); 1.3] vorliegt, dessen Bedeutung im Verhältnis zu mu=,
aberauch zu e=, auf jeden Fall 'neutral' ist [vgl. auch § 2.2 (6)].
3. Die Grundbedeutung von mu= und e=
3.1 Wegen der mangelnden 'Sprachkompetenz' des modernen Inter¬
preten für das Sumerische ist zur Bestimmung dieser Grundbedeutung von
mu= und e= von möglichst objektiven Kriterien auszugehen. Solche sind
bei der polysynthetischen Struktur des sumerischen Verbalkomplexes vor
allem die Möglichkeiten der Kombination mit den anderen morpho-syn-
taktischen Kategorien des Verbums. Mit den beiden verbalen 'Basen',
dem 'Perfektivum' ('Präteritum' und 'intransitiv-passive Normalform')
und dem 'Imperfektivum' ('Präsens-Futur') können die Präfixe mu= und
e= offenbar beliebig kombiniert werden, so daß diese also für ihre Grund¬
bedeutung irrelevant sind. Dasselbe gilt innerhalb des Präfixsystems für
die den Präfixen mu= und e= vorangehenden Modalpräfixe, mit denen sie
ebenfalls beliebig kombiniert werden können.
3.2 Dagegen zeigen sich deuthche Unterschiede bei den Möghchkei¬
ten der Kombination mit einem unmitteibar nachfolgenden dimensionalen
Präfix [vgl. auch FALKENSTEIN 1950: 158-181 §§ 112-114; 1959: 58 f. §
46a; SOLLBERGER 1952: 122 § 32132; KRAUS 1958: 81 (A); KÄRKI
1967]:
(1) Das Präfix mu= ist obligatorisch vor einem dimensionalen Präfix der
1. sg., und zwar vor einem Dativ-, Terminadv- oder Komitadv-
präfix; ein Adessivpräfix der 1. sg. ist unsicher, ein Ablativpräfix
der 1. sg. wird nicht gebildet [vgl. Tabelle 1 (A)]. Obligatorisch ist
vor diesen Präfixen aber auch die Realisierung von mu=; d.h. einem
dimensionalen Präfix der 1. sg. muß immer das Präfix mu= voran¬
gehen.
(2) Das Präfix e= / i= wiederum ist obligatorisch vor den dimensionalen
Präfixen, die das pronominale Morphem Ibi enthalten, sowie vor
einem Ablativpräfix in jedem Fall [vgl. Tabelle 1 (B)]. Jedoch ist,
im Gegensatz zu mu=, die Realisierung von e= nicht obligatorisch;
d.h. es kann auch durch das Präfix 0= ersetzt sein.
Aus dieser unterschiedlichen Notwendigkeit der Realisierung ergibt sich
auch, daß die Präfixe mu= und e= in ihrer Relevanz nicht ganz gleich-
werdg sind; vielmehr ist in dieser Opposition mu= die merkmalhafte, e=
die merkmallose Komponente.
3.3 Für die Kombinationen von mu= und e= mit dimensionalen Prä¬
fixen, wobei in einer Kombination mit zwei (oder drei) dimensionalen
Präfixen immer nur das erste relevant ist, stellen die obligatorischen
Kombinationen die Extremfälle dar, zwischen denen die übrigen Kom¬
binationen einzuordnen sind. Diese Extremfälle sind durch folgende Merk¬
male charakterisiert:
(1) Das Präfix mu= ist ein-eindeudg einer dimensionalen Relation der 1.
sg. zugeordnet. Die dimensionalen Reladonen der 1. sg. bezeichnen
dabei ausnahmslos eine Richtung auf die Posidon der 1. sg. hin;
denn ein Ablativpräfix der 1. sg. wird nicht gebildet.
(2) Das Präfix e= / i= ist eindeutig den dimensionalen Relationen zuge¬
ordnet, deren Präfixe das pronominale Morphem Ihi enthalten; femer
generell der Ablativrelation, die nur für die 3. Person nachzuweisen isL
3.4 Ein besonderer Fall unter den dimensionalen Präfixen ist das
Adessivpräfix, das in den Formen *n-t-e= und *h+t= erscheint. Während
sich die Form *b-i-e= immer auf ein dimensionales Objekt der 'Sachklasse' bezieht, kann sich die Form *n-t-e= auf ein Objekt der 'Personenklasse'
Die sumerischen Verbalpräfixe mu= und e= im sprachtypologischen Vergleich 37
wie auch der 'Sachklasse' beziehen, wobei die Fälle des Bezugs auf ein
Objekt der 'Sachklasse' sogar überwiegen. Die Annahme einer Dissimi-
ladon *b+e= > *m+e= > *n+e= nach Ihi und Iml oder durch eine Assi¬
milation von *b-i-e= > *n+Q= an nachfolgendes Ini [FALKENSTEIN 1949:
207 § 66 a 3 ß 1-2] wird durch eindeutige 'Ausnahmen' wie ha-ne-
gaz-e ausgeschlossen. Somit muß das 'Klassenmorphem' Ini in diesem
Fall eine klassenindifferente Funktion haben, die in Zusammenhang mit
der adessivischen Relation nur die einer 'Nahdeixis' sein kann; analog hat
das Morphem Ihi dann auch die - grundsätzlich ebenfalls klassenindiffe¬
rente - Funktion einer 'Ferndeixis' [STEINER 1990: 146 § 2.2 (2b: 2c);
vgl. auch POEBEL 1923: 82-84 §§ 227-233; ders., 1931: 17-19]. Wenn
nun das Präfixsystem eines Verbalkomplexes als erstes - und damit ein¬
ziges - dimensionales Präfix ein Adessivpräfix enthält, so findet sich mit
dem Präfix mu= nur die Kombination *mu=n-i-e=, konkret mu-ne-
bzw. mu-ni- (> mi-ni-); das Präfix e= aber bildet die Kombinationen
'''e=n-i-e=, konkret e-ne- bzw. i-ni-, und *e=b-i-e=, konkret e-me-
bzw. i-mi- (altsumerisch) oder im-mi- (neusumerisch). Demnach
assoziiert sich mit dem Präfix mu= nur die Vorstellung der 'Nähe', mit
dem Präfix e= aber die der 'Ferne' und der 'Nähe'.
3.5 Nach diesen Kriterien bezeichnet das Präfix mu= absolut die
Richtung des Vorgangs auf die 1. sg., also auf den 'Sprecher' in einem
bestimmten Kontext, hin; dessen Person ist zugleich das 'Zentrum', auf
das der Vorgang orientiert ist, und repräsentiert immer ein Nomen der
'Personenklasse'. Relativ charakterisiert mu= aber auch eine dem 'Zen¬
trum' nähere 2. oder 3. Person. Umgekehrt bezeichnet das Präfix e= in
den Kombinationen mit dimensionalen Präfixen, die das Morphem Ihi
enthalten, die Orientierung des Vorgangs auf eine 'ferne' 3. Person, die
immer auch zugleich ein Nomen der 'Sachklasse' repräsentiert; es kann
aber auch reladv eine dem 'Zentrum' fernere 2. oder 3. Person charakte¬
risieren. Auch hieraus ergibt sich eine ungleiche Relevanz der oppositio¬
nellen Präfixe mu= und e=. Während mu= die Orientierung auf das
'Zentrum' des Kontexts, und damit immer auf einen Fixpunkt hin, be¬
zeichnet, ist die Orientierung von e= nur negativ dahingehend zu defi¬
nieren, daß sie nicht auf das 'Zentrum' gerichtet ist, sonst aber beliebig
gerichtet sein kann. Es ist also auch nach der Bestimmtheit der Orien¬
tierung mu= die merkmalhafte, e= die merkmallose Komponente der
Opposition.
3.6 Die Relevanz der Kombination mit den dimensionalen Präfixen
zeigt aber auch, daß die Präfixe mu= und e= nicht so sehr in einem 'stati-
sehen' Sinn die Posidon eines Aktanten (oder Partizipienten) des Vor¬
gangs bezeichnen, sondem dessen Ausrichtung auf eine lokale Position
hin; sie sind daher als "Direktivpräfixe" zu charakterisieren. Da die durch
sie bezeichnete Orientiemng des Vorgangs in jedem Fall auf ein 'Zen¬
tmm', das durch den 'Sprecher' in einem Kontext bestimmt wird, bezogen
ist, kann ihre Gmndbedeutung als "zentripetal" (mu=) und "zentrifugal"
(e=) definiert werden, auch wenn damit nicht alle Bedeutungsvarianten terminologisch erfaßt werden. Insbesondere ist für e= zu berücksichtigen, daß die Orientiemng nicht nur "zentrifugal" im eigentlichen Sinne, sondem generell "nicht-zentripetal" oder "exzentrisch" sein kann; dies zeigt sich
speziell bei der - obligatorischen - Kombination mit einem unmittelbar fol¬
genden Ablativpräfix, in der es scheinbar eine 'falsche' Richtung bezeich¬
net [vgl. POEBEL 1908: 217].
3.7 Es ist bemerkenswert, daß diese Bedeutung und Funktion der
I^äfixe mu= und e= im wesenthchen bereits von Thureau-Dangin
[1907; vgl. § 2.2 (2a)] richtig erkannt worden ist. Die dagegen von POE¬
BEL [1908: 217 f.] angeführten Einwände, es könne "nicht als sehr wahr¬
scheinlich gelten, daß man sich diesen Luxus in der sumerischen Sprache
bei jedem Verbum gestattet habe", und "daß eine allseitige Durchführung
dieses Prinzips unmöglich ist, oder doch zu einer gewissen Trivialität
führen würde", finden wohl auch heute noch bei manchen Sumerologen
Zusdmmung. Dabei wird jedoch nicht berücksichtigt, daß "Luxus", d.h.
Redundanz, bei der Bezeichnung von sprachlichen Phänomenen kein
gmndsätzliches Argument gegen deren Realität ist. Gerade im Sumeri¬
schen ist ja auch die Bezeichnung der lokalen Situation eines Vorgangs
innerhalb einer Phrase durch nominale Konstituenten in einem lokal-
dimensionalen Kasus sowohl als auch durch mit ihnen korrespondierende
lokal-dimensionale Präfixe des Verbalkomplexes in einem ungewöhn¬
lichen Maße redundant. Der zusätzliche Gebrauch von "Direktivpräfixen"
ist daher weder ein "Luxus" noch eine "Trivialität", sondem eine Bezeich¬
nung der generellen Orientierung des Vorgangs in bezug auf ein 'Zen¬
trum', ganz abgesehen davon, daß diese Präfixe auch eine gemeinsame
semantisch-syntaktische Funktion in Opposition zu dem Präfix 0= haben
[vgl. § 5.2 (2)].
3.8 Andererseits lassen sich außer der von POEBEL selber vorgeschla¬
genen 'temporalistischen' Theorie [vgl. § 2.2 (3)] und der - aus einer
frühen Phase des Verständnisses des Sumerischen stammenden - Auf¬
fassung von mu= und e= als pronominale Morpheme für 'Subjekt' und/
oder 'Objekt' [vgl. § 2.2 (la)] tatsächlich alle der aufgeführten Theorien
Die sumerisciien Verbalpräfixe mu= und e= im sprachiypologisciien Vergleich 39
über die Bedeutung und Funktion dieser Präfixe aus der hier angenom¬
menen Grundbedeutung deduzieren. Die Indikation der 'Bedeutungsklas¬
se' [vgl. § 2.2 (lc)] ergibt sich daraus, daß eine 1. sg. immer der 'Perso¬
nenklasse' angehört, ein durch das pronominale Morphem Pol repräsen¬
tiertes 'fernes' Nomen immer der 'Sachklasse'. Auch die Indikation einer
'sozialen' Orientierung [vgl. § 2.2 (5)] bezieht sich letztlich auf die
Unterscheidung der Orientierung auf eine in bezug auf das 'Zentrum' des
Vorgangs 'nähere' und damit wichtigere Person bzw. eine 'fernere' und
damit weniger wichtige [vgl. auch § 2.2 (lb)]; dem entspricht auch
weitgehend die Indikation von "focus" bzw. "non-focus" [vgl. § 2.2 (7)].
Und die Annahme einer 'logischen' Orientiemng des Vorgangs [vgl. § 2.2
(6)] setzt als Bezugspunkt ein 'Zentmm' voraus.
3.9 Die Verschiedenheit dieser Theorien im einzelnen erklärt sich aber
daraus, daß abgesehen von den obligatorischen Kombinationen mit dimen¬
sionalen Präfixen [vgl. §§ 3.2—3] nicht in jedem Fall ohne weiteres
objektive Kriterien für den Gebrauch von mu= und e= nachzuweisen sind.
Die Interpretation wird daher in diesen Fällen immer mehr oder weniger
'subjektiv' sein, d.h. vom 'Sprachgefühl' des Interpreten, aber auch von
seiner 'Sprachkompetenz' beeinflußt werden. Es ist sicher kein Zufall, daß
als Bedeutung der Präfixe mu= und e= die Indikation einer lokalen Orien¬
tiemng nach Thureau-Dangin vor allem von Sprechern des Deutschen
vertreten worden ist [vgl. § 2.2 (2)], die Indikation einer 'sozialen' Orien¬
tierung u. a. von einem Sprecher des Japanischen [vgl. § 2.2 (5c-d)]. Als
eine objektive Bestätigung der hier angenommenen Grundbedeutung von
mu= und e= können jedoch typologische Parallelen gelten, also gleichar¬
tige Kategorien des Verbums in anderen Sprachen, und zwar nicht irgend¬
wo auf der Erde, sondem in zumindest areal 'benachbarten' Sprachen.
4. Typologische Parallelen
4.1 Morpheme des Verbalkomplexes, die eine 'zentripetale' und eine
'zentrifugale' oder 'exzentrische' Orientierung des Vorgangs bezeichnen,
finden sich tatsächlich einerseits in anderen Sprachen des Alten Orients,
und zwar im Akkadischen [VON SODEN 1952: 107 § 82a-d, 8*-10* (Para¬
digmen 6-9)], im Hurridschen und Urartäischen [STEINER 1978], sowie
im Hethidschen [FRIEDRICH 1960], andererseits in rezenten Kaukasus¬
sprachen, und zwar in den südkaukasischen (oder Kartvel-)Sprachen,
z.B. im Georgischen [TSCHENKELI 1958: 75-79 (9), 93-95 (11 § 1.5),
99 (11 § 2.4); ARONSON 1990: 42 § 2.2.1], und in den (nord)westkauka-
sischen Sprachen, z.B. im Cerkessischen [DEETERS 1963]. Wie im Sume-
rischen sind solche Morpheme auch in allen diesen Sprachen opposidonell und gleichrangig; dabei ist ebenfalls die Bezeichnung der 'zentripetalen'
Orienderung die merkmalhafte Kategorie, die immer positiv markiert
werden muß, die 'zentrifugale' oder 'exzentrische' (bzw. auch 'neutrale')
die merkmallose, die auch durch ein Morphem /0/ gekennzeichnet sein
kann; im Unterschied zum Sumerischen können jedoch die beiden Mor¬
pheme im Hurridschen (und Urartäischen?) und im Georgischen wie im
Deutschen kombiniert werden [vgl. Tabelle 2 (A)]. Am deutlichsten zeigt
sich die Funktion dieser Morpheme natürlicherweise bei Verben, die eine
Bewegung bezeichnen, wie etwa den Verben "kommen" und "gehen"
[vgl. TabeUe 2 (B)].
4.2 Das Georgische sowohl wie auch das Cerkessische bieten aber
auch noch eine speziellere Parallelität zum Sumerischen bei der Korre¬
spondenz der Bezeichnung von Person, Distanz und Richtung innerhalb
des Verbalkomplexes. In beiden Sprachen wird das Morphem des Dativs,
der wichtigsten - und im Georgischen einzigen - dimensionalen Relation,
die im Verbalkomplex repräsentiert wird [vgl. TSCHENKELI 1958: 370-
380 (32 § 8.2); DEETERS 1963; ARONSON 1990: 174 § 7.2.4], bei der 1.
sg. wie im Sumerischen nur mit dem 'zentripetalen' Morphem kombiniert.
Beim Morphem des Dativs der 2. sg. gibt es im Sumerischen zwei Mög¬
lichkeiten der Orientierung, während im Georgischen und Cerkessischen
nur eine, und zwar jeweils eine andere der beiden Möglichkeiten, ange¬
wandt wird [vgl. Tabelle 3 (A)]. Für die 3. Person aber gibt es in allen
drei Sprachen zwei Möglichkeiten der Orientierung. Damit wird offenbar
zugleich die 'Distanz' des Partizipienten zum 'Zentrum' besdmmt: ist
dieser eine dem 'Zentrum' näher stehende 3. Person, wird das 'zentri¬
petale' Morphem gebraucht; ist er dagegen eine dem 'Zentrum' ferner
stehende 3. Person, also eine "4." Person, wird diese durch das 'zentri¬
fugale' Morphem charakterisiert [vgl. Tabelle 3 (B)].
4.3 In den meisten der altorientalischen Sprachen wiederum hat die
merkmalhafte der zwei 'direktiven' Kategorien, also die 'zentripetale', eine
besondere 'Affinität' zum Dativ, d.h. zu einem indirekten Objekt der 'Per¬
sonenklasse' (genre animi). So sind im Akkadischen die Personalmor¬
pheme des Dativs bei der überwiegenden Zahl der Belege mit dem
'zentripetalen' Morphem =am / =nim kombiniert (sog. "Ventiv") [VON
SODEN 1952: 109 § 84c]; für die 1. sg. ist das 'zentripetale' Morphem
=am I =nim überhaupt zugleich das Morphem des Dativs [vgl. VON
SODEN 1952: 43 § 42g, 107 § 82a]. Aber auch im Sumerischen kann,
wenn auch nur vereinzelt, das Präfix mu= allein ein indirektes Objekt der
Die sumerisciien Verbalpräfixe mu= und e= im spraciilypologisciien Vergleich 41
'Personenklasse' markieren [vgl. Tabelle 4 (A)]. Im Hurritischen und im
Urartäischen gibt es zwar kein pronominales Morphem des Dadvs im
Verbalkomplex, doch kann auch in diesen Sprachen das 'zentripetale'
Morphem =()St= ein indirektes Objekt charakterisieren oder sogar allein
repräsentieren [vgl. Tabelle 4 (B)-(C)].
5. Einzelsprachliche Besonderheiten
5.1 Bei einem Vergleich von analogen Phänomenen in verschiedenen
Sprachen ist jedoch auch zu berücksichtigen, daß diese Analogie immer
nur für eine mehr oder weniger abstrakte 'Grundbedeutung' dieser
Phänomene gelten kann, kaum aber für den ganzen Bedeutungs- und
Funktionsbereich in jeder einzelnen Sprache. Das gilt auch für die Paralle¬
lität der 'direktiven' Morpheme in den hier untersuchten Sprachen, die
übrigens - abgesehen von Hurridsch und Urartäisch - alle nicht genetisch
verwandt sind, so daß also diese Morpheme innerhalb einer jeden Sprache
eine ganz andersartige 'Etymologie' haben. Wichtig ist auch der unter¬
schiedliche Anwendungsbereich dieser Morpheme in den einzelnen Spra¬
chen; Extremfälle sind einerseits das Sumerische, in dem grundsätzlich
jedes Verbum mit den 'direktiven' Morphemen kombiniert werden kann,
andererseits das Hethitische, in dem sich diese Morpheme nur in fester
Verbindung mit wenigen Verben finden. Typologisch überhaupt nicht zu
erfassen sind die Fälle einer 'Lexikalisierung' dieser Morpheme, wie bei
deutsch "herstellen" oder "hinhalten", oder ihre idiomatische Verwendung in einer bestimmten Sprache.
5.2 Aus der unterschiedlichen 'Rolle' der direktiven Morpheme in
jeder dieser Sprachen ergeben sich im einzelnen auch spezielle semantische
und/oder syntaktische Nebenfunktionen:
(1) So sind im Georgischen die Morpheme mo- und mi= ihrem Wesen
nach Präverbien und können daher, wie andere Präverbien, auch als
Aspektindikatoren fungieren, und zwar beide für den perfektiven
Aspekt [TSCHENKELI 1958: 80-90 (10), 158-169 (18 § 2.13);
ARONSON 1990: 42 § 2.2.1], z.B. smena (imperfektiv) "hören":
mo=smena / mi=smena (perfektiv) "(her/hin)hören, anhören".
(2) Auch im Sumerischen haben die Morpheme mu= und e= eine
gemeinsame Funktion gegenüber dem Morphem 0=; diese ist jedoch
genau umgekehrt wie im Georgischen. Während mu= und e= den
'orientierten' Verlauf eines Vorgangs charakterisieren, bezeichnet
das Morphem 0= [vgl. dazu §§ 1.2 (2); 1.3] eine punktuelle oder
resultative Aktionsart. Diese Opposition von mu= bzw. e= und 0-
ist aber auch syntaktisch relevant, wenn in aufeinanderfolgenden Phrasen, die eine syntaktische 'Periode' bilden, der Verbalkomplex
der einen Phrase das Morphem mu= oder e= enthält, der der anderen
nicht, so daß also das Morphem 0= vorliegt; dabei ergeben sich zwei
mögliche syntaktische Schemata:
(2 A) Phrase mit Direktivpräfix Phrase mit Präfix 0=: Der Vorgang der
zweiten Phrase steht in einem zeitlichen oder logischen Gegensatz zu
dem der ersten, was in z.B. deutscher Übersetzung durch "aber",
"jedoch", "hingegen" (o.ä.) wiedergegeben werden kann [vgl.
Tabelle 5(A)].
(2 B) Phrase mit Präfix 0= Phrase mit Direktivpräfix: Der Vorgang der
ersten Phrase geht dem der zweiten zeitlich und logisch voraus, so
daß die zweite Phrase in z.B. deutscher Übersetzung durch "und
dann", "und darauf(hin)" (o.ä.) eingeleitet werden kann [vgl.
Tabelle 5(B)].
5.3 Doch abgesehen etwa von einigen Verben der Bewegung [vgl.
Tabelle 2 (B)] stimmt nicht einmal der 'normale' Anwendungsbereich der
'direktiven' Morpheme in einer bestimmten Sprache mit dem in einer ande¬
ren auch nur annähemd überein. Selbst bei einem so speziellen Phämonen
wie der Korrespondenz der Bezeichnung von Person, Distanz und Rich¬
tung [vgl. § 4.2] sind die Möglichkeiten der Orientierung der 2. sg. des
indirekten Objekts in den drei verglichenen Sprachen jeweils verschieden
[vgl. Tabelle 3 (A)]. Daher finden sich auch nur vereinzelt Beispiele für
die 'Übersetzung' eines sumerischen Verbalkomplexes mit dem Präfix
mu= durch einen akkadischen mit dem Morphem =am l=nim [vgl. aber
Tabelle 6 (A)] oder für die Entsprechung einer akkadischen Verbalform
mit dem Morphem -am /=nim und einer hethitischen mit dem Morphem
u= [vgl. aber Tabelle 6 (B)]. Jedoch läßt sich bei Quasi-Bilinguen ein ana¬
loger Gebrauch der akkadischen Morpheme -am l=nim bzw. =0 und der
hurritischen und urartäischen Morpheme =(}St= bzw. =t- feststellen [vgl.
Tabelle 6 (C)-(D)]. Wenn sich also nur bei einem Teil der 'normalen'
Fälle die sumerischen Präfixe mu= bzw. e= im Deutschen durch "her"
bzw. "hin" wiedergeben lassen [vgl. §§ 3.6-7] und in anderen rezenten
Sprachen überhaupt nicht [vgl. § 1.1], so ist das kein Argument gegen die
Interpretation dieser Morpheme als "Direktivpräfixe", sondern nur ein
Indiz dafür, daß der Anwendungsbereich der 'direktiven' Morpheme im
Sumerischen eben anders ist als z.B. im Deutschen. Wie 'endogen' die
Bezeichnung einer 'zentripetalen' bzw. 'zentrifugalen' (oder 'exzentri¬
schen') Orientiemng im System einer bestimmten Sprache ist, zeigt sich ja
gerade auch darin, daß sie sich - abgesehen von den (nord)westkau-
Die sumerisciien Verbalpräfixe mu= und e= im sprachtypologischen Vergleich 43
kasischen und den südkaukasischen Sprachen [vgl. §§ 4.1-2] - unter den
rezenten europäischen Sprachen nur im Deutschen findet.
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Tabelle 1: Kombinationen von 'direktiven' und dimensionalen Präfixen im Sumerischen
(A) Präfix mu= und 1. dimensionales Präfix
1. sg. 2. sg. 3. sg. ind. 3. sg. PK 3.sg. SK
Dadv/Lokativ *mu=&+a= *mu=r+a= # *mu=n+a= #
Adessiv •mu=0+e=(?) •mu=r+e= # *mu=n+e= *mu=n+e:
Terminativ *mu=fr(-S6= *mu=e+5e= *mu=(^Sö= *mu=n+Sö= n
Komitativ *mu=0+da= *mu=e+da= *mu=0+da= *mu=n+da= tt
Ablativ # # # # #
(B) Präfix e= und I. dimensionales Präfix
1. sg. 2. sg. 3. sg. ind. 3. sg. PK 3.sg. SK
Dativ/Lokativ # *e=r-i-a= # *e=n+a= *e=b+a=
Adessiv # *e=r+e= # *e=n+e= *e=lM-e=
Terminativ # *e=+äe= *e=0fäe= *e=n+§e= ♦e=b+Se=
Komitativ # *e=e«la= *e=Ö«la= *e=n+da= *e=l>Hla=
Ablativ # # *e=4+ia= *e=n+ia=(?) *e=t>t-ta=
[Abkürzungen: ind. = indifferent; PK = 'Personenklassc'; SK = 'Sachklasse']
Tabelle 2: Dh-ektive Morpheme in areal (und zeitlich) benachbarten
Sprachen
(A) Funktionen: 'zentripetal' 'zentrifugal' kombiniert
Deutsch her<=) hin(=) hin(=) und her(=)
Sumerisch mu= e=/i= #
Akkadisch =am 1 =rum =0 #
Hurritisch =()!'= =()/= =()A=iV=
Urartäisch =()f= =(i(= C?)
Hethitisch u(=) pe(=) #
Georgisch mo= tm=l0= mi=(...)mo=
Cerkessisch <P= n3=l0= #
(B) Verben der Bewegung: "(hertommen" "(hinlgehen" "hin- und hergehet
Sumerisch rny=(0+da=)gen £=((^+da=)gen #
Akkadisch illik=(sn. ülik=0 #
Hurritisch un=uSt= itt=il= (un=ei=l- =) (?)
Hethitisch U=u gä=ü #
Georgisch tnil=slva mi=slva mi=mo=slva
Die sumeriscfien Verbalpräfixe mu= und e= im sprachtypologischen Vergleich 47
Tabelle 3: Korrespondenz von Person, Distanz und Richtung
(A) Indirektes Objekt der 1. und 2. Person (Verbum "geben")
"du - mir (her)" "er - dir.(her)" "ich - dir (her)'
Sumerisch *mu=^+a=e=sum *mu=r+a=0=sum
Georgisch mo= m= eei mo= g= eei
Cerkessisch q9= s& =p=!3y q9= u; =i=t9y
"ich - dir (hin)"
♦mu=r+a=0=sum *e=r-t-a=0=sum
mo= g= eei #
# 0= w£ =s=t9y
sowie
Akkadisch *iaddin=äiri *iddin=am=lgm. *addin=am=lam. *adcün=0=lgdm.
(B) Indirektes Objekt der 3. und "4." Person (Verbum "geben")
"er - ihm (4. 3.: her)" "cr - ihm (3. -»
♦mu=n+a=0=sum *e=n+2=0=sum
mo= 0(h) = eei mi= 0 (h) = eei
q9= r =i-tQy 0= r =i=i9y
4.: hin)"
Sumerisch Georgisch Cerkessisch sowie
Akkadisch *iddin=am=Sum *iddin=0=Swn
Tabelle 4: Das 'zentripetale' Morphem als Indikator des indirekten
Objekts
(A) Sumerisch [vgl. auch Tabelle 6 (A)]
vgl. mu-Sö mu-na-sa4 "ernannte ihm als Namen" [FALKENSTEIN 1950: 135
mit mu-Semu- sa4 "er nannte (mir) als Namen" § 107 b 3 s.v. mu-5e]
<'nin.gfr+su(=k)=!a Su-na iTm-ne-ge4 [SOLLBERGER 1952: 91 (137)]
" (dem Gott) Ningirsuk hat er ... (das Feld) ... in seine Hand zurückgebracht"
(B) Hurritisch [vgl. auch Tabelle 6 (C)]
PN enda=n ON^ purli «k3N pah=^=u=m [STEINER 1978: 186 (ISe)]
"PN, 'Fürst(in)' von ON, hat den Tempel von/für GN (ihm/ihr) gebaut"
aSt(i)=a i!an=ail=ekJd [STEINER 1978: 186 (18c)]
"seine Frau gebiert (ihm) nicht"
(C) Urartäisch
vgl. uSt=a=bi^PN=ni / ul=uit=a(i)=bi'kjN=m [AfO Beih.8: 61 Nr.2I II (u.ö.)]
"aufbrach PN, voranging (ihm) GN"
mit ul=uii=a(i)=bi ^N=ni 'PN=f [AfO Beih. 8: 38 Nr. 6 V (u.ö.)]
"voranging (ihm) GN, dem PN"
Tabelle 5: Syntaktische Funktionen der Opposition von mu= / e= und 0=
(A) Schema {mu=/e= 0=) [Entemena 28(-29) i 1-12]
''en.lfl lugal kur.kur.ra-ra(=k) =e inim ging-na-ni-ia 'kjN\ ''GN2-bi(=r) ki g-ne-sur
me.salim lugal kiSa'"-ke4 inim ''i5laran-na(=k)-ia eS.GÄN 0=t)6-ra
ki-tia na 0=bi-rü
"Enlil, der König aller Länder liat durch seinen beständigen Auftrag für GNj (und) GN2 die Grenze gezogen,
Mesalim, der König von KiS, (atier) hat nach dem Auftrag des (Gottes) IStaran dafür die Meßleine geworfen (und) an der betreffenden Stelle eine Stele enichiet"
(B) Schema {0= —» mu=/e=) [Entemena 35 iii 1-6]
ud '*nin-gir+su-ke4 |ir.nun-ta Sag4 kug-ga-n6 0=ba-päd-da-a [*0=b+a=0=päd=0=a=a]
6.ninnu-ta nam-a-ni mu-na-tar-ra-a [*mu=n+a=0=iai^0=a=a]
"als (der Gott) Ningirsuk vom Hohen Weg aus ihn in sein heiliges Herz berufen hatte, (und dann) vom (Tempel) Eninnu aus ihm sein Schicksal bestimmt hatte"
Tabelle 6: 'Übersetzungen' von direktiven Morphemen
(A) Sumerisch-Akkadisch [MSL IV 72: 173-176/80:44]
sag tüm-ma mu-un-gar magirtam iqbi=am. "er sagte (mir) eine Beleidigung (her) "
sagtüm-mai-ni-in-gar magirtam aqbi=&=Sum "ich sagte ihm eine Beleidigung (hin)"
ga-mu-ra-ni-fb-gar *luiaSldn=(m=kum "ich will (es) dir (her) setzen lassen"
(B) Akkadisch - Hethitisch [KBo X 1 Vs. 23 / 4 (u.ö.) = KBo X 2 i 44f. / 9 (u.ö.)]
ana ^^hatti allur=am ^^hattuSi appa ii=wanu "nach HattuSa (her) kehrte ich zurück"
ana "R"ON allik=0 INA "«"ON ... Bä=(i)un "nach ON ging ich (hin) "
(C) Akkadisch - Hurritisch [EA 17: 52 / EA 28:40 = "Mitannibrief ii 86 / iii 2. 11 f.]
ahüja märe SipriSu ^mane=nna=() Sen=iwwu=S "mein Bruder möge seine Boten / (den)
li!Spur=am. asu+kar=aSt=en Mane (zu mir her) senden"
anaalüja ilUk=0 id=ui=L=a=() ien=iww3=ta "zu meinem Bruder (hin) gine er/sie"
(D) Akkadisch-Urartäisch [VAB 7,18: ii 64 (u.ö.)=AfO Beih.8, 62: Nr.23 IV (u.ö.)]
iknui=am ana ntrija sul=uii=i=bi "er beugte sich meinem Joch / (mir) '
Folklore Motifs in the Epic of Gilgamesh
By Vladimir a. Jakobson, Sl Petersburg
No exhaustive study of this poem from the point of view of folklore has
been undertaken so far, although it is clear that many interesting results are to be expected. Such an investigation is a task for the future. As a first step
I should like to profxjse an examination of some episodes concemed with
one of the central characters of the poem, Enkidu. The larger part of the
First Tablet concems the creation of Enkidu and his meeting with civihsa¬
tion. The composition is well known, so there is no need for extensive
quotation. Let us only recall that the first report of Enkidu's appearance is
given by a hunter. The hunter's father, evidentiy a hunter himself, gives his
son the advice that he should ask Gilgamesh to provide a harlot who will
seduce Enkidu to make love to her. Consequently, "the beasts that have
grown up with him in the desert will abandon him". And that is what
happened.
It is quite clear that several motifs of folklore are present here, but which
ones? One of the most authoritative works of reference, the Standard
Dictionary of Folk-lore, Mythology and Legend (New York 1950, vol. II,
pp. 983 ssq.), says, "The famous Epic of Gilgamesh is really a repertoire, rather then a single narrative; and the progressive adventures of the hero are merely an artificial literary cadre. The constituent tales include such fami¬
liar but originally unrelated types as a) the Rivalry of the Two Culture
Heroes; b) the Fight against the Ogre of the Mountain; c) the Circe or
Loreley Legend; d) the Joumey to the Otherworld; e) the Primeval Deluge;
and f) Man's Loss of Immortality. Despite its heroic framework, therefore,
the Epic of Gilgamesh is, at bottom, a collection of popular Märchen
artificially clustered around a traditional figure of legend. The folklorist,
who recognizes its constituent types and composite nature can but look
askance at the conventional attempts to interpret it as an organic whole, e.g.
as representing the progressive joumey of the sun through the constalla-
tions of the zodiac!". I have to admit that I know nothing of this kind of interpretation, at least in the modern literatijre. But this extensive quotation reveals the essential distinction between the methods of studying folk-lore and belles lettres. The students of belles lettres are inclined to examine the
Cornelia Wunsch (Hrsg.): XXV. Deutscher Orientalistentag, Vorträge, München 8.-13.4.1991
(ZDMG-Suppl. 10). - © 1994 Franz Steiner Veriag Stuttgart