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5 Wirbelströmungen
Der Grosse Rote Fleck auf dem Jupiter: Ein Wirbel von ca. 25’000 km Durchmesser, der seit über 300 Jahren existiert. Bild von Voyager 1
(http://nssdc.gsfc.nasa.gov/image/planetary/jupiter)
5.1 Wirbelstärke („vorticity“)
Die Wirbelstärkeζ (engl. „vorticity“) charakterisiert innere Drehbewe- gungen in einer Flüssigkeit, und ist definiert als
×v
∇
=
ζ (5.1)
27 Beispiel 1:Starre Rotation
Starre Drehbewegung mitω= const.:
(
−ωy, ωx, 0)
=
v (5.2
ω
ζ =2
∂
−∂
∂
=∂
y v x vy x
z (5.3
Beispiel 2: Strömung mit Scherung
Am Hindernis:
u(y)≠const.
ζ ≠0 Vor Hindernis:
u(y) = const.
ζ= 0
(
u(y), 0, 0)
=
v (5.4)
y u
z ∂
−∂
ζ = (5.5)
Viskose Reibung am Hindernis verändert die Vorticity: Viskosität erzeugt Wirbel.
5.2 Zirkulation
Der Satz von Stokes verknüpft die Wirbelstärke mit der ZirkulationΓ
∫
⋅≡
Γ v ds (5.6)
Nach dem Satz von Stokes ist also
( ) ∫∫
∫∫
∫
⋅ = ∇× ⋅ = ⋅≡
Γ v ds v dA ζ dA (5.7)
28
5.3 Wirbellinien
Weil
(
∇×)
=0⋅
∇ v ) (5.8)
gilt für die Wirbelstärke:
ζ=0
⋅
∇ (5.9)
In Analogie zu den Stromlinien kann man nun Wirbelfäden definieren als Linien, die überall Tangenten an die lokale Wirbelstärke sind, und Wir- belröhren als Bündel von Wirbelfäden (Gebiete mit einer Mantelfläche aus Wirbelfäden).
Wegen∇⋅ζ=0 können Wirbelfäden nicht in der Flüssigkeit enden, sie bilden also entweder geschlossene Schleifen, führen ins Unendliche oder enden auf Oberflächen (woζ = 0).
(Bild aus Panton).
29 Es existieren starke Analogien zwischen Wirbelströmungen und Magnet- feldern:
Wirbelfäden ⇔ Magnetfeldlinien Vorticityζ ⇔ Feldstärke B Geschwindigkeit v ⇔ Vektorpotential A
(Die Analogie umfasst beispielsweise auch das Phänomen der Rekon- nexion).
5.4 Die Vorticity-Gleichung
Die Gleichung für die Vorticity erhalten wir durch Bildung der Rotation der Bewegungsgleichung (3.18)
( )
− ∇ + ∇ + ∇∇⋅ +
×
∇
=
+ ⋅∇
∂
× ∂
∇ v v v ν v ν v F
ρ 3
2 1 ) 1
( p
t (5.10
Um den zweiten Term auf der linken Seite umzuformen verwenden wir die folgenden Identitäten aus der Vektoranalysis:
(
a⋅∇)
a=∇ 2+(
∇×a)
×aa2 (5.11)
( )
∇ =0×
∇ ϕ (5.12)
(
a×b) (
= ∇⋅b) (
a− ∇⋅a) (
b− a⋅∇) (
b+ b⋅∇)
a×
∇ (5.13)
und für den Viskositätsterm
(
a) (
a)
a=∇ ∇⋅ −∇× ∇×
∇2 (5.14)
zusammen mit (5.8), (5.9) und (5.12).
Damit wird die Vorticity-Gleichung:
(
v) (
v) ( )
v + ∇ +∇×F
∇
×
∇
−
∇
⋅ +
⋅
∇
−
=
∇
⋅
∂ +
∂ζ ζ ζ ζ 1ρ p ν 2ζ
t
(5.15) Ist die Flüssigkeit ausserdem inkompressibel und enthält F nur konserva- tive Kräfte, wird die Vorticity-Gleichung zu
( )
ζ(
ζ)
ζζ+ ⋅∇ = ⋅∇ + ∇2
∂
∂ v v ν
t (5.16)
Diese Gleichung enthält F und den Druck überhaupt nicht mehr, sie ist homogen inζ. Die zeitliche Änderung der Vorticity ist gegeben durch
30 Advektion, Erzeugung von Vorticity durch Geschwindigkeitsgradienten, und Diffusion von Vorticity durch viskose Reibung.
5.5 Freie Wirbel
v z
Wir stellen uns eine Wirbelröhre parallel zur z-Achse vor, in der die Vorticity nur in einem begrenzten Gebiet G um die z-Achse von Null ver- schieden ist . Für jede geschlossene Kurve um die z-Achse ausserhalb der Wirbelröhre ist die Zirkulation
const.
ζ⋅ =
=
Γ
∫∫
dA (5.17)Verkleinert man nun G bei konstanter ZirkulationΓ, so erhält man durch den Grenzübergang G→0 einen Linienwirbel („line-vortex“), in dem die Vorticity überall ausser auf der z-Achse Null ist. Für die Geschwindigkeit gilt
( )
, 0, 2
0 = Γ =
= z
r v
r r v
v ϕ π (5.18)
Dies ist eine Wirbelströmung, in der die Rotation überall verschwindet, ausser auf der z-Achse, wo die Geschwindigkeit singulär ist.