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Archiv "Ozon: Das Gesundheitsrisiko ist derzeit nicht zu definieren" (24.08.1998)

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u einem großen Teil stammt Ozon aus chemischen Reaktio- nen, die in der bodennahen At- mosphäre ablaufen. An seiner Bil- dung und an seinem Abbau sind Stick- oxide, UV-Strahlen, Kohlenwasser- stoffe und andere Komponenten be- teiligt. Die Ozon-Konzentrationen in industrialisierten Regionen sind an ei- nem heißen Sommertag morgens niedrig und steigen dann bis zum Mit- tag stark an. Die Spitzenkonzentratio- nen von Ozon liegen in Deutschland um oder über 300 µg/m3 Luft.

Während Ozon am Arbeitsplatz in der Regel als Einzelstoff vor- kommt, liegt es in der Umwelt immer in Kombination mit anderen Photo- oxidantien (zum Beispiel Peroxy- acetylnitrat) sowie mit Stickoxiden, Schwefelsäure-Aerosolen und Staub- partikeln vor. Diese „Begleitsubstan- zen“ haben selbst Schadwirkungen auf die Atemwege und zeigen zusätz- lich Wechselwirkungen mit Ozon im Atemtrakt des Menschen. Diese Tat- sache wird bei den Diskussionen um die Gesundheitsgefahren, die von Ozon ausgehen, häufig nicht berück- sichtigt, da Ozon als „Leitkomponen- te“ regelmäßig gemessen wird, die an- deren Komponenten aber nicht. Die Diskussion um den „Sommersmog“

konzentriert sich zu Unrecht überwie- gend auf die Ozonwirkung.

Ozon ist ein Reizgas, das die Schleimhäute der Augen und des ge- samten Atemtraktes angreift. Da es schlecht wasserlöslich ist, wird es im Unterschied zu anderen Reizgasen nicht in den oberen Atemwegen zurückgehalten, sondern dringt tief in die Lunge ein. Ozon führt zu einer do- sisabhängigen Abnahme der Lungen- funktion (spirometrische Parameter

und subjektive Beschwerden), zur Freisetzung zellulärer Mediatoren, zu Entzündungsreaktionen und Permea- bilitätsänderungen, zur Zerstörung von Mucus und „surfactant“ und zu einer Hyperreagibilität gegenüber Substanzen mit bronchokonstriktori-

scher Wirkung. Die Ozon-Wirkungen hängen nicht nur von der Konzentra- tion und der Expositionsdauer, son- dern auch vom Atemvolumen ab.

Nach wie vor ist unklar, ob Asth- matiker gegenüber Ozon empfindli- cher sind als Gesunde. Gesichert ist dagegen, daß ältere Personen und Raucher zumindest bezüglich Verän- derungen der Lungenfunktion un- empfindlicher sind. Ungefähr zehn bis 15 Prozent der Bevölkerung weisen jedoch eine besondere Ozon-Emp- findlichkeit auf. In verschiedenen In-

vitro-Systemen (einschließlich Säu- gerzellen) ist Ozon gentoxisch. In vivo ist die Gentoxizität bisher weder bei Tier noch Mensch eindeutig nachge- wiesen worden.

Ozon ist aufgrund seiner chemi- schen Struktur sehr reaktiv und oxi- diert zahlreiche Biomoleküle. Wie die Reaktionen von Ozon mit Biomo- lekülen einschließlich zellulärer Be- standteile letztendlich zu den oben beschriebenen Wirkungen führen, ist unbekannt. Neuere Studien deuten darauf hin, daß die unterschiedlichen Wirkungen auch durch unterschiedli- che Mechanismen zustande kommen:

Die Änderung der Lungenfunktion verläuft wahrscheinlich über einen neurotropen Effekt, die Entzün- dungsreaktionen über Mediatoren, die durch die Ozoneffekte freigesetzt werden. Die erhöhte Permeabilität kann durch ver- stärkte Peroxidati- on der Membran- lipide erklärt wer- den. Der Mecha- nismus der mor- phologisch sicht- baren Verände- rungen in der Lun- ge ist nicht be- kannt. Die in vitro beobachtete Gen- toxizität kann durch direkte Oxi- dation der DNS, aber auch durch Bildung von gen- toxischen Reak- tionsprodukten erklärt werden.

Keine der bis- herigen Untersu- chungen hat die eindeutige Ablei- tung einer unwirksamen Konzentra- tion ermöglicht. Selbst Einzelexposi- tionen von Probanden mit 160 µg/m3 Ozon und 6,6 Stunden Dauer mit intermittierender körperlicher Akti- vität zeigten noch Effekte. Vieles deutet darauf hin, daß bei mehrmali- ger Exposition über längere Zeit höhere Ozon-Konzentrationen und Expositionszeiten toleriert werden (Adaptation). Der Beweis steht je- doch noch aus.

Legt man für eine Risikoab- schätzung die Langzeitexpositionen A-2015

P O L I T I K MEDIZINREPORT

Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 34–35, 24. August 1998 (27)

Ozon

Das Gesundheitsrisiko ist derzeit nicht zu definieren

Da Ozon in der Umwelt mit verschiedenen Schadstoffen kombiniert ist, lassen sich die beobachteten

gesundheitlichen Effekte nicht eindeutig zuordnen.

Z

Die Wirkung von Luftschadstoffen (auch Ozon) auf Pflanzen wird in Expositions- kammern meist in umweltrelevanten Konzentrationen getestet. Foto: GSF

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im Tierversuch zugrunde (entspre- chende Studien am Menschen fehlen), ist eine unwirksame Konzentration für morphologische Veränderungen in der Lunge von Ratten bei täglicher Exposition über die gesamte Lebens- zeit (sechs Stunden/Tag, fünf Tage/

Woche) unter 240 µg/m3 anzusetzen, da bei dieser Konzentration noch marginale histologische Veränderun- gen beobachtet wurden.

Durch gleichzeitige Exposition von Ozon und Stickstoffdioxid werden sowohl beim Menschen als auch im Tierversuch die ozonbedingten Lun- genfunktionsänderungen verstärkt.

Hierzu gibt es gute qualitative Aus- sagen, aber praktisch keine für eine Risikoabschätzung verwertbaren Do- sis-Wirkungs-Untersuchungen. Auch Schwefelsäure-Aerosol hat beim Menschen und im Tierversuch syner- gistische, aber auch antagonistische Wirkungen. Hier ergab sich zusätzlich eine höhere Empfindlichkeit von Asthmapatienten gegenüber der kom- binierten Exposition mit Ozon und Schwefelsäure-Aerosol.

Die Berichte zu Kombinations- wirkungen von Ozon mit Partikeln, unter anderem auch im Zigaretten- rauch, sind nicht abschließend inter- pretierbar. Aufgrund der fehlenden Daten zu Kombinationswirkungen von Ozon und anderen Umweltkom- ponenten ist die Risikoabschätzung für die Situation, wie sie in der realen Umwelt bei „Sommersmog“-Situatio- nen vorkommt, zusätzlich erschwert.

Es gibt mehrere Studien an Kin- dern, vor allem während des Ferien- aufenthalts in Sommercamps, die zei- gen, daß die mittleren Ozon-Konzen- trationen und die über eine Stunde ge- messenen maximalen Ozon-Konzen- trationen mit einer Beeinträchtigung der Lungenfunktion assoziiert sind.

Bei einigen Studien wurde auch ein Zusammenhang zwischen den Ozon- Konzentrationen und Entzündungs- reaktionen in der Lunge festgestellt.

Daß Kinder mit bestehenden Atemwegserkrankungen empfindli- cher reagieren, ist nicht eindeutig zu belegen. Die Effekte an der Lunge waren sowohl bei sehr hohen als auch relativ niedrigen (120 µg/m3) Ozon- Konzentrationen zu beobachten. In fast allen Studien sind aber die Effek- te an der Lunge auch mit gleichzeiti-

gem Auftreten von hohen Tempe- raturen, von Schwefelsäure-Aerosol und Partikeln assoziiert.

Epidemiologische Studien an Erwachsenen, zum Beispiel Land- wirten und Waldarbeitern, bei de- nen ebenfalls Lungenfunktionstests während Episoden mit erhöhten Ozon-Konzentrationen durchgeführt wurden, zeigen, daß eine Assoziation zwischen Lungenfunktions-Abnahme und Ozon-Konzentration, aber auch der Konzentration von Schwefel- säure-Aerosol und Partikeln, besteht.

Ein anderer epidemiologischer Ansatz erfaßt die Assoziation zwi- schen den Ozon-Konzentrationen in der Umwelt und Klinikeinweisungen wegen Atemwegssymptomen ein- schließlich Asthma. Ein Zusammen- hang zwischen diesen beiden Parame- tern wurde bereits bei einer durch- schnittlichen Ozon-Konzentration von 100 µg/m3gefunden. Bei den meisten dieser Studien korreliert die Klinik- einweisung wegen Atemwegssympto- men aber auch mit der Konzentration von Schwefelsäure-Aerosol und mit Partikeln.

Beeinträchtigung der Lungenfunktion

Zu möglichen chronischen Wir- kungen von Ozon in der Umwelt gibt es nur wenige Untersuchungen. Bei einer retrospektiven Kohortenstudie in Kalifornien mit Nichtrauchern (Adventisten) ergab sich eine Asso- ziation zwischen den „kumulativen Ozon-Konzentrationen“ über zehn Jahre und einer Verstärkung bezie- hungsweise Entwicklung von Asthma, letzteres nur bei Männern.

Außerdem war die Inzidenz von Lungentumoren mit den „kumula- tiven Ozon-Konzentrationen“, aber auch mit den Partikeln in der Umwelt, assoziiert. In einer anderen Studie in Utah mit relativ geringen Ozon-Kon- zentrationen waren eine Beeinträch- tigung der Lungenfunktion, Atem- wegssymptome und damit zusammen- hängende Klinikeinweisungen sowie eine erhöhte Mortalität nur mit der Partikelkonzentration assoziiert.

In einer retrospektiven Morta- litätsstudie in Belgien, wo während ei- ner „Sommersmog“-Periode eine er-

höhte Mortalität in der Bevölkerung festgestellt wurde, wurde eine Asso- ziation zu den Umwelt-Ozon-Kon- zentrationen gefunden, die auch mit den gleichzeitig erhöhten Temperatu- ren verbunden war. Eine neuere Mor- talitätsstudie in Mexico City zeigte zwar eine Zunahme der Mortalität durch Umweltschadstoffe, sie war aber nur mit der Partikelkonzentrati- on der Luft und nicht mit der Ozon- Konzentration assoziiert.

Zusammenfassend läßt sich der Wissensstand folgendermaßen dar- stellen: Aus den Kurzzeit-Feldstudien sowohl bei Kindern als auch bei Er- wachsenen ergeben sich Hinweise für eine Beteiligung von erhöhten Ozon- Konzentrationen in der Umwelt an den beobachteten Einschränkungen der Lungenfunktion und Entzün- dungsreaktionen in der Lunge.

Dagegen ist die Zunahme bezie- hungsweise das Auftreten anderer Atemwegssymptome (Asthma) wahr- scheinlich durch eine Kombination mehrerer Umweltschadstoffe verur- sacht. Die vorliegenden epidemiologi- schen Studien zu Langzeiteffekten von Ozon reichen für eine Beurteilung nicht aus. Sie sprechen alle für ein Zu- sammenwirken verschiedener Um- weltkomponenten bei der Entwicklung von chronischen Erkrankungen und er- höhter Mortalität bei „Sommersmog“- Situationen, wobei der quantitative Beitrag von Ozon noch nicht klar ist.

Die Beraterkommission der Sek- tion Toxikologie der Deutschen Ge- sellschaft für Experimentelle und Kli- nische Pharmakologie und Toxiko- logie kommt daher zu dem Schluß (siehe auch DGPT-Forum 1998; 22:

19–25), daß es trotz intensiver welt- weiter Bemühungen bisher nicht möglich war, eine gesundheitlich un- bedenkliche Ozon-Konzentration bei einer bestimmten Exposition abzulei- ten, und daß deshalb alle Risikoab- schätzungen für Ozon mit Unsicher- heiten behaftet sind.

Literatur beim Verfasser

Prof. Dr. Hermann Kappus Humboldt-Universität Universitätsklinikum Charité Campus Virchow-Klinikum Augustenburger Platz 1 13353 Berlin

A-2016

P O L I T I K MEDIZINREPORT

(28) Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 34–35, 24. August 1998

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