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Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 13, 28. März 1997 (1)
GKV-Bilanz 1996
Besser – aber nicht gut
s gibt auch noch halbwegs positive Nachrichten aus dem Gesundheitswesen.
Das Finanzergebnis der Gesetzli- chen Krankenversicherung für das Jahr 1996 ist nämlich besser ausge- fallen als erwartet. Aber gut ausge- fallen ist es dennoch nicht.
In ihrer Schlußbilanz des zurückliegenden Jahres weisen die Krankenkassen ein Defizit von 6,3 Milliarden DM aus. Noch im drit- ten Quartal 1996 hatte der Ausga- benüberhang hingegen bei 8,7 Mil- liarden DM gelegen, so daß bereits zweistellige Milliardendefizite an die Wand gemalt worden waren.
Wo liegen die Ursachen für die Defizitabschwächung gegen Ende des Jahres? Horst Seehofer verweist einmal auf die Beitrags- satzanhebungen der Ersatzkassen.
Mehr Bedeutung mißt der Mini-
ster jedoch den „erkennbaren Einsparerfolgen in allen Lei- stungsbereichen“ bei.
Kräftig gespart wurde im letz- ten Quartal 1996 vor allem bei der Verordnung von Arzneimitteln. So kräftig, daß Seehofer einräumen muß: „Die Ergebnisse zeigen die begrenzte Wirksamkeit von sekto- ralen Budgets.“ Neben der damit verbundenen Verunsicherung (für die Ärzte) bestehe die Gefahr ei- ner Rationierung zu Lasten der Pa- tienten.
Ein weiteres „Stop and go“ im Verordnungsverhalten der Ärzte will der Bundesgesundheitsmini- ster tunlichst vermeiden. Nicht zu- letzt deshalb hält er die Ablösung der Arzneimittelbudgets durch Richtgrößen für den besseren Weg.
Seehofers Absicht, von der starren Budgetierung wegzukom-
men, reicht indessen über den Arzneimittelsektor hinaus. Trotz Defizit der Kassen und allenfalls mäßigen Aussichten in puncto Grundlohnsummenentwicklung (Seehofer schätzt einen Zuwachs von maximal einem Prozent im Westen und zwei Prozent im Osten) hält der Minister das ehe- mals unantastbare Dogma der Beitragssatzstabilität nicht mehr aufrecht. Beitragssatzerhöhungen sollen künftig möglich sein, wenn sie zur Finanzierung des medizini- schen Fortschritts erforderlich sind.
Der neue Kurs heißt jetzt of- fenbar: Sparen, wo immer es geht, aber nicht mehr um jeden Preis.
Wie das genau zu bewerkstelligen ist, damit wird sich künftig die Selbstverwaltung auseinanderzu- setzen haben. Josef Maus
E
Frankreich
Protest gegen Budgetierung
und 2 000 Ärzte haben in Paris gegen eine geplante Reform der Sozialversi- cherung demonstriert. Der Unmut richtet sich vor allem gegen das Vorhaben, Ärzte einen Ausgleich zahlen zu lassen, wenn sie die Obergrenze eines festgelegten Ausgabenrahmens – in Deutsch- land als Budgetierung bekannt – überschreiten.
Die Protestwelle hatte in der Provinz bei den jungen Assistenz- ärzten der Universitätskliniken be-
gonnen und griff auf die öffentli- chen Krankenhäuser im Raum Pa- ris über. Die Assistenzärzte ver- langten in erster Linie, die ersten sieben Jahre nach Gründung einer eigenen Praxis von der Strafzah- lung befreit zu werden. Diese For- derung wurde von der Regierung erfüllt. Zunächst war nur eine fünf- jährige Freistellung vorgesehen.
An der Demonstration in Pa- ris nahmen auch niedergelassene Ärzte teil, die den Ausgabenrah- men grundsätzlich ablehnen, weil
sie darin eine „Rationierung der Gesundheitsfürsorge“ sehen. Pre- mierminister Alain Juppé sagte dagegen, von Rationierung könne nicht die Rede sein. Es gehe dar- um, die ausufernden Behand- lungskosten unter Kontrolle zu bekommen. Der umstrittene Ret- tungsplan für die hochverschulde- te Sozialversicherung hatte im November 1995 eine wochenlan- ge Streikbewegung im öffentli- chen Dienst Frankreichs aus-
gelöst. afp/DÄ