Nachwort. 227
sonderer Wichtigkeit ein Holzblockdruck in zeutralasiatischer Brähmi,
den Grünwedel von seiner Expedition nach Chinesisch-Turkestän
mitgebracht hat. Pischel*) bespricht ausführlich diesen S'und,
der das Vorhandensein eines Sanskritkanons beweist, welcher, un¬
abhängig von der südlichen Aufzeichnung in Päli-Sprache, eine
credrängtere, ganz selbständige Darstellung hatte. Die Bruchstücke,
deren Text Pischel mitteilt, gehören dem Samyuktägama an und
beweisen dessen Unabhängigkeit von dem Sarayüttanikäya der süd¬
lichen Schule. Wie Hub er*) ergänzend bemerkt, entsprechen die ver¬
öffentlichten Fragmente 6 Sütras der chinesischen Übersetzungen des
Samyuktägama, von denen die erste, unvollständige, 350—431 n. Chr.,
die zweite 420—479 entstanden ist. In beiden Übersetzungen folgen
die Stücke in der Ordnung der Fragmente aufeinander.
An die äußerste Grenze indischer Kultur im Osten, nach Indo-
Ohtna, führt ein Bericht von P u 116 *) über den Kongreß zu Hanoi.
Volkstypen, ein Bericht über den ethnologischen und archäologischen
Atlas von Indo-China, ein Kapitel über Campä und seine Denk¬
mäler, endlich eine Schilderung von Tonkin und den Verhandlungen
des Kongresses beleben die von vielen Abbildungen begleitete
Darstellung.
Nachwort.
„Der Not gehorchend, nicht dem eignen Trieb* lasse ich auch
dem diesjährigen Jahresberichte einige kurze Bemerkungen folgen.
Das neue Untemehmen hat auf verschiedenen Seiten Wider¬
sprach hervorgerafen, z. T. aber nur deshalb, weil man seine Ver¬
anlassung und seinen Zweck verkannt hatte. Näheres darübei
enthält der protokollarische Bericht über unsere letzte Allgemeine
Versammlung, die diese Dinge sehr eingehend erörtert hat — mit
dem Resultate, daß mit allen gegen 1 Stimme die Fortsetzung des
Berichts beschlossen wurde (s. ZDMG. 58, LHI ff.). Ich würde mich
mit diesem Hinweis begnügen, wenn ich annehmen könnte, daß die
geschäftlichen Teile unserer Zeitschrift bei allen Mitgliedem die
gebührende Beachtung finden. Da eine solche Annahme aber, wie
ich wiederholt konstatiert habe , irrig sein würde , drucke ich zur
Vermeidung weiterer Mißverständnisse hier noch einmal die wichtig¬
sten Sätze meines letzten Redaktionsberichts ab, soweit sie sich mit
dem Jahresbericht beschäftigen.
1) K. Pischel: Bruchstücke des Sanskritkanons der Buddhisten aus Idykutsari, Chinesisch-Turkestän. Mit 3 Tafeln. (Sitzungsherichte d. kgl. preufi.
Ak. d. W. 1904, S. 807—827.)
2) in: Bulletin de l'Ecole Franfaise d'Extreme-Orient IV, S. 473—474.
3) F. L. Pull 4: II Cougresso di Hanoi per gli Studi dell' Kstremo Oriente. 138 S. (Studi Italiani di Filologia Indo-iranica. Vol. VI.)
228 Wüsenaehaftlicker Jahresherichl.
,Der wissenschaftliche Jahresbericht verdankt seine Ent¬
stehung, oder, wenn man so will, seine Wiedererweckung, nicht
der Initiative der Redaktion oder überhaupt des geschäftsführenden
Vorstands, sondem der Tatsache, daß er vor 2 Jahren in Hamburg
von einer besonders stark besuchten Allg. Versammlung mit so
grosser Majorität gevriinscht worden ist, daß der geschäftsführende
Vorstand in seiner Eigenschaft als ausführendes Organ der Allg.
Versammlung es für seine Pflicht hielt, diesem Desiderium nach¬
zukommen. Der Jahresbericht sollte nach den Intentionen des
geschäftsführenden Vorstands nicht eine möglichst reichhaltige oder
gar vollzählige Anhäufung von Bücher- und Aufsatztiteln darstellen,
sondem, wie ich es in meinem Nachwort (S. 293) formuliert habe,
„die wissenschaftliche Bewegung der einzelnen Jahre nur in großen
Zügen, gewissermaßen aus der Vogelperspektive, zeichnen." Er
sollte ferner, entsprechend den in Hamburg geäußerten Wünschen,
die Mitglieder unsrer Gesellschaft weniger über die Fortschritte
auf ihrem eigenen als auf den benachbarten Studiengebieten unter¬
richten " (a. a. 0., S. LVIII).
Diese Ausführangen zeigen, daß der Jahresbericht nicht sowohl
bibliographischen , als rein wissenschaftlichen oder wissenschafts¬
geschichtlichen Zwecken dienen (also natürlich auch Scherman's
mustergiltiger ,0r. Bibliographie" keine Konkurrenz machen) soll,
und daß man kein Recht hat, ihn ausschließlich vom Standpunkte
des Bibliographen aus zu beurteilen. Immerhin schien es mir an¬
gezeigt, daß die Bücher und Aufsätze, die er namhaft macht, nicht
regellos nach freiem Belieben der Bearbeiter, sondem nach festen
bibliographischen Grandsätzen verzeichnet würden, und so habe ich
den Herren Kollegen, denen wir den Jahresbericht zu danken haben,
ein bezügliches, auch Verlagsfirma, Format, Seitenzahl und Preis
der Bücher berücksichtigendes Schema unterbreitet, mit der Bitte,
sich tunlichst darnach richten zu wollen. Diese sind bereitwillig
auf meine Absichten eingegangen. Wo ich bei der Prüfung der
Teilbericbte trotzdem noch Lücken, Wiederholungen oder üngleich-
mäßigkeiten fand, habe ich persönlich nachzuhelfen gesucht, soweit
ich ohne unverhältnismäßigen Zeitverlust (ich habe alles in allem
doch gegen 20 Stunden auf diese Arbeit verwandt!) dazu im
stände war. Auf diese Weise dürfte jetzt der Bericht nach der
bibliographischen Seite hin auch strengeren Anforderangen genügen.
Strengsten allerdings noch nicht. So haben, wie der bibliographische
Fachmann vermutlich sofort mit Entsetzen! wahrgenommen haben
wird, einige Bearbeiter — allerdings gegen meine Intention — von
den Vornamen der Verfasser konsequent nur die Initialen gegeben,
statt sie, wie es das bibliographische Gesetz (doch wohl noch immer?)
will, genau so wiederzugeben wie sie auf den betr. Titeln stehen —
von kleineren Mängeln zu schweigen ! Aber einmal ist Vollkommen¬
heit auf bibliographischem Gebiete bekanntlich überhaupt unmög¬
lich und sodann gilt aucb hier: .Practice makes perfect!" Der
2 2 *
Nachwort. 229
nächstjährige Bericht wird, wie ich hoflfe, wieder einige weitere
Mängel abgestreift haben.
Was die vorliegende Leistung im übrigen anlangt, so läßt sie,
da diesmal Beer viel eingehender geworden ist als seine Mit¬
arbeiter, allerdings wieder das nötige Gleichmaß ihrer Teile ver¬
missen. Aber unbedingte Proportionalität wird hier gleichfalls nie
zu erzielen sein, und außerdem kann sich Beer darauf berufen, daß
auf alttestamentlichem Gebiete , namentlich wenn man , wie er es
mit Eecht tut, auch die so wichtigen Grenzgebiete mit einbezieht,
die Zahl der Publikationen viel größer und damit auch die Aus¬
wahl entsprechend schwieriger ist als auf den übrigen im Jahres¬
bericht vertretenen Gebieten. Auch ist es wenigstens mir persön¬
lich sehr recht, wenn das Alte Testament in unsrer Zeitschrift
allmählich wieder eine größere Eolle spielt : schon wegen der zahl¬
reichen christlichen und jüdischen Vertreter alttestamentlicher Dis¬
ziplinen, die unsre Gesellschaft zu Mitgliedern hat. Jedenfalls habe
ich es nicht für angebracht gehalten, Beer die Streichung größerer
Partien seines so gewissenhaften Berichts zuzumuten und ihm auf
diese Weise die Lust zu weiterer Mitarbeit gründlich zu verderben.
Nöldeke hat Protest dagegen erhoben, daß der Bericht pronon¬
cierte Werturteile enthalte (s. seinen Brief ZDMG. 58, LXf), und
die letzte AUg. Versammlung hat ihm darin im großen und ganzen
Eecht gegeben. Das tue auch ich , möchte meinerseits aber doch
nicht so weit gehen, den Berichterstattern, die doch bei ihrer nicht
ganz leichten Aufgabe Vertrauen zu fordem berechtigt sind, die
Unterdrückung schlechthin jeden Urteils zuzumuten , bin vielmehr
der Ansicht, daß sie da, wo ihnen die Abgabe eines bestimraten
— natürlich streng sachlichen — Urteils im Interesse ihrer Wissen¬
scbaft geboten erscheint, zu einem solchen auch berechtigt sein
müssen, vorausgesetzt, daß sie es so eingehend begründen, als der
ibnen zur Verfügung stehende Eaum nur immer erlaubt, und daß
sie im übrigen alle Verantwortung dafür übernehmen. Dieser An¬
sicht sind, wie ich von ihnen weiß, auch andre Mitglieder unsrer
Gesellschaft, und schließlich denkt vielleicht auch Nöldeke über
diesen Punkt nicht wesentlich anders. Ich habe mich aber diesmal
in meiner Instruktion für die Hen-en Berichterstatter darauf be¬
schränkt, sie kurz um strenge Sachlichkeit und Vermeidung scharfer
Werturteile zu bitten. Obgleich die Befolgung dieser Vorschrift
den temperamentvolleren unter ibnen nicht immer ganz leicht ge¬
fallen sein wird , so hat sich ihr doch , wie ich konstatieren zu
können glaube, keiner entzogen.
Schließlich erwähne ich noch , daß sich seit der letzten Allg.
Versammlung eine weitere Stimme gegen den Jahresbericht aus¬
gesprochen hat (diese unter Befürwortung der bibliographischen
„Übersichten", die ich letztes Jahr zur Diskussion gestellt hatte),
dagegen mehrere dafür. Näheres darüber ev. auf der nächsten
Allg. Versammlung. DerRedakteur.
230
Aus Notwehr.
Zufolge Ankündigung der Herren Verleger (K. J. Trübner und
Otto Harrassowitz^)) werden demnächst „Avesta, Pahlavi, and Ancient
Persian Studies in Honour of the late Shams-ul-ülama Dastur
Peshotanji Behramji Sanjana' erscheinen. Artikel Nr. XVI der auf
262, LXXXIV S. angegebenen , also völlig fertig gestellten „First
Series* ist als „Horn, Paul, The Old Persian Inseriptions at Behistan,
transliterated with philological annotations" bezeichnet. Zu der
Verwendung dieses Aufsatzes in dem Memorial Volume habe ich
erstens keine Erlaubnis erteilt, zweitens habe ich es überhaupt seiner
Zeit abgelehnt, den mir übersandten „Eough Proof* vom 21. I. 03
(das Manuskript war im Dezember 1900 eingesandt) zu korrigieren.
Statt meinen die Korrektur verweigernden Gründen nachzugeben,
hat Herr Darab Dastur Peshotan Sanjana den Artikel in der ver¬
ballhornten Form , die er ihm zu geben sich eigenmächtig erlaubt
hatte, jetzt unkorrigiert von mir dem Memorial Volnme eingefügt,
während er ihn als ein Übungsbuch für Kandidaten des Sir Jam¬
shedji Zoroastrian Oriental College in Bombay erbeten und erhalten
hatte. Selbst wenn er an sich korrekt gedruckt erscheinen sollte
— was ich nach dem , Rough Proof" sehr bezweifeln darf — so
muß ich auch aus dem Grunde gegen seine Veröffentlichung prote¬
stieren , weil ich keine Gelegenheit gehabt habe , ihn inhaltlich bei
der Korrektur zu revidieren und die Verbesserungen anzubringen,
die das Jahr und Tag ungedruckt liegengebliebene Manuskript ganz
natürlich erfordert haben wird. x> «,■■ i tr « _ „
[1) Herr Otto Harrassowitz teilt mir liierzu mit, daß er, ebenso wie
Herr K. J. Trübner, an dem Vorgeben des Herrn Darab Dastur Pesbotan
Sanjana natUrlicb völlig unschuldig ist und daß er auf einen bezüglichen Brief Horn's hin den Verkauf des Bandes bis auf weiteres sistiert hat.
Der Redakteur.]