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Anton C. Schaendlinger: Die Schreiben Süleymäns des Prächtigen an Karl V., Ferdinand I. und Maximilian II. aus dem Haus-, Hof- und Staatsarchiv zu Wien.

Unter Mitarb. von Claudia Römer. I : Transkriptionen und Übersetzungen. 2:

Faksimile. Wien 1983. (Osmanisch-türliische Dolcumente aus dem Haus-, Hof- und Staatsarchiv zu Wien. 1.) (Österreichische Alcademie der Wissenschaf¬

ten. Phhos.-hist. Kl. Denkschriften. 163.)

Noch kürzlich kam der Verfasser einer Quellenkunde zur Geschichte Öster¬

reichs zu der Feststellung, daß die Osmanica in österreichischen Archiven und Bibliotheken nur zum geringsten TeU erschlossen sind'. Dies ist von umso grö¬

ßerer Bedeutung, wenn man sich vergegenwärtigt, daß ja diese türkischen

Bestände keinesfaUs nur Gegenstand einer Geschichte Österreichs sein können,

spiegeln sie doch das Zusammentreffen zweier Großmächte wieder! Dieser

Zusammenstoß der Reiche der Habsburger und Osmanen ist auf habsburgiseher Seite, soweit es die abendländischen Quellen betrifft, in gewissem Maße doku¬

mentiert. Die bessere Quellenlage der einen Seite birgt nun aber fiir die

Geschichtsforschung die Gefahr der Einseitigkeit in sich. Eigentlich wundert es

einen, daß die reichen Bestände der Archive jenes Staatswesens, welches die

Hauptlast der Abwehr der Osmanenheere zu tragen hatte, bisher nicht in einer

den Anforderungen der modemen Geschichtswissenschaft angemessenen Form

herausgegeben worden waren. Umso begrüßenswerter ist es, daß der Wiener

Ordinarius für Turkologie, Anton C. Schaendlinger, nun damit einen Anfang

gemacht hat. Mit dem anzuzeigenden Werk hat er den ersten Band einer von

der österreichischen Akademie der Wissenschaften unter dem Titel „Osma¬

nisch-Türkische Dokumente aus dem Haus-, Hof- und Staatsarchiv zu Wien"

herausgegebenen Reihe vorgelegt. Das von Maria Theresia 1749 als „Geheimes Hausarchiv" begründete Archiv trägt seinen jetztigen Namen, welcher auch den

Umfang seiner Bestände umschreibt, seit dem ersten Jahrzehnt des 19. Jahr¬

hunderts. Es beherbergt auch die Akten des Hofkriegsrates, der lange den diplo¬

matischen Verkehr mit der Pforte führte.

Während Sultan Selim I. (gest. 1520) mit seinen Feldzügen die §afawiden in

die Schranken verwies und mit der Erobemng Syriens und Ägjrptens die Osma¬

nen endgültig zur Vormacht des Nahen Ostens machte, richteten sich die Blicke seines Sohnes Süleymän des Prächtigen wieder nach Europa. Im Haus-, Hof und Staatsarchiv befinden sich insgesamt 172 Schriftstücke in osmanisch-türkischer

Sprache aus der Zeit Sultan Süleyman des Prächtigen (1520-1566). Es lag

nahe, mit der Bearbeitung dieser Urkunden zu beginnen, zumal bereits Untersu-

' Die Quellen der Geschichte Österreichs. Hrsg. von Erich Zöllner. Wien

1982. (Scluiften des Institutes für ÖsterreiclUcunde. 40.)

Zeitschrift der Deutschen Morgeniändischen Gesellschaft Band 138, Heft 1 (1988)

© Deutsche Morgenländische Gesellschaft e.V.

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chungen zum Kanzleiwesen der Zeit dieses Sultans vorliegen^. Im vorliegenden Band werden nun 36 der in Wien befindlichen Urkunden, und zwar die Sultans¬

schreiben, bzw. deren Abschriften, an die habsburgischen Herrscher publiziert.

Von diesen sind 28 an Ferdinand I., eines an Karl V. und sieben an Maximilian II. gerichtet. Das älteste Stück, ein Fragment, stammt aus dem Jahre 1534; das jüngste ist eine Abschrift aus dem Jahre 1565. Besonders erfreulich ist es, daß die Urkunden in lateinschriftlicher Transkription, in deutscher Übersetzung und in Faksimile — diese in einem eigenen Band — präsentiert werden, denn nur die¬

ser hohe Erschließungsgrad sichert eine optimale Nutzung als Quelle fur weitere Fragestellungen der Forschung. Im Zuge seiner Untersuchung fegt der Vf dar,

welche Typen von Urkunden in der Sammlung vertreten sind. Dann folgt eine

ausfiihrliche und gründliche Analyse des sprachlich-diplomatischen Formulars, die uns mit neuen Ergebnissen bekannt macht. Die Schreiben selbst vermitteln uns wertvolle Informationen über die Entwicklung der osmanisch-habsburgi- schen Beziehungen bzw. über die habsburgisehe Reaktion auf die osmanische

Expansion. So muß das 1534 datierte Siegesschreiben (Jethnärm), welches

davon kündet, daß die Osmanen ihrem einzigen ernsten Gegner im Osten, den

Safawiden, eine Provinz entrissen haben, in Wien eher Beklemmungen ausge¬

löst haben. Konnte sich das Osmanenheer doch wieder voll dem Westen zuwen¬

den! Einen guten Eindruck von der Diplomatie Ferdinands vermittelt die

Urkunde Nr. 4, welche Ende März/Anfang April 1542 datiert ist. Aus ihr geht hervor, daß Ferdinand um sicheres Geleit fiir eine beabsichtigte Gesandschaft zum Suitan gebeten hatte. Gleichzeitig hatte er im Februar auf dem Reichstag zu Speyer in schwierigen Verhandlungen die Reichshilfe fiir einen Feldzug im Som¬

mer erhalten, der dann unter dem Kommando des Kurfürsten von Brandenburg, Joachim II., zur allerdings erfolglosen Belagerung von Pest und Ofen fiihrte.

Das vorgefegte Werk macht der Forschung außerordenthch wertvolle histo¬

rische Quellen zugänglich. Die Bearbeitung und Präsentation der Stücke ist

mustergültig. Es ist zu hoffen, daß weitere Bände bald folgen.

Klaus Schwarz, Berhn

Asko Parpola: The Sky-Garment. A study of the Harappan religion and its re¬

lation to the Mesopotamian and later religions. Helsinki 1985. 216 S., 25 Taf.

(Studia Orientalia. 57.) 150.- SFM. ISBN 951-95076-9-8.

Einer alten und zählebigen Lehrmeinung zufolge hinterließen die vedischen Arier um 1400 v. Chr. in Kleinasien ihre Spuren und trafen dann — in „Wellen", aber dennoch mit einheitlicher Kultur — um 1200 in Indien ein. Die dort vormals blühende Industal-Kultur war längst erstorben. Sprache und Rehgion der Ein¬

wanderer wurde zu Anfang nur unwesentlich vom „Substrat" beeinflußt. A. Par¬

pola spricht seit Jahren folgender Altemative das Wort: Um 2000 v.Chr.

kamen Völker nach Indien, die zur indogermanischen Sprachengemeinschaft gehörten. Sie nannten sich Däsas, „Menschen", und ihre Götter „Asuras" und

^ Josef Matuz: Das Kanzleiwesen Sultan Süleymam des Präehtigen. Freiburg 1974. (Freiburger Islamstudien. 5.) und derselbe: Herrscherurkunden des Osma¬

nensultans Süleyman des Prächtigen. Ein chronologisches Verzeichnis. Freiburg 1971. (Islamkundliche Materialien. 1.)

Zeitschrift der Deutschen Morgeniändischen Gesellschaft Band 138, Heft 1 (1988)

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gmgen mit der einheimischen Population der Harappa-Kultur eine Symbiose

ein. Um 1200 stießen jene Völker dazu, die den Rgveda schafTen sollten, deren Götter „Devas" hießen und die sich — nach anfänglichen kriegerischen Aus¬

einandersetzungen — mit dem Däsa/Harappa-Volk verbanden. Da man in der

Industal-Kultur Verbindungen zum Zweistromland pflegte und Drävidisch

sprach, sei es nur natürlich, daß die Frühgeschichte der vedischen, synkretisti¬

schen Religion über vorderasiatische Parallelen und dravidische Homophone (pun) erhellt werden kann.

Die vorliegende Arbeit zeugt erneut vom weiten Horizont des Autors und sei¬

ner Fähigkeit, anscheinend Unverbindbares zu verbinden. Das Ergebnis paßt zu dem seiner früheren Studien: Das vedische Ritual, die vedische Mythologie und

der (teils) darauf aufbauende Hinduismus wurde in nicht unerheblichem Maße

geprägt von vorderasiatischen Einflüssen und der (dravidischen) Industal-Kul¬

tur. Gegenstand der Studie ist jener Torso eines „Priesters" oder „Priester- Königs", der in Mohenjo-Daro im Bereich eines sog. „Bades" gefunden wurde.

Parallelen (14) dazu stammen aus einem Gebäude, das wie kein anderes den

Eindruck vermittelt, einst sakralen Zwecken gedient zu haben (vgl. jetzt M.

Jansen: Mohenjo-daro HR-A, House I, a Temple^. In: SAA 1983, Neapel 1985,

157-206). Das Bild des „Priester-Königs" ist jedem vertraut: Ein bärtiges Gesicht, oflenbar gewollt unnaturalistisch dargestellt mit geistesabwesender

Miene, die Haare mit einem Stirnband zusammengehalten und auf dem Ober¬

körper ein Gewand mit einem Kleeblatt-Muster. Und um dieses Gewand geht es.

P. führt parallele Darstellungen aus Ägypten, Mesopotamien, aus dem Baktrien der Bronzezeit und aus Indien an und legt überzeugend dar, daß der „priest- king" nicht isoliert zu betrachten ist. In Ägypten gehört das Kleeblatt-Motiv zu den Kühen, die ein Bett Tutanchamuns flankieren, bei drei Beispielen aus Meso¬

potamien und einem jüngst (wieder-)entdeckten aus Mohenjo-Daro (156) handelt es sich ebenfalls um Rinder, deren Fell diese Zeichnung zeigt. Es kostet P. keine Mühe zu zeigen, daß das Klettblatt im vorderen Orient einen astralen Bezug hat (vgl. Index trefoil). Doch was seine Ursprünge angeht, so sollten diese anderswo als bei den Sternen gesucht werden. In Ägjrpten etwa wird das Kleeblatt-Motiv in vielfältiger Art verwendet, aber immer nur auf Rindern! Neben der Bettstatt des Pharaos ist auch, aus Deir el-Bahri, eine Plastik erhalten, die Amenophis 11 vor der hl. Kuh zeigt (Kaz. Michalowski: Ägypten. Kunst u. Kultur. Freiburg

1969, Abb. 46). Auch hier ist das Tier golden und mit blauen Kleeblättern ver¬

ziert, doch hat es neben drei-auch vierblättrige Flecken. Heilige Rinder unter¬

scheiden sich vor allem durch die Farbe Gold von den profanen, deren Haut

gemeinhin weiß ist. In Deir el-Medine fmdet sich eine Grabmalerei, wo ein

schwarzes Kleeblatt ebenfalls ein Rind ziert (19.-20 Dyn.; Michalowski Abb. 20). Aus Theben ist eine weitere Grabmalerei bekannt, wo weiße Rinder

einmal blaue, aber auch rotbraune, darunter dreiblättrige, Flecken tragen

(Michalowski Abb. 114). Das heißt, da ganz normale Alltags-Rinder Klee¬

blatt-Muster aufweisen können, muß dieses Motiv von der natürlichen Zeich¬

nung der Tiere abgeleitet sein. Oflenbar wurden dreiblättrige Flecken als ein

besonderes Zeichen gewertet, denn in der Ägäis findet sich dieses Muster

gehäuft um 1400 v.Chr. (besonders schön: H.-G. Buchholz u. V. Kara-

GEORGHis: Altägäis u. Altkypros. Tübingen 1971, S. 377 Abb. 1242 ein Rhyton von Rhodos; und V. Karageorghis: The Civilisation of prehistoric Cypus. Athen

1976, S. 162) und immer nur auf Rindern, Schmuckperlen einmal ausgenom¬

men! Es gibt nun gewisse Unterscliiede zwischen dem vorderen Orient und

11 ZDMG 138/1

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Indien: Soweit nachprüfbar sind heüige Rinder in Ägypten wie ün Zweistrom¬

land mit blauen Blättern verziert (für Uruk s. Fig. 10, S. 211) oder aber mit sü- berfarbenen, alle indischen Darstellungen jedoch weisen rotgefärbte Blätter auf (Fig. 1, S. 210; Fig. 35, S. 156; weiteres bei E. During Caspers in: Persica 5 [1970/71], 116).

P. zeigt, daß es sowohl in Vorderasien wie auch im vedischen Indien die Vor¬

stellung eines „himmlichen Gewandes" gegeben hat, das, von dunkler Färbung,

abends den Himmel verhängt. Dieses Gewand ist im RV mit Varuna verbunden

und damit mit den Wassem, mit allem Unentfalteten, mit Gefahr und Tod. Es

gibt nun im vedischen Ritual ein leinenes Gewand, das tärpya genannt wird und klare Bezüge zu Vamija aufweist. Der Opferherr trägt es unter seinem Gazellen- Fell. Es güt als Amnion und das Fell darüber als Placenta, aus denen der Opfe¬

rer im Ritual wiedergeboren wird. P.s These in nuce ist nun: Dieses tärpya- Gewand ist nichts anderes als das „Himmels-Kleid" des sog. Priesterkönigs. Die Kontinuität religiöser Praktiken wäre damit gegeben. Die Glaubwürdigkeit von P.s These ist von zwei Seiten gefährdet: Erstens muß das Kleid des „Priester- Königs" nicht nur formal, sondem auch in seinem Sjmibolgehalt mit dem Kleid des mesopotamischen „bull of heaven" vergleichbar sein. Nur dann ist der Aus¬

dmck „sky-garment" für die Industal-Kultur gerechtfertigt. Hier stellt sich die

Frage, ob silbeme oder blaue Kleeblätter auf goldenem oder dunklem Gmnd

dasselbe bedeuten wie ein rotes Muster auf Weiß. Zweifel seien erlaubt. Zwei¬

tens ist zu zeigen, daß das Kleid des „Priester-Königs" mit dem tärpya-YiemA

identisch sein kann, obwohl das vedische Kleidungsstück immer verdeckt ist

von einem Oberkleid, das angebliche Gegenstück in Mohenjo-Daro aber sichtbar getragen wird.

Die vedischen Texte sagen nirgendwo ausdrücklich, daß ein weißes, nüt roten Kleeblättem verziertes Gewand benötigt wird, noch daß das <ärpya-Hemd die¬

sem Bild entspräche. P. glaubt dies dennoch nachweisen zu können, und dabei geht es letztlich um die Bedeutung des Verbs siv mit den in diesem Kontext erscheinenden Präverbien vi- und ni-. Für P. (48 ff.) steht fest, daß es sich in bei¬

den Fällen um „to embroider" handelt, wobei die Omamente in gewissem

Abstand zueinander (vi-) anzubringen seien. Die Texte lassen sich aber m.E.

mit den herkömmlichen Ansätzen (PW „einnähen" („sticken" nur für die fol¬

genden Texte!), „durchnähen") besser begreifen. Die älteste Steife ist MS 2.4.5 (43:6): väsa iva väi yajnä üyate. yät tärpyäif.i vi^ivyanti ydjusärfi tdd rüpdm, „Das Opfer wird wie ein Kieid gewoben. Wenn sie die tärpyas vemähen, so ist dies ein Symboi für die (vemähten) Opfersprüche" (P. 48: „. . . in that they embroider tärpya garments . . ."). Daß das „Vemähen" ein Einschheßen, ein Verbergen,

ausdrückt, zeigt die Behandlung des Themas in der KS 12.3 (165:2ff.): . . .

utsange päträny opyaitad rüparfi krtvä yat tärpyäni vißivyanti . . ., „Nachdem das (Opfer auf der Flucht vor den Asuras) die (Opfer-)Gefaße in die Gewandschürze geworfen und diese Gestaft angenommen hatte, wie man die färp^/a-Kfeider ver¬

näht . . ." (vgi. T. Goto in: MSS 39 [f980], 12), geht es so verpackt und geschützt zu Indra, der mit ihm dann siegreich opfem kann. P. (47) übersetzt

„After having put the (sacrifical) vessels into the pouched fold (ofhis garment) and (thereby) having made (for himself) that form into which they embroider the tärpya garments . . .". Was nun näht man in die <örp?/o-Kleider einl Nach der KS-Stelle wären Gefäße (pätra) zu erwarten. SB 5.3.2,20 sagt von diesem Kleid tdsmint sdrudrii yajnarüpäxti nisyütäni bhavanti, „darin werden alle Symbole des Opfers eingenäht". Diese Wiedergabe von ni-sw wird gestützt durch SB 6.7.1,6

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Bücherbesprechungen

und 7 (letztes von P. S. 53 ausgelassen), wo es um emen goldenen rukma geht:

kr?väjine nisyüto bhavati . . . lomatäs ... 6. abhi sukläni ca kriväni ca lömäni nisyüto bhavati ... 7. „Eingenäht in das Gazellen-Fell wird er verwendet, . . . auf die Haarseite ... 6. Er wird so eingenäht, daß er weiße und schwarze Haare (berührt) ... 7." Das Fell wird immer mit den Haaren nach außen getragen. Der Hinweis lomatäs wäre bei einem schlichten „Aufnähen" überflüssig. Näht man den rukma aber in den Fellsaum ein, so kann dieser nach innen wie nach außen

geklappt sein. Nur bei einer Tasche nach außen kommt das Eingenähte mit

Haaren in Berührung. Für das iäj^a-Kleid heißt dies, daß die „Symbole des

Opfers" nicht omamental „aufgestickt", sondem entweder ideell (MS ydjus) oder realiter (ab KS? pätra etc.) darin „vemäht", „eingenäht" sind. Damit wird

das vemähte Kleid zu yajnarüpasyütam (KÖS 15.5,11), zu „einem Sack fiir die

Symbole des Opfers", wenn man die modeme Bedeutung von syüta hier schon

gelten läßt. Vor diesem Hintergmnd wird P.s wichtigstes Beweisstück, HSS

17.6,31, zu werten sein: tasmin tärpye dhistjtiyänärti rüpayi vigrathitarfi bhavati,

„in dieses tärpya-YLteid ist ein Symbol der dhißniya-Yterde verknotet". P. schließt sich J. C. Heesterman (Consecration. s'Gravenhage 1957, 92, Anm. 2) an: „the tärpya garment, is decorated with images of the dhi^ijiyas . . .". Waram nun gerade ein „Symbol der dhisrtiya-Merde'' die alten „Symbole des Opfers" ersetzt, wage ich nicht zu vermuten; auch die ausgezeichnete Studie über dhißftiyas, die

sieben R^is, Ursa major und die Gandharven auf S. 122-127 trägt in diesem

Punkt nichts Wesentliches zur Klämng bei. Sicher scheint jedoch, daß dieses junge Sütra gegen die älteren Quellen nicht so interpretiert werden darf, als wären auf dem tärpj/a-Kleid „aufgestickte (vi-grath!) Herdstellen".

Wenn man das <ärpyo-Kleid als das nimmt, was es mit Sicherheit ist, nämlich ein Unterkleid, das als fettiges Amnion zur „Geburt" des Opferherm nötig ist, dann bleibt von P.s Beweis nur noch ein Punkt, aber ein sehr wesentlicher, übrig: Das ghrtdsnuYiXeiA (Mitras und) Vamnas im RV (vgl. 1.152,1; 153,1) ist nicht ohne das tärpya-Kteid im Ritual zu verstehen und umgekehrt. Hier zeigt sich wieder, wie wichtig es fiir das Verständnis des RV ist, das Ritual zu kennen.

Doch die in diesem Punkt erwiesene Kontinuität vom RV zum YV läßt sich nicht nach rückwärts fortsetzen. Meines Erachtens muß man das Kleid des „Priester- Königs" angesichts der zahlreichen figürlichen Belege als ein Rinderfell deuten.

Und ein leinenes, fettiges Unterhemd ist nun einmal etwas anderes als ein rotge¬

flecktes, unbedecktes Fell. Dies muß nicht heißen, daß man die vedische Welt nicht mit derjenigen der Harappa-Kultur vergleichen darf. Sieht man sich den Yajamäna in JB 2.182 (§ 144) an, in ein rötliches Kalbfell gekleidet und mit der üblichen Binde um den Kopf, dann wird man versucht sein, auch hier an Konti¬

nuität zu denken. Bärtige Fellträger gehören von Anbeginn zur vedischen Welt (vgl. H. Falk: Bruderschaft und Würfelspiel. Freiburg 1986, 69, 71.)

P.s Argumente büden einen Kreis, der Vamija mit dem tärpya-Kleid asso¬

ziiert, dieses mit dem sog. Priester-König aus Mohenjo-Daro, diesen wiedemm mit den Kleeblatt-geschmückten Rindern des vorderen und mittleren Orients,

die ihrerseits wie Vamija mit der Nacht in Verbindung stehen. Dieser Kreis

bricht, wie gezeigt, zwischen tärpya und der Büste aus dem Industal. Doch wird dadurch der Wert der Arbeit nicht geschmälert. Sie bringt über das hinaus, was vom eigentlichen Anliegen Bestand haben wird, auch sonst vielfachen Gewinn, etwa bei der Behandlung von Apabharani und avabhrta-Bad (91 fl". ) oder wenn es um die Beziehungen zwischen Opferpfosten und Linga-Kult geht (108 ff.). Aus¬

gezeichnete Indices erleichtem das Aufarbeiten der vielfältigen Materie.

11 Harry Falk, Freiburg i. Br.

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164 Bücherbesprechungen

Konrad Meissner: Mälushähi and Räjulä. A ballad from Kumäün (India) as

sung by Gopi Däs. P. 1: Kumäüni text, translation and appendices. P. 2: Commen¬

tary. P. 3: Glossary. Wiesbaden: Harrassowitz 1985. Lll, 290, 221, 260 S.

Mit Toniiassette (Neuindische Studien. 10.) ISBN 3-447-02567-0.

Der hier edierte Text in der indo-arischen Kumäüni-Sprache (Ku.), das orale Volksepos von der Liebe zwischen König Mälushähi und der Kauftnannstochter

Räjulä, dauert in einer Tonbandaufnahme von 1966 etwa 9,5 Stunden und

umfaßt ca. 2200 Sätze. Die „Ballade" besteht aus gesungenen und gesprochenen Partien, die sich in der Sprachform leicht voneinander unterscheiden. Der Stoff war bisher nur aus einer Kurzfassung und aus Inhaltsangaben, Nacherzählun¬

gen oder einer Hindi-Nachdichtung bekannt. Meissner (M.) konnte seine Ton¬

bandaufnahme nicht mit dem 1975 verstorbenen begabten Sänger selbst durch¬

arbeiten, sondem war fiir die Transkription auf die Mithilfe verschiedener ande¬

rer Ku.-Gewährsleute angewiesen. Daß sich die Informanten nicht immer einig

waren und daß bei der strapaziösen Feldarbeit nicht jedes Detail der Auf¬

nahme geklärt werden konnte, wird niemanden wundem, der Ähnliches ver¬

sucht hat. Im 1. Band wird, nach einer allgemeinen Einfiihmng, der Ku.-Text in die Nägari-Schrift transkribiert mit der einfeuchtenden Begründung, es söffe dadurch auch Ku.-Sprechem ein Stück üirer schneif untergehenden orafen Epik in iesbarer Form zugänglich gemacht werden. Der Nägari-Fassung gegenüber¬

gestellt wird eine sorgfältige englische Übersetzung. Die Appendices enthalten ein Ku.-Interview mit dem Sänger (einem analphabetischen Schneider), Proben

aus einer zweiten Aufnahme (die in Details von der ersten Fassung etwas

abweicht) , Quellen anderer bisher publizierter Versionen des Stoffes und eine Bibhographie. Der 2. Band gibt einen fortlaufenden ausfuhrlichen Kommentar zum Text mit, wo angebracht, wörtlicheren Übersetzungen und gelegentlichen Sacherläutemngen. Der 3. Band enthält das Glossar mit reichen Stellenanga¬

ben, wobei oft auch zusätzliche Belege aus anderer gedruckter Ku.-Literatur angeführt werden.

Die Bearbeitung eines so umfangreichen oralen Epos war sicherlich keine

leichte Aufgabe. Bei der Lektüre des sehr umsichtig verfaßten Werkes hat man den Eindrack, daß M. den Verfahrensweisen der traditionellen PhUologie, der Behandlung von schriftlich Fixiertem, innerlich näher steht als dem linguisti¬

schen Umgang mit mündlich überliefertem Textgut. So versucht M. keine eini¬

germaßen umfassende phonofogische Anaiyse seines Ku.-Materiafs. VieUeicht war sie, bei der wohl immer zu knappen Feldarbeitszeit, für ihn nicht zu feisten. ' Auf S. XXIII bemerkt M.: „The accuracy ofthe transcription is limited by the Nägari alphabet". Gleich danach heißt es: „the text can be read as it is written, like a text in Hindi". Sonderlich klar sind diese Angaben nicht. Es wäre gut gewesen, wenn M. wenigstens einige Textproben auch in engerer phonetischer

und in phonemischer Umschrift sowie eine Liste der wichtigsten Allophone zu

bieten versucht hätte. Stattdessen werden im Kommentar die Schreib versuche verschiedener Informanten festgehalten, gleichsam wie Lesarten in handschrift- hcher Überliefemng. Bei größeren oder kleineren Divergenzen der Transkrip¬

tionshelfer wird nicht immer klar, ob es sich um Versuche handelt, eine Art

' Der jüngste mir bekannt gewordene Versuch auf diesem Gebiet ist der Auf¬

satz von D. D. Sharma: Dichotomy of morphophonemic correlates in literary and colloquial Kumauni. In: Indian Linguistics 46 (1985), 47-52.

Zeitschrift der Deutschen Morgeniändischen Gesellschaft Band 138, Heft 1 (1988)

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Bücherbesprechungen

„Standard-Ku." zu schreiben, oder ob Unbeholfenheiten im Umgang mit der Schrift, Einflüsse der Hindi-Norm, phonetische Varianten, Dialekteigentümlich¬

keiten oder idiolektische Sonderformen vorliegen. So bleibt z.B. ungewiß, ob l

und n den Status eines Phonems haben. Die Quantität von i und u scheint

phonologisch nicht relevant zu sein; dennoch behält M. die Schreibung i, i, u, ü bei, wie seine Helfer sie verwendet haben. Manchmal werden offensichtliche

Allophone, ohne sie so zu nermen, hn Kommentar oder Glossar vermerkt (z.B.

der Laut ü im Kommentar zu Vers 1.6 und „ungerundetes" ü im Glossar s.v.

rmravA})- Ein solches Verfahren ist wenig „technisch" im Sinne neuerer linguisti¬

scher Beschreibungsweisen. Doch kann man allgemein verstehen, daß M. sich in

Anbetracht der vielen Transkriptionsvarianten scheute, seine Schreibung zu

stark zu „normalisieren" und die „Abweichungen", wie immer sie zu erklären seien, wegzulassen.

Ein ähnlicher Verzicht auf linguistische Systematik zeigt sich auch bei der Behandlung der Morphologie. Besonders die Verbalgrammatik des Ku. ist recht kompliziert. Zwar fmdet man, nach vielen Stichproben zu urteUen, wohl aUe im

Text vorkommenden Formen übersetzt und erläutert, aber weit über den Kom¬

mentar und das Glossar verstreut. Zum besseren Verständnis werden dabei exi¬

stierende oder manchmal von M. (ohne Asteriskus!) konstruierte Äquivalente in Standard-Hindi beigegeben. Aber eine systematische Übersicht über die beleg¬

ten Verbformen müßte sich der Leser selbst zusammenstellen. Der etwas lako¬

nische Hinweis auf die Darstellung im Linguistic Survey of India (Band IX,

TeU IV) hilft im Detail meist wenig. Eine Art von „skeleton grammar", min¬

destens der Verb-Morpheme, wäre doch willkommen gewesen.

In dem reichhaltigen und wertvollen Glossar fmden sich einige Inkonsequen¬

zen in der Transkription. Für den herkömmlich als a transliterierten Sanskrit- Laut verwendet M. meist die Umschrift o, oft aber auch a. Das Phonem /z/des Persischen wird als z, ?, j oder naeh der Nägari meist als j wiedergegeben, ohne

daß ein System erkennbar wäre. Ähnliches Schwanken findet sich bei der

Schreibung für persisch /f x, y, S/.

Weitaus störender ist aber, daß M. bei Verweisen auf R. Turner: Compara¬

tive Dicticmary of the Indo-Aryan Languages. London 1962 flf. (T.) alle dessen

„Sternchen" wegläßt und jeden rekonstruierten hypothetischen Ansatz bei T.

schlicht als „Sanskrit" ausgibt, was nicht etwa aus Versehen, sondern mit Absicht geschieht (III. 260). So liest man z.B. im Glossar s.v. pdkdfdrfo „T. Skr.

paJckar" (gemeint ist: T. 7619 *paJcka4-), s.v. aidkrio „Skr. atfak" (gemeint:

T. 182 *attakk-) und viele andere angebliche Sanskrit-Wörter (wie bhejj „schik- ken", rah „bleiben"!), die nicht nur den Sanskritisten befremden müssen. Sollte M. keinen Asteriskus auf seiner Schreibmaschine gehabt haben, hätte er solche

Unformen leicht vermeiden können, indem er nur die Nummer bei T. ohne

Angabe des Rekonstrukts zitiert. Bei aller sonstigen Akribie den Stern so gering zu achten, sollte auch bei Arbeiten zum Neuindischen nicht zur Gewohnheit wer¬

den.

Ein anderer methodischer Mangel des Glossars liegt darin, daß M. nicht zwi¬

schen tatsama-, ardhatatsama- und tadbhava-Wörtem unterscheidet. So ver¬

einigt er unter einem Lemma Ku. putr, putur, püt „Sohn" und könnte damit den Eindruck erwecken, es lägen lediglich phonetische synchrone Varianten vor. Bei Wörtem wie jatura „Reise", jat{3) „Kaste", bfda „alt" (statt Nepali vddha lies vfddha), bdrkhd „Regen" gibt er korrekt Skt. yäträ-, jäti-, vjddha-, var^a- als Quelle an; unangebracht in solchen und zahlreichen anderen Fällen ist aber der

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166 Bücherbesprechungen

Verweis auf das entsprechende Lemma bei T., da dort bekanntlich keine tatsa-

ma-Formen gebucht werden. Auch bei Ku.?Mim(a) „Name" wäre es genauer

gewesen, dies Lehnwort (aus dem Sanskrit oder Persischen) von der tadbhava-

Form Ku. mm zu trennen und nur für letzteres auf das Lemma näman- bei T. zu

verweisen.

Nicht zu empfehlen ist auch das Verfahren, bei Ku. pati „Herr", panlok

„andere Welt" und vielen anderen nur die gleicldautenden Hindi-Wörter anzu¬

geben. Besser wäre die Sigle „Sanskrit" oder „tatsama", da man in vielen Fällen nicht sicher entscheiden kann, ob eine alte Ku.-Entlehnung aus dem Sanskrit oder junge Übemahme aus dem Hindi vorliegt. Ähnliches gilt für die zahlreichen persischen und arabischen Wörter im Ku., die bei M. meist nur als „Hindi" und

nur ganz selten mit Angabe der Urspmngssprache klassifiziert werden.

Da Ku. im Wortschatz mit dem Hindi eng verwandt ist, ergeben sich bei der

etymologischen Herleitung der tadbhava-Worter im Glossar kaum große

Schwierigkeiten. Gewöhnlich genügt der Hinweis auf die Sammlungen bei T., wo das jeweUige Ku.-Wort zu finden oder einzuordnen ist. Ein paar Kieinigkeiten wären nachzutragen, z.B.: Ku. gararw „to take out": vgl. T. 3985 und Hans Hendriksen: Himachali Stvdies. 1. Kobenhavn 1976, 39. — Ku. gära „river":

vgl. Hendriksen ibidem s.v. gär f. „brook". — Ku. gvenfa „path": sekundäre Erweitemng < *gvent- < *gve't}d (dial, gyüda) < *godarida-, T. 4283. — Ku.

bdciya „rest of life" hat nichts mit Hindi (4- arabisch) bäqi aiyäm „übrige Tage"

zu tun, sondem gehört zu Hindi bac- „übrig, am Leben bleiben, gerettet werden", T. 11208. — Wird die wahre Bedeutung des Schimpfwortes bhencod „sororis futu- tor" (vgl. T. 9349, 4929) aus Prüderie verschwiegen? — Ku. märiya „tot" ist sekundär zu mar- „sterben" gebUdet und stammt nicht direkt < mfto- (> Ku.

muo). —

Insgesamt hinterläßt das Werk einen ganz überwiegend positiven Eindmek.

Es zeugt von viel mühsamer Kleinarbeit im Felde wie in der Studierstube. Daß M. weitgehend auf ehrgeizige „teclmische" Prozeduren modemerer linguisti¬

scher Deskriptionsverfahren verzichtet, sollte man ihm nicht zum Vorwurf

machen, denn in keiner von Urnen dürfte der Weisheit letzter Schluß zu finden sein. M. bietet einen bequem lesbaren Text, dessen Verständnis er durch einge¬

hende Kommentiemng und Glossiemng in einer Weise erleichtert, die in vieler Hinsicht als vorbUdlich gelten kann. Mit seiner sorgfaltigen Bearbeitung eines bedeutsamen Stückes nordindischer Voiksepik schafft er eine wichtige Gmnd- fage für weiterfiifirende Untersuchungen über Stilformen und Inhalte der aus¬

sterbenden Traditionen oraler Literatur in neuindischen Sprachen. Dafür

gebührt ihm Dank imd Anerkennung der Fachgenossen.

Georg Buddruss, Mainz

Wilhelm Rau: Naturbeobachtung und Handwerkskunst im vorislamischen Indien.

Stuttgart: Steiner 1986. 27 S. 8" (Sitzungsberichte der Wissenschafthchen

GeseUschaft an der Johann Woffgang Goethe-Universität Franldurt am Main.

Bd. 22, Nr. 4.) 22,- DM. ISBN 3-515-04725-5.

An frühere Studien zu Realien im alten Indien anknüpfend (ZDMG 134

[1984], 389, vgl. auch ZDMG 129 [1979], 202), führt Rau zunächst vedische

Gedanken zu den vier Elementen an, erwähnt Zeugen fur die Kenntnis von

Magnetismus oder Optik und sammeft Beobachtungen der Inder zur Botanik.

Zeitschrift der Deutschen Morgeniändischen Gesellschaft Band 138, Heft 1 (1988)

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Bücherbesprechungen

Am Rande (S. [13] 223) werden einige wenige Zeugen für die Reinigung von

Trinliwasser mit Hilfe des kataka-Samena (strychnos potatorum) erwähnt (vgl.

G. Watt: A Dicticmary of the Economic Products of India. Vol. VI, 3. Delhi 1972 [Nachdruck], S. 382, Nr. 2960), dem sich Weiteres zur Seite stellen läßt: Aus¬

führlich beschrieben wird der ganze Vorgang im Visuddhimagga, 591, 16-21:

„wie nun jemand, der Wasser reinigen will, einen kataka-Kem nimmt, die Hand in den Topf taucht, und nach nur ein- oder zweimaligem Reiben, wenn sich das

Wasser nicht klärt, den kataka-Kem nicht wegwirft, sondem immer wieder

reibt, denn indem er das tut, setzen sich die SchwebstoflFe und das Wasser wird klar und rein, ebenso . . .". Auch die Samantapäsädikä erwähnt diese Methode, kennt aber daneben auch die „kapittha-Fmcht (feronia elephantum) usw.",

Sp 853,21-23, die sonst in diesem Zusammenhang nirgends genannt zu werden

scheint. Bei den Jainas fmdet femer sajjakhära, Näyädhammakahäo 137, 22 (ed.

by L. V. Vaidya. Poona 1940) „Potasche(?)" Verwendung: W. Hüttemann:

Die Jnäta-Erzählungen im sechsten Anga des Kanons der Jinisten. Straßburg 1907,

S. 38. Die chemische Wirkung des kataka-Kema beschreiben: P. N. Tbipathi et

alii: Nirmali Seed — A Naturally Occurring Coagulant. In: Indian Joumal of Envi¬

ronmental Health 18 (1976), 272-281, vgl. auch: Samia Al Azharia Jahn:

African Plants Used for the Improvement of Drinking Water. In: Curare 3 (1979), 183-199, und dies.: Traditional Water Purification in Tropical Developing Coun¬

tries. Eschbom 1981. (GTZ. 117.) mit reicher Literatur. Daneben kommt

bekanntlich die mechanische Wasserreinigung durch Filter bei den Buddhisten vor (A Critieal Päli Dicticmary [CPD] Kopenhagen 1924 flf. s.v. udakaparissäva)

und bei den Jainas auch die durch Kochen (W. B. Bollee in: ZDMG 121

[1971], 89). Femer schrieb man Bronze (R. J. Forbes: Studies inAncient Tech¬

nology. Vol. I. Leiden ^1964, S. 178) und sogar einem Edelstein (Milindapanha

35,8; CPD s.v. udakappasädaka) die Fähigkeit der Wasserreinigung zu. — Im

Mittelpunkt der Abhandlung von R. stehen dann die praktisch-handwerklichen Kenntnisse der Inder, wobei Beispiele aus den Bereichen Edelsteinbearbeitung

und Metallverarbeitung ausfuhrlich erörtert werden. Wiedemm hat der Verf

verstanden, schwer erreichbare und weit verstreute Stellen aus der indischen,

aber auch aus der klassischen Literatur zusammenzutragen und zu deuten, um

der im allgemeinen weniger beachteten Handwerkskunst im alten Indien zu der

ihr durchaus gebülirenden Geltung zu verhelfen. Während niemand in Abrede

stellen wird, daß dies ein lohnendes und wichtiges Unterfangen ist, so wird die am Ende des Aufsatzes vorgetragene Beurteilung der schönen Sanskritlitera¬

tur wohl auf weniger allgemeine Zustimmung stoßen.

Oskab von Hinüber, Freiburg

Niguöa Biöig. Pi win shu. An Anniversary Volume in honor of Francis Wood¬

man Cleaves. Cambridge, Mass.: Harvard Univ. 1985. Joumal of Turkish

Studies. 9.)

Es wäre ein kulturliistorisch interessantes Untemehmen, eine „Geschichte der Festscfiriften" zu schreiben. Zuweilen sind sie Würdigen gewidmet; dies ist liier der Fah. Man darf wohl Francis Woodman Cleaves als den belesensten, gründlichsten und präzisesten Kenner des älteren mongolischen Schrifttums

Zeitschrift der Deutschen Morgeniändischen Gesellschaft Band 138, Heft 1 (1988)

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168 Bücherbesprechungen

bezeichnen. Darüber hinaus zeigt uns R. N. Frye's Vorwort, was fiir ein wert¬

voUer, verständnisvoller Mensch, was fiir ein echter Gentleman Cleaves stets gewesen ist.

Welcher Wertschätzung sich der verehrte 75-jährige erfreut, wfrd aus Art und Zalil der Beiträge dieses Bandes ersichtlich: 22 hochangesehene Gelehrte haben zu seiner Vollendung beigetragen. Reich ist auch die Fülle der Themata:

(1) Mongolische Geschichte und Kulturgeschichte. TJberdie inter¬

essante Kompilationsgeschichte des Redkel Sastir, eines Werkes über mongo¬

lische Würdenträger, berichtet 1. T. Aricanli. Uber Erbprivilegien in der Yüan-

Zeit handelt E. Endicott West, über weibhche Beamte derselben Epoche

D. M. Farquhar. Mit den Begleitumständen der Baljuna-Episode Öinggis

Chans befaßt sich H. Stang. Hierzu gehört in gewissem Sinne auch Yuan-chu

Lam's Beitrag über das Examensystem der Yüan-Zeit.

(2) Geschichte anderer zentral- und ostasiatisoher Völker. Ein

kulturhistorisch aufschlußreiches militärisches Relikt aus dem 1. Opiumkrieg

(in Mandschu) behandelt C. R. Bawden. B. Forbes Manz stellt das Amt des

Darugha unter Tamerlan dar, der ja vielfach mongohsche Traditionen fortsetzte.

Ins frühmittelalterliche Korea fuhrt uns Ho-dong Kim's Beitrag The resettlerrtent of the Pohai (or PaUiae) population in Liao in the 920s, während N. Yamada die Lage der türkischen Urheimat erörtert.

(3) Eine Fülle von Beiträgen ist linguistischen Themata gewidmet. In

einem hochspekulativen, aber interessanten Artikel behandelt R. Finch Parti¬

keln mit dem Absolutiv. Wie gewohnt konzis behandelt E. P. Hamp die Entwick¬

lung von indogerm. *p- im Armenischen. In neuartiger Weise sucht G. G. Imabt den Charakter der türkischen Kasus zu bestimmen. H. Junpei handelt über das mongolische Wort baisin; weitere mongolistische Themata bieten I. de Rache¬

wiltz (der Ausdruck Öul Ulja'ur in der Geheimen Geschichte der Mongolen)

und H. Serruys (mongol. yada-). Dagegen befassen sich mit türkischen The¬

mata 0. Pritsak (ein wertvoller Beitrag über die türkischen Herrschemamen

in chinesischen Quellen) und §. Tekin (Gedanken zur Etymologie von türk.

üzäygü 'Steigbügel').

(4) Dem reichen Wissen und dem immer und allseits regen Interesse des

Jubilars angemessen ist die Tatsache, daß sich in diesem Bande über altaische

Geschichte und Linguistik hinaus mehrere weitere Beiträge ganz anderer Art

finden. Besonders hervorzuheben ist J. Fletcher's mit weitreichendem Blick

geschriebener Beitrag Parallels and interconnections in the early modern period, 1500-1800. Aber da ist auch eine Reihe anderer wertvoller Beiträge zu nennen:

Sh. Geng und H.-J. Klimkeit's Edition eines Maitrisimit-Kapitels, Heissig's Darstellung epischer Motive im Altan Toböi, M. V. Sofronov's Darstellung der

tangutischen Schrift und schließhch P. Yen's Beitrag über die Natur des I.

Einige Rezensionen beschließen das Werk noch nicht ganz, da noch ein ethno¬

logischer Beitrag über wechselnde Hochzeitsbräuche in einer türkischen Stadt angefügt ist.

Wir mfen unserem verehrten Kollegen Cleaves ein herzliches ad multos

annos! zu.

Gerhard Doerfer, Göttingen

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Bücherbesprechungen

Monika Kretschmar: Erzählungen und Dialekt der Drokpas aus Südwest-Tibet.

Sankt Augustin: VHG-Wissenschaftsverl. 1986. 596 S. (Beiträge zur tibeti¬

schen Erzählforschung. 8.) ISBN 3-88280-026-7.

Der Band entstand im Rahmen eines Projekts zur Sammlung und Bewahrung

mündlich überlieferten Erzählguts der Tibeter auf Grund von Aufnahmen, die K.

während längerer Aufenthalte in den Jahren 1979-81 im tibetisohen Flücht¬

lingslager Tashi Palkhyel in Nepal unter den Drokpa durchführte, Viehzüchtern aus den südwesttibetischen Distrikten Bawa und Bongba Tshogu. K. ist bereits mehrfach mit Publikationen hervorgetreten, die ErzäUungen tibetischsprachi¬

ger Volksgruppen in deutscher Übersetzung vorstehen (Band 2, Band 7 der Bei¬

träge zur tibetischen Erzäfdforschung). Der vorliegende Band nun wendet sich auch an den Philologen, dem hier mit einer Sammlung von Texten in der Origi¬

nalsprache, einem dem Lhasa-Dialekt nahestehenden südwesttibetischen Dia¬

lekt ohne schriftliche Überlieferung, ein erstklassiges Hilfsmittel zur Verfügung gestellt wird. Er besteht aus einem sprachwissenschaftlichen Teil, einer Samm¬

lung von Texten und einem Lexikon.

Der erste, sprachwissenschaftliche, Teil, unter Mitwirkung von R. Biel¬

meier verfaßt, enthält Kapitel über Phonetik und Phonologie, Morphonologie,

Morphologie und Syntax. Obwohf die sprachhehe Untersuchung keinen

Anspruch auf Vollständigkeit erhebt — z. B. sollte man unter den „Modalwör¬

tern" vieUeicht auch /ta/ „ähnlich" erwarten —, gibt sie einen vorzüglichen Ein¬

blick in den Drokpa-Dialekt, wie der Vergleich mit den folgenden 20 ErzäfUun¬

gen erweist.

Die Erzählungen erscheinen in phonologischer Transkription, der eine mög¬

lichst wortgetreue deutsche Übersetzung gegenübergestellt ist. In 1/12 ist die

„Dubitativform" (S. 69) /o ;ci/statt mit „nur" eher mit „wohl" wiederzugeben. In 1/13 /jinfö khalä fo re:/ „wohin gehen (sie) bloß" (laut Glossar S. 375: /jintö/

vielleicht [yin gro]) ist möglicherweise eine andere Analyse in Erwägung zu zie¬

hen: /ji-n-fö khalä to re:/ „(wenn) jene gehen, wohin gehen sie?" mit /ji/

„jene(r)".

An die Texte scUießt sich ein alphabetisch geordnetes Wörterverzeichnis an,

das alle Lexeme des TextteUs mit den entsprechenden Stellenangaben, deut¬

scher Übersetzung und, falls erkannt, schrifttibetischen Äquivalenten verzeich¬

net. Da das Wörterverzeichnis auf der Transkription basiert, sind einige mehr-

sUbige Wörter auf mehrere Einträge verteUt. Z.B. findet sich /cän mäni/

„außer", „nur" unter /mäni/, unter/cän mäni/, unter /Sokcän/, /Sicän/ und /sacän/. In ähnhcher Weise sind im Wörterverzeichnis /tshäre/ „beenden", /tshä:/{z.B. 1/145 /tshä: re:/) und /tshär/ {z.B. 1/146) derselben Bedeutung voneinander getrennt. /tShimpä/„Leber [möhinpa]" in 1/42 ist, wie die Überset¬

zung übrigens voraussetzt, eher „ging [phyin pa]".

Das Buch soll hauptsächlich zur Erschließung des Dialektes der Drokpa bei¬

tragen, jedoch auch inhalthch sind die ErzäfUungen von Interesse. Die erste Erzählung etwa ist eine Variante der Räma-Geschichte. Hier erscheint ausführ¬

licher als z. B. im tibetischen Rämäyana aus Tun-huang (cf dazu de Jong in: TP

58 [1972], 196) das wahrscheinhch dem SudharM-Avadäna entlehnte Motiv, wo

ein Ring als Botschaft einer Frau zugestellt wird, indem er heimlich in den Was¬

serkrug der Dienerin geworfen und beim Baden mit ausgeschüttet wird.

Das Unternehmen, das die beiden Ziele vereinigt, orale tibetische Literatur zu

sammeln und einen unerforschten Dialekt bekannt zu machen, ist mit diesem

Zeitschrift der Deutschen Morgeniändischen Gesellschaft Band 138, Heft 1 (1988)

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170 Bücherbesprechungen

Band in jeder Hinsicht als geglückt anzusehen. Es ist zu hoffen, daß die im Klap¬

pentext angekündigte Edition von Texten aus dem Distrikt Mustang bald in

ähnlich vorbildlicher Form erscheint.

Almuth Degeneb, Mainz.

Klaus Ludwig Janert und Ilse Pliester: Nachitextedition. T. 1-2; 11-15.

Wiesbaden: Steiner 1982-84. XVII, 482; 628; 452; 437; 449; 447; 439 S.

(Verzeichnis der orientalischen Handschriften in Deutschland. Suppl.-Bd.

26,1-2; 11-15.) 670.- DM. ISBN 3-515-04027-7, -04184-2, -03500-1,

-03502-8, -03503-6, -03504-4, -03505-2.

Unter dem etwas merkwürdigen Titel Nachitextedition publizieren die Vf

äußerlich sehr ansprechende Nachzeichnungen der von Janert: Nachihand¬

schriften T. 3-5 (1975-80) [nunmehr zitiert als „ Katalogwerk "] beschriebenen Materialien. (Vgl. ZDMG 127 [1977], 462 und 129 [1979], 180.) Lt. S. XHf ist der Zustand der hier verarbeiteten 1190 originalen und der 950 in verbleichen¬

der Fotokopie zugänglichen Handschriften so schlecht, daß Reproduktionen der Fotos („Faksimiledruck") unergiebig gewesen wären und man auf Nachzeich¬

nungen („handschriftliche Editionsmethode") ausweichen mußte. Bei diesen handelt es sich um die Früchte „schwieriger Entzifferungstätigkeit", die „in mühevoller editorischer Kleinarbeit" gewonnen worden sind. Dabei wird weder gesagt, nach welchen Kriterien rekonstruiert wurde, noch wird auch nur andeu¬

tungsweise zwischen sicheren und unsicheren Lesungen unterschieden. So ist es

unmöglich, sich ein Urteil darüber zu bilden, inwieweit die Wiedergabe der

Handschriften als wissenschaftlich gesichert gelten kann. Für ein Werk, das mit einem derartigen Aufwand produziert worden ist und wird wie das vorlie¬

gende, ist das eigentlich ein recht unbefriedigendes Ergebnis.

So unpräzis wie das Vorwort, das zugleich den Charakter einer Einleitung hat,

so verwirrend ist die Gesamtanlage des Werks, mag diese auch noch so aus¬

geklügelt sein : So sind z.B. die Einbanddeckel der Teilbände mit sonst unerklär¬

ten, wohl an die chinesischen angelehnten, aber nicht chinesischen Ziffern numeriert {+11 Tl', -l-IIIII '15'). Die Teilbände 1.2 sind jeweils separat pagi¬

niert (1-482, 1-628), während 11-15 durchgehende Paginierung aufweisen.

Aus von den Vfn. zweifellos wohlüberlegten Gründen ermangeln 11-14 der

Inhaltsverzeichnisse, während 15 wieder mit einem solchen vesehen ist. Aus die¬

sen und rielen anderen Gründen bereitet die Auffindung der zu den Handschrif¬

ten gehörigen Beschreibungen im „Katalogwerk" trotz gegenteiliger Verspre¬

chungen in den Vorworten ganz erhebliche Schwierigkeiten. Darüber tröstet

allerdings der Umstand hinweg, daß diese Beschreibungen ohnehin völlig

nichtssagend sind.

Glücklicherweise erfahren wir aus dem Vorwort zu dem erst nach T. 11-15

erschienenen T. 1 nun wenigstens, daß wir es hier mit Handschriften der klassi¬

schen Literatur einer Minderheitennationalität von ca. 230000 Sprechern in

Yünnan/Yunnan zu tun haben, die meist in einer piktographischen, selten auch in einer Silbenschrift geschrieben sind. Schon an der wechselnden Schreibung des Namens der chinesichen Provinz zeigen die Vf jedoch eine merkwürdige Unsicherheit. Noch auffallender wird diese, wenn es um den Namen der Natio¬

nalität selber geht: S. IX „JVocAi Aussprache mit unserem ich-Laut . . . Nachire-

Zeitschrift der Deutschen Morgeniändischen Gesellschaft Band 138, Heft 1 (1988)

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Bücherbesprechungen

gion um die Stadt Lijiang", S. X „Nachi deutsche Umschrift, Naxi oder Nahsi nach Umschriften in China, Nakhi nach einer Umschrift in USA". Gemeint ist chin. if} ® , in Pinyin Naxi (Naxi) [und so systemgleich mit Lijiang], nach der

veralteten Transkription von Wade-Giles Na-hsi (Na^-hsi'), nach Rock-

Janert 1966 Na-khi, nach Janert 1975 Nachi, was zweifellos die wissenschaft¬

lich unbrauchbarste aller Transkriptionen ist. Auch sonst wird Chinesisches in

offensichtlich großem Bogen umgangen. So wird z.B. die chinesische Über¬

schrift zu IV 23 = T. 2, S. 25 im „Katalogwerk" T. 4, S. 847 nur durch den Ver¬

merk „mit Chinesisch" zur Kenntnis genommen. Damit scheinen mir keine

besonders günstigen Voraussetzungen für eine Blüte der „Nachüogie" gegeben zu sein.

Helmut Humbach, Mainz

Willibald Veit: Siegel und Siegelschrift der Chou-, Ch'in- und Han-Dynastie.

Stuttgart: Steiner 1985. 297 S., 198 Taf. (Studien zur Ostasiatischen Schrift¬

kunst. 4.) 96.- DM.

Seit 1970 sind in dieser von Dietrich Seckel herausgegebenen Reihe vier

Arbeiten erschienen. Alle handefn von der chinesischen Schriftkunst, zwei von

der Siegelschrift. Das Werk von Willibald Veit entstand als Dissertation in

Ostasiatischer Kunstgeschichte an der Universität zu Köln. Sowohf vom Aufbau als auch vom Inhalt her wird beim Leser eüüges chronologisches, geographi¬

sches und allgemeines Wissen erwartet, ebenso wie Veit bei jedem Leser die

Kenntnis der kunsthistorischen Terminologie voraussetzt. Veit ist es in seiner

Arbeit gelungen, das Thema systematisch abzuhandeln und gleichzeitig der

historischen Entwicklung gerecht zu werden.

Nach der kurzen „Einleitung" (S. 1-3) fofgt Kap. 2 „Die Bedeutung des Sie¬

geis in China . . .", woran sich Kap. 3 „Die Entstehung des Siegels" anschfießt.

Im Kap. 4 behandelt Veit „Die Entwicklung der chinesischen Schrift . . .", bevor er in Kap. 5 auf die Siegel zu sprechen kommt und im Kap. 6 „Die Schrift auf Siegeln und ilire Entwicklung" behandelt. Dank dem gut bebUderten AbbU- dungsteU ist es an jeder Stelle möglich, dem oftmals sowohl inhaltlich als auch sprachlich schwierigen Text zu folgen. Was das Lesen des Textes zusätzlich erschwert, sind Eigenwilligkeiten des Autors in Diktion und Zitierweise. Im Kap. 2 zum Beispiel verbannt Veit viele interessante Informationen, die im lau¬

fenden Text durchaus eine Berechtigung gehabt hätten, in die Anmerkungen.

Solche Eigenwilligkeiten tun der Qualität der Analyse und der Fülle des Mate¬

rials allerdings keinen Abbruch.

Die Art und Weise wie Veit argumentiert, ist wohltuend erfrischend. Konzes¬

sionen macht er nur, wo das archäologische und textliche Material nicht eindeu¬

tig interpretierbar ist. Im Kap. „Die Entstehung des Siegels" kommt er unter Berücksichtigung politischer, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Faktoren zum Schluß (S. 27), daß „das Siegel erst in der Ch'un-ch'iu-Chan-kuo Zeit als ein Zeichen politischer Macht und allgemeiner Beglaubigung auftreten konnte."

Und er fälirt fort: „Trotz der archäologischen Ergebnisse, die bisher keine Siegel aus der Zeit vor Ch'un-ch'iu erbrachten, halten die meisten der chinesischen und

japanischen Forscher an der Annahme fest, daß es in der Shang-Dynastie

bereits ein Siegelsystem gab."

Zeitschrift der Deutschen Morgeniändischen GeseUschaft Band 138, Heft 1 (1988)

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172 Bücherbesprechungen

Bei seinen Erörterungen zur chinesischen Schrift geht er auch auf den Schrifb- typ „chuan-shu" ein. Obgleich er einräumt, daß die ursprüngliche Bedeutung die¬

ses Begriffes, der einer der wichtigsten in der chinesisohen Kalligraphie über¬

haupt ist, noch nicht mit Sicherheit geklärt werden konnte, folgt er der im Ver¬

gleich zu den anderen Theorien durchaus einleuchtenden sozial-politischen Erklärung von Kuo Mo-jo (S. 36): Die Schrift, mit der man den Beamten (kuan- yuan) schrieb, nannte man chuan-shu. CÄMon entspricht j/waw und «/Man bedeutet

Beamter . . . (Es handelt) sich um niedere Beamte, deren Aufgabe es war,

Schreibarbeiten durchzufuhren. So bedeutet Chuan-shu in der Tat Yuan-shu, nämlioh Beamtenschrift (kuan-shu). Doch es kommen nicht nur entwioklungs- historische Probleme der Sclirift zur Sprache, sondem auch Fragen des Einflus¬

ses eines Staates auf die Entwicklung seiner Kultursphäre und damit auch sei¬

ner Schrift, bei der eine Unterscheidung zwischen der Schrift der Bronzein¬

schriften und der Umgangsschrift in vielen Fällen möglich ist.

Meistens werden Siegel nur unter dem Blickwinkel der Schrift betrachtet;

dem Siegel, seinem Material und seiner Machart aber nur wenig oder gar kerne Beachtung geschenkt. Veit geht ausführlich auf Material und Form von Siegeln ein, desweiteren auf die Siegelgriffe (Kap. 5.2). Im Kap. 5.3 wendet er sich der bislang in den Publikationen vernachlässigten Technik der Siegelherstellung zu.

Auch hier setzt die Arbeit von Veit einen neuen Maßstab, da er den Reichtum

der Schriftkunst mit den handwerklich-technischen Erfordernissen bei ihrer

Herstellung in Verbindung zu setzen weiß. Veit hat fiinf Kriterien zur zeitlichen Bestimmung der Siegel (Kap. 5.4) zusammengestellt. Da sie in den seltensten Fällen gemeinsam fiir die Bestimmung eines Siegels zur Verfügung stehen, wur¬

den sie in den jeweilig methodisch zutreffenden Kapiteln behandelt. Die fiinf Kriterien zur zeitiichen Bestimmung sind:

1. Archäologisches Fundmaterial.

2. Größe und Form der Siegel.

3. Herstellungsmethode.

4. Beschriftung der Siegelfläche (Gestaltung und Inhalt).

5. Schriftvergleich.

Kap. 6 „Die Schrift auf Siegeln und ihre Entwicklung" (S. 140-202) ist neben dem Kap. 4 „Die Entwicklung der chinesischen Schrift bis zur Han-DjTiastie ein¬

schließlich", kunsthistorisch das wichtigste, konsequenterweise auch das umfangreichste Kapitel des Buches. Es ist eine Fundgmbe fiir eine Viefzahl von Informationen regionaier, dynastischer und schichtenspezifischer Art. Für die¬

ses Kapitel hätte man sich allerdings eine ausführlichere Einleitung (S. 140) gewünscht.

Etwas störend beim Lesen sind die Tippfeliler, die sich in das Manuskript ein- geschfichen haben. Es ist schade, daß am Korrekturfesen des Buches, wie bei den meisten Werken, die in wissenschafthchen (Ostasien)-Reihen erscheinen, gespart wurde.

Abschheßend bieibt festzustehen: Das Werk von Veit ist an inhaltlicher Gründlichkeit und Kenntnis, in bezug auf den Umgang mit dem archäologischen Material und was die Auswertung der Quellen anbelangt, ein Werk von intema- tionalem Standard, gmndlegend und richtungsweisend fiir alle zukünftigen For¬

schungen auf diesem Gebiet der Kunstgeschichte.

Zwei Wünsche sollen zum Schluß hier geäußert werden. Der erste ist eigent¬

lich selbstverständlich und der zweite liegt im Ermessen eines jeden Autors.

Erstens, es wäre flir die Erforschung der ostasiatischen Schriftkunst in Mittel-

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Bücherbesprechungen

europa verdienstvoll, wenn dieser Arbeit von Veit bald noch weitere zum

Thema in zeitlich weniger langen Abständen folgen würden. Zweitens, es ist für die Ostasiatische Kunstgeschichte wichtig, die Ergebnisse solcher Arbeiten

auch einem breiteren Kreis von Interessenten bekannt und zugänglich zu

machen.

Dieter Kuhn, Heidelberg

A. F. P. Hülse wfi: Remnants of Ch'in Law. An annotated translation of the Ch'in legal and administrative rules of the 3rd century B. C, discovered in Yiin-meng

Prefecture, Hu-pei Province, in 1975. Leiden 1985. VIII, 244 S. (Sinica

Leidensia edidit Institutum Sinologicum Lugduno Batavum. 17.) ISBN

90-04-07103-2.

Für die Erforschung der administrativen Regeln und Strafgesetze der Ch'in- Dynastie waren die Schriften der Legalisten (fa-chia) und der späteren hanzeit¬

lichen Bürokraten die Orientierungsmarken. Diese Situation hat sich u. a. durch Textfunde (Bambusplättchen), im Dez. 1975, im Grab eines Beamten der Lokal¬

verwaltung geändert. Das Grab, dat. 217 v.Ch., barg den Regierungsschreiber Hsi, der ab 241 v.Ch. als Präfekturbeamter und ab 235 v.Ch. als Richter über Kriminalfälle tätig war. Das Grab in der Provinz Hu-pei, im Gebiet von Shui-hu- ti, im Distrikt Hsiao-kan, Präfektur Yün-meng, ist als Grab No. 11 registriert.

Den Tätigkeiten von Hsi entsprechend enthält es Material zu administrativen wie strafrechtlichen Normen, die Hsi zu Lebzeiten praktisch zu vertreten hatte.

Das Material wurde in der Zeit von 1976-1981in vier Editionen publiziert (u.a.

Wen-wu 1976/6,7,8 und Yün-meng Shui-hu-ti Ch'in mu. Peking 1981). Vorlie¬

gendes Werk folgt wesentlich der Texteinteilung in Wen-wu. Die exzellente Ein¬

leitung erläutert die historische Bedeutung der Funde. Sie behandelt auch das

Strafsystem der Ch'in sowie die Gewichte und Maße der Ch'in-Han-Zeit (S. 1-

19). Die Übersetzungen derTexte (S. 21-215) sind in sieben Gruppen (A-G) ein¬

geteilt. Jede wird von einer bibliographischen Einleitung eröffnet. Die verschie¬

denen Vergleichseditionen zu jedem Einzeltext werden jeweils angezeigt. Die

exakten Annotierungen beziehen sich auf philologische und historische Pro¬

bleme. Der Anhang enthält Listen zu chinesischen Verwaltungstiteln, eine

umfangreiche Bibliographie vorzüglich verwerteter westlicher wie asiatischer Referenzwerke, einen Sach- und Begriffsindex, sowie eine Liste sog. Leihzei¬

chen (ZeichenVarianten; entlehnte bzw. verfälschte Schreibungen u.ä.). Dieses sorgfältig gestaltete Werk präsentiert höchst diffiziles, äußerst schwierig zu bearbeitendes Material. Die Darstellungen und Übersetzungen A. F. P. Hulse-

wfi's, denen z.T. der Charakter des Versuchsweisen anhaften muß, werden

wesentlich zu einer Revidierung gängiger, allzu enger Einschätzungen des

Ch'in-Rechtssystems beitragen. Sie zeigen, bei aller Bruchstückhaftigkeit des Materials, daß fiir die umfassenden pohtischen Konstruktionen der Legalisten ifa-chia) ein detailliertes, wohl elaboriertes System administrativer und straf¬

rechtlicher Normen als älterer Hintergrund gegeben war. Das Rechts- und

Verwaltungssystem der Ch'in ist in seiner Eigenständigkeit und in seiner

Gewichtigkeit bislang unterschätzt worden. Dies güt vor allem eben für den

Umfang der juristischen Kategorien und ihrer praktischen Möglichkeiten. In

diesem Sinne gUt es, dem vorliegenden Werk höchste Beachtung zu schenken.

Florian C. Reiter, Würzburg

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174 Bücherbesprechungen

Hans-Joachim Becker: Die frühe Nietzsche-Rezeption in Japan (1893-1903).

Ein Beitrag zur IndividualismusprobleTnatik im Modernisierungsprozeß. Wiesba¬

den: Harrassowitz 1983. XIV, 231 S. Gr. 8°

Vorliegende Untersuchung gibt einen guten Einblick in die frühe Nietzsche- Rezeption Japans und arbeitet an Hand von sorgfältig zusammengetragenem

Quellenmaterial die damit verbundene Individualismusproblematik Japans her¬

aus.

Die Behandlung dieses Themas ist von besonderer Wichtgkeit, denn

Nietzsche gehörte in den Jahren 1893-1903 zu den meist diskutierten west¬

lichen Phüosophen in Japan. Das unterschiedliche Bild, das von ihm gezeichnet wurde — von den Kritikem als Moralungeheuer hingestellt, von den Befiirwor-

tem als Genie und einer der fähigsten Kulturkritiker des Westens gepriesen —

wirft ein Licht auf die besondere ideengeschichtliche Situation der damaligen Zeit, die durch das Generationsproblem — auf der einen Seite die traditionell¬

konfuzianisch orientierten Intellektuellen, auf der anderen Seite die jungen auf¬

geschlossenen, den Individualismus betonenden Akademiker — und durch die

rasche und daher noch nicht verarbeitete Übemahme westlicher Gedanken¬

ströme geprägt war.

Der Band beginnt mit einer in die philosophischen Probleme der Meiji-Zeit

(1868-1912) einfuhrenden Einleitung und gliedert sich nachfolgend in zwei

Hauptteüe: Teii I steht die Rezeptionsgeschichte bis zum Ausbmch des Nietz¬

sche-Streits dar, TeU II die eigentliche Nietzsche-Kritik, wobei Takayama Cho¬

gyü als der Auslöser des Streites besonders ausfuhrlich behandelt wird. Fünf Anhänge scfUießen den Band ab: Die Anhänge 1 bis 3 bringen drei Übersetzun¬

gen charakteristischer Texte zu dem Nietzsche-Thema aus jener Zeit, Anhang 4

eine chronologische ZusammensteUung der japanischen Nietzsche-Arbeiten von

1893-1903, Anhang 5 ein japanisches Zeichenglossar der in dem Band vorkom¬

menden Termini. Ein ausfuhrliches Literaturverzeichnis beschließt den Band.

Der Verfasser hat einen wesentlichen Aspekt der japanischen Ideenge¬

schichte zur Darstellung gebracht. Mit Ausnahme einer zur gleichen Zeit in den U.S.A. entstandenen Studie gibt es zu diesem Thema keine westlichsprachigen Veröffentlichungen. Aufgmnd der gelungenen Darstellung wäre es zu begrüßen, wenn der Verfasser eine weitere Monographie über die spätere Nietzsche-Rezep¬

tion nach dem Zweiten Weltkrieg folgen ließe.

Lydia Brüll, Bochum

Ludwig Gerhardt: Beiträge zur Kenntnis der Sprachen des nigerianischen Pla¬

teaus. Glückstadt 1983. (Afrikarüstische Forschungen. 9.)

Der geographische Terminus 'Plateausprachen' ist durch Greenberg zu

einem linguistisch-klassifikatorischen Begriff geworden, der nur die Klassen¬

sprachen des nigerianischen Plateaus, nicht aber die dort ebenfalls verbreiteten 'tschadischen' Sprachen umfaßt. Diese Klassensprachen sind erst in den letzten beiden Jahrzehnten intensiver erforscht worden. Gerhardt war daran wesent¬

lich beteiligt. Nach einer größeren Artikelserie Analytische und vergleichende Untersuchungen zu einigen zentralnigerianischen Klassensprachen, 1967-69 in AÜ publiziert, sind von ihm in den nachfolgenden Jahren weitere Aufsätze vor allem zur nominalen und auch zur verbalen Stmktur dieser Sprachen erschienen. Das

Zeitschrift der Deutschen Morgeniändischen Gesellschaft Band 138, Heft 1 (1988)

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Bücherbesprechungen

vorliegende Buch — die überarbeitete Fassung seiner bereits 1972 vorgelegten Habüitationsschrift — faßt die Ergebnisse all dieser bisher erschienenen Bei¬

träge zusammen, ohne diese freihch in jedem Fall zu ersetzen. Andererseits ist

manches hinzugekommen. So muß man z. B. die Lautentsprechungsreihen des

größten TeUs der Kagoro-Untergruppe wie auch das Material zum dazugehöri¬

gen Iregwe in der Artikelserie von 1967-69 nachschlagen, wohingegen aUe

Angaben zur Jaba-Untergruppe des Plateau 2 neu aufgenommen worden sind

(d.h. zuvor noch nicht veröflfentlicht waren). Die relativ große Zeitspanne zwi¬

schen der ersten Fassung der Habilitationsschrift und ihrer Drucklegung sowie

der Abstand zu den ersten Aufsätzen nutzte Gerhardt zu Korrekturen und

Einfügungen (vgl. bes. S. 114), so daß das vorliegende Buch den neuesten

Kenntnisstand repräsentiert.

Behandelt werden (nach GREENBERO'scher EinteUung) die Gruppen 2 und 4

der Plateausprachen, die nach Gerhardts Untersuchungen mit Gruppe 3 so

viele Gemeinsamkeiten aufweisen, daß sie sich deutlich als eine 'zentrale' Gruppe von den nördlich und südlich von ihnen gesprochenen Plateausprachen abgrenzen lassen. Dennoch sind die jeweiligen Gemeinsanüteiten innerhalb die¬

ser zentralen Gruppe so verschieden verteUt, daß das Stammbaummodell keine

widerspruchsfreie DarsteUung dieser Beziehungen ermöglicht (S. 45). In jedem Fall ist die ursprünglich und auch noch 1967-69 vermutete Einheit der Plateau¬

sprachen insgesamt durch Gerhardts Ergebnisse aus dieser Arbeit widerlegt.

Neu ist auch die ZweiteUung der Gruppe 2 in die Karogo- und die Jaba-Unter¬

gruppe.

Die großen Abschnitte des vorliegenden Buches befassen sich mit den Pho¬

nem- und Klassensystemen der einzelnen Sprachen, aus denen dann jeweUs Pro- to-Formen rekonstruiert werden. Es werden femer die verbalen Stammerweite- mngen vergleichend dargesteUt. Ihrer „entmutigenden Vielfalt" (S. 223) und der z.T. schwer zu bestimmenden Funktionen wegen wird hier auf Rekonstmk¬

tionen verzichtet.

Im Schlußteü werden die Rekonstmktionen aus den vorherigen Kapiteln —

nun unter Hinzuziehung der Plateau-3-Gmppe — auf einer höheren klassifikato¬

rischen Ebene mit den anderen UnterfamUien des Benue-Congo verglichen. Das

Ergebnis fällt auch hier anders aus als ursprünglich vermutet: „Die Nominal¬

klassen bestätigen das Ergebnis des phonologisoh-lexikalischen Vergleichs: der Nachweis dafür, daß es sich bei den Plateau-Sprachen um eine valide lingui¬

stische Einheit handelt, ist nicht zu führen." (S. 240).

Neben diesem fur den weiträumigeren Komparativisten wichtigen Ergebnis

bietet uns Gerhardts Buch aber auch eine Fülle von interessanten Details und

weiterfuhrenden Anregungen. Hier sind in erster Linie die von Gerhardt in

mühseliger Kleinarbeit analysierten Metathesen- und Reduplikationsersehei-

nungen zu nennen. Sie sind fur die vergleichende Forschung innerhalb des

westafrikanischen Sprachraumes von ebenso großer Wichtigkeit wie seine Fest¬

stellungen bezüglich des fortis/lenis Kontrastes in einigen Sprachen der Pla¬

teau-2-Untergmppen. Nach Gerhardts Ergebnissen handelt es sich hier nicht

um einen alten ererbten Kontrast, sondem um eine sekundäre, d.h. jüngere

Erscheinung, die vermutlich auf den Einfluß eines 'vorderen Hochzungenvokals' zurückzufufu-en ist (vgi. S. 57 und S. 223).

Angesichts der Tatsache, daß in der Afrikanistik zunehmend auf diesem

Gebiet gearbeitet wird, verdienen Gerhardts methodische Ansätze bei den

Rekonstruktionen besondere Beachtung. In logischer Konsequenz zu den oben

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176 Bücherbesprechungen

ausgeführten Befunden (bezüglich der Uneinheitlichkeit der Plateau-Gruppen) ist hier die 1967-69 noch durchgeführte Konzeption von einem allgemeinen 'Proto-Plateau' aufgegeben worden. An seine Stelle sind die Rekonstruktionen

der jeweiligen Untergruppen getreten. Für das PP-2 (Kagoro) wendet Geb¬

hardt nun einen Kunstgriff an, der in ähnlicher Form bereits für die Rekon¬

struktion des Proto-Bantu zur Anwendung kam. Er führt in das Proto-Phonem- inventar dieser Gruppe i- und u-haltige Diphthonge ein, deren erster Bestand¬

teil bestimmte phonetische Veränderungen am vorhergehenden Konsonanten

bewirkt, während sich die vokalische Qualität des zweiten Bestandteils im gro¬

ßen ganzen unverändert im Stammvokal des entsprechenden Sprachreflexes

realisiert. „*i-haltige Diphthonge bewirken Palatalisation der vorangehenden Konsonanten, '*u-haltige bewirken Labialisierung" (S. 58), z.B.

PP-2 (Kg) *duar] Atakar jäy war, spear

*diak ,)-jäk sand

*duom j ^om elephant

■•duuk juk mület

*tian cdn charcoal

*tii 3-ci egg

*siot Sot faU(v)

Die Wirkungsweise des ersten BestandteUes dieser Diphthonge ist also ähn¬

lich derjenigen der 'engen' Vokale *j und *y im Proto-Bantu. Während aber im

Proto-Bantu nur relativ wenige Wurzeln mit *CjV und *CyV anzusetzen sind,

weh der größte TeU von *j- und *y-Reflexen diesen ähnliche Vokalrealisierungen aufweisen, scheint das Verhältnis von *ii- und *uu- zu '*iV- bzw. *uV-Wurzeln im Plateau genau umgekehrt zu sein. Interessant ist, daß die Proto-Phoneminven-

tare der beiden anderen Gruppen diese Diphthonge nicht enthalten (zu den

engen Vokalen des PP-4 s.u.). Dafür weisen sie aber in jedem Fall zusätzliche

Konsonantenphoneme auf, die in ihren Realisierungen wiederum denjenigen

Phonemen entsprechen, die durch die Proto-Diphthonge des PP-2 hervorgeru¬

fen werden können, vgl.

PP-2 (Kagoro) *-tiat PP-2 (Jaba) *tsat feather

*-tiet *tset strength

*-tüi] PP-4 »-ciNciri fly (n)

*-tiip *ku-cip vein

*-kua *ku-kpa skin

*-duai]/-kuan 'i-NkpaqZ-kpat spear.

Die ZalU solcher Kognata ist freilich nicht sehr hoch. Sie wirft jedoch ein Licht sowohl auf die Frage des (relativen chronologisch-)hi8tori8chen Zusammenhan¬

ges zwischen den einzelnen Plateau-Gruppen wie auch überhaupt auf die aUge¬

meine methodologische Fragestellung, in welchem Maße in einem Proto-Pho-

neminventar bereits modifizierte Konsonanten oder aber nur die sie bedingen¬

den Faktoren anzugeben sind.

In das Proto-Phoneminventar der Plateau-4-Gruppe dagegen fuhrt Ger¬

hardt *) und *vi als enge Vokalphoneme ein, die ähnlich wie die Diphthonge in

PP-2 (Kg) in einigen Sprachen Veränderungen am vorhergehenden Konsonan¬

ten bewirken können. Ein Blick in das Überblicksverzeiehnis aller von Ger¬

hardt für die jeweUigen Gruppen ermittelten I'roto-Wurzeln zeigt, daß — soweit überhaupt vergleichbare Belege vorliegen — in den anderen Gruppen dann in der

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Bücherbesprechungen

Regel die gleichen Konsonanten angesetzt sind. Nur bei *vi findet sich in drei Fällen eine labialisierte Form, z.B.

PP-4 »kv PP-2 (Kg) *kwu PP-2 (Jb) *kwo die

In keinem Fall jedoch entsprechen die engen Vokale des PP-4 den Diphthongen von PP-2 (Kg).

Wie oben ersichtlich wird, rekonstruiert Gerhardt neben Diphthongen auch

die Halbvokale *w und *y. Solch eine zusätzliche Differenzierung war auch von

Meinhof für das Ur-Bantu eingeführt worden, ist jedoch durch Guthrie und

Meeussen bei deren Bantu-Rekonstruktionen wieder rückgängig gemacht wor¬

den. Im Plateau 2 beeinflussen *w und *y zwar auch in manchen Fällen den vor¬

hergehenden Konsonanten, jedoch in anderer Weise als die oben besprochenen Diphthonge. Im Kaje, Afiisare und Iregwe zeigen sie jedoch die gleichen Reflexe, während im Kagoro und Katab unterschiedliche Realisierungen der Proto-For- men anzutreffen sind, z.B.

*dwak road, path, way Kgr: Iwäk, Ktb: väJc, Atk: väk.

*bwak arm, band Kgr. bvdk, Ktb: bwdk, Atk: byäk, Kj: bvak, Afs: ku-bök Irg:

bwä.

vgl.: *buon sheep Kgr: pn, Ktb: dzon, Atk:-, Kj: bvön, Afs: i-bin, Irg: bwe.

In diesem Zusammenhang sind auch die Velarlabialen zu erwähnen, die in

manchen Sprachen aus dem Zusammentreffen von Velaren mit u-haltigen Diph¬

thongen entstehen, aber auch auf *C-l-w zurückgehen können, wie die folgenden Beispiele zeigen:

*kua fall(v) Kgr: kwa, Ktb: kwa, kway, Atk: kwi, Kj: kpä, Afs: kpa, Irg: ^e.

Vgl. dazu:

*gwa (Jaba), wo durchgehend verlarlabiale Reflexe zu finden sind:

JKt: gb.), JKw: ghü, Kgm: gbä. Kor: gbd, Lun: gbä.

Es ergeben sich also auch hier interessante Kognata sowohl innerhalb der ein¬

zelnen Plateau-Gruppen als auch der Gruppen untereinander.

So bietet das vorliegende Buch eine Fülle von DetaUs und vermag auf diese Weise eine Vorstellung von der Komplexität der historischen Lautentwicklun¬

gen in den zentralen Plateausprachen zu vermitteln. Man blickt nun mit Span¬

nung zukünftiger Forschung in den übrigen Plateausprachen entgegen. Wie

werden sie sich lauthistorisch ein- oder anfügen lassen? Gerhardts Buch hat hierfür die Grundlagen geschaffen.

Gudrun Miehe, Frankfurt

12 ZDMG 138/1

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Kurzanzeigen

Reinhard Merkelbach: Mani und sein Religionssystem. Opladen 1986. (Rhei¬

nisch-Westfälische Akademie der Wissenschaften. Vorträge. G 281.) Der an der Erschließung des Kölner Mani-Kodex (CMC) maßgeblich beteiligte kfass. Philologe bietet mit dieser Publ. eine lesenswerte, zus.-fassende Darstel¬

lung des Manichäismus nach dem neuesten Stand der Forschung, eben wie er

sich nach Entdeckunng des CMC präsentiert. Die dadurch deutlich gewordene christl.-gnost. Grundlage oder besser Ausgangsposition von Manis Lehre wird ebenso herausgehoben, wie aber auch die iran. Züge nicht vergessen werden (die

G. Widengren in seinem abgedruckten Diskussionsbeitrag noch stärker for¬

muhert) . Bei der Bemühung, Mani in die menscliliche Geistesgesch. einzuordnen und seine Gedanken heutigem Verständnis nahe zu bringen (die Objektsprache

nicht nur in die wissenschaftl. Metaspr., sondem auch in die Umgangsspr. zu

übers.) ist verdienstlich, auch wenn man verschiedenthch anderer Meinung sein wird (wie z.B. bei der zu undifferenzierten Gegenüberstellung von orient.- mythol. Denken und griech.-röm. Rationalität). Dem Büchlein sind 2 Exkurse („Die manich. Tetras"; „Die 'Psalmen der Wanderer' im kopt.-manich. Psalm¬

buch und Augustins Canticum amatorium") und eine Ausschlagtafel über das

manich. Erlösungsdrama beigegeben. Begrüßenswert ist, daß durch den CMC

wieder klass. und orient. Philologie, wie zu Zeiten Reitzensteins, auf diesem

Gebiet zus.-arbeiten. K. R.

' Die Verfasser der Kurzanzeigen sind: A. B., F. = Andreas Bock, Freiburg

i.B.; A. B., T. = Alexander Böhlig, Tübingen; A. D. = Almuth Degener,

Mainz; A. M. = Adelheid Mette, München; B. K.-H. = Barbara Kellner-

Heinkele, Frankfurt a.M.; B. N. = Bernd Nothofer, Frankfurt a.M.; B. R.

= Bernd Radtke, Basel; E. W. = Ewald Wagner, Gießen; G. B., M. =

Georg Buddruss, Mainz; G. B., 0. = Gudrun Bithnemann, Oberhausen;

G. W. = Gunther Wanke, Erlangen; H. B. = Heidrun Brückner, Heidel¬

berg; H. D. = Hans Daiber, Amsterdam; H. F. = Harry Falk, Freiburg i.Br. ;

H. W. H. = Hans Werner Hoffmann, Nümberg; J. P. L. = Jens Peter

Laut, Marburg; 1. S. = Irmtraut Stellrbcht, Köln; J. v. B. = JtiRGEN von

Beckerath, Münster i. W. ; J. Z. = Jürgern Zwernemann, Hamburg; K. R. =

Kurt Rudolph, Marburg; K. V. = Kees Versteegh, Nijmegen; L. L. =

Lothar Leddbrose, Heidelberg; L. P. = Leo Prijs, München; M. K. = Mar¬

tin Krause, Münster i.W.; 0. G. = Orhan GöKgE, Gießen; 0. v. H. = Oskar

von Hinüber, Freiburg i.B.; P. H. = Peter Heine, Münster i.W.; P. K. =

Paul Kunitzsch, München; P. M. = Paul Maiberger, Mainz; R. M. V. =

Raineb Maria Voigt, Tübingen; R. P. D. = Rahul Peter Das, Quiekbom;

R. Q.-Z. = Rosemarie Quiring-Zoche, Freiburg i.B.; R. S. = Renate Söh¬

nen, Tübingen; R. W. = Rotraud Wielandt, Bamberg; S. L. = Stefan

Leder, Frankfurt a.M.; T. al-S. = Tarif al-Samman, Wien; W. R. = Wolf¬

gang Röllig, Tübingen; W. S., B. = Webner Sundermann, Berlin; W. S.,M.

= Walter Schmitt, Mainz.

Zeitechrift der Deutschen Morgeniändischen Gesellschaft Band 138, Heft 1 (1988)

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