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Klassische Theoretische Physik I WS 2018/2019
Prof. Dr. J. Schmalian Blatt 6
M. Hecker, E. Kiselev und Dr. R. Willa L¨osungsvorschlag
1. Taylor-Entwicklung (10 + 15 = 25 Punkte)
(a) Betrachten zun¨achst die ersten beiden Ableitungen von f1(x) = ex und f2(x) = ln(1 +x).
df1(x)
dx =ex → df1(x)
dx
x=0= 1 d2f1(x)
dx2 =ex → d2f1(x)
dx2
x=0= 1 df2(x)
dx = 1
1 +x → df2(x)
dx
x=0= 1 d2f2(x)
dx2 = −1
(1 +x)2 → d2f2(x) dx2
x=0=−1 d3f2(x)
dx3 = (−1)22
(1 +x)2 → d3f2(x) dx3
x=0= 2
→ dkf2(x)
dxk = (−1)k−1(k−1)!
(1 +x)k−1 → dkf2(x) dxk
x=0
= (−1)k−1(k−1)!. Damit lauten die Taylorentwicklungenfi(x)≈fi(0) + dfdxi(x)
x=0x+12d2dxfi(x)2
x=0x2 f1(x) =ex≈1 +x+1
2x2 , (1)
f2(x) = ln(1 +x)≈x− 1 2x2 . Offensichtlich gilt f¨ur alle Koeffizienten dkdxf1k(x)
x=0 = 1, und damit lautet die Reihe der Exponentialfunktion
f1(x) =ex =
∞
X
k=0
1 k!
dkf1(x) dxk
x=0xk=
∞
X
k=0
1 k!xk.
F¨ur die Koeffizienten der Logarithmusfunktion finden wir (Wir verwenden diesen Ausdruck ohne Beweis.) dkdxf2k(x)
x=0= (−1)k−1(k−1)! f¨ur k≥1, und damit lautet die Reihe
f2(x) = ln(1 +x) =
∞
X
k=1
(−1)k+1(k−1)!
k! xk =−
∞
X
k=1
(−1)k k xk.
(b) Berechnen wir nun die ersten beiden Ableitungen der FunktionAn(x) = (1+x)1 n, dAn(x)
dx =−n(1 +x)−n−1 → dAn(x)
dx
x=0=−n d2An(x)
dx2 = (−1)2n(n+ 1) (1 +x)−n−2 → d2An(x) dx2
x=0
= (−1)2n(n+ 1) dkAn(x)
dxk = (−1)kn(n+ 1)· · ·(n+k−1) (1 +x)−n−k → dkAn(x) dxk
x=0= (−1)kn(n+ 1)· · ·(n+k−1) (2)
Halten wir zun¨achst fest wie die Taylorentwicklung aussieht, An(x)≈1−n x+1
2n(n+ 1)x2 . (3)
Anhand von (2) folgern wir, dass der allgemeine Ausdruck des Entwicklungskoeffi- zienten lautet
an,k= dkAn(x) dxk
x=0= (−1)kn(n+ 1)· · ·(n+k−1) = (−1)k (n+k−1)!
(n−1)! . Wir beweisen mittels vollst¨andiger Induktion. Das heisst, wir gehen davon aus, dass
dkAn(x) dxk
x=0 korrekt ist, und berechnen dk+1An(x)
dxk+1
x=0 = (−1)kn(n+ 1)· · ·(n+k−1) (−n−k)
= (−1)k(n+k−1)!
(n−1)! (−n−k)
= (−1)k+1(n+k)!
(n−1)!
=an,k+1 q.e.d.
Damit ergibt sich f¨ur die Reihe An(x) = 1
(1 +x)n =
∞
X
k=0
1 k!
dkAn(x) dxk
x=0xk=
∞
X
k=0
(−1)k k!
(n+k−1)!
(n−1)! xk . 2. Regentropfen bei Trockenheit (4 + 4 + 12 + 5 = 25 Punkte)
(a) Wir erhalten die Bewegungsgleichungen ¨uber Newtons Beschleunigungsgesetz, d.h.
m¨r(t) =X
i
Fi =−β πR2r(t)˙ −mgeˆz
¨
r(t) =−β πR2
m r(t)˙ −gˆez
¨
r(t) =− 3β ρ4R
| {z }
≡τ−1
˙
r(t)−gˆez. (4)
(b) Die Bewegungsgleichung (4) muss nat¨urlich zu allen Zeiten erf¨ullt sein, insbesondere auch zum Zeitpunkt t= 0. Betrachten wir diesen Zeitpunkt unter Verwendung der Anfangsbedingungen, r(0) = (0,0,0) und ˙r(0) = (0,0,0), sehen wir
¨ x(0)
¨ y(0)
¨ z(0)
=−τ−1r(0)˙ −
0 0 g
=−
0 0 g
.
Offenbar ist die Beschleunigung in x- und in y-Richtung ¨x(0) = ¨y(0) = 0, und damit wird der Tropfen in diesen beiden Richtungen seine Anfangsgeschwindigkeit
˙
x(t) = ˙x(0) = 0, y(t) = ˙˙ y(0) = 0 f¨ur alle Zeiten beibehalten. Ergo bleibt der Tropfen f¨ur alle Zeiten bei x(t) =x(0) = 0y(t) =y(0) = 0.
(c) Zu l¨osen bleibt also die Differentialgleichung
¨
z(t) =−τ−1z(t)˙ −g . (5)
Aufg.2 Aufg.3
2 4 6 8 10 t
-4 -3 -2 -1 vz
Abbildung 1: Geschwindigkeiten ˙z(t) aus den Aufgaben 2 und 3. Blau kennzeichnet Geschw.
(6) und orange Geschw. (12).
Dazu machen wir den Ansatz
˙
z(t) =ϕ(t)e−τ−1t
¨
z(t) = ϕ(t)˙ −τ−1ϕ(t)
e−τ−1t, und setzen diesen in (5) ein, und l¨osen f¨urϕ(t),
˙
ϕ(t)−τ−1ϕ(t)
e−τ−1t=−τ−1ϕ(t)e−τ−1t−g
˙
ϕ(t) =−geτ−1t
→ ϕ(t)−ϕ0 =−g Z t
0
dt0 eτ−1t0 =−gτ
eτ−1t−1
.
Mit der Anfangsbediung finden wir ˙z(0) = 0 =! ϕ(0) =ϕ0, und schliesslich lautet die Geschwindigkeit in z-Richtung
˙
z(t) =−gτ
eτ−1t−1
e−τ−1t=−gτ
1−e−τ−1t
. (6)
Betrachten wir nun die Grenzf¨alle kleiner Zeitentτ, d.h.τ−1t1, sowie grosser Zeitenτ−1t1 finden wir
˙
z(tτ)≈ −gτ 1−(1−τ−1t+. . .)
=−gt , (7)
˙
z(tτ)≈ −gτ 1−e−τ−1t
| {z }
1
=−gτ .
Hier haben wir die Taylorentwicklung (1) eingesetzt. Wir halten fest: F¨ur kleine Zeiten f¨allt der Tropfen wie ein reibungsfreies Teilchen; f¨ur grosse Zeiten hingegen erreicht er eine Maximalgeschwindigkeit (bei der sich Reibungskraft und Gewichts- kraft aufheben).
(d) Umz(t) zu finden integrieren wir (6) erneut ¨uber die Zeit, und erhalten z(t)−z0=−gτ
Z t 0
dt0
1−e−τ−1t0
=−gτ
t+τ(e−τ−1t−1) .
Mit der Anfangsbedingung bestimmen wir die Integrationskonstantez(0)= 0 =! z0, und finden schliesslich die Bahnkurve
z(t) =−gτ2
τ−1t+ (e−τ−1t−1) .
In den Grenzf¨allen ergibt sich entsprechend zu (7), z(tτ)≈ −gτ2
τ−1t+
(1−τ−1t+1
2τ−2t2. . .)−1
=−1 2gt2, z(tτ)≈ −gτ2 τ−1t
| {z }
1
+(e−τ−1t
| {z }
1
−1)
=−gτ t .
3. Regentropfen bei dichtem Nebel (8 + 5 + 3 + 23 + 5 + 6 = 50 Punkte) (a) In unserem Modell des Massenanstiegs soll gelten
dm(t)
dt =α4πR(t)2 , mitα >0. Mittels m(t) =ρV(t) =ρ43πR(t)3 ergibt sich
dm(t)
dt = 4πρR(t)2dR(t) dt
=! α4πR(t)2 , dR(t)
dt = α ρ ,
Integrieren wir diese Gleichung ¨uber die Zeit erhalten wir sofort R(t)−R(0) =
Z R(t) R(0)
dR= Z t
0
dt0dR(t0) dt0 =
Z t 0
dt0α ρ = α
ρt ,
→ R(t) =R0+ α ρt .
(b) Damit ergibt sich f¨ur die Bewegungsgleichungen (mit p(t) =m(t) ˙r(t))
˙
m(t) ˙r(t) +m(t)¨r(t) = ˙p(t) =X
i
Fi =−β πR(t)2r(t)˙ −m(t)gˆez
¨
r(t) =−m(t)˙
m(t)r(t)˙ − β πR(t)2
m(t) r(t)˙ −gˆez
¨
r(t) =− 3α
ρ +3β 4ρ
1
R(t)r(t)˙ −gˆez (8)
¨
r(t) =−3(β+ 4α) 4ρR0
| {z }
≡τ−1
1 1 +ρRα
0t
| {z }
κ(t)
˙
r(t)−gˆez , (9)
mit m(t)m(t)˙ = 4πρR(t)4 2 3πρR(t)3
dR
dt = R(t)3 αρ und 4β πR(t)2
3πρR(t)3 = 4ρR(t)3β . Damit finden wir die Funk- tion
κ(t) = 1 1 +ρRα
0t = 1
1 +3(β+4α)4α 3(β+4α)4ρR
0 t = 1
1 +γτ−1t ,
wobei wir das dimensionslose Verh¨altnisγ = 3(β+4α)4α = 13(1−β+4αβ )>0 eingef¨uhrt haben.
(b)(c) Zum Zeitpunktt= 0 lauten die Bewegungsgleichungen
¨ x(0)
¨ y(0)
¨ z(0)
=−
0 0 g
,
und mit den gleichen Argumenten wie in Aufgabe 2(b) ergibt sich daraus x(t) = y(t) = 0.
(d) Die zu l¨osende Differentialgleichung lautet also
¨
z(t) =−τ−1κ(t) ˙z(t)−g . (10) Hier wollen wir den Ansatz ˙z(t) =ϕ(t) exp
−τ−1Rt
0dt0κ(t0)
machen. (Die Ablei- tung des ExponentenRt
0dt0κ(t0) kann man leicht berechnen da tnur in der oberen Grenze des Integrals auftaucht. Damit lautet dessen Ableitung einfachκ(t), also der Integrand an der oberen Grenze ausgewertet. W¨urde der Integrand ebenfalls von t abh¨angen, m¨usste man die Ableitung a la Produktregel ausf¨uhren. Da wir κ(t) kennen k¨onnte man auch das Integral zuerst ausf¨uhren, und danach ableiten.) In jedem Fall lautet die Ableitung
¨
z(t) = ϕ(t)˙ −τ−1κ(t)ϕ(t) exp
−τ−1 Z t
0
dt0κ(t0)
, und damit wird die Differentialgleichung (10) zu
˙
ϕ(t)−τ−1κ(t)ϕ(t) exp
−τ−1 Z t
0
dt0κ(t0)
=−τ−1κ(t)ϕ(t) exp
−τ−1 Z t
0
dt0κ(t0)
−g
˙
ϕ(t) =−g exp
τ−1 Z t
0
dt0κ(t0)
. (11) Um hier Fortschritt zu machen, f¨uhren wir das Integral aus, d.h.
τ−1 Z t
0
dt0κ(t0) =τ−1 Z t
0
dt0 1
1 +γτ−1t0 =
t=γτˆ −1t0
dtˆ
dt0 =γτ−1
=γ−1
Z γτ−1t 0
dˆt 1 1 + ˆt
=γ−1ln(1 +γτ−1t). Eingesetzt in (11) ergibt sich
˙
ϕ(t) =−gexp 1
γ ln(1 +γτ−1t)
˙
ϕ(t) =−g exp ln(1 +γτ−1t)1γ
˙
ϕ(t) =−g 1 +γτ−1t1γ . Diese Funktion k¨onnen wir integrieren und erhalten
ϕ(t)−ϕ0=−g Z t
0
dt0 1 +γτ−1t0γ1
=−g1 γτ 1
1
γ+ 1 1 +γτ−1t01γ+1
t 0
=−g τ 1 +γ
1 +γτ−1tγ1+1
−1
.
Um die Integrationskonstante ϕ0 zu bestimmen vereinfachen wir zun¨achst die Ge- schwindigkeit, also
˙
z(t) =ϕ(t) exp
−τ−1 Z t
0
dt0κ(t0)
=ϕ(t) exp
−1
γ ln(1 +γτ−1t)
=ϕ(t) 1 +γτ−1t−1
γ .
Nun sehen wir, dass aus ˙z(0) = 0 automatisch folgt ϕ(0) = 0 und damit ϕ0 = 0.
Die Geschwindigkeit lautet also
˙
z(t) =−g τ 1 +γ
1 +γτ−1t− 1 +γτ−1t−1
γ
, f¨ur beliebiges Verh¨altnis γ.
(e) Verwenden wir nun, dass gilt γ = 13 (das entspricht dem Fall β = 0, in dem keine Luftreibung betrachtet wird.), so lautet die Geschwindigkeit
˙
z(t) =−g3τ
4 1 +1
3τ−1t− 1 1 +13τ−1t3
!
. (12)
In den Grenzf¨allen kleiner und grosser Zeiten finden wir damit
˙
z(tτ)≈ −g3τ 4
1 +1
3τ−1t−(1−31
3τ−1t+. . .)
=−gt , (13)
˙
z(tτ)≈ −g3τ 4
1 +1
3τ−1t
| {z }
1
− 1
1 +13τ−1t3
| {z }
1
=−1 4gt .
In (13) haben wir die Entwicklung (3) eingesetzt.
(f) Integrieren wir also (12) um die Trajektorie zu erhalten, z(t)−z0 =−g3τ
4 Z t
0
dt0 1 +1
3τ−1t0−
1 +1 3τ−1t0
−3!
=−g3τ
4 t+τ−1 6 t2+1
23τ
1 +1 3τ−1t0
−2
t 0
!
=−g3τ2
4 τ−1t+1
6τ−2t2+3 2
( 1 +1
3τ−1t −2
−1 )!
.
Aus der Anfangsbedingung folgt z(0) = 0 =! z0. In den Grenzf¨allen kleiner und grosser Zeiten finden wir damit
z(tτ)≈ −g3τ2 4
τ−1t+1
6τ−2t2+3 2
1−21
3τ−1t+ 3(1
3τ−1t)2. . .
−1
=−1 2gt2, (14)
z(tτ)≈ −g3τ2 4 τ−1t
1 +1
6τ−1t
| {z }
1
+ 3
2τ−1t
| {z }
1
n 1 +1
3τ−1t −2
| {z }
1
−1o
=−1 8gt2.
In (14) haben wir die Entwicklung (3) eingesetzt.
Vergleichen wir die Resultate der Aufgaben 2 und 3:
In Abb.1 sehen wir wie sich in beiden F¨allen die Geschwindigkeiten verhalten. Zu Beginn des Fallens ist die Geschwindigkeit noch sehr klein, und damit der Einfluss der Reibungskraft (bzw. der durch den Massenanstieg simulierten Reibung ˙mr)˙ vernachl¨assigbar. In diesem Bereich fallen beide Tropfen wie ein “ohne Reibung fallender K¨orper”. W¨ahrend die Geschwindkeit f¨ur grosse Zeiten in Aufgabe 2 einen Maximalwert annimmt, an dem die Reibungskraft die Gewichtskraft aufhebt, wird
der Tropfen in Aufgabe 3 mit vermindertem g-Faktor weiter beschleunigt.
Zusatz: Dies kann man auch direkt aus der Differentialgleichung
¨
z(t) =−τ−1 1
1 +γτ−1tz(t)˙ −g . (15) ableiten. Nehmen wir dazu an f¨ur grosse Zeiten verh¨alt sich die Geschwindigkeit wie ˙z(t) =µ tη mit einer belieigen Potenz η∈R und Vorfaktorµ. Damit lautet die dazugeh¨orige Beschleunigung ¨z(t) = µηtη−1. Setzen wir beides in (15) ein, ergibt sich f¨ur grosse Zeiten
¨
z(t) =−τ−1 1
γτ−1tz(t)˙ −g µηtη−1=−1
γ µ tη−1−g 0 = (−1
γ −η)µtη−1−g .
Damit die letzte Gleichung f¨ur beliebige Zeiten erf¨ullt ist, k¨onnte entwederη=−1γ und g = 0, was nat¨urlich quatsch ist. Die einzig andere M¨oglichkeit ist, dass gilt η= 1. Mit dieser Wahl erh¨alt man
0 = (−1
γ −1)µ−g
→ µ= −g
1 +γ−1 = −g 4 ,
und damit ˙z(t) =−14gtin Uebereinstimmung mit unserer Rechnung.