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Verwendung von Natriumbicarbonat zur Neutralisation saurer Bestandteile in Abgasen

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Verwendung von Natriumbicarbonat zur Neutralisation saurer Bestandteile in Abgasen

Thomas Bauer

1. Charakterisierung des Produktes Natriumbicarbonat ...602

2. Verfahrensbeschreibung ...603

2.1. Verfahrensablauf ...603

2.2. Chemische Reaktionen ...604

2.3. Thermische Aktivierung ...605

2.4. Wichtige Parameter für optimalen Betrieb...606

3. Abscheideleistungen ...607

3.1. Abscheidung von HCl und SO2 ...607

3.2. Verfahrenssteuerung ...608

3.3. Schadgasspitzen ...608

3.4. Kombination mit DeNOx-Verfahren ...609

4. Energieeffizienz ...609

5. Recycling der Reaktionsprodukte ...612

6. Quelle ...613 Das SOLVAir-Trockenverfahren unter Verwendung von Natriumbicarbonat BICAR als Absorptionsmittel ermöglicht mit einfacher Anlagentechnik die unkomplizierte und effiziente Reinigung von Abgasen aus den unterschiedlichsten Prozessen. Die Abgasreinigungsprodukte können entweder direkt im erzeugenden Prozess oder nach Aufbereitung in der chemischen Industrie verwertet werden. Trotz der einfachen An- lagentechnik lassen sich mit diesem Trockenverfahren die Grenzwerte der europäischen Richtlinie 2010/75/EU mühelos erreichen und bei Bedarf auch deutlich unterschreiten.

Die mögliche Verwertung der natriumhaltigen Reaktionsprodukte ist im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung zukunftsweisend.

Das verwendete Reaktionsmittel Natriumbicarbonat – seit langem bekannt u.a. als Backpulver – wird seit mehr als 100 Jahren großtechnisch hergestellt. Es setzt sich nach Eindüsung in den Abgaskanal bei den dort herrschenden Temperaturen oberhalb 140 °C spontan zu Natriumcarbonat (Soda) um. Die auf diese Weise erzeugte Soda weist eine sehr hohe und reaktive innere Oberfläche auf, an der die Neutralisation der sauren Komponenten unmittelbar stattfindet. Diese sogenannte Thermische Aktivierung des Natriumbicarbonates ist Voraussetzung für die hohe Effizienz bei der anschließenden Neutralisation der sauren Abgaskomponenten.

(2)

1. Charakterisierung des Produktes Natriumbicarbonat

Natriumbicarbonat – auch als Natriumhydrogencarbonat oder doppelt kohlensaures Natron bekannt – wird neben der Anwendung als Sorbens in der Abgasreinigung in vielen anderen Bereichen eingesetzt. Neben der Verwendung als Backpulver bewirkt es in Brausetabletten im Zusammenwirken mit einer Säure den Sprudeleffekt. Bekannt sind Nahrungsergänzungsmittel wie Vitamin- und Mineraltabletten, im Arzneimittelbereich vor allem die Kombination mit Acetylsalicylsäure als Schmerzmittel sowie die Ausnutzung der Säure neutralisierenden und puffernden Wirkung bei Übersäuerung des Magens (Sodbrennen). Auch bei der Hämodialyse, der Blutwäsche nierenkranker Patienten, wird das Produkt eingesetzt. Ebenso wird Natriumbicarbonat in der Tierernährung seit langem erfolgreich verwendet.

Für die verschiedenen Anwendungsbereiche gibt es entsprechende, hierfür geeignete Produktqualitäten, die von der technischen (z.B. für die Abgasreinigung, chemische Industrie usw.) über die Lebensmittel- (zugelassen als Lebensmittelzusatzstoff E500) bis hin zur pharmazeutischen Qualität reichen.

Natriumbicarbonat ist ein weißes, geruchsneutrales Pulver. Es ist problemlos zu hand- haben, denn es ist:

• nicht reizend,

• nicht ätzend,

• nicht toxisch,

• kein Gefahrstoff,

• kein Gefahrgut.

Bild 1:

Schematische Darstellung der Abgasreinigung und des Recy- clings der Reaktionsprodukte

Natriumbicarbonat

Rohgas Luftreinhaltung Reingas

Natriumhaltige Reaktionsprodukte

Nachhaltiges Recycling Wiederverwertbares Produkt

(3)

2. Verfahrensbeschreibung 2.1. Verfahrensablauf

Das Bild 2 zeigt ein vereinfachtes Schema des Verfahrens bei Einsatz in der thermischen Abfallbehandlung:

SNCR (optional)

Abfälle

Energiegewinnung Strom Dampf

HCI SOx

Vorent- staubung

Natrium- bicarbonat-Silo

Mühle

Adsorptions- mittel

Reak- tor

Schlauch- filter

NH3

Einhaltung der Richtlinie 2010/75/EU

SCR DeNOx

Wärme- rüchge- winnung (empfoh- len)

Kamin

Natriumhaltige Reaktionsprodukte Flugasche

auf dem Weg zur vollständigen Abfallvermeidung.

Bild 2: Vereinfachtes Schema der Anwendung in der thermischen Abfallbehandlung Schritt 1 Um das spätere Recycling der Reaktionsprodukte zu erleichtern, empfiehlt sich vor der Neutralisation zunächst eine Vorentstaubung zur Entfernung der Flugaschen. Für die Abgasreinigung selbst ist diese Vorentstaubung in der Regel nicht erforderlich.

Schritt 2 Das Natriumbicarbonat wird in einem Silo oder einer Schüttgutbehälter-Station gela- gert. Mit einer Dosiervorrichtung wird es aus dem Silo abgezogen und in eine Mühle gefördert, wo es auf eine für die Abgasreinigung optimale Korngröße aufgemahlen wird. Das gemahlene Natriumbicarbonat wird in den Abgasstrom eingedüst, um die im Gas vorhandenen Säuren zu neutralisieren, insbesondere:

• Chlorwasserstoff (HCl)

• Schwefeloxide (SOx)

• Fluorwasserstoff (HF)

Zusammen mit Aktivkohle oder -koks erlaubt das Verfahren auch die Adsorption von Schwermetallen und organischen Mikroverunreinigungen.

Schritt 3 Die festen natriumhaltigen Reaktionsprodukte, die bei der Neutralisation entstehen, werden im Gewebefilter abgeschieden und stehen bereit zum nachhaltigen Recycling. Ihre Haupt- bestandteile sind Natriumchlorid, Natriumsulfat, Natriumfluorid und Natriumcarbonat.

(4)

Schritt 4

Ein DeNOx-Katalysator erlaubt die Reduktion von NOx auf die strengsten Grenzwerte, die von der jeweils relevanten Gesetzgebung vorgeschrieben werden. Dank der her- vorragenden Wirksamkeit von Natriumbicarbonat bei der SOx-Abscheidung ist bei üblichen Kesselaustrittstemperaturen eine Wiederaufheizung der Gase meist nicht notwendig. Hierauf wird in Kapitel 3 und 4 noch ausführlicher eingegangen.

Schritt 5

Ein Wärmeaustauscher vor dem Kamin erhöht die Wärmerückgewinnung und damit die Menge an verwertbarer bzw. vermarktbarer Energie.

Schritt 6

Die gereinigten Gase werden zum Kamin weitergeleitet. Das Natriumbicarbonat-Ver- fahren kann leicht angepasst werden, um auch zukünftigen, möglicherweise strengeren Vorschriften für Emissionsgrenzwerte zu genügen.

2.2. Chemische Reaktionen

Die folgenden Gleichungen beschreiben die Neutralisationsrekationen zwischen der Alkali-Komponente Natriumbicarbonat und den sauren Gaskomponenten HCl, SOx und HF zu den entsprechenden Neutralisationssalzen. Anhand des ebenfalls ange- gebenen Massenverhältnisses zwischen Reaktionsprodukt und Sorptionsmittel ist zu erkennen, dass diese Reaktionen durch Freiwerden von CO2 und H2O unter Masse- verlust ablaufen, d.h. dass immer weniger Reststoffe entstehen als Natriumbicarbonat eingesetzt wurde. Dies führt zu einer wesentlich geringeren Menge an zu verwertenden Reststoffen als bei Verwendung anderer Sorptionsmittel.

Vereinfachte chemische Reaktionen:

NaHCO3 + HCI NaCl + CO2 +

2

NaHCO3 + SO2 1/2

O2 Na2SO4 2

H2O H2O

H2O

H2O CO2

CO2

CO2 Na2SO4

NaF SO3

HF NaHCO3

NaHCO3 2

+

+

2.301 1 1.602

1 2.625

2.100 1

1 4.200

2.218

1.775

2.100

0.696

0.845

0.845

0.500

Bild 3: Vereinfachte chemische Reaktionen

(5)

Die Zahlen unter den Molekülen geben jeweils die stöchiometrisch benötigten Mengen in kg an, d.h. zur Neutralisation von z.B. 1 kg HCl benötigt man theoretisch 2,301 kg Natriumbicarbonat, und es entstehen 1,602 kg NaCl. Somit beträgt das Verhältnis der enstehenden Menge an Reaktionsprodukt zur eingesetzten Menge an Natriumbicar- bonat 0,696.

2.3. Thermische Aktivierung

Wird Natriumbicarbonat erwärmt, so wandelt es sich entsprechend nachstehender Gleichung in Natriumcarbonat um:

NaHCO3 + CO2 +

2 Na2CO3 H2O

Bild 4:

Thermische Aktivierung von Natriumbicarbonat

Diese Umwandlung stellt die Schlüsselreaktion dar, die dem Verfahren seine sehr hohe Effizienz bei der Neutralisation von sauren Gaskomponenten verleiht. Das aktivierte Natriumcarbonat weist eine große und hochaktive innere Oberfläche auf. Da dieses Natriumcarbonat unmittelbar nach dem Eindüsen im Abgaskanal entsteht und dann sofort mit den Schadgasen in Kontakt kommt, ergeben sich höchste Abscheidegrade bei minimalem stöchiometrischen Überschuss.

Die nachstehenden Bilder zeigen rasterelektronenmikroskopische Aufnahmen des Natriumbicarbonates vor bzw. des Natriumcarbonates nach der Aktivierung.

Bild 5: Natriumbicarbonat vor der thermi-

schen Aktivierung Bild 6: Aktiviertes Natriumcarbonat Um die Aktivierung möglichst schnell und vollständig ablaufen zu lassen, sollte das Natriumbicarbonat bei Abgastemperaturen > 140 °C eingedüst werden.

(6)

2.4. Wichtige Parameter für optimalen Betrieb

Korngröße des Natriumbicarbonates

Wie der Filter ist auch die Mühle ein Schlüsselelement im SOLVAir-Natriumbicarbo- natverfahren. Je feiner die Korngröße, desto größer die Kontaktoberfläche. Dies erhöht die Effizienz.

Ein Vermahlen auf d90 < 35 µm (d.h. 90 Gew.-% aller Partikel haben einen Durchmesser kleiner als 35 µm) wird zur Absenkung der HCl-Konzentration bis auf 10 mg/Nm3 empfohlen (thermische Abfallverwertungsanlagen).

Ein geringerer Emissionswert für HCl und/oder Abscheidegrade für SOx von über 80 % erfordern einen d90-Wert von unter 20 µm, um den Natriumbicarbonat-Verbrauch zu optimieren.

Mischung mit dem Abgas

Damit das Verfahren seine optimale Leistung entfaltet, ist eine homogene Durch- mischung erforderlich. Für Abgaskanäle mit einem Querschnitt von mehr als 1 m2 sollte das Natriumbicarbonat zur gleichmäßigen Verteilung über den Querschnitt an mehreren Stellen des Kanals eingedüst werden. Die Verweilzeit zwischen Eindüsestelle und Eintritt in das Gewebefilter soll mindestens 2 s betragen.

Gewebefilter

Das Filter bildet einen grundlegenden Bestandteil des Verfahrens mit Natriumbicar- bonat. Es wirkt nicht nur als Entstaubungsanlage, sondern auch als Reaktor. Die Neu- tralisationsreaktion beginnt bereits, sobald das Natriumbicarbonat nach der Eindüsung mit den sauren Gasen in Berührung kommt.

Vorteil des Gewebefilters: hier bildet das Natriumbicarbonat einen homogenen Fil- terkuchen, der die gesamte Filteroberfläche bedeckt. In diesem Filterkuchen findet eine Nachreaktion mit den sauren Gaskomponenten statt, so dass die Einhaltung auch niedrigster Emissionsgrenzwerte bei gleichzeitig optimiertem Verbrauch und geringen Überschussmengen möglich wird.

Aufgrund der hohen Reaktivität des eingesetzten Natriumbicarbonats genügt in der Regel ein Überschuss entsprechend Stöchiometriezahlen zwischen 1,1 und 1,2 zur Realisierung hoher Abscheidegrade, wie sie bei thermischen Abfallbehandlungsanlagen und Ersatzbrennstoff-Kraftwerken erforderlich sind.

Staub- und Feuchtegehalt

Auch bei hohem Staub- oder Feuchtegehalt der Rohgase erlaubt Natriumbicarbonat sehr hohe Abscheidegrade für Schadstoffe.

Einfluss der Temperatur

Während bei vielen Verfahren die Temperatur eine wesentliche Einflußgröße für die er- zielbaren Abscheidegrade darstellt, ist die Reaktivität von Natriumbicarbonat über einen weiten Temperaturbereich etwa gleichbleibend. Bei den meisten Anwendungen liegen die Temperaturen zwischen 140 und 250 °C, wobei auch höhere Werte möglich sind.

(7)

3. Abscheideleistungen 3.1. Abscheidung von HCl und SO

2

Neben den in Kapitel 2.4. beschriebenen Parametern hängt die Wirksamkeit des Ver- fahrens auch stark von Auslegung und Betrieb der Anlage ab. Insbesondere die Rege- lung der Dosiermenge und das Filtermanagement haben Einfluss auf die erreichbaren Abscheidegrade und die Höhe des Verbrauchs. Unter optimalen Bedingungen lassen sich Abscheidegrade von über 99,9 % für HCl und über 99 % für SOx erreichen. Die Bilder 7 und 8 geben übliche Abscheidegrade und beobachtete Stöchiometriezahlen für die beiden Komponenten wieder.

06 0,7 0,8 80

75 70 65 60 55

HCI-Abscheidegrad

%

0,5

Stöchiometriezahl 50

100 95 90 85

0,9 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5 1,6 1,7

06 0,7 0,8 80

75 70 65 60 55

SO2-Abscheidegrad

%

0,5

Stöchiometriezahl 50

100 95 90 85

0,9 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5 1,6 1,7

Bild 7: Übliche HCl-Abscheidung bei Betrieb mit Gewebefilter

Quelle: Solvay, 2012

Bild 8: Übliche SO2-Abscheidung bei Betrieb mit Gewebefilter

Quelle: Solvay, 2012

(8)

3.2. Verfahrenssteuerung

Die Dosiermengen werden üblicherweise über die gemessenen Rein- und/oder Roh- gaswerte geregelt. Da Natriumbicarbonat sehr reaktiv ist, kann die Dosiermenge auch allein über den Reingaswert geregelt werden. Das Bild 9 zeigt einen solchen Verlauf über 12 Stunden:

2:00 6:00 8:00

40

30

20

10 HCI-Reingas

mg/Nm3 tr. bei 11 % O2

0:00

BICAR-Dosiermenge HCI im Reingas 0

100

75

50

25

4:00 10:00 12:00 0

BICAR-Dosiermenge kg/h

Bild 9: Verlauf der HCl-Reingaskonzentrationen und Dosiermenge von Natriumbicarbonat

3.3. Schadgasspitzen

Mit Natriumbicarbonat lassen sich nicht nur sehr hohe Konzentrationen im Rohgas (z.B. > 10.000 mg/Nm3) beherrschen. Aufgrund der hohen Reaktionsgeschwindigkeiten werden auch Spitzen im Rohgas sehr schnell abgeschieden, so dass die entsprechenden Ta- ges- und Halbstundenmittelwerte sicher eingehalten werden. Ein Beispiel zeigt das Bild 10.

Bicarbonat-Menge kg/h 2.800

2.400 2.000 1.600 1.200 800 400

HCI-Rohgas mg/Nm3 tr. bei 11 % O2 BICAR-Dosiermenge kg/h

24.05.2011 09:36:00

HCI im Rohgas mg/Nm3 feucht HCI im Reingas mg/Nm3 trocken bei 11 % O2 0

3.200

70 60 50 40 30 20 10 0 80 HCI-Reingas mg/Nm3 tr. bei 11 % O2

24.05.2011 10:48:00 24.05.2011

12:00:00 24.05.2011 13:12:00 24.05.2011

14:24:00 24.05.2011 15:36:00 24.5.2011

16:48:00 24.05.2011 18:00:00 24.05.2011

19:12:00

Bild 10: Abscheidung von Schadgasspitzen 

(9)

3.4. Kombination mit DeNOx-Verfahren

Eine Absenkung des NOx-Gehalts wird entweder mit Hilfe der Selektiven Katalyti- schen Reduktion (SCR) oder mit nicht-katalytischen (SNCR) Systemen erreicht. Das Natriumbicarbonatverfahren ist mit beiden Systemen kompatibel.

Das SCR-System verwendet Ammoniak und einen Katalysator für die Umwandlung des NOx in N2. Dies muss bei relativ hohen Temperaturen geschehen, um eine Kon- densation und Abscheidung von Ammonium(bi)sulfaten auf der Katalysatoroberfläche zu vermeiden.

Wenn die Katalysatoranlage am Ende der Abgasreinigung (tail end) eingebaut ist, wie dies bei vielen thermischen Abfallverwertungsanlagen der Fall ist, kann die Verwendung von Natriumbicarbonat die Energieausbeute stark erhöhen.

Natriumbicarbonat reagiert sehr schnell mit SO3, was eine sehr niedrige Restkonzen- tration dieser Komponente erlaubt und die Gefahr der Bildung von Ammonium(bi) sulfaten minimiert. Darüber hinaus müssen die Abgase bei Verwendung von Nat- riumbicarbonat nicht z.B. durch Eindüsung von Wasser auf entsprechend niedrige Temperaturen abgekühlt werden, wie es bei Verwendung calciumstämmiger Additive der Fall ist. Da Natriumbicarbonat auch bei höheren Temperaturen effizient reagiert, kann die Abgasreinigung in der Regel bei Kesselaustrittstemperatur betrieben werden, eine spätere Wiederaufheizung vor dem Katalysator entfällt. Die niedrigen Gehalte an SOx ermöglichen den Betrieb des Katalysators bei derselben Temperatur, bei der auch der Gewebefilter betrieben wird.

4. Energieeffizienz

Energieeffizienz wird in der thermischen Abfallbehandlung immer wichtiger, da preiswerte Brennstoffe knapper werden und es gilt, CO2-Emissionen zu reduzieren.

In der EU-Abfallverordnung 2008/98/EC wurde deshalb ein Energieeffizienzfaktor R1 festgelegt. Hat eine Anlage einen Faktor von unter 0,60 (bzw. 0,65 – abhängig vom Datum der Genehmigung), wird der Betrieb nicht als Verwertungs-, sondern als Ent- sorgungsanlage eingestuft. In manchen Ländern kann die thermische Abfallverwertung auch von Zertifikaten für umweltfreundliche Energie profitieren, da ein großer Teil des kommunalen Hausmülls aus erneuerbarer Biomasse besteht, was die Rentabilität erheblich steigert.

Die Reaktivität von Natriumbicarbonat ist über große Feuchtigkeits- und Temperatur- bereiche sehr hoch. Daher kann bei Verwendung des Natriumbicarbonatverfahrens das Einsprühen von Wasser zum Kühlen/Konditionieren und ein Wiederaufheizen des Abgases vor dem katalytischen DeNOx-System vermieden werden. Die Einsparung von Dampf bzw. Brennstoff für das Wiederaufheizen des Abgases sowie die Optimierung der Wärmerückgewinnung erhöhen die vermarktbare Energie gegenüber anderen Verfahren erheblich.

(10)

So lässt sich beispielsweise durch Einsatz einer Wärmerückgewinnung nach dem DeNOx-Katalysator durch Abkühlung der Abgase von 185 °C auf 135 °C gemäß Rei- mann [1] eine Wärmemenge von 131 kWh pro Tonne Abfall zusätzlich auskoppeln.

Die nachstehende Grafik zeigt ein entsprechendes Anlagenschema.

Schlauchfilter NH3

SCR

DeNOx Wärmerückgewinnung (empfohlen)

Kamin

Wärme + 131 kWh/t*

185 °C 185 °C 135 °C

Filterrückstand

Bild 11: Schema einer Abgasreinigung mit optimierter Wärmerückgewinnung

Datenquelle: Reimann, D. O.: Energieeinspar-/-steigerungspotential durch Verwendung von Natriumbicarbonat in der trockenen Abgasreinigung der thermischen Abfallbehandlung. Studie im Auftrag der SOLVAY CHEMICALS GMBH, Rheinberg, Bamberg, Januar 2007

Kalk quasitrocken oder Hochleistungs-

kalk trocken

SOLVAir Trockeneindüsung

von BICAR

SOLVAir Trocken- eindüsung von BICAR mit hoher Energierück-

gewinnung 75

70 65 60 55 50 45

Netto-Energieausbeute bezogen auf Input

%

Natronlauge oder Kalkstein-Nasswäscher 40

Bild 12: Vergleich der Energieausbeute für verschiedene Abgasreinigungstechniken

(11)

Das Bild 12 gibt einen Eindruck, welcher Anteil der Brennstoffenergie abhängig vom gewählten Abgasreinigungsverfahren als vermarktbare Energie gewonnen werden kann. Trocken- bzw. Quasitrockenverfahren sind bei den verglichenen Fällen deutlich im Vorteil, was sich auch im R1-Faktor widerspiegelt.

Dem Bild 13 bzw. der Tabelle 1 sind die Bilanzgrenze und Einzelheiten der Berechnung zu entnehmen. Die Daten basieren auf Berechnungen der Fa. SOLVAY im Jahre 2012.

Abfall D

Energie C

Abgasreinigung Feuerung

Kessel Turbine Bilanzgrenze für R1 Berechnung

Bilanzgrenze der Abfallverbrennungsanlage

Wärme

A

G E

Strom

B F

J I

Energie zur Abgabe an

Dritte

Bild 13: Energieströme in einer thermischen Abfallverwertungsanlage

Tabelle 1: Energieausbeute der Anlage und R1-Faktorberechnung für verschiedene Abgasreini- gungsverfahren

Abgasreinigungsverfahren/Energieströme Einheit Nass- Quasi- SOLVAir SOLVAir Wäsche Trocken HR

A. erzeugte und genutzte Gesamtwärme kWh/t Hausmüll 1.176* 1.359 1.490 1.621 B. erzeugte und genutzte Gesamtelektrizität kWh/t Hausmüll 405* 407 410 410 C. eingebrachte Gesamtenergie kWh/t Hausmüll 62 62 62 62 D. Nettoheizwert des Abfalls kWh/t Hausmüll** 2.814 2.814 2.814 2.814 E. intern maximal verbrauchte Wärme kWh/t Hausmüll 314 131 0 0 F. intern maximal verbrauchte Elektrizität kWh/t Hausmüll 40 38 35 35 G. maximale Energierückgewinnung tail-end kWh/t Hausmüll 0 0 0 131 H. Verluste gegenüber SOLVAir® HR kWh/t Hausmüll -450 -265 -131 0 I. Wärmeabgabe an Dritte = (A – E) kWh/t Hausmüll 862 1.228 1.490 1621 J. Stromabgabe an Dritte = (B – F) kWh/t Hausmüll 365 369 375 375 K. Nettoenergieausbeute bezogen auf

Müll-Input = (I + J) / D % 43,6 56,8 66,3 71,0

L. R1 (gem. Abfallrichtlinie) =

(2,6 B + 1,1 A – C)/ 0,97 D) 0,84 0,91 0,97 1,02

* Zuordnung von Wärme- und Stromfluss bei Verwendung von Nasswäschern erfolgt auf Grundl. d. Confederation of European Waste to Energy Plants (CEWEP) 2007 Energieberichtes II

** Durchschnittlicher Nettoheizwert des Abfalls aus dem Confederation of European Waste to Energy Plants (CEWEP) 2007 Energiebericht II

(12)

5. Recycling der Reaktionsprodukte

Die Verordnung 2008/98/EC gibt dem Recycling eine sehr viel höhere Priorität als der Entsorgung.

Bei Verwendung von Natriumbicarbonat ist das weitgehende Recycling von Reststoffen möglich und wird seit über 10 Jahren erfolgreich und wirtschaftlich praktiziert.

Anlagen in Frankreich und Italien arbeiten nach einer von der Fa. SOLVAY patentierten Technologie. Dabei werden die vor allem Natriumchlorid enthaltenden Reaktionspro- dukte aus der thermischen Abfallverwertung behandelt und ersetzen anschließend einen Teil des für die Herstellung von Natriumcarbonat benötigten Rohstoffes.

Die Reaktionsprodukte werden dabei in einer wässrigen Lösung unter Zugabe be- stimmter Additive gelöst und anschließend durch eine Filterpresse gepumpt. Hier werden die unlöslichen Bestandteile wie Schwermetallhydroxide, Aktivkohle und Flugasche abgetrennt. Auf diese Weise erhält man eine vorgereinigte Rohsole und einen Filterkuchen. Die Rohsole durchläuft anschließend eine Aktivkohlestufe, in der organische Komponenten abgeschieden werden. Letzte Schwermetallspuren werden in Ionenaustauscherkolonnen entfernt. Die gereinigte Sole kann nun zur Herstellung von Natriumcarbonat verwendet werden. Der Filterkuchen ist das einzige Produkt, welches als Restabfall deponiert werden muss. Dies sind pro Tonne verbrannten Hausmülls jedoch nur 2 bis 4 kg. Wie bei der Abgasreinigung fällt auch hier durch Rückführung des Waschwassers und der Regenerationslösungen der Ionenaustauscher kein Abwasser an. Die einzigen Produkte sind die wiederverwertbare Sole und der Filterkuchen. Zur Verdeutlichung nachfolgend ein vereinfachtes Fließbild der Anlage:

1 t HM

Vorent- staubung

Natrium- bicarbonat

± 15 kg*

Adsorp- tions- mittel

± 0,4 kgSchlauch- filter

Flugasche ± 20 kg Natriumhaltige Reaktionsprodukte ± 11,5 kg

Sole Reinigung Wasser

Kuchen 1 bis 2 kg Wiederverwertbare Sole ± 45 kg (± 10,5 kg Salze)

Sodaherstellung Filtration

Stabilisierunng Restabfall 2 bis 4 kg Entsorgung auf genehmigter Deponie

* Abhängig von der Abfallqualität

Lösebehälter Auf dem

Weg zur vollständigen Abfall- vermeidung

Bild 14: Vereinfachtes Fließbild des Verfahrens zum Recycling der Reaktionsprodukte 

(13)

Bild 15:

Die RESOLEST-Anlage in Rosières-aux-Salines (F) Das Bild 15 zeigt die RESOLEST-Anlage in Frankreich in der Nähe von Nancy.

Es handelt sich um ein Gemeinschaftsunternehmen von SOLVAY und SITA FD (SUEZ).

Die Reaktionsprodukte aus der Abgasreinigung werden in den grünen Silos gelagert und anschließend nach Analyse der Behandlung zugeführt. Die Verfahrenstechnik ist im Gebäude untergebracht. Das Produkt, die natriumchloridhaltige Sole, wird in den blauen Tanks zwischengelagert und dann zum benachbarten SOLVAY-Werk Dombasle gepumpt, wo sie für die Herstellung von Natriumcarbonat verwendet wird.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass Natriumbicarbonat eine hocheffiziente Ab- scheidung saurer Abgaskomponenten auch bei sehr hohen Rohgaskonzentrationen und niedrigen Grenzwerten bei gleichzeitig geringem stöchiometrischen Überschuss ermöglicht. Niedrige Investitions-, Betriebs- und Wartungskosten sowie eine hohe Verfügbarkeit der Anlagen sorgen zusammen mit den Möglichkeiten der energetischen Optimierung für einen wirtschaftlichen Anlagenbetrieb. Die Nachhaltigkeit des Ver- fahrens wird weiter erhöht durch die Möglichkeit, einen großen Teil der entstehenden natriumhaltigen Reaktionsprodukte zu recyceln und als Rohstoff bei der Herstellung von Natriumcarbonat wiederzuverwerten.

6. Quelle

[1] Reimann, D. O.: Energieeinspar-/-steigerungspotential durch Verwendung von Natriumbicar- bonat in der trockenen Abgasreinigung der thermischen Abfallbehandlung. Studie im Auftrag der SOLVAY CHEMICALS GMBH, Rheinberg, Bamberg, Januar 2007

BICAR, SOLVAir und RESOLEST sind eingetragene Warenzeichen der SOLVAY S.A.

(14)

Inserat Buch

Dissertation

Karpf

(15)

Die Deutsche Bibliothek – CIP-Einheitsaufnahme Energie aus Abfall – Band 10

Karl J. Thomé-Kozmiensky, Michael Beckmann.

– Neuruppin: TK Verlag Karl Thomé-Kozmiensky, 2013 ISBN 978-3-935317-92-4

ISBN 978-3-935317-92-4 TK Verlag Karl Thomé-Kozmiensky

Copyright: Professor Dr.-Ing. habil. Dr. h. c. Karl J. Thomé-Kozmiensky Alle Rechte vorbehalten

Verlag: TK Verlag Karl Thomé-Kozmiensky • Neuruppin 2013

Redaktion und Lektorat: Professor Dr.-Ing. habil. Dr. h. c. Karl J. Thomé-Kozmiensky, Dr.-Ing. Stephanie Thiel, M.Sc. Elisabeth Thomé-Kozmiensky

Erfassung und Layout: Petra Dittmann, Sandra Peters,

Martina Ringgenberg, Ginette Teske, Ulrike Engelmann, LL. M., Ina Böhme Druck: Mediengruppe Universal Grafische Betriebe München GmbH, München

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur aus- zugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhand- lungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes.

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Abbildung

Tabelle 1:  Energieausbeute der Anlage und R1-Faktorberechnung für verschiedene Abgasreini- Abgasreini-gungsverfahren

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