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Für den Fall der Rückkehr gab er an: "Ich habe Angst zu sterben, da sie uns bedrohen und töten".

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Academic year: 2022

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(1)

Gericht BVwG

Entscheidungsdatum 05.08.2019

Geschäftszahl W264 2180646-1

Spruch

W264 2180646-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Tanja KOENIG-LACKNER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX StA. Islamische Republik Afghanistan, vertreten durch Rechtsanwälte KRÖMER, 3100 St. Pölten, Mag. Michaela KRÖMER, LLM, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.11.2017, Zahl: 1111861910/160550272, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden auch als "BF" bezeichnet) reiste in Umgehung der Grenzkontrollen unrechtmäßig in das Bundesgebiet ein und wurde am 18.4.2016 im Rahmen der Erstbefragung zu seinen Fluchtgründen befragt und führte er die Taliban und die ISIS in seiner Provinz Baghlan ins Treffen. Diese hätten mit dem Umbringen gedroht, daher habe er beschlossen das Land zu verlassen.

Für den Fall der Rückkehr gab er an: "Ich habe Angst zu sterben, da sie uns bedrohen und töten".

2. Im Fremdakt liegen ein:

* Dokument "Islamic Republic of Afghanistan. Ministry of Interior Affairs. Department of Population &

Registration. Head office of the (1st), Province: Baghlan, District: XXXX ; Village: XXXX , Gen ID No: XXXX

* Ausweiskopie

3. Am 2.6.2017 wurde mit dem BF eine Niederschrift vor dem BFA Regionaldirektion Burgenland aufgenommen und war XXXX als Vertrauensperson anwesend. Der BF gab an im Verfahren bis zu diesem Zeitpunkt der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht zu haben, aber habe eine Rückübersetzung nicht stattgefunden. Für den weiteren Inhalt wird auf den Inhalt der Niederschrift verwiesen.

(2)

4. Mit dem nunmehr angefochtenem Bescheid wies die belangte Behörde den Asylantrag des Beschwerdeführers bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt II.) ab. Gemäß

§§ 57 AsylG wurde ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Umständen nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV). Im Spruchpunkt V. wurde ausgesprochen, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Afghanistan "gemäß § 8 Abs 3a AsylG iVm § 9 Abs 2 AsylG und § 52 Abs 9 FPG unzulässig ist (Spruchpunkt V.).

Unter Spruchpunkt IV. dieses Bescheides wurde die Frist für seine freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 Z 3 FPG mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI).

7. Mit Beschwerde des Verein Menschenrechte Österreich brachte er das Rechtsmittel gegen den Bescheid ein mit dem Hinweis, dass Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheids ausdrücklich unberührt bleibe. Der BF habe nunmehr keine sozialen Anbindungen in Afghanistan, sein Vater sei Offizier der ANA gewesen und habe aufgrund dieser Tätigkeit mehrmals Drohungen der Taliban erhalten, welche sich "aufgrund der Familienzugehörigkeit des BF auch auf diesen ausweiten könnten", daher befürchte er für den Fall der Rückkehr eine Verfolgung durch die Taliban, welche ihm eine "oppositionell-politische Gesinnung" unterstellen könnten.

Der BF verfüge aufgrund der Nähe zu seinem Vater eine regierungsfreundliche, anti-radikale Einstellung gegen die Praktiken der Taliban.

Weiters wurde darin zur Versorgungslage im Falle der Rückkehr ausgeführt. Er habe Integrationsanstrengungen in Österreich gemacht, "wie dem Konvolut der sich im Akt befindlichen Unterstützungsschreiben und Teilnahmebestätigungen entnommen werden kann".

8. Die Vollmacht des VMÖ wurde am 7.12.2017 aufgelöst.

9. Der Akt langte beim Bundesverwaltungsgericht am 27.12.2017 ein.

10. Am 4.10.2018 langte der Berichtigungsbescheid vom 2.1.2018 ein, womit der Spruchpunkt V. des Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.11.2017, Zahl: 1111861910/160550272 berichtigt wurde, sodass dieser lautet: "V. Es wird gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass Ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist".

Die Zustellung des Berichtigungsbescheids erfolgte laut unbedenklichem Rückschein RSa nach vorherigem Zustellversuch am 4.1.2018 und Einlegen der Verständigung über die Hinterlegung in der Abgabeeinrichtung durch Hinterlegung beim Postamt 3910 mit Beginn der Abholfrist 5.1.2019. Ein Rechtsmittel wurde laut Auskunft des BFA gegen diesen Berichtigungsbescheid nicht erhoben.

10. Die öffentliche mündliche Verhandlung wurde am 4.10.2018 durchgeführt.

11. An der öffentlichen mündlichen Verhandlung nahm der BF im Begleitung seiner nunmehr gewillkürten Rechtsvertreterin teil. Es wurde als ein der Sprache Dari kundiger Dolmetsch Dr. XXXX beigezogen.

Es folgen Auszüge aus der Verhandlungsschrift:

"R: Sind Sie chronisch krank, benötigen Sie regelmäßig einer Medikamenteneinnahme?

BF: Ich bin in Behandlung wegen Schlaflosigkeit. Ich war beim Arzt und habe Medikamente bekommen. Ich nehme TRITTICO. Dieses Medikament wurde mir vom Arzt im Ausmaß einer halben Tablette verordnet und nehme ich von den 150mg Tabletten ein ganzes Stück. Ich nehme diese Tabletten fast immer aber manchmal, wenn ich selbst einschlafen kann nehme ich sie nicht.

Festgehalten wird, dass in der Medikamentenschachtel eine Wiederbestellung bei der Fachärztin für Psychiatrie einliegt und wird der BF darauf hingewiesen, diese nicht zu verabsäumen.

R: Wann haben Sie diese Schachtel gekauft oder geholt von der Apotheke?

BF: Genau weiß ich es nicht. Ich vergesse sehr viel. Ich glaube ca. vor 2 Wochen.

(3)

R: Wann haben Sie die letzte Tablette genommen?

BF: Gestern habe ich eine halbe genommen.

(Anm: festgehalten wird, dass in der heute vorgewiesenen Schachtel eine ganze Tablette fehlt, alle übrigen sind noch enthalten).

Und legt der BF eine Schachtel vor. Mit der Verordnung 0-0-0-1 sowie Teilnahmebestätigung und ÖSD Zertifikate, diese werden als Beilage ./A zur VH-Schrift genommen.

R: Haben Sie bei der Polizei oder der Einvernahme vor dem BFA die Wahrheit gesagt? BF: Ich habe die Wahrheit gesagt, alles was ich gesagt habe ist die Wahrheit. Ich wollte detailliert über alles reden aber ich habe die Zeit dafür nicht bekommen. Auf Befragen ob bei der ersten oder zweiten Einvernahme gibt der BF an: Das war beim

BFA.

Bei der EB ist es mir sehr schlecht gegangen, ich habe mehrere Nächte nicht geschlafen.

BF wird auf die Mitwirkungspflicht nach § 15 AsylG hingewiesen: BF wird darauf hingewiesen, alle zur Flucht veranlassenden Gründe vorzubringen, nichts zu verschweigen, auch Details, welche im Herkunftsland etwa zur Schande gereichen, nicht zu verschweigen und wird seitens der R weiters mitgeteilt, dass nichts von dem, was heute hier vorgebracht wird, an die Behörden oder die Vertretung des Herkunftsstaates weitergegeben wird.

BF wird darauf hingewiesen, dass es unumgänglich ist, die Wahrheit zu sagen, nichts zu verschweigen und alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte selbstständig und über Nachfrage wahrheitsgemäß darzulegen. Auf die Folgen einer wahrheitswidrigen Aussage und der damit verbundenen allenfalls für den BF / die BF nachteilig verlaufenden Glaubwürdigkeitsprüfung wird ausdrücklich hingewiesen. Ferner darüber, dass falsche Angaben über die Identität bzw. Nationalität strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.

BF: Ja, ich habe es verstanden.

[...]

Haben Sie den D bis jetzt sowohl von der Lautstärke her als auch von der Sprache her einwandfrei verstanden?

BF: Ja ich verstehe ihn, aber er soll langsam sein, nicht zu schnell.

Dem BF wird mitgeteilt, dass er jederzeit eine Verhandlungspause begehren kann.

BF wird darauf hingewiesen, dass im Falle, dass er / sie sich nicht mehr erinnern kann / können oder etwas nicht mehr weiß / wissen, dies sodann der R bekannt zu geben ist mit "ich weiß es nicht mehr / ich kann mich nicht mehr erinnern".

R: Wenn ich Sie nach Personen frage oder Sie von sich aus von Personen erzählen, dann möchte ich, dass Sie mir den Namen dieser Person auch sofort nennen! Haben Sie das verstanden?

BF: Ja.

R: Sie haben vorhin gesagt: Ich habe die Wahrheit gesagt, alles was ich gesagt habe ist die Wahrheit. Ich wollte detailliert über alles reden aber ich habe die Zeit dafür nicht bekommen. Auf Befragen ob bei der ersten oder zweiten Einvernahme gibt der BF an: Das war beim BFA. Was haben Sie dort nicht gesagt, was Sie heute hier sagen möchten?

BF: Beim BFA wurde ich gefragt warum ich Afghanistan verlassen habe. Ich wollte ein Dokument vorlegen und das war ein Beweis, dass ich dort Probleme hatte.

R: Wo ist dieses Dokument?

(4)

BF: Das war ein Dokument und das könnte beweisen, dass mein Vater für das Militär gearbeitet hat. Auf Nachfrage gebe ich an: Ich habe es vorgelegt. Ich wollte detailliert darüber reden, ich wollte auch sagen, warum ich geflüchtet bin.

R: Sie sagten, Sie haben es vorgelegt, jetzt sagen Sie sie wollten es vorlegen. Was stimmt jetzt?

BF: Ja ich habe es vorgelegt.

Vorhalt der Aktenseite 110 im Fremdakt, bestätigt er, dass es sich darum um das eben thematisierte Dokument handelt.

R zeigt BF die in Aktenseite (Klarsichthülle) befindlichen 3 Dokumente. (Beilage ./C) BF gibt an, die Übersetzung der Tazkira sei in Afghanistan bewerkstelligt worden.

R: Haben Sie die Übersetzung gemacht oder Ihr Vater?

BF: Mein Vater hat das gemacht. Er schickte mir das.

BF wird aufgefordert die Volksgruppenzugehörigkeit, das Religionsbekenntnis und die Heimatprovinz auf ein Blatt Papier zu schreiben und wird dies als Beilage ./B zur Verhandlungsschrift genommen.

Der D gibt an, es wird teilweise vom BF Hazaragi gesprochen.

R: In welchem Land und in welcher Provinz leben Ihre Eltern und wie heißen die?

BFX: Momentan weiß ich nicht, wo sie sich befinden. Der Letzte Kontakt war glaube ich vor ca. 10 Monaten, als mir mein Vater die Dokumente geschickt hat. Mein Vater ist XXXX und meine Mutter ist XXXX . Beim letzten Mal wurde mir gesagt, dass Sie nicht mehr in Afghanistan leben können und das sie nach Iran wollen.

Mein Vater sagte mir das, dass die ganze Familie in den Iran möchte.

R: Haben Sie einen Facebook-Account?

BF: Ja.

R: Kann ich den einmal sehen?

BF: Facebook?

R: Ja genau.

BF: am Handy?

R: Ja.

BF: Ich habe kein Internet am Handy.

R: Mit wem in Afghanistan stehen Sie in Kontakt?

BF: In Afghanistan mit niemandem.

R: Haben Sie sonst Kontakt zu irgendjemandem außerhalb Österreichs?

BF: Ich habe eine Tante in Deutschland namens Marina. Ich weiß nicht, wo Sie in Deutschland wohnt. Ich habe Kontakt mit ihr.

R: Eine Tante vs oder ms?

(5)

BF: Eine Tante mütterlicherseits.

R: Was ist mit Ihren Geschwistern?

BF: Mein Bruder ist bei der Familie. Schwestern habe ich keine.

R: Wie heißt der Bruder? Ich habe gesagt "Namen dazusagen"

BF: Name? Ahmad Arshad

R: Haben Sie mit dem Bruder Kontakt?

BF: Der Bruder? Er hat versucht mich manchmal zu kontaktieren, es ging aber nicht, das Internet hat nicht funktioniert.

R: Wie "per Internet"? Facebook oder Skype?

BF: Per Facebook.

R: Wie fühlen Sie sich heute gesundheitlich?

BF: Ich bin gesund, konnte aber wenig schlafen. Ca drei Stunden.

R: Sie sagten "Mein Bruder ist bei der Familie" - hat er eine eigene Familie, Frau und Kinder?

BF: Er ist bei meiner Familie, er ist nur 10 Jahre alt, bald 11.

R: Haben Sie versucht den Bruder zu erreichen, seit Sie in Österreich sind?

BF: Ich habe mich bemüht, aber es nicht gegangen, ich habe es nicht geschafft. Ich habe versucht per Facebook anzurufen, seine Telefonnummer hab ich nicht. Ich hab es per Facebook versucht.

R: Haben Sie gerade einen aktuellen Facebookacoount?

BF: Ja.

R: Haben Sie den Bruder in der Freundesliste auf Facebook?

BF: Bruder?

R: Ist Ihnen etwas unklar, weil Sie immer rückfragen?

BF: Mein Bruder Ahmad Arshad kennt sich aber nicht gut aus mit Facebook.

R: Hat Ihr Bruder einen Account, haben Sie ihn in der Freundesliste?

BF: Ja.

R: Haben Sie Onkel, Tanten oder Cousinen in einem anderen Land außer in Deutschland?

BF: Ich habe einen Onkel vs in Kanada.

R: Noch einmal - ich brauche die Namen auch. Das ist notwendig, um Verwechslungsgefahr auszuschließen.

Haben Sie das verstanden mit den Namen?

BF: Ja.

(6)

Ich habe einen Onkel vs in Kanada namens XXXX , ich habe einen Onkel ms in England namens XXXX . Auf Befragen ob die auch Familie haben:

Ja.

R: Haben diese Onkel Kinder?

BF: Beide Onkel sind verheiratet und haben Frauen. Aber keine Kinder.

Anm: Der BF beantwortet Fragen indem er immer wieder vorher nachfragt ehe er antwortet.

R: Fällt es Ihnen schwer eine Antwort zu geben oder fragen Sie vor der Antwort immer nach, weil es schwer fällt sich zu erinnern.

BF: Nein, das ist nur meine Art zu reden.

Mein Onkel XXXX kann sein, dass er 30 Jahre alt ist. Mein Onkel XXXX kann ca 45 Jahre sein.

R: Wann hatten Sie das letzte Mal Kontakt zu diesen Onkel in England und Kanada und über welches Medium?

BF: Ich bin ganz selten mit dem Onkel in England in Kontakt, ganz selten. Er hat mich einmal telefonisch erreicht. Er hat meine Nummer gehabt. Ich habe ihm meine Nummer gegeben.

R: Hat dieser Onkel Kontakt zu ihrem Vater?

BF: Ich habe ihn einmal gefragt, dass er keinen Kontakt hat.

R: Und zu Ihrer Mutter?

BF: Er sagte, dass er keinen Kontakt hat. Er ist sehr beschäftigt mit seiner Arbeit.

R: Wie sind Sie mit diesem Onkel verwandt?

BF: Er ist mein Onkel ms namens Jawed.

R: Hat der andere Onkel Kontakt mit Ihrem Vater?

BF: ich weiß es nicht, der Onkel fragt nie wie es mir geht, ob ich Probleme habe.

R: Haben Sie Probleme?

BF: Er interessiert sich für mich.

R: Haben Sie Probleme?

BF: Ja, dass ich da bin und keine Zukunft habe. Er interessiert sich überhaupt nicht für mich.

R: Haben Sie in Ö Menschen, die sich um Sie kümmern und mit denen Sie über Probleme reden können?

BF: Ja, ich habe eine österr. Freundin mit der wir reden. Sie ist meine Lehrerin namens XXXX . Sie ist für mich wie eine Mutter, wir leben nicht zusammen. Sie ist sehr sehr freundlich und sehr lieb zu mir.

R: Wann waren Sie das letzte Mal bei Frau Dr. XXXX ?

BF: Ich habe einen Termin von ihr bekommen und war einen Monat vor diesem Termin dort.

R: In welchem Monat waren Sie das letzte Mal bei ihr?

(7)

BF: Jetzt ist das 10. Monat, ich war im 9. Monat bei ihr.

R: Wie heißt der neunte Monat?

BF: September.

R: Haben Sie vor Ihrer Einreise nach Österreich eine Schule besucht? Wie lange?

BF: 12 Jahre in Afghanistan.

R: Haben Sie vor Ihrer Einreise nach Österreich Berufserfahrung erlangt? Wieviele Jahre?

BF: Nein.

R: Was hat Ihr Vater beruflich gearbeitet?

BF: Mein Vater hat für die afghanische Regierung gearbeitet, für die ANA.

R: Was hat er für die Armee gemacht?

BF: Er war ein Offizier, aber seinen Rang kenn ich nicht. Er hat überall Dienst geleistet, in mehreren Provinzen.

R: Wie lange war er bei der Nationalarmee?

D merkt an, der BF wiederholt immer wieder den ersten Teil der Frage.

BF: Lange. Sehr sehr lang. Ich weiß nicht.

R: Als Sie ein Kind waren - hat er da über seine Arbeit geredet und erzählt zB heute waren dort oder heute haben wir das gemacht?

BF: Ja, er hat gesagt, dass er in verschiedenen Provinzen Dienst geleistet hat.

R: Können Sie mir irgendeinen Dienstgrad, den ein Mann in der ANA erreichen kann nennen? Irgendeinen?

BF: Viel nicht, teilweise schon.

R: Was ist "teilweise" - greifen Sie auf Ihr Teilweisewissen zurück.

BF: zB General, Oberst, solche Sachen kenne ich.

R: Wie hat die Kaserne oder der Stützpunkt Ihres Vaters geheißen?

BF: Er hat in verschiedenen Provinzen Dienst geleistet zB manchmal in Baghlan, manchmal in Herat.

R: War Ihr Vater noch bei der ANA, als Sie aus Afghanistan ausgereist sind?

BF: Ja.

Die R fordert BF auf wie folgt.

Sie haben nun Gelegenheit in Ruhe in freier Erzählung nochmals die Gründe, warum das Herkunftsland verlassen und ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, von sich aus vollständig und wahrheitsgemäß zu erzählen. Lassen Sie nichts weg! Nehmen Sie sich Zeit und erzählen Sie ganz konkret und mit Details.

Falsche Angaben beeinträchtigen die Glaubwürdigkeit Ihres Fluchtberichts.

Sie haben nun die Möglichkeit von sich aus alles zu erzählen, ohne auf Fragen von mir warten zu müssen.

(8)

BF führt aus wie folgt: Unsere Ortschaft wurde immer wieder von den Taliban angegriffen.

Auf Nachfrage: die Ortschaft hieß XXXX im Bezirk XXXX in Baghlan.

Es kam immer wieder zu Kampfhandlungen zwischen der Regierung und den Taliban. Die Leute wurden immer wieder von den Taliban angegriffen, es war immer Krieg. Wenn die Taliban mitbekommen haben, dass jemand für die Regierung tätig ist, wurde er als "Spion für die afgh Regierung" bezeichnet. Wenn sie Mitglieder der ANA oder Polizisten erwischt haben oder die Schiiten und Hazara erwischt haben, wurden die geköpft und getötet.

Einmal in der Nacht waren wir zuhause, mein Bruder, meine Mutter.

R: Sie haben vorhin gesagt: "Wenn sie Mitglieder der ANA oder Polizisten erwischt haben oder die Schiiten und Hazara erwischt haben, wurden die geköpft und getötet." - wann war das?

BF: Das war immer so, immer so ist es passiert.

Wir waren zuhause, meine Mutter und mein Bruder. In der Nacht wurde bei uns geklopft. Die Sicherheitslage in unserer Ortschaft war extrem schlecht. Ich habe wahnsinnig Angst bekommen. Aus Angst konnte ich nicht zur Eingangstüre gehen. Meine Mutter sagte, dass sie eine Frau ist und dass Sie zur Eingangstüre gehen möchte.

Meine Mutter hat aufgemacht und hat bewaffnete Männer gesehen.

R: Haben Sie diese bewaffneten Männer auch gesehen?

BF: Nein, meine Mutter hat es erzählt. Als sie die bewaffneten Männer gesehen hat, ist sie zurückgekommen, hat viel geweint und war in Panik.

BF: Meine Mutter sagte, dass diese bewaffneten Männer nach meinem Vater gefragt haben und gefragt wo er sei. Sie sagte, er ist nicht zuhause. Danach haben sie gefragt wo der XXXX ist. Ich weiß nicht, woher die bewaffneten Männer meinen Namen herausgefunden hatten.

Meine Mutter sagte, dass ich nicht zuhause sei.

R: Waren Sie in dem Zeitpunkt auch zuhause?

BF: Ja ich war zuhause. Ich habe gewusst, dass die Sicherheitslage dort sehr schlecht ist. Ich habe mich versteckt im Schlafzimmer unter einer Decke.

R: Wie groß was das Haus, in dem Sie gelebt haben. Wieviele Räume?

BF: Drei.

R: Haben Sie gehört, dass die Männer mit der Mutter sprechen?

BF: Nein. Meine Mutter hat es dann nachher erzählt. Ich weiß nicht, wer zu denen gesagt hat, wer spioniert hat, dass bei uns jemand lebt, der für die afgh. Regierung tätig ist. Meine Mutter hat sehr viel geweint, war sehr ängstlich und sagte, die hätten nach meinem Vater gefragt und auch gefragt haben, wo ich bin. Als meine Mutter zu denen gesagt hat, dass wir nicht zuhause sind, sind sie dann gegangen.

Ich habe auch wahnsinnig Angst gehabt und meine Mutter sagte, dass die Lage sehr schlecht ist und das Leben dort war extrem schwierig. Wir waren beide in Panik, wir hatten beide große Angst und deshalb habe ich mich entschieden das Land zu verlassen.

R: Warum haben Sie sich entschieden das Land zu verlassen und nicht auch die Mutter?

BF: Ich habe meine Mutter gesehen, dass es ihr total schlecht geht, sie hat viel geweint und Angst gehabt. Ich wollte, dass wir gemeinsam flüchten - ich, meine Mutter und mein Bruder. Ich habe aber gehört, die Reise ist extrem gefährlich.

(9)

R: Wollten Sie den Vater zurücklassen?

BF: Der war in dem Zeitpunkt nicht zuhause.

R: Aber der ist doch zurückgekehrt oder wollten Sie ihn zurücklassen?

BF: Er war irgendwo in einem Stützpunkt im Militärdienst, ich weiß nicht wo er war.

R: Er ist sehr selten nach Hause gekommen, 2 bis 3x pro Jahr. Wenn die Sicherheitslage etwas besser war, ist er gekommen, als sie sich verschlechtert hat, ist er nicht mehr nach Hause gekommen. Ich wollte die beiden mitnehmen, ich wusste aber die Reise ist für eine Frau und ein 10jähriges Kind extrem gefährlich.

Ich hatte wahnsinnig große Angst und war in Panik.

R: Wann sind Sie ausgereist?

BF: Es könnte Anfang 2016 sein, ich erinnere mich nicht mehr. Kann sein im 1. Monat 2016.

R: Und wann waren die Männer bei Ihnen?

BF: Die Männer waren bei in der Nacht und in der Früh hab ich, als es noch dunkel war, die Ortschaft verlassen.

R: War es also so, dass die Männer in der Nacht gekommen sind und noch ehe die Sonne am nächsten Tag aufging, sind Sie geflüchtet?

BF: Ja. Ich habe mich entschieden und bin geflüchtet.

R: Haben Sie also die Mutter und den Bruder allein im Haus zurückgelassen?

BF: Ja. Meine Mutter sagte ich soll gehen.

R: Hatten Sie Angst um Ihre Mutter und den Bruder?

BF: Ich war sehr besorgt und hab viel dran gedacht.

Es ging mir sehr schlecht, als ich die Mutter weinen sah und auch die Tränen vom Bruder waren sehr schwer für mich. Ich habe keine andere Wahl gehabt, hätten sie mich erwischt, hätten sie mich umgebracht.

R: Haben die Männer gesagt was sie von Ihnen wollten?

BF: In unserer Umgebung haben Paschtunen gelebt. Kann sein, dass es jemand spioniert hat, dass hier jemand lebt der für die Afgh. Regierung arbeitet.

R: Haben Sie für die afgh. Regierung oder die ANA gearbeitet?

BF: Nein.

R: Ist Ihnen vorher, schon bevor diese Männer zu Ihnen nach Hause gekommen sind, schon einmal etwas Ungewöhnliches passiert?

BF: So ein Vorfall ist nicht passiert, aber ich wurde schlecht behandelt, zu uns wurde gesagt, dass wir keine Muslime sind.

R: Wer hat Sie schlecht behandelt?

BF: von den Leuten die in unserer Gegend lebten. Wir wurden beleidigt, dass wir keine Muslime sondern Spione sind.

(10)

R: Haben die Leute das nur zu Ihrer Familie gesagt oder auch zu Nachbarn von Ihnen? BF: zu mir, zu meiner Familie dass wir Schiiten sind, dass wir keine Moslem sind, dass wir in Afghanistan keine Rechte haben, sie haben uns erniedrigt.

R: Haben die Ihnen auch etwas angedroht, dass Sie Ihnen etwas antun würden?

BF: wir wurden sehr erniedrigt, ich habe das so verstanden, dass sie uns töten wollen.

R: Was heißt "so verstanden"? Sie haben 12 Jahre Schulbildung, Sie werden das besser erklären können.

BF: Als sie zu uns sagten, dass wir Schiiten sind keine Muslime, bedeutet, dass sie uns töten dürfen und dass uns zu töten für die "Rawa" ist.

R: Sie sagten heute, sie haben in Afghanistan nicht gearbeitet. Wie viel kostete die Flucht? BF: mein Vater hat gesagt, dass meine Flucht ca 5000 Dollar gekostet hat, er hat es finanziert.

R: Haben Sie vor der Flucht mit dem Vater gesprochen? Haben Sie ihm gesagt "da waren heute Nacht Männer da, die wollten mit dir reden?"

BF: In der selben Nacht habe ich meinen Vater angerufen. Als ich es meinem Vater erzählt habe, dass Männer da waren, hat mein Vater gesagt, dass ich flüchten muss.

R: "Das Leben dort war extrem schwierig" - beschreiben Sie mir bitte was war dort schwierig?

BF: Die Leute haben uns sehr erniedrigt. Die Leute haben uns gehasst. Die Sicherheitslage hat sich drastisch verschlechtert, wir hatten keine Hoffnung mehr.

R: Wie war die finanzielle Lage der Familie?

BF: Reich waren wir nicht. Mein Vater hat gearbeitet und sein Gehalt geschickt und davon haben wir gelebt.

R: Wenn die Leute vorher so erniedrigend und hassend waren - warum haben Sie dann erst nach dem Besuch der Männer die Flucht ergriffen?

BF: Ich wollte auch vorher flüchten, aber nachher hat sich die Sicherheitslage verschlechtert. Ich hatte keine andere Wahl.

R: Warum sind Sie nicht gemeinsam mit Ihrer Mutter und dem kleinen Bruder woanders hin in Afghanistan geflüchtet?

BF: Es war finanziell nicht möglich in einer anderen Provinz zu leben. Wohin sollten wir gehen - wir hatten in anderen Provinzen kein Haus, nichts.

R: Hätte Ihr Vater nicht in eine andere Provinz auch Geld schicken können?

BF: Zum wem in einer Provinz sollten wir gehen, wir hatten in anderen Provinzen nichts. Wie Sie wissen ist die Sicherheitslage in allen Provinzen Afghanistans sehr schlecht.

R: Warum gerade nach Europa? Hier hatten Sie auch kein Haus.

BF: Dass ich am Leben bleibe, da hab ich ein bisschen Hoffnung.

R: Was wussten Sie über Europa, bevor Sie nach Europa gekommen sind?

BF: über Europa hatte ich keine Informationen, mein Ziel war der Iran. Das Leben im Iran war aber sehr schwer.

Ich habe mich erst im Iran - weil das Leben dort sehr schwer war - entschieden nach Europa zu gehen.

(11)

R: Haben Sie nun alle Ihre Fluchtgründe vorgebracht oder gibt es noch etwas von dem Sie sagen: Das war auch ein Grund, warum ich Afghanistan verlassen musste, ich habe es nur noch nicht gesagt?

BF: Das alles was ich erzählt habe, war ein Grund.

R: Haben Sie alles rund um Ihren Vater und dessen Tätigkeit ANA vorgebracht was Sie in Österreich vorbringen wollten?

BF: Ja.

Auf Befragen der RV:

RV: Zu der Situation wo die Männer in der Nacht gekommen sind: da hat Ihre Mutter die Türe geöffnet. Warum die Mutter und nicht Sie als Mann?

BF: Eine Frau ist im Vergleich mit einem Mann weniger bedroht, hätte ich geöffnet, hätten sie mich sofort mitgenommen.

R: Wurden Sie in Afghanistan aufgrund Ihrer Volksgruppenzugehörigkeit jemals bedroht oder verfolgt?

BF: Es gab jemanden in unserer Ortschaft, der mich direkt erniedrigt hat, dass ich ein Hazara bin und nichts wert bin.

R: Erklären Sie "direkt erniedrigt" an einem Beispiel - was hat er gemacht? BF: Wie er mit mir gesprochen hat, hatte ich das Gefühl dass er mich töten möchte.

R: Wie heißt die Person?

BF: Name? Genau weiß ich es nicht.

R: Ist das einmal vorgekommen?

BF: Einmal.

R: Wurden Sie in Afghanistan aufgrund Ihrer Religionszugehörigkeit jemals bedroht oder verfolgt?

BF: Liebe Frau Rat Sie wissen, dass wenn ein Schiit in Afghanistan egal wo, erwischt wird, wird er getötet.

Ich wurde sogar in Österreich erniedrigt. Ich habe in einem Flüchtlingsheim gelebt. Ich wurde wegen der Religion beleidigt.

R: Was wurde Ihnen gesagt, weil Sie sagen "beleidigt"?

BF: Dass ich ein Schiit bin und kein Moslem.

Jetzt lebe ich privat, das war aber damals als ich in einem Heim.

R: Waren Sie in Afghanistan einmal Mitglied einer Partei oder sonst politisch tätig? BF: Nein.

R: Waren Sie in Afghanistan jemals in Haft?

BF: Nein.

R: Sind Sie in Afghanistan vorbestraft oder werden Sie mit einer staatlichen Fahndungsmaßnahme wie Haftbefehl, Strafanzeige, Steckbrief gesucht? BF: Nein.

R: Hatten Sie in Afghanistan jemals Probleme mit Behörden, der Polizei oder einem Gericht?

(12)

BF: Nein.

R: Nahmen Sie in Afghanistan an bewaffneten oder gewalttätigen Auseinandersetzungen aktiv teil?

BF: Nein.

R: Wurden Sie in Afghanistan jemals von irgendjemandem bedroht oder verfolgt (Blutfehde, Racheakte oder dergleichen)?

BF: Nein.

R: Haben Angehörige der Taliban in Afghanistan Sie persönlich je angesprochen? BF: Nein.

Waren Sie schon einmal in Herat, Mazar-e Sharif?

BF: In Mazar-e Sharif nicht, in Kunduz war ich.

R: Waren Sie lange in Kunduz?

BF: Nur für einen Tag.

R: Was haben Sie in Kunduz gemacht?

BF: Damals war Präsident Karzai an der Macht und die Sicherheitslage war dort etwas besser. Ich bin dort zu einer Hochzeit gegangen.

Ist in Afghanistan irgendeinmal irgendein Mensch zu Ihnen gekommen und hat Sie bedroht oder verfolgt?

BF: Nein. Das wars.

R: Was befürchten Sie für Ihr Leben, wenn Sie nach Afghanistan zurückkehren müssten? BF: Ich habe keine Hoffnung mehr am Leben zu bleiben.

R: Meinen Sie Sie selbst würden sich etwas antun oder ein andere Mensch würde Ihnen etwas antun?

BF: Entweder kommt man ums Leben bei einem Selbstmordattentat, die Linienbusse werden von den Taliban durchsucht. Wenn sie einen Hazara oder Schiit finden, wird dieser festgehalten und getötet.

[...]

R: Haben Sie heute hier in diesem Gerichtsverfahren alle Ihre Fluchtgründe vorgebracht? BF: Ich habe alles gesagt.

R: Möchten Sie sonst noch irgendetwas sagen, das Ihnen am Herzen liegt?

BF: Wenn ich die Möglichkeit bekomme hier zu bleiben, möchte ich dem Österreichischen Volk und Staat dienen und eine Zukunft für mich bauen.

R richtet an den BF und dessen Rechtsvertreter die Frage, ob zum aktuelle Länderbericht der Staatendokumentation ein über den Beschwerdeschriftsatz hinausgehendes Vorbringen erstattet wird, da die R beabsichtigt, den Länderbericht in jener Fassung im Zeitpunkt der Entscheidung ihrer Entscheidung zu Grunde legen.

Für die Abgabe einer Stellungnahme zum Länderbericht vom 11.9.2018 wird der RV auf Wunsch eine Frist von 2 Wochen eingeräumt.

(13)

Der Rechtsvertretung wird mitgeteilt, dass für den Fall, dass bis zur Zustellung der Entscheidung eine neue Fassung des Länderberichts der Staatendokumentation herauskommen sollte, eine allfällige Stellungnahme hiezu dem Gericht ohne Aufforderung zu übermitteln ist.

R: Haben Sie den Dolmetscher während der gesamten Einvernahme immer gut verstanden?"

BF: am Anfang haben wir Dari gesprochen. Am Anfang hat er etwas schneller gesprochen, aber dann habe ich ihn gut verstanden.

Ich hoffe, er hat mich auch gut verstanden.

D: Ich habe den BF sehr gut verstanden.

R: Begehren Sie eine Rückübersetzung oder möchten Sie, dass die Verhandlungsschrift der Rechtsvertretung zur Durchsicht vorgelegt wird?

BF: Bitte meiner RV zur Durchsicht vorlegen.

Schluss der Verhandlung

Die Niederschrift wird:

- zur Durchsicht vorgelegt

- vorgelesen

- rückübersetzt

- Auf die Verlesung (Rückübersetzung) der Niederschrift oder Vorlage zur Durchsicht wird verzichtet.

- Gegen die Niederschrift werden keine Einwendungen wegen behaupteter Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit erhoben. Aufgezeigte Tippfehler wurden ausgebessert."

12. Der BF legte Folgendes vor:

* Teilnahmebestätigung an Schulungen der Basisbildung vom 27.9.2018

* ÖSD-Zertifikate A2 und B1

* Termin für Wiederbestellung bei Dr. XXXX , FA für Psychiatrie, für 8.10.2018

* Tittico Retard 150mg Tabletten

* Bestätigung der HLW-FW XXXX vom Schuljahr 2017/18

* Kursbestätigung über XXXX vom 24.10.2017

* Schreiben der XXXX vom 7.11.2016

* Teilnahmebestätigung der Gemeinde XXXX betreffend Flurreinigungsaktion 2017

* Behandlungsbestätigung Dris. XXXX , vom 11.12.2017, Diagnose Insomnie (Ein- und Durchschlafstörungen), worin bestätigt wird, dass der BF auf Trittico 75mg 0-0-0-1/3 eingestellt ist und der BF am 5.4.2017 nach erstmaliger Untersuchung am 8.3.2017 zu einem Kontrolltermin wiederbestellt war

* Teilnahmezertifikat MEN TALK des BMI & Männer- und Geschlechterthemen Steiermark vom 19.12.2017

13. Innerhalb der eingeräumten zweiwöchigen Frist - und auch darüber hinaus - lange eine Stellungnahme zum Länderbericht nicht ein.

(14)

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Auf Grundlage des eingebrachten Antrages auf internationalen Schutz, der Erstbefragung sowie Einvernahme des BF durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie der belangten Behörde, des Beschwerdeschriftsatzes, des im gegenständlichen Fall erlassenen Bescheides des BFA, der Angaben des BF vor dem Bundesverwaltungsgericht in der mündlichen Verhandlung, der Einsichtnahme in den bezughabenden Verwaltungsakt der belangten Behörde, der Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister und in das Strafregister sowie in das Grundversorgungs-Informationssystem werden folgende Feststellungen getroffen und dieser Entscheidung zugrunde gelegt:

1. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Die Identität steht mit für das Verfahren ausreichender Sicherheit fest.

1.1. Feststellungen zum Beschwerdeführer, zu seinen Fluchtgründen und zum Fall der Rückkehr:

1.1.1. Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsbürger aus der Provinz Baghlan. Der BF ist der Volksgruppe der Hazara angehörig. Der BF bekennt sich zum schiitischen Glauben. Der BF ist ein erwerbsfähiger junger Mann ohne Sorgepflichten. Der BF ist der Sprachen Dari mächtig. Der BF verfügt über Zertifikate über Deutschkenntnisse.

Der BF genoss in Afghanistan eine Schulbildung. Afghanische Zeugnisse wurden vom BF nicht vorgelegt. Der BF erlangt Bildung in Österreich.

1.1.2. Der BF leidet nicht an lebensbedrohlichen Krankheiten, für welche es im Herkunftsstaat keine Behandlungsmöglichkeiten gibt.

1.1.3. Der BF bezieht Grundversorgung.

1.1.4. Der Beschwerdeführer reiste im April 2016 unrechtmäßig in das Bundesgebiet ein und stellte in Österreich den Antrag auf internationalen Schutz.

1.1.5. Der BF verfügt im Bundesgebiet nicht über Verwandte. Der BF hat außerhalb Österreichs in Kanada und in Deutschland Angehörige. Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF in Afghanistan nicht über Angehörige verfügt.

1.1.6. Der BF konnte keine asylrelevante Verfolgung nach der Genfer Flüchtlingskonvention glaubhaft machen.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF einer asylrechtlich relevanten Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention ausgesetzt war bzw. ihm eine solche Verfolgung im Falle seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit droht: es kann insgesamt nicht festgestellt werden, dass der BF im Falle der Rückkehr nach Afghanistan aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe oder wegen politischen Ansichten von Seiten Dritter bedroht wäre und so einem realen Risiko einer Verletzung der Art. 2 oder 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958 (EMRK) ausgesetzt wäre.

Der Herkunftsstaat des Beschwerdeführers ist von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt zwischen der afghanischen Regierung und Aufständischen betroffen. Die Betroffenheit vom Konflikt sowie dessen Auswirkungen für die Zivilbevölkerung sind regional unterschiedlich.

1.1.7. Es kann nicht festgestellt werden, dass konkret der Beschwerdeführer als Angehöriger der Volksgruppe der Hazara sowie als schiitischer Moslem bzw dass jeder Angehörige der Volksgruppe des Beschwerdeführers sowie der Glaubensrichtung des Beschwerdeführers in Afghanistan psychischer und / oder physischer Gewalt ausgesetzt ist.

1.1.8. Es kann weder festgestellt werden, dass konkret der Beschwerdeführer aufgrund der Tatsache, dass er sich in Europa aufgehalten hat, noch dass jeder afghanische Staatsangehörige, welcher aus Europa nach Afghanistan zurückgekehrt, in Afghanistan psychischer und / oder physischer Gewalt ausgesetzt ist.

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1.1.9. Der BF stammt aus Baghlan.

Im Februar 2017 galt Baghlan als eine der am schwersten umkämpften Provinzen des Landes (NTV 28.2.2017;

vgl. DS 1.3.2017). Die Sicherheitslage hatte sich seit Anfang 2016 verschlechtert, nachdem die Taliban anfingen, koordinierte Angriffe in Schlüsseldistrikten in der Nähe der Hauptstadt auszuführen (Khaama Press 12.8.2017; vgl. Pajhwok 28.3.2017). Dies führte zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften (Khaama Press 12.8.2017). Quellen zufolge versuchen regierungsfeindliche bewaffnete Gruppierungen ihre Aktivitäten in einigen Schlüsselprovinzen des Nordens und Nordostens zu verstärken (Khaama Press 25.2.2018). Nichtsdestotrotz gehen die afghanischen Sicherheits- und Verteidigungskräfte mit Anti-Terrorismus-Operationen gegen diesen Gruppierungen vor (Khaama Press 25.2.2018; vgl. Khaama Press 14.1.2018). Als einer der Gründe für die sich verschlechternde Sicherheitslage wird vom Gouverneur der Provinz die Korruption angegeben, die er gleichzeitig zu bekämpfen versprach (Pajhwok 28.3.2017). Auch zählt Baghlan zu jenen Provinzen, in denen eine hohe Anzahl an Zivilisten aufgrund explosiver Kampfmittelrückstände und indirekter Waffeneinwirkung ums Leben kam.

Im Falle der Rückkehr nach Laghman droht dem BF ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit.

1.1.10. Als innerstaatliche Fluchtalternative kommt für den BF Mazar-e Sharif (Hauptstadt der Provinz Balkh) in Frage. Balkh liegt in Nordafghanistan; sie ist geostrategisch gesehen eine wichtige Provinz und bekannt als Zentrum für wirtschaftliche und politische Aktivitäten. Die Hauptstadt Mazar-e Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana und Pul-e-Khumri, sie ist gleichzeitig ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst. Laut Länderbericht wurden im Dezember 2017 verschiedene Abkommen mit Uzbekistan unterzeichnet. Eines davon betrifft den Bau einer 400 Km langen Eisenbahnstrecke von Mazar-e Sharif und Maymana nach Herat (UNGASC 27.2.2018; vgl. RFE/RL 6.12.2017).

Die Infrastruktur ist jedoch noch unzureichend und behindert die weitere Entwicklung der Region. Viele der Straßen, vor allem in den gebirgigen Teilen des Landes, sind in schlechtem Zustand, schwer zu befahren und im Winter häufig unpassierbar (BFA Staaatendokumentation 4.2018).

Im Juni 2017 wurde ein großes nationales Projekt ins Leben gerufen, welches darauf abzielt, die Armut und Arbeitslosigkeit in der Provinz Balkh zu reduzieren (Pajhwok 7.6.2017). Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans (RFE/RL 23.3.2018), sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan (Khaama Press 16.1.2018; vgl. Khaama Press 20.8.2017). Balkh hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen (RFE/RL 23.3.2018; vgl. Khaama Press 16.1.2018).

Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften (Tolonews 7.3.2018), oder auch zu Angriffen auf Einrichtungen der Sicherheitskräfte (BBC 22.4.2017; vgl. BBC 17.6.2017).

In der Provinz befindet sich u.a. das von der deutschen Bundeswehr geführte Camp Marmal (TAAC-North:

Train, Advise, Assist Command - North) (NATO 11.11.2016; vgl. iHLS 28.3.2018), sowie auch das Camp Shaheen (BBC 17.6.2017; vgl. Tolonews 22.4.2017). Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz bloß 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

In Mazar-e Sharif gibt es einen internationalen Flughafen und ist daher eine gefahrlose Rückkehr von Österreich über den Luftweg möglich. Dem BF ist Mazar-e Sharif (Hauptstadt der Provinz Balkh) als innerstaatliche Fluchtalternative zumutbar.

1.1.11. Als innerstaatliche Fluchtalternative kommt für den BF ebenso Herat in Frage. Laut Länderbericht ist Herat eine relativ entwickelte Provinz im Westen des Landes. Herat wird als eine der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, aktiv (AN 18.2.2018; vgl. UNODC 12.2017, Khaama Press 25.10.2017, AJ 25.6.2017). Des Weiteren wurde Ende Oktober 2017 verlautbart, dass die Provinz Herat zu den relativ ruhigen Provinzen im Westen des Landes zählt, wenngleich sich in den abgelegenen Distrikten die Situation in den letzten Jahren aufgrund der Taliban verschlechtert hat. Herat verfügt über einen internationalen Flughafen, sodass Herat von Österreich aus gefahrlos über den Luftweg erreichen werden kann.

Dem BF ist Herat als innerstaatliche Fluchtalternative zumutbar.

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1.1.12. Zum Leben des BF in Österreich:

Der BF ist seit seiner unrechtmäßigen Einreise im April 2016 in Österreich aufhaltig.

Der BF verfügt bislang nicht über ein seinen Unterhalt abdeckendes eigenes Einkommen. Der BF hat in Österreich bereits ehrenamtlich gearbeitet.

Der BF weist im österreichischen Strafregister keine Verurteilungen auf.

1.2. Feststellungen zum Herkunftsstaat des Beschwerdeführers:

Aus dem Länderbericht der Staatendokumentation vom 29.06.2018 idgF:

KI vom 4.6.2019, politische Ereignisse, zivile Opfer, Anschläge in Kabul, IOM

Politische Ereignisse: Friedensgespräche, Loya Jirga, Ergebnisse Parlamentswahl

Ende Mai 2019 fand in Moskau die zweite Runde der Friedensgespräche zwischen den Taliban und afghanischen Politikern (nicht der Regierung, Anm.) statt. Bei dem Treffen äußerte ein Mitglied der Taliban, Amir Khan Muttaqi, den Wunsch der Gruppierung nach Einheit der afghanischen Bevölkerung und nach einer "inklusiven"

zukünftigen Regierung. Des Weiteren behauptete Muttaqi, die Taliban würden die Frauenrechte respektieren wollen. Ein ehemaliges Mitglied des afghanischen Parlaments, Fawzia Koofi, äußerte dennoch ihre Bedenken und behauptete, die Taliban hätten kein Interesse daran, Teil der aktuellen Regierung zu sein, und dass die Gruppierung weiterhin für ein islamisches Emirat stünde. (Tolonews 31.5.2019a).

Vom 29.4.2019 bis 3.5.2019 tagte in Kabul die "große Ratsversammlung" (Loya Jirga). Dabei verabschiedeten deren Mitglieder eine Resolution mit dem Ziel, einen Friedensschluss mit den Taliban zu erreichen und den inner-afghanischen Dialog zu fördern. Auch bot Präsident Ghani den Taliban einen Waffenstillstand während des Ramadan von 6.5.2019 bis 4.6.2019 an, betonte aber dennoch, dass dieser nicht einseitig sein würde. Des Weiteren sollten 175 gefangene Talibankämpfer freigelassen werden (BAMF 6.5.2019). Einer weiteren Quelle zufolge wurden die kritischen Äußerungen zahlreicher Jirga-Teilnehmer zu den nächtlichen Militäroperationen der USA nicht in den Endbericht aufgenommen, um die Beziehungen zwischen den beiden Staaten nicht zu gefährden. Die Taliban nahmen an dieser von der Regierung einberufenen Friedensveranstaltung nicht teil, was wahrscheinlich u.a. mit dem gescheiterten Dialogtreffen, das für Mitte April 2019 in Katar geplant war, zusammenhängt. Dort wäre die Regierung zum ersten Mal an den Friedensgesprächen mit den Taliban beteiligt gewesen. Nachdem erstere jedoch ihre Teilnahme an die Bedingung geknüpft hatte, 250 Repräsentanten nach Doha zu entsenden und die Taliban mit Spott darauf reagierten, nahm letztendlich kein Regierungsmitarbeiter an der Veranstaltung teil. So fanden Gespräche zwischen den Taliban und Exil-Afghanen statt, bei denen viele dieser das Verhalten der Regierung öffentlich kritisierten (Heise 16.5.2019).

Anfang Mai 2019 fand in Katar auch die sechste Gesprächsrunde zwischen den Taliban und den USA statt. Der Sprecher der Taliban in Doha, Mohammad Sohail Shaheen, betonte, dass weiterhin Hoffnung hinsichtlich der inner-afghanischen Gespräche bestünde. Auch konnten sich der Quelle zufolge die Teilnehmer zwar bezüglich einiger Punkte einigen, dennoch müssten andere "wichtige Dinge" noch behandelt werden (Heise 16.5.2019).

Am 14.5.2019 hat die unabhängige Wahlkommission (Independent Electoral Commission, IEC) die Wahlergebnisse der Provinz Kabul für das afghanische Unterhaus (Wolesi Jirga) veröffentlicht (AAN 17.5.2019;

vgl. IEC 14.5.2019, IEC 15.5.2019). Somit wurde nach fast sieben Monaten (die Parlamentswahlen fanden am 20.10.2018 und 21.10.2018 statt) die Stimmenauszählung für 33 der 34 Provinzen vervollständigt. In der Provinz Ghazni soll die Wahl zusammen mit den Präsidentschafts- und Provinzialratswahlen am 28.9.2019 stattfinden. In seiner Ansprache zur Angelobung der Parlamentsmitglieder der Provinzen Kabul und Paktya am 15.5.2019 bezeichnete Ghani die siebenmonatige Wahl als "Katastrophe" und die beiden Wahlkommissionen, die IEC und die Electoral Complaints Commission (ECC), als "ineffizient" (AAN 17.5.2019).

Zivile-Opfer, UNAMA-Bericht

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im ersten Quartal 2019 (1.1.2019 - 31.3.2019) 1.773 zivile Opfer (581 Tote und 1.192 Verletzte), darunter waren 582 der Opfer Kinder (150 Tote und 432 Verletzte). Dies entspricht einem Rückgang der gesamten Opferzahl um 23% gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres, welches somit der niedrigste Wert für das erste Jahresquartal seit 2013 ist (UNAMA 24.4.2019).

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Diese Verringerung wurde durch einen Rückgang der Zahl ziviler Opfer von Selbstmordanschlägen mit IED (Improvised Explosive Devices - unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtung/Sprengfallen) verursacht. Der Quelle zufolge könnten die besonders harten Winterverhältnisse in den ersten drei Monaten des Jahres 2019 zu diesem Trend beigetragen haben. Es ist unklar, ob der Rückgang der zivilen Opfer wegen Maßnahmen der Konfliktparteien zur Verbesserung des Schutzes der Zivilbevölkerung oder durch die laufenden Gespräche zwischen den Konfliktparteien beeinflusst wurde (UNAMA 24.4.2019).

Die Zahl der zivilen Opfer aufgrund von Nicht-Selbstmord-Anschlägen mit IEDs durch regierungsfeindliche Gruppierungen und Luft- sowie Suchoperationen durch regierungsfreundliche Gruppierungen ist gestiegen. Die Zahl der getöteten Zivilisten, die regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben wurden, übertraf im ersten Quartal 2019 die zivilen Todesfälle, welche von regierungsfeindlichen Elementen verursacht wurden (UNAMA 24.4.2019).

Kampfhandlungen am Boden waren die Hauptursache ziviler Opfer und machten etwa ein Drittel der Gesamtzahl aus. Der Einsatz von IEDs war die zweithäufigste Ursache für zivile Opfer: Im Gegensatz zu den Trends von 2017 und 2018 wurde die Mehrheit der zivilen Opfer von IEDs nicht durch Selbstmordanschläge verursacht, sondern durch Angriffe, bei denen der Angreifer nicht seinen eigenen Tod herbeiführen wollte.

Luftangriffe waren die Hauptursache für zivile Todesfälle und die dritthäufigste Ursache für zivile Opfer (Verletzte werden auch mitgezählt, Anm.), gefolgt von gezielten Morden und explosiven Kampfmittelrückständen (UXO - unexploded ordnance). Am stärksten betroffen waren Zivilisten in den Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Faryab und Kunduz (in dieser Reihenfolge) (UNAMA 24.4.2019).

Anschläge in Kabul-Stadt

Ende Mai 2019 fanden in Kabul-Stadt einige Anschläge und gezielte Tötungen in kurzen Abständen zu einander statt: Am 26.5.2019 wurde ein leitender Mitarbeiter einer NGO in Kart-e Naw (PD5, Police District 5) durch unbekannte bewaffnete Männer erschossen (Tolonews 27.5.2019a). Am 27.5.2019 wurden nach der Explosion einer Magnetbombe, die gegen einen Bus von Mitarbeitern des Ministeriums für Hadsch und religiöse Angelegenheiten gerichtet war, zehn Menschen verletzt. Die Explosion fand in Parwana-e Do (PD2) statt. Zum Vorfall hat sich keine Gruppierung bekannt (Tolonews 27.5.2019b).

Des Weiteren wurden im Laufe der letzten zwei Maiwochen vier Kontrollpunkte der afghanischen Sicherheitskräfte durch unbekannte bewaffnete Männer angegriffen (Tolonews 31.5.2019b).

Am 30.5.2019 wurden in Folge eines Selbstmordangriffes nahe der Militärakademie Marshal Fahim im Stadtteil Char Rahi Qambar (PD5) sechs Personen getötet und 16 Personen, darunter vier Zivilisten, verletzt. Die Explosion erfolgte, während die Kadetten die Universität verließen (1 TV NEWS 30.5.2019). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zu dem Anschlag (AJ 30.5.2019).

Am 31.5.2019 wurden sechs Personen, darunter vier Zivilisten, getötet und fünf Personen, darunter vier Mitglieder der US-Sicherheitskräfte, verletzt, nachdem ein mit Sprengstoff beladenes Auto in Qala-e Wazir (PD9) detonierte. Quellen zufolge war das ursprüngliche Ziel des Angriffs ein Konvoi ausländischer Sicherheitskräfte (Tolonews 31.5.2019c).

Am 2.6.2019 kam nach der Detonation von mehreren Bomben eine Person ums Leben und 17 weitere wurden verletzt. Die Angriffe fanden im Westen der Stadt statt, und einer davon wurde von einer Klebebombe, die an einem Bus befestigt war, verursacht. Einer Quelle zufolge transportierte der Bus Studenten der Kabul Polytechnic University (TW 2.6.2019). Der IS bekannte sich zu den Anschlägen und beanspruchte den Tod von

"mehr als 30 Schiiten und Mitgliedern der afghanischen Sicherheitskräfte" für sich. Die Operation erfolgte in zwei Phasen: Zuerst wurde ein Bus, der 25 Schiiten transportierte, angegriffen, und darauf folgend detonierten zwei weitere Bomben, als sich "Sicherheitselemente" um den Bus herum versammelten. Vertreter des IS haben u.a. in Afghanistan bewusst und wiederholt schiitische Zivilisten ins Visier genommen und sie als "Polytheisten"

bezeichnet. (LWJ 2.6.2019).

Am 3.6.2019 kamen nach einer Explosion auf der Darul Aman Road in der Nähe der American University of Afghanistan fünf Menschen ums Leben und zehn weitere wurden verletzt. Der Anschlag richtete sich gegen einen Bus mit Mitarbeitern der Independent Administrative Reform and Civil Service Commission (Tolonews 3.6.2019)

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US-Angaben zufolge ist die Zahl der IS-Anhänger in Afghanistan auf ca. 5.000 gestiegen, fünfmal so viel wie vor einem Jahr. Gemäß einer Quelle profitiert die Gruppierung vom "zahlenmäßigen Anstieg der Kämpfer in Pakistan und Usbekistan und von aus Syrien geflohenen Kämpfern". Des Weiteren schließen sich enttäuschte Mitglieder der Taliban sowie junge Menschen ohne Zukunftsperspektive dem IS an, der in Kabul, Nangarhar und Kunar über Zellen verfügt (BAMF 3.6.2019). US-Angaben zufolge ist es "sehr wahrscheinlich", dass kleinere IS-Zellen auch in Teilen Afghanistans operieren, die unter der Kontrolle der Regierung oder der Taliban stehen (VOA 21.5.2019). Eine russische Quelle berichtet wiederum, dass ca. 5.000 IS-Kämpfer entlang der Nordgrenze tätig sind und die Nachbarländer bedrohen. Der Quelle zufolge handelt es sich dabei um Staatsbürger der ehemaligen sowjetischen Republiken, die mit dem IS in Syrien gekämpft haben (Newsweek 21.5.2019).

[...]

Rückkehr

Die International Organization for Migration (IOM) gewährt seit April 2019 keine temporäre Unterkunft für zwangsrückgeführte Afghanen mehr. Diese erhalten eine Barzuwendung von ca. 150 Euro sowie Informationen über mögliche Unterkunftsmöglichkeiten. Gemäß dem Europäischen Auswärtigen Amt (EAD) nutzten nur wenige Rückkehrer die Unterbringungsmöglichkeiten von IOM (BAMF 20.5.2019).

KI vom 26.3.2019, Anschläge in Kabul, Überflutungen und Dürre, Friedensgespräche, Präsidentschaftswahl

Anschläge in Kabul-Stadt

Bei einem Selbstmordanschlag während des persischen Neujahres-Fests Nowruz in Kabul-Stadt kamen am 21.3.2019 sechs Menschen ums Leben und weitere 23 wurden verletzt (AJ 21.3.2019, Reuters 21.3.2019). Die Detonation erfolgte in der Nähe der Universität Kabul und des Karte Sakhi Schreins, in einer mehrheitlich von Schiiten bewohnten Gegend. Quellen zufolge wurden dafür drei Bomben platziert: eine im Waschraum einer Moschee, eine weitere hinter einem Krankenhaus und die dritte in einem Stromzähler (TDP 21.3.2019; AJ 21.3.2019). Der ISKP (Islamische Staat - Provinz Khorasan) bekannte sich zum Anschlag (Reuters 21.3.2019).

Während eines Mörserangriffs auf eine Gedenkveranstaltung für den 1995 von den Taliban getöteten Hazara- Führer Abdul Ali Mazari im überwiegend von Hazara bewohnten Kabuler Stadtteil Dasht-e Barchi kamen am 7.3.2019 elf Menschen ums Leben und 95 weitere wurden verletzt. Der ISKP bekannte sich zum Anschlag (AJ 8.3.2019).

Überflutungen und Dürre

Nach schweren Regenfällen in 14 afghanischen Provinzen kamen mindestens 63 Menschen ums Leben. In den Provinzen Farah, Kandahar, Helmand, Herat, Kapisa, Parwan, Zabul und Kabul, wurden ca. 5.000 Häuser zerstört und 7.500 beschädigt (UN OCHA 19.3.2019). Dem Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten der Vereinten Nationen (UN OCHA) zufolge waren mit Stand 19.3.2019 in der Provinz Herat die Distrikte Ghorvan, Zendejan, Pashtoon Zarghoon, Shindand, Guzarah und Baland Shahi betroffen (UN OCHA 19.3.2019). Die Überflutungen folgten einer im April 2018 begonnen Dürre, von der die Provinzen Badghis und Herat am meisten betroffen waren und von deren Folgen (z.B. Landflucht in die naheliegenden urbanen Zentren, Anm.) sie es weiterhin sind. Gemäß einer Quelle wurden in den beiden Provinzen am 13.9.2018 ca. 266.000 IDPs vertrieben: Davon zogen 84.000 Personen nach Herat-Stadt und 94.945 nach Qala-e- Naw, wo sie sich in den Randgebieten oder in Notunterkünften innerhalb der Städte ansiedelten und auf humanitäre Hilfe angewiesen sind (IFRCRCS 17.3.2019).

Friedensgespräche

Kurz nach der Friedensgesprächsrunde zwischen Taliban und Vertretern der USA in Katar Ende Jänner 2019 fand Anfang Februar in Moskau ein Treffen zwischen Taliban und bekannten afghanischen Politikern der Opposition, darunter der ehemalige Staatspräsident Hamid Karzai und mehrere "Warlords", statt (Qantara 12.2.201). Quellen zufolge wurde das Treffen von der afghanischen Diaspora in Russland organisiert. Taliban- Verhandlungsführer Sher Muhammad Abbas Stanaksai wiederholte während des Treffens schon bekannte Positionen wie die Verteidigung des "Dschihad" gegen die "US-Besatzer" und die gleichzeitige Weiterführung der Gespräche mit den USA. Des Weiteren verkündete er, dass die Taliban die Schaffung eines "islamischen Regierungssystems mit allen Afghanen" wollten, obwohl sie dennoch keine "exklusive Herrschaft" anstrebten.

Auch bezeichnete er die bestehende afghanische Verfassung als "Haupthindernis für den Frieden", da sie "vom

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Westen aufgezwungen wurde"; Weiters forderten die Taliban die Aufhebung der Sanktionen gegen ihre Führer und die Freilassung ihrer gefangenen Kämpfer und bekannten sich zur Nichteinmischung in Angelegenheiten anderer Länder, zur Bekämpfung des Drogenhandels, zur Vermeidung ziviler Kriegsopfer und zu Frauenrechten.

Diesbezüglich aber nur zu jenen, "die im Islam vorgesehen seien" (z.B. lernen, studieren und sich den Ehemann selbst auswählen). In dieser Hinsicht kritisierten sie dennoch, dass "im Namen der Frauenrechte Unmoral verbreitet und afghanische Werte untergraben würden" (Taz 6.2.2019).

Ende Februar 2019 fand eine weitere Friedensgesprächsrunde zwischen Taliban und US-Vertretern in Katar statt, bei denen die Taliban erneut den Abzug der US-Truppen aus Afghanistan forderten und betonten, die Planung von internationalen Angriffen auf afghanischem Territorium verhindern zu wollen. Letzterer Punkt führte jedoch zu Meinungsverschiedenheiten: Während die USA betonten, die Nutzung des afghanischen Territoriums durch "terroristische Gruppen" vermeiden zu wollen und in dieser Hinsicht eine Garantie der Taliban forderten, behaupteten die Taliban, es gebe keine universelle Definition von Terrorismus und weigerten sich gegen solch eine Spezifizierung. Sowohl die Taliban- als auch die US-Vertreter hielten sich gegenüber den Medien relativ bedeckt und betonten ausschließlich, dass die Friedensverhandlungen weiterhin stattfänden.

Während es zu Beginn der Friedensgesprächsrunde noch Hoffnungen gab, wurde mit Voranschreiten der Verhandlungen immer klarer, dass sich eine Lösung des Konflikts als "frustrierend langsam" erweisen würde (NYT 7.3.2019).

Die afghanische Regierung war weder an den beiden Friedensgesprächen in Doha noch an dem Treffen in Moskau beteiligt (Qantara 12.2.2019; vgl. NYT 7.3.2019), was Unbehagen unter einigen Regierungsvertretern auslöste und die diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Regierungen beeinträchtigte (Reuters 18.3.2019; vgl. WP 18.3.2019). Beispielsweise erklärte US-Unterstaatssekretär David Hale am 18.3.2019 die Beendigung der Kontakte zwischen US-Vertretern und dem afghanischen nationalen Sicherheitsberater Hamdullah Mohib, nachdem dieser US-Chefunterhändler Zalmay Khalilzad und den Ausschluss der afghanischen Regierung aus den Friedensgesprächen öffentlich kritisiert hatte (Reuters 18.3.2019).

Verschiebung der Präsidentschaftswahl

Die Präsidentschaftswahl, welche bereits von April auf Juni 2019 verschoben worden war, soll Quellen zufolge nun am 28.9.2019 stattfinden. Grund dafür seien "zahlreiche Probleme und Herausforderungen" welche vor dem Wahltermin gelöst werden müssten, um eine sichere und transparente Wahl sowie eine vollständige Wählerregistrierung sicherzustellen - so die unabhängige Wahlkommission (IEC) (VoA 20.3.2019; vgl. BAMF 25.3.2019).

KI vom 1.3.2019, Aktualisierung: Sicherheitslage in Afghanistan - Q4.2018

Allgemeine Sicherheitslage und sicherheitsrelevante Vorfälle

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil. Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum 16.8.2018 - 15.11.2018 5.854 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 2% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 5% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (63%) aus. Selbstmordanschläge gingen um 37%

zurück, was möglicherweise an erfolgreichen Bekämpfungsmaßnahmen in Kabul-Stadt und Jalalabad liegt.

Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Streitkräfte stiegen um 25%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten. In der Provinz Kandahar entstand die Befürchtung, die Sicherheitsbedingungen könnten sich verschlechtern, nachdem der Polizeichef der Provinz und der Leiter des National Directorate for Security (NDS) im Oktober 2018 ermordet worden waren (UNGASC 7.12.2018). Gemäß dem Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (SIGAR) fanden bis Oktober 2018 die meisten Angriffe regierungsfeindlicher Gruppierungen in den Provinzen Badghis, Farah, Faryab, Ghazni, Helmand, Kandahar, Uruzgan und Herat statt. Von Oktober bis Dezember 2018 verzeichneten Farah, Helmand und Faryab die höchste Anzahl regierungsfeindlicher Angriffe (SIGAR 30.1.2019).

Nach dem Taliban-Angriff auf Ghazni-Stadt im August 2018, bestand weiterhin die Befürchtung, dass die Taliban großangelegte Angriffe im Südosten des Landes verüben könnten. Dies war zwar nicht der Fall, dennoch setzten Talibankämpfer die afghanischen Sicherheitskräfte am Stadtrand von Ghazni, in Distrikten entlang des Highway One nach Kabul und durch die Einnahme des Distrikts Andar in Ghazni im Oktober weiterhin unter Druck. Im Westen der Provinz Ghazni, wo die ethnische Gruppierung der Hazara eine Mehrheit bildet, verschlechterten sich die Sicherheitsbedingungen wegen großangelegter Angriffe der Taliban, was im November zur Vertreibung zahlreicher Personen führte. In Folge eines weiteren Angriffs der Taliban im Distrikt Khas Uruzgan der Provinz Uruzgan im selben Monat wurden ebenfalls zahlreiche Hazara-Familien vertrieben. Des Weiteren nahmen Talibankämpfer in verschiedenen Regionen vorübergehend strategische Positionen entlang der

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Hauptstraßen ein und behinderten somit die Bewegungsfreiheit zwischen den betroffenen Provinzen. Beispiele dafür sind Angriffe entlang Hauptstraßen nach Kabul in den Distrikten Daymirdad und Sayyidabad in Wardak, der Route Mazar - Shirbingham und Maimana - Andkhoy in den nördlichen Provinzen Faryab, Jawzjan und Balkh und der Route Herat - Qala-e-Naw im westlichen Herat und Badghis (UNGASC 7.12.2018). Trotz verschiedener Kampfhandlungen und Bedrohungen blieben mit Stand Dezember 2018 gemäß SIGAR die Provinzzentren aller afghanischen Provinzen unter Kontrolle bzw. Einfluss der afghanischen Regierung (SIGAR 30.1.2019).

Im Laufe des Wahlregistrierungsprozesses und während der Wahl am 20. und am 21. Oktober wurden zahlreiche sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, welche durch die Taliban und den Islamischen Staat - Provinz Khorasan (ISKP) beansprucht wurden (UNGASC 7.12.2018; vgl. UNAMA 10.10.2018, UNAMA 11.2018). Während der Wahl in der Provinz Kandahar, die wegen Sicherheitsbedenken auf den 27. Oktober verschoben worden war, wurden keine sicherheitsrelevanten Vorfälle registriert. Die afghanischen Sicherheitskräfte entdeckten und entschärften einige IED [Improvised Explosive Devices - Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen] in Kandahar-Stadt und den naheliegenden Distrikten (UNAMA 11.2018). Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) hatte zwischen 1.1.2018 und 30.9.2018 im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen insgesamt 366 zivile Opfer (126 Tote und 240 Verletzte) registriert (UNAMA 10.10.2018). Am offiziellen Wahltag, dem 20. Oktober, wurden 388 zivile Opfer (52 Tote und 336 Verletzte) registriert, darunter 117 Kinder (21 Tote und 96 Verletzte) und 48 Frauen (2 Tote und 46 Verletzte).

Am folgenden Wahltag, dem 21. Oktober, wurden 47 weitere zivile Opfer (4 Tote und 43 Verletzte) verzeichnet, inklusive 17 Kinder (2 Tote und 15 Verletzte) und Frauen (3 Verletzte). Diese Zahlen beinhalten auch Opfer innerhalb der Afghan National Police (ANP) und der Independet Electoral Commission (IEC) (UNAMA 11.2018). Die am 20. Oktober am meisten von sicherheitsrelevanten Vorfällen betroffenen Städte waren Kunduz und Kabul. Auch wenn die Taliban in den von ihnen kontrollierten oder beeinflussten Regionen die Wählerschaft daran hinderten, am Wahlprozess teilzunehmen, konnten sie die Wahl in städtischen Gebieten dennoch nicht wesentlich beeinträchtigen (trotz der hohen Anzahl von Sicherheitsvorfällen) (UNGASC 7.12.2018).

Die Regierung kontrolliert bzw. beeinflusst - laut Angaben der Resolute Support (RS) Mission - mit Stand 22.10.2018 53,8% der Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 bedeutet. 33,9% der Distrikte sind umkämpft und 12,3% befinden sich unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen. Ca. 63,5% der Bevölkerung leben in Gebieten, die sich unter Regierungskontrolle oder -einfluss befinden; 10,8% in Gegenden unter Einfluss bzw. Kontrolle der Aufständischen und 25,6% leben in umkämpften Gebieten. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Kontrolle bzw. Einfluss von Aufständischen sind Kunduz, Uruzgan und Helmand (SIGAR 30.1.2019).

Der ISKP ist weiterhin im Osten des Landes präsent und bekennt sich zu Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen in Nangarhar und zu sechs Angriffen in Kabul-Stadt. Des Weiteren finden in den Provinzen Nangarhar und Kunar weiterhin Kämpfe zwischen ISKP- und Talibankämpfern statt. Die internationalen Streitkräfte führten Luftangriffe gegen den ISKP in den Distrikten Deh Bala, Achin, Khogyani, Nazyan und Chaparhar der Provinz Nangarhar aus (UNGASC 7.12.2018).

Global Incident Map zufolge wurden im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) 4.436 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. [...]

Zivile Opfer

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) 10.993 zivile Opfer (3.804 Tote und 7.189 Verletzte), eine allgemeine Steigerung von 5% sowie eine Steigerung der Zahl der Toten um 11% gegenüber dem Vorjahreswert. 42% der zivilen Opfer (4.627 Opfer;

1.361 Tote und 3.266 Verletzte) wurden durch IED im Zuge von Anschlägen und Selbstmordanschlägen regierungsfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich ISKP) verursacht. Die Anzahl der Selbstmordanschläge unter Einsatz von IED stieg dabei um 22% und erreichte somit einen Rekordwert. Diese Art von Anschlägen verursachte 26% aller zivilen Opfer, während IED, die bei Nichtselbstmordanschlägen verwendet wurden, 16%

der zivilen Opfer forderten. Kabul war mit insgesamt 1.866 Opfern (596 Tote und 1.270 Verletzte) die Provinz mit der höchsten Anzahl an Selbstmordanschlägen durch IED, während die Zahl der Opfer in Nangarhar mit insgesamt 1.815 (681 Tote und 1.134 Verletzte) zum ersten Mal fast die Werte von Kabul erreichte (hauptsächlich wegen des Einsatzes von IED bei Nichtselbstmordanschlägen). Kabul-Stadt verzeichnete insgesamt 1.686 zivile Opfer (554 Tote und 1.132 Verletzte) wegen komplexen und Selbstmordangriffen (UNAMA 24.2.2019).

(21)

Zusammenstöße am Boden (hauptsächlich zwischen regierungsfreundlichen und regierungsfeindlichen Gruppierungen) verursachten 31% der zivilen Opfer (insgesamt 3.382; davon 814 Tote und 2.568 Verletzte), was einen Rückgang um 3% im Vergleich mit dem Vorjahreswert bedeutet. Grund dafür war der Versuch regierungsfreundlicher Gruppierungen, die zivile Bevölkerung zu schonen. Die Verlagerung der Kämpfe in dünn besiedelte Gebiete, die Vorwarnung der lokalen Zivilbevölkerung bei Kampfhandlungen und die Implementierung von Strategien zum Schutz der Bevölkerung waren einige der bestimmenden Faktoren für den Rückgang bei zivilen Opfern. Jedoch ist die Opferzahl bei gezielt gegen die Zivilbevölkerung gerichteten komplexen Angriffen und Selbstmordanschlägen regierungsfeindlicher Gruppierungen gestiegen (plus 48%

gegenüber 2017; 4.125 Opfer insgesamt, davon 1.404 Tote und 2.721 Verletzte). Sowohl der ISKP als auch die Taliban griffen gezielt Zivilisten an: Der ISKP war für 1.871 zivile Opfer verantwortlich, darunter waren u.a.

Mitglieder der schiitischen Gemeinschaft, und die Taliban für 1.751. Obwohl die Gesamtzahl der zivilen Opfer durch gezielte Tötungen von Einzelpersonen (hauptsächlich durch Erschießung) zurückging, blieben Zivilisten inklusive religiöser Führer und Stammesältester weiterhin Ziele regierungsfeindlicher Gruppierungen. Die Gesamtzahl der durch Luftangriffe verursachten zivilen Opfer stieg im Vergleich mit dem Vorjahreswert um 61% und die Zahl der Todesopfer erreichte 82%. 9% aller zivilen Opfer wurden Luftangriffen (mehrheitlich der internationalen Luftwaffe) zugeschrieben, der höchste Wert seit 2009 (UNAMA 24.2.2019).

Regierungsfeindliche Gruppierungen waren im UNAMA-Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) für 6.980 zivile Opfer (2.243 Tote und 4.737 Verletzte) verantwortlich. Das entspricht 63% der gesamten zivilen Opfer.

37% davon werden den Taliban, 20% dem ISKP und 6% unbestimmten regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben. Im Laufe des Jahres 2018 wurden vermehrt Anschläge gegen Bildungseinrichtungen verzeichnet, meist durch Talibankämpfer, da in Schulen Registrierungs- und Wahlzentren untergebracht waren. Der ISKP attackierte und bedrohte Bildungseinrichtungen als Reaktion auf militärische Operationen afghanischer und internationaler Streitkräfte. UNAMA berichtet auch über anhaltende Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen, welche Auswirkungen auf einen Großteil der zivilen Bevölkerung haben. Trotzdem die Taliban nach eigenen Angaben Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung ergriffen haben, attackierten diese weiterhin Zivilisten, zivile Einrichtungen und regierungsfreundliche Gruppierungen in Zivilgebieten (UNAMA 24.2.2019).

Ungefähr 24% der zivilen Opfer (2.612, davon 1.185 Tote und 1.427 Verletzte), werden regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben: 14% den afghanischen Sicherheitskräften, 6% den internationalen Streitkräften und 4% unbestimmten regierungsfreundlichen Gruppierungen. Die Steigerung um 4% gegenüber dem Vorjahr geht auf Luftangriffe der internationalen Streitkräfte und Fahndungsaktionen der afghanischen Sicherheitskräfte und regierungsfreundlicher Gruppierungen zurück (UNAMA 24.2.2019).

Die verbleibenden 13% der verzeichneten zivilen Opfer wurden im Kreuzfeuer während Zusammenstößen am Boden (10%), durch Beschuss aus Pakistan (1%) und durch die Explosion von Blindgängern verursacht (UNAMA 24.2.2019).

KI vom 31.1.2019, Friedensgespräche zwischen den USA und den Taliban

Am Samstag dem 26.1.2019 endete die sechstägige Friedensgesprächsrunde in Doha, Katar, zwischen dem U.S.- Chefunterhändler Zalmay Khalilzad und den Taliban-Vertretern (DP 28.1.2019; vgl. NYT 28.1.2019, CNN 27.1.2019, Tolonews 28.1.2019). Quellen zufolge wurde ein erster Vertragsentwurf ausgehandelt, wonach sich die Taliban dazu verpflichten würden, ausländische Terrororganisationen von Afghanistan fernzuhalten, und die USA würden im Gegenzug dazu ihren Truppenabzug aus Afghanistan innerhalb von 18 Monaten garantieren.

Dieser sei jedoch an weitere Bedingungen gebunden, die noch genau besprochen werden müssen, wie die Ausrufung eines Waffenstillstands zwischen den Taliban und der afghanischen Regierung sowie die Forderung von direkten Gesprächen zwischen diesen beiden Akteuren (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019, FP 29.1.2019).

Inoffiziellen Quellen zufolge wurde bei den Gesprächen u.a. die Schaffung einer Interimsregierung, in der auch die Taliban vertreten sein sollen, angedacht, was jedoch von Khalilzad dementiert wurde (NYT 28.1.2019; vgl.

DP 28.1.2019). Die nächste Friedensgesprächsrunde wird voraussichtlich Ende Februar 2019 stattfinden (NYT 28.1.2019; vgl. FP 29.1.2019). Der afghanische Präsident Ashraf Ghani äußerte während einer Fernsehansprache am 28.1.2019 sein Unbehagen bzgl. eines voreiligen Abzugs der U.S.-Truppen aus Afghanistan und erinnerte an die dramatischen Auswirkungen des sowjetischen Abzuges Ende der 1980er Jahre, dem Anarchie und die Ermordung des ehemaligen Präsidenten Mohammad Najibullah folgten (NYT 28.1.2019). Ghani, der die Taliban mehrmals dazu aufgefordert hatte, direkt mit seiner Regierung zu verhandeln, zeigte sich des Weiteren über den Ausschluss der afghanischen Regierung aus den Friedensgesprächen besorgt (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019, IM 28.1.2019). Während sich einige Quellen hinsichtlich gründlicher Friedensgespräche und eines effizient ausgehandelten Abkommens optimistisch zeigen (Internazionale 30.1.2019; vgl. WP 30.1.2019), fürchten andere, dass ein Abzug der amerikanischen Truppen den Zusammenbruch der afghanischen Regierung wegen der Taliban und vorhersehbarer Machtkämpfe zwischen den verschiedenen lokalen Akteuren zur Folge haben könnte (DP 28.1.2019; vgl. FP 29.1.2019).

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