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Archiv "Das Weibliche an der Prävention" (26.09.1991)

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Gleich zu Anfang tat dies Dr.

med. Ingeborg Retzlaff, die analy- sierte, welche Hoffnungen, Schwie- rigkeiten und Konflikte sich mit Prä- vention verbinden. Sie definierte Prävention kurz als ein Verhalten,

„das die Gesundheit erhalten und verbessern soll." Mit der These „Prä- vention ist weiblich" sei gemeint, daß der Präventionsgedanke im Ur- sprung sehr stark von Frauen vermit- telt werde: Sie bekämen die Kinder, sorgten für sie und andere und seien damit für das „Morgen", die Zukunft zuständig. Zudem vermittelten sie durch Haushaltsführung, Ernährung und Freizeitgestaltung der nächsten Generation Wissen über Fürsorge und Planung.

Allerdings seien Ärzteschaft, Gesundheitspolitiker und Kostenträ- ger insgesamt unzufrieden mit der Akzeptanz und der Umsetzung von gesundheitlich-medizinischer Prä- vention. Wichtig sei es deshalb zu fragen, was Menschen allgemein an einem präventiven Lebensstil hinde- re. Nach Auffassung von Dr. Retz- laff sind es oft bereits die unbewußte Bewertung des Begriffs und die Ge- fühle, die dadurch ausgelöst werden.

„Präventiver Lebensstil — das hört sich sehr zögerlich an, ohne vitale Impulse, irgendwie schwach, tempe- ramentlos", gab Dr. Retzlaff zu be- denken. Außerdem würde die Aus- einandersetzung mit dem Thema

„Prävention" bei vielen Menschen Angst auslösen, da sie sich dann ih- rer Lebensweise und der damit ver- bundenen Risiken bewußt würden.

Folgerichtig befaßte sich dann auch ein Teil der Referentinnen und der Arbeitsgruppen mit der Frage, weshalb es denn so oft hapert mit der Prävention und was Frauen damit zu

tun hätten. „Ich koche, was mir schmeckt, und mach' noch 'nen Salat dazu" — so hatte Prof. Dr. Alexa Franke (Universität Dortmund) ih- ren Vortrag betitelt. Die Psychologin stellte darin Daten und Überlegun- gen zum Gesundheitsverhalten von Frauen vor. Eine ihrer Hauptthesen war, daß im Grunde unklar sei, was Gesundheit für Frauen eigentlich ist.

Denn Frauen und Männer schilder- ten Beschwerden sehr unterschied- lich, würden jeweils anders unter- sucht und zudem verschieden bewer- tet. Ein Beispiel laut Prof. Franke - Frauen würden bei unklaren Be- schwerden eher nach Zittern, Unru- he und Angst gefragt, Männer hinge- gen nach Wut, Reizbarkeit und Kon- zentrationsschwäche.

Gesundheitsverhalten von Frauen

Interessant wäre demnach, wie Frauen selbst ihren Gesundheitszu- stand beurteilen. Prof. Franke be- richtete in Marburg von qualitativen Interviews mit Frauen im Ruhrge- biet, die von sich selbst sagten, daß sie gesund seien. Für ihr Wohlbefin- den waren danach neben dem kör- perlichen Zustand auch psychische Faktoren wichtig. Häufig wurde das Wort „Wehwehchen" gebraucht für Beschwerden, die offenbar subjektiv das Wohlbefinden nicht weiter be- einträchtigen. Vorsorge brachten die Frauen mit Ernährung, Bewegung und einem guten emotionalen Klima in Verbindung. Insgesamt, so Prof.

Franke, gaben sich diese „gesunden"

Frauen als nicht übermäßig gesund- heitsbewußt.

Ähnlich ausgerichteten Denk- stoff gab Dr. Ilona Kickbusch, Direk-

torin im Regionalbüro der World Health Organization/Europa, den Ärztinnen in Marburg mit ins Wo- chenende. Sie verneinte deutlich die These „Prävention ist weiblich" und verwies auf die Begrenzungen des Begriffs: Prävention beziehe sich auf die kurative Medizin, sei individu- um-bezogen und umfasse Eingriffe als Maßnahme Gesundheit und Prä- vention müßten aber in einem viel breiteren Kontext gesehen werden:

„Gesundheit wird im Alltag herge- stellt, nicht in Arztpraxen", betonte Dr. Kickbusch. Ärzte wie Ärztinnen seien deswegen im Bereich der Prä- vention häufig überfordert, denn sie fingen auf, woran es an anderen Stel- len hapere.

Ein zweiter Komplex des Kon- gresses war konkreten Umsetzungen zum Thema „Ärztinnen in der frauen- spezifischen Prävention" gewidmet.

So berichtete Dr. med. Gisela Gille ausführlich über ihre langjährige Ar- beit im Bereich der Sexualerziehung.

Dr. Gille ist Mitglied der „Arztlichen Gesellschaft zur Gesundheitsförde- rung der Frau". Sie geht als „Ärztin zum Anfassen" in Schulen gezielt auf Mädchen zu, um über Probleme und Fragen zur körperlichen Entwick- lung und zur Sexualität zu sprechen.

In ihrem Vortrag „Muß bei Liebe Sex enthalten sein?" schilderte sie eindringlich, weshalb trotz aller se- xuellen Liberalität besonders Mäd- chen mit dem Erwachsenwerden kämpften. Mit einer ganz anderen Altersgruppe beschäftigte sich Dr.

med. Brigitte Ernst, die aus der Sicht einer Hausärztin über „Prävention für Gesundheit im Alter der Frau"

referierte.

Den Abschluß des Marburger Kongresses bildete dann eine öffent- liche Diskussion zum Thema „Prä- diktive Medizin — Gendiagnostik zur Erkennung von Krankheitsrisiken — ein Fluch oder Segen?" Prof. Dr.

med. Helga Rehder (Universität Marburg) wies in ihrer Einführung direkt auf das Dilemma der Gendia- gnostik hin: „Das Wissen um einen krankheitsauslösenden oder -dispo- nierenden Gendefekt erlaubt viel- fach frühe therapeutische oder prä- ventive Maßnahmen, die den Krank- heitsverlauf wesentlich beeinflussen können. Es bedeutet aber auch für

Das Weibliche an der Prävention

„Prävention ist weiblich" - dieses Thema hatte sich der Deutsche Ärztinnenbund für seinen wissenschaftlichen Kongreß Anfang Sep- tember in Marburg gewählt. Die thematische Unterzeile „Ärztinnen in der frauenspezifischen Prävention" änderte nichts daran, daß selbst Mitglieder des Ärztinnenbundes das Thema als „provokativ" emp- fanden, wie seine Präsidentin, Dr. med. Ingeborg Retzlaff, in ihrer Ein- führungsrede berichtete. Doch auch für den Marburger Kongreß galt:

Provokante Thesen machen neugierig. Und so nutzten rund 200 Ärz- tinnen das Wochenende, um sich dem Thema zu nähern.

A-3194 (26) Dt. Ärztebl. 88, Heft 39, 26. September 1991

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Rauchgewohnheiten in Deutschland

gelegentliche Raucher

regelmäßige Raucher 15-20 29-25 25-30 30-35 35-40 40-45 45-50 50-55 55-60 60-65 65-70 70-75 75und

Quelle: Statistisches Bundesamt Lebensaltersgruppe älter

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in Prozent

C) FrSBo 1991

Die Rauchgewohnheiten der Bundesbürger unterscheiden sich je nach Geschlecht deut- lich. Wie die Ergebnisse des Mikrozensus zeigen, rauchen wesentlich weniger Frauen als Männer; dies trifft besonders auf die älteren Jahrgangsgruppen zu.

Rauch .. Keine Sucht,

Rauche n : sondern ein Laster?

den Betroffenen eine schwere psy- chische Belastung", sagte die Ärztin für Pathologie und medizinische Ge- netik. Dr. Manuela Koch (Universi- tät Marburg) schilderte die vielen Konflikte konkret am Beispiel der Chorea Huntington, wo „die Diagno- se das Todesurteil bedeutet, da die Krankheit nicht therapierbar ist".

Die Unausweichlichkeit der Lebens- situation könne zu schweren Krisen auch in der Familie führen, zum Bei- spiel wenn die Erkrankung von Vor- fahren verschwiegen wurde, wenn Geschwister betroffen seien und vie- les mehr. Dr. Koch plädierte jedoch dafür, daß ein Berater stets vorbe- haltlos informieren, aber den oder die Betroffenen auch vorbereiten müsse. Ein „Muß" in der Testphase ist nach Auffassung der Ärztin die psychotherapeutische Unterstüt- zung.

Gendiagnostik — psychische Belastung

Dr. med. Astrid Bühren (Uni- versität des Saarlandes) verwies in ihrem Beitrag zur pränatalen Dia- gnostik auf die Ergebnisse einer Be- fragung von Eltern einer Tochter mit Ullrich-Turner-Syndrom. Daran wurde sehr konkret sichtbar, wie pro- blematisch auch diese Variante der prädiktiven Medizin ist. Während beispielsweise manche Eltern ihre frühzeitige Kenntnis der Behinde- rung positiv beurteilten, wünschten sich andere nachträglich, während der Schwangerschaft noch nichts ge- wußt zu haben. Während einige Paa- re die Belastung durch die Behinde- rung ihrer Tochter eher als leicht oder mittelschwer einordneten, fühl- ten sich andere schwer belastet.

Deutlich wurde an dieser und an anderen Stellen in der Diskussion um Fluch oder Segen genetischer Bera- tung erneut, daß viele Konflikte ein- fach nicht zu lösen sind. Und zusätz- lich wiesen Ärztinnen darauf hin, daß auch die prädiktive Medizin einge- bunden sei in Vergangenheit und Zu- kunft, das heißt: in die eugenischen Zielsetzungen des Nationalsozialis- mus und in zweifelhafte gesellschaft- liche Anforderungen an die Men- schen der Zukunft. Sabine Dauth

Kaufsucht, Spielsucht, Arbeits- sucht, Fernsehsucht; und so weiter und so fort — wohin man auch blickt, überall werden neue Süchte ent- deckt. Nur, ist es auch richtig und angemessen, von immer mehr Ge- wohnheiten und auch Lastern des alltäglichen Lebens als Abhängigkei- ten zu sprechen? Wo befindet sich dann die Grenze zwischen Leiden- schaft und Sucht? Und vor allem:

Was unterscheidet dann Genußmit- tel von gefährlichen Rauschgiften wie Drogen? Mit diesen Fragen be- schäftigten sich auf einer drogenpoli- tischen Veranstaltung des Deut- schen Grünen Kreuzes in München Suchtexperten aus Wissenschaft und Praxis.

So wollte der Freiburger Medi- zinsoziologe Prof. Dr. Jürgen von Troschke selbst bei der schlechten Angewohnheit des Rauchens entge- gen der landläufigen Meinung nicht von Sucht reden. Das sei wissen- schaftlich nicht haltbar, zumal Rau- chen ein „erlerntes Verhaltensmu- ster" sei, das man „ohne fremde Hil- fe dauerhaft aufgeben" könne. Wür- den Raucher aber in einen Topf mit

Süchtigen geworfen, so biete man ih- nen gleichzeitig auch einen Ent- schuldigungsgrund für ihr — bewußt gesundheitsschädigendes — Verhal- ten. „Ich wäre auch viel lieber Nicht- raucher, kann aber nicht anders", laute deshalb oft die Antwort eines Rauchers, wenn er sich zu dem „fal- schen Vorwurf der Abhängigkeit"

bekennt. Anstatt die Freunde des blauen Dunstes in ihrer „passiv-re- signativen Einstellung" zu bestärken, empfahl von Troschke, ihnen lieber Mut zu machen, sich das Rauchen — auch wiederholt — abzugewöhnen.

Die Vermischung von Sucht und Gewohnheit führe aber auch zu ei- ner Verharmlosung der gesellschaft- lichen Probleme mit illegalen Dro- gen, stellten die Teilnehmer der dro- genpolitischen Veranstaltung fest.

Wenn die Grenzen nicht klar genug gezogen werden, verlören vor allem Jugendliche leicht die Orientierung und damit auch das Unrechtsbe- wußtsein gegenüber dem Konsum von Haschisch und anderen Rausch- giften. Der Stuttgarter Kriminaldi- rektor Klaus Mellenthin vom Lan- deskriminalamt Baden-Württemberg

Dt. Arztebl. 88, Heft 39, 26. September 1991 (23) A-319

Referenzen

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