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Archiv "Medikamenten-Fehlverordnung in der Pädiatrie" (18.01.2002)

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M E D I Z I N

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A112 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 3½½½½18. Januar 2002

Genetische Disposition bei fremdstoffbedingten Erkrankungen

Ernst Hallier Editorial

U

m unser Leben, die Struktur und Funktion unseres Organismus, zu erhalten, sind wir auf die ständige Aufnahme, Umwandlung und Aus- scheidung chemischer Elemente und Verbindungen angewiesen. Dabei ist es unvermeidlich, dass wir auch Stoffe auf- nehmen, die unseren Organismus schä- digen und Erkrankungen auslösen kön- nen. Dies kann sowohl durch natürliche Bestandteile der Umwelt als auch durch vom Menschen synthetisierte Chemika- lien erfolgen. Der Ursprung sagt noch nichts über die Nützlichkeit, Indiffe- renz oder Schädlichkeit eines Stoffes für die menschliche Gesundheit aus; so sind eine Vielzahl sehr toxischer Natur- produkte (zum Beispiel bakterielle To- xine, pflanzliche Gifte) aber auch weit- gehend untoxische synthetische Chemi- kalien bekannt. Oft entscheidet die Höhe der Exposition oder der Applika- tionsort, ob ein Stoff nützliche (zum Beispiel als essenzielles Spurenelement in der Nahrung) oder schädliche (zum Beispiel als Schwermetall) Wirkungen ausübt.

Die Dosis macht das Gift

Grundsätzlich unterliegt die Reaktion des menschlichen Organismus auf ge- sundheitsgefährdende Umwelteinflüs- se dem Dosis-Wirkungsprinzip bezie- hungsweise dem Dosis-Häufigkeits- prinzip. Je höher zum Beispiel beim Sommersmog die auf eine Population einwirkende Ozon-Konzentration ist, desto mehr Personen klagen über Atemwegsbeschwerden und desto in- tensiver sind die Symptome. Für man- che Stoffbelastungen ist eine Wirk- schwelle bekannt; bei geringer Exposi- tionshöhe kommt es zu keinen erfassba-

ren pathologischen Effekten. Sofern solche Wirkschwellen (NOEL, „no ob- served effect level“; NOAEL; „no ob- served adverse effect level“) bekannt sind, bilden sie die Grundlage für die Aufstellung von Grenzwerten.

Erhöhte Suszeptibilität kann genetisch bedingt sein

Allerdings ist zu beobachten, dass im oben angegebenen Beispiel einige In- dividuen auch bei hoher Ozonbela- stung beschwerdefrei bleiben, also scheinbar resistent sind, während an- dere bereits bei sehr geringen Konzen- trationen Symptome zeigen, also be- sonders empfindlich reagieren. Die möglichen Ursachen für diese unter- schiedliche Disposition (Bereitschaft) oder Suszeptibilität (Empfindlichkeit) sind vielgestaltig. Zum Beispiel kön- nen eine vorbestehende allergische Atemwegserkrankung oder rezidivie- rende Infekte ein besonders empfind- liches (hyperreagibles) Bronchialsy- stem bedingen. Personen mit rezidivie- renden Harnwegsinfekten beziehungs- weise Pyelonephritiden könnten für nephrotoxische Schadstoffe mit tubu- lusschädigender Wirkung (zum Bei- spiel Cadmium, Trichloräthen) in er- höhtem Maße gefährdet sein. Eine im- munsuppressive Therapie, zum Bei- spiel wegen einer rheumatischen Er- krankung, kann zu einer erhöhten In- fektanfälligkeit und dadurch zu einer erhöhten Gefährdung bei Exposition gegen Aktinomyzeten und Schimmel- pilze führen. Neben solchen Faktoren

kann jedoch auch eine erbliche Veran- lagung eine erhöhte Empfindlichkeit mitverursachen.

Fremdstoffe werden im menschli- chen Organismus in mehreren sukzessi- ve oder parallel ablaufenden enzymab- hängigen Schritten verstoffwechselt.

Dadurch wird in der Regel die Wasser- löslichkeit der Verbindungen erhöht und ihre Ausscheidung mit dem Harn ermöglicht. In den meisten Fällen führt der Stoffwechsel zu einer „Entgiftung“, das heißt das Stoffwechselprodukt ist weniger toxisch als die Ausgangssub- stanz. Es gibt jedoch auch viele Bei- spiele für eine „Giftung“, das heißt für die Umwandlung einer Chemikalie zu einem toxischen Zwischenprodukt. In jüngster Zeit werden genetische Fakto- ren einer unterschiedlichen individuel- len Disposition, insbesondere Enzym- polymorphismen, verstärkt diskutiert.

Ein in der Erbinformation verankerter Genotyp kann mit einer unterschied- lichen katalytischen Potenz eines Enzyms einhergehen. Die dadurch be- dingte starke oder schwache, unter Um- ständen auch fehlende, Metabolisie- rungrate eines Fremdstoffes stellt dabei den Phänotyp dar. Neben den Genen, die die am Stoffwechsel von Umwelt- chemikalien beteiligten Enzyme kodie- ren, können auch Gene, die die Rezep- toren der oben genannten Substanzen determinieren, relevant sein. In Bezug auf die chemisch induzierte Kanzeroge- nese sind außerdem Polymorphismen bei DNA-Reparaturenzymen zu be- rücksichtigen. Allerdings können inter- individuelle Unterschiede der Fremd- stoffmetabolisierung erhebliche Aus- maße annehmen (10- bis 200fach), während die Unterschiede in der Re- zeptorfunktion üblicherweise nicht so bedeutend sind (5).

Abteilung Arbeits- und Sozialmedizin (Direktor: Prof.

Dr. med. Ernst Hallier) der Georg-August-Universität, Göttingen

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Enzympolymorphismen relevant für Prävention

Die Bedeutung von Enzympolymor- phismen ist in der Pharmakologie und in der Arbeitsmedizin seit langem be- kannt (6). Beispiele sind der Glucose-6- phosphat-dehydrogenase-Mangel und die Polymorphismen der N-Acetyl- transferase 2 (so genannte schnelle und langsame Acetylierer), der Cytochrom- P450-abhängigen Monooxygenasen und der Glutathion-S-Transferasen. In einer Vielzahl molekular epidemiologi- scher Forschungsarbeiten wird zurzeit der Zusammenhang zwischen Enzym- polymorphismen und verschiedenen Krankheiten untersucht, wobei aller- dings nur wenige Studien einen stati- stisch signifikanten Einfluss eines Poly- morphismus belegen konnten. Es ist an- zunehmen, dass erhöhte Empfindlich- keiten gegenüber bestimmten Chemi- kalien durch einen protektiven Effekt gegenüber anderen Stoffen in wesentli- chem Maße kompensiert werden. Hier- für ist die Häufigkeit der wichtigsten Enzymdefekte ein Beleg: In der deut- schen Bevölkerung weisen circa 50 Pro- zent eine Defizienz der Glutathion-S- Transferase M1 auf; ebenfalls circa 50 Prozent sind „langsame Acetylierer“.

Insbesondere in der Arbeitsmedizin sind jedoch auch deutliche Effekte ei- nes Enzympolymorphismus beim Men- schen in vivo in Fällen einer hohen be-

ziehungsweise langjährigen Exposition gegenüber bestimmten Chemikalien (1, 3, 4) oder bei akuten Vergiftungen mit einer hochtoxischen Substanz (2) nachgewiesen worden. Die Belastung ist in diesen Fällen nicht mit der Nied- rigdosis-Situation in der Umweltmedi- zin vergleichbar; sie entspricht eher derjenigen in der Arzneimittelthera- pie.

Die derzeit vorliegenden wissen- schaftlichen Erkenntnisse zu Enzympo- lymorphismen sind bislang für die Beur- teilung individueller Erkrankungsrisi- ken (abgesehen von definierten Erb- krankheiten) ohne Relevanz. Dagegen werden Enzympolymorphismen in Zu- kunft in der auf Populations- oder Grup- penbasis erfolgenden Prävention fremd- stoffbedingter Erkrankungen erheblich an Bedeutung gewinnen. Bei begrenzten Ressourcen wird die Erkennung von

„Hochrisikogruppen“ gezieltere Schutz- maßnahmen für den betroffenen Perso- nenkreis ermöglichen und das Schutzni- veau durch die Freisetzung von ineffek- tiv eingesetzten Mitteln erhöhen.

Die rasante Entschlüsselung des menschlichen Genoms und die Auf- deckung genetisch bedingter Disposi- tionsfaktoren ist für die Prävention fremdstoffbedingter Erkrankungen ei- ne besondere Chance und Herausfor- derung. Ärztinnen und Ärzten kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. Sie müssen aber auch eine unter Umständen nach-

teilige Verwendung der Information über Dispositionsfaktoren der betroffe- nen Menschen verhindern.

Manuskript eingereicht: 24. 7. 2001, revidierte Fassung angenommen: 3. 9. 2001

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2001; 98: A 112–114 [Heft 3]

Literatur

1. Cartwright RA, Glashan RW, Rogers HJ, Ahmad RA, Barham-Hall D, Higgins E, Kahn MA: Role of N-acetyl- transferase phenotypes in bladder carcinogenesis: A pharmacogenetic epidemiological approach to blad- der cancer. Lancet 1982; II: 842–846.

2. Garnier R, Rambourg-Schepens MO, Müller A, Hallier E:

Glutathione transferase activity and formation of macro- molecular adducts in two cases of acute methyl bromide poisoning. Occup Environ Med 1996; 53: 211–215.

3. Idle JR, Armstrong M, Boddy AV, Boustead C, Choler- ton S, Cooper J, Daly AK, Ellis J, Gregory W, Hadidi H, Höfer C, Holt J, Leathart J, McCracken N, Monkman SC, Painter JE, Taber H, Walker D, Yule M: The phar- macogenetics of chemical carcinogenesis. Pharmaco- genetics 1992; 2: 246–258.

4. Lewalter J, Miksche LW: Empfehlungen zur arbeitsme- dizinischen Prävention expositions- und dispositions- bedingter Arbeitsstoff-Beanspruchungen. Verh Dt Ges Arbeitsmed 1991; 31: 135–139.

5. Nebert DW, Carvan MJ: Ecogenetics: From ecology to health. Toxicol Ind Health 1997; 13: 163–192.

6. Nebert DW: Polymorphisms in drug-metabolizing enzymes: What is their clinical relevance and why do they exist? CRC Crit Rev Toxicol 1997; 20: 153–117.

Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. med. Ernst Hallier Abteilung Arbeits- und Sozialmedizin Georg-August-Universität Göttingen Waldweg 37, 37073 Göttigen

E-Mail: arbeitsmedizin.sozialmedizin@medizin.

uni-goettingen.de M E D I Z I N

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A114 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 3½½½½18. Januar 2002

Verordnungsfehler werden als relevan- tes Problem in der klinischen Medizin angesehen. Studien hierzu konnten zei- gen, dass bis zu vier Prozent aller hospi- talisierten Patienten hiervon während ihrer Behandlung betroffen sind. Ne- ben fehlerhaften Indikationen für eine Medikamententherapie sind auch Ab- gabe- und Dosierungsfehler zum Teil bei unerwünschten Ereignissen ursäch- lich.

Eine Untersuchung in zwei pädiatri- schen Abteilungen in Boston konnte an-

hand von Stichproben zeigen, dass bei circa 10 000 Medikamentenverordnun- gen eine Fehlerquote von 5,7 Prozent auftrat, in deren Folge in 1,1 Prozent un- erwünschte Ereignisse zu beobachten waren. Es waren vor allem Therapien bei Neugeborenen sowie auf der Neuge- borenenintensivstation zu bemängeln.

Etwa 80 Prozent der Fehler kamen be- reits bei der Anordnung durch fehler- hafte Dosierungen zustande.

Als positiver Aspekt der Untersu- chung ließ sich festhalten, dass durch

EDV-gestützte Eingabesysteme bis zu 93 Prozent der unerwünschten Ereig- nisse nicht aufgetreten wären. Ebenso gut hätte dies durch den Einsatz von kli- nischen Pharmakologen auf der Station verhindert werden können. acc Kaushal R et al.: Medication errors and adverse drug events in pediatric inpatients. JAMA 2001; 285:

2114–2120.

Dr. Goldmann, Children’s Hospital, Enders 609, Long- wood Avenue, Boston, MA 02115, USA.

Medikamenten-Fehlverordnung in der Pädiatrie

Referiert

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