Bewusstseinsstörungen beim Kind
Dr. Sven Propson, Klinikum Leverkusen, Kinderklinik
BEWUSSTSEINSSTÖRUNGEN IN DER PÄDIATRISCHEN NOTFALLMEDIZIN
• Die kindliche Bewusstseinsstörung häufiger Alarmierungsgrund bei pädiatrischen Einsatzindikationen
• Hinter der Einsatzbeschreibung „Bewusstloses Kind“ kann sich eine Reihe unterschiedlichster Krankheitsbilder verbergen
• Differentialdiagnostik der atraumatischen Bewusstseinsstörung oft schwierig
• Häufig transiente Bewusstseinsstörung, bei Eintreffen des Notarztes Patient wieder erwacht
EINSÄTZE MÜNCHENER KINDERNOTARZT
Übrige 43%
Fieberkrampf 27%
Afebriler Anfall 10%
SHT 9%
Aspiration 6%
Krupp 5%
PÄDIATRISCHE NOTARZTEINSÄTZE INNSBRUCK 1991-1993
Trauma 30%
ZNS 34%
Atmung 24%
Kreislauf Intoxikation 3%
3%
SIDS 2%
Sonstige 4%
DER PRÄKLINISCHE BASIS-CHECK
• Beurteilung der Atmung (Frequenz, Qualität, path. Geräusche, beatmungspflichtig?)
• Oxygenierung (Zyanose, Blässe, periphere Sättigung)
• Kreislaufbeurteilung: Herzfrequenz, Rekap-Zeit, Pulse
• BZ-Messung
• SpO2: Zielsättigung > 92%, Sättigungsüberwachung im Verlauf
• Neurologische Beurteilung (Score, Symmetrie, Hirndruckzeichen?)
GLASGOW COMA SCALE
• Klassisches Instrument zur Beurteilung des Bewusstseins: Glasgow Coma Scale
• Für pädiatrische Patienten modifizierte Varianten, da verbale Antwort bei < 36 Monaten schwierig
Glasgow Coma Scale
Punkte Augenöffnen Verbale Antwort Motorik
(Schmerzreiz)
6 - - Befolgt
Aufforderungen
5 - orientiert gezielte Abwehr
4 spontan verwirrt Normale Flexion
3 auf Ansprache Unpassende Wörter Abnorme Flexion
2 auf Schmerzreiz nur Laute Extension
1 nicht keine keine
PEDIATRIC GLASGOW COMA SCALE
• Verbale Antwort für Patienten < 36 Monate angepasst
• Score liegt äquivalent zum GCS zwischen 3 und 15 Punkten
Pediatric Glasgow Coma Scale
Punkte Augenöffnen Verbale Antwort Motorik (Schmerzreiz)
6 - - Spontane Bewegungen
5 - Plappern, Brabbeln Auf Schmerzreiz gezielt
4 spontan Schreien, tröstbar Auf Schmerzreiz, normale
Beugeabwehr
3 auf Schreien Schreien, untröstbar Auf Schmerzreiz, abnorme Abwehr 2 auf Schmerzreiz Stöhnen, unverständliche Laute Auf Schmerzreiz, Strecksynergismen
1 nicht keine keine
NACHTEILE VON GCS UND PGCS
• Begrenzte Zuverlässigkeit
• Bewertung des intubierten Patienten eingeschränkt
• Pupillo- und Okulomotorik werden nicht erfasst
• Seitendifferenzen der motorischen Antwort werden nicht erfasst
→ ggf. Werte der 3 Bereiche getrennt angeben (E, V, M)
FRANKFURTER GLASGOW COMA SCALE FÜR KINDER – TEIL 1
Verbale Antwort 1 – 24 Monate
fixiert, verfolgt, erkennt, lacht 5
fixiert, verfolgt inkonstant, erkennt nicht sicher, lacht nicht situationsbedingt 4
nur zeitweise erweckbar, trinkt und isst nicht 3
Bedrohreflex (ab 4 Monate) nicht sicher auslösbar, ist motorisch unruhig, jedoch nicht erweckbar
2 Tief komatös, kein Kontakt zur Umwelt, keine visuell, akustisch oder sensorisch
ausgelöste motorische Reizbeantwortung
1 Verbale Antwort
Spricht verständlich, ist orientiert 5
Ist verwirrt, spricht unzusammenhängend, ist desorientiert 4
Antwortet inadäquat, Wortsalat 3
Unverständliche Laute 2
Keine verbalen Äußerungen 1
FRANKFURTER GLASGOW COMA SCALE FÜR KINDER – TEIL 2
Motorische Antwort
Greift gezielt auf Aufforderung, befolgt andere motorische Aufforderungen prompt 6
Gezielte Abwehr eines Schmerzreizes möglich 5
Ungezielte Beugebewegungen auf Schmerzreize 4
Ungezielte Beugebewegungen auf Schmerzreize an den Armen, Strecktendenz an den Beinen (Dekortikationshaltung)
3 Extension aller 4 Extremitäten auf Schmerzreize (Dezerebrationshaltung) 2
Keine motorische Antwort auf Schmerzreize 1
Augenöffnen
Spontanes Augenöffnen 4
Augenöffnen auf Aufruf 3
Augenöffnen auf Schmerzreize 2
Kein Augenöffnen 1
FRANKFURTER GLASGOW COMA SCALE FÜR KINDER – TEIL 3
Augensymptome
Konjugierte Augenbewegungen möglich, Lichtreaktion der Pupillen auslösbar 4 Puppenaugenphänomen auslösbar, dabei konjugierte Bulbusbewegungen 3 Divergenzstellung der Bulbi, besonders bei Auslösen des
Puppenaugenphänomens oder Kaltspülung des äußeren Gehörgangs;
Ausbleiben der Augenbewegungen hierbei
2
Keine spontanen Augenbewegungen; weite, lichtstarre Pupillen 1
FRANKFURTER GLASGOW COMA SCALE FÜR KINDER - FAZIT
• Pro: 1. Lichtreaktion und Okulomotorik gehen in die Bewertung ein 2. verbale Antwort wird altersentsprechend erhoben
• Contra: 1. Ggf. Missverständnisse im Rettungsdienst bei abweichender Skala 2. Auch hier keine Berücksichtigung motorischer Seitendifferenzen
→ Neurologischer Kurzbefund notwendig
GCS Frankfurter GCS
Leichtes SHT 13 – 15 Punkte 17 – 19 Punkte
Mittelschweres SHT 9 – 12 Punkte 12 – 16 Punkte
Schweres SHT 8 oder weniger Punkte 11 oder weniger Punkte
AVPU-SCHEMA
• Vereinfachung der Glasgow Coma Scale
• Schnelle, orientierende Beurteilung
• Bei „P“ und „U“ Indikation zum Atemwegsmanagement
AVPU Korrelation zum GCS
„alert“ Patient ist spontan wach ca. 14 Punkte
„vocal stimuli“ Reaktion auf Ansprache ca. 11 Punkte
„painful stimuli“ Reaktion auf Schmerzreiz ca. 6 Punkte
„unresponsive“ Keine Reaktion auf äußere Reize ca. 3 Punkte
ABC – DAS ALPHABET GILT AUCH FÜR KINDER
• Vor allen diagnostischen Überlegungen bei Bewusstseinsstörungen Beurteilung und Erhalt der Vitalfunktionen !!!
Maßnahmen Monitoring
Atemwege freimachen Atemfrequenz
O2-Gabe SpO2
Kardiopulmonale Reanimation Herzfrequenz
Gefäßzugang IV oder IO RR
periphere Perfusion periphere Pulse
ggf. Harnausscheidung
FRÜHZEITIGES ERKENNEN UND BEHANDELN
Alkoholintoxikation
Schock 20 ml/kg kristalloide Lösung
als Volumenbolus
Persistierender Krampfanfall
Antikonvulsive Notfallmedikation Kreislaufstillstand innerhalb
von 10 sec. erkennen
Kardiopulmonale Reanimation
Hypertensive
Enzephalopathie
PRÄKLINISCHE SAUERSTOFFGABE
• Im Rahmen des ABC-Algorithmus sollte eine Hyperoxie vermieden werden
• Kindliches Gehirn sehr anfällig für oxidativen Stress nach hypoxischer Schädigung
• Empfohlenes Procedere:
→ Während einer Reanimation maximale Sauerstoffkonzentration verabreichen
→ Bei ROSC Sättigungsniveau von 94-98% anstreben
Auswirkungen von Hyperoxie, Hyper- und Hypokapnie auf das Outcome der pädiatrischen Patienten noch unklar
DIE ANAMNESE – WAS MÜSSEN WIR WISSEN?
Wie hat sich der Zustand entwickelt?
abrupt Anfall, Trauma, kardiale Arrhythmie, Blutung allmählich Infektion, Stoffwechselentgleisung, Intoxikation rezidivierend angeborene Stoffwechselstörung
Trauma erinnerlich?
Vorerkrankungen?
Onkologische, hämostaseologische, kardiale Genese, Hydrocephalus Medikamente im Haushalt?
Intoxikation?
EIN WORT ZUM VENTRIKULOPERITONEALEN SHUNT…
• Bei einem Kind mit VPS ist bei einer Bewusstseinsveränderung bis zum Beweis des Gegenteils von einer Shunt-Dysfunktion auszugehen
• Füllt sich die Pumpkammer nach Kompression nicht umgehend wieder, Katheterverschluss wahrscheinlich
• Differentialdiagnosen: Shunt-Infektion, epileptischer Anfall
Anfahren einer Klinik mit der Möglichkeit eines CCT sowie einer neurochirurgischen Abteilung
Cancer Research UK (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Diagram_showing_a_brain_shunt_CRUK_052.svg) https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/legalcode
TRAUMATISCH BEDINGTE BEWUSSTSEINSSTÖRUNGEN
• Heute gebräuchliche Einteilung nach Teasdale und Jennett basiert auf der Einteilung der Schwere des SHT nach Glasgow Coma Scale:
Leichtes SHT: GCS 13-15 Mittelschweres SHT: GCS 9-12 Schweres SHT: GCS 3-8 Vorteile:
1. Schnelle Erhebung bei Erstkontakt mit dem Patienten möglich 2. Hochsignifikanter Prädiktor für das Outcome des Patienten
Quelle: Teasdale G, Jennett B (1974) Assessment of coma and impaired consciousness. A practical scale. Lancet 2:81–84
EPIDEMIOLOGIE DES SHT
• Epidemiologie
→ bei Kindern > 1 Jahr und Jugendlichen sind Unfälle die häufigste Todesursache in Deutschland
→ in 2015 ca. 70.000 stationäre Behandlungen mit der Diagnose SHT
→ davon 95% leichtes SHT, je 2,5% mittelschweres oder schweres SHT
→ bei mittelschweren und schweren SHT häufiger relevante Verletzungen des ZNS
THERAPIE DES SHT
• HWS-Immobilisation bei entsprechender Indikation
• Hypotonie und Hypoxie unter allen Umständen zu vermeiden
→ Atemwegsmanagement und RR-Optimierung (Volumen, Adrenalin- oder Noradrenalin Perfusor)
→ SpO2 > 95% halten
• Oberkörperhochlagerung 30°, Kopf in Mittelstellung
• Bei Einklemmungszeichen Intubation, milde Hyperventilation
→ ggf. Thiopental zur Vertiefung der Analgosedierung (1 mg/kg/h)
SYNKOPE
• Vorübergehender Verlust des Muskeltonus bei passagerer Hypoperfusion des Gehirns
• Synkopen häufigste Ursache des transienten Bewusstseinsverlustes
• Meist bedingt durch orthostatische Dysregulation
• Prodromi: → Übelkeit
→ Schwarzwerden vor den Augen
→ Palpitationen
• Zeugen beschreiben häufig ein plötzliches Blasswerden des Patienten mit anschließendem
Kollaps
SYNKOPE VS EPILEPTISCHER ANFALL
Cave
• Auch bei der Synkope Myoklonien über eine kurze Zeitspanne möglich (konvulsive Synkope)
• Eine Enuresis tritt gelegentlich auch im Rahmen einer Synkope auf, kein sicheres Zeichen eines epileptischen Anfalls
• Unterschiede zum zerebralen Krampfanfall:
→ häufig extrem kurze Dauer
→ Falls Kloni, Beginn erst nach Eintreten des Bewusstseinsverlustes
→ Blickdeviation häufig nach oben
→ Patienten anschließend sofort wieder bei klarem Bewusstsein
→ können sich meist an den Bewusstseinsverlust erinnern
→ (keine epilepsietypischen Veränderungen im EEG)
EPILEPTISCHE ANFÄLLE
• Bekannte Epilepsie häufig Teil der Anamnese
• Typische Auslöser sind Schlafentzug, Lichtreize oder Medikamentenentzug
• Patienten geben im Vorfeld häufig ein „komisches Gefühl“, gelegentlich Vorhandensein einer Aura
• Im Gegensatz zur Synkope keine Erinnerung an das Krampfgeschehen
EPILEPTISCHE ANFÄLLE - KLINIK
• Klassischer epileptischer Anfall mit Konvulsionen, häufig auch Zungenbiss
• Wendung des Kopfes häufiger als bei der Synkope
• Patienten im Anschluss an den Anfall meist verwirrt und schläfrig, klagen über Kopfschmerzen
• Augenbulbi häufig mit starrem Blick nach vorne oder Deviation nach lateral
Aura und Zungenbiss selten auch im Rahmen einer Synkope anzutreffen
EPILEPTISCHE ANFÄLLE - THERAPIE
Zeit Vorgehen Dosierung
KA > 3 min Benzodiazepin-Gabe Rektal/buccal/nasal ABC-Schema
Midazolam 0,3 mg/kg intranasal Midazolam 0,5 mg/kg buccal Lorazepam 0,1 mg/kg buccal Diazepam rektal < 15 kg - 5 mg,
> 15 kg - 10 mg
Bis 5 min i.v. Zugang, ggf. i.o. Zugang, BZ-Messung Bei Hypoglykämie 1 ml /kg Glucose 50% i.v., i.o.
5-10 min 1. Gabe Benzodiazepin i.v./i.o., Intensivanmeldung
Midazolam (0,05-) 0,1 mg/kg i.v., i.o.
Lorazepam (0,05-) 0,1 mg/kg i.v., i.o.
Clonazepam 0,02 mg/kg i.v., i.o.
10-15 min 2. Gabe Benzodiazepin i.v./i.o., Diagnose überprüfen, weiteres Medikament festlegen
s. oben
> 15 min Phenobarbital oder Levetiracetam oder Valproat i.v., ggf. Phenytoin
Phenobarbital 15 mg/kg i.v., i.o. über 10 min Levetiracetam 20 mg/kg i.v., i.o. über 5-10 min Valproat 20 mg/kg i.v., i.o. über 5-10 min
> 30 min Narkoseeinleitung (Midazolam oder Propofol/Thiopental)
Midazolam DTI 0,1-0,3 mg/kg/h oder Bolus 0,2 mg/kg Propofol 3 mg/kg i.v., i.o.
ASYMMETRISCHE NEUROLOGISCHE BEFUNDE
• Im Anschluss an einen epileptischen Anfall häufig postiktale Parese (Todd‘sche Lähmung)
• Bei postiktaler Persistenz > 1h und / oder anhaltender Bewusstseinseintrübung Notfallbildgebung
→ Kinder < 3 Jahren prädisponiert für pathologischen Befund in der Bildgebung
• Bei raschem Sistieren Bildgebung nachrangig
SELTEN UND GEFÜRCHTET – INFARKTE BEI KINDERN
Weitere Ursachen für persistierende fokal-neurologische Befunde 1. Ischämischer Hirninfarkt
2. Hirnblutung
3. Hirnabzess
DER ISCHÄMISCHE SCHLAGANFALL
• Mögliche Ursache bei persistierendem asymmetrischem motorischem Defizit
• Wichtige Maßnahmen bei V. a. ischämischen Infarkt:
Antikoagulation (ASS, bei Dissektion oder Embolus niedermolekulares Heparin), Thrombolyse
präklinisch klinisch
ABC Schema berücksichtigen
Mind. 24h kardiale Überwachung z. A. Vorhofflimmern und kardiale Arrhythmien
Mäßige arterielle Hypertonie tolerieren Sauerstoffsättigung > 95%
Neurologischen Status engmaschig kontrollieren Thromboseprophylaxe mit Kompressionsstrümpfen bei Paresen oder Bewusstseinsstörungen von
Kindern > 10 Jahren Vollelektrolytlösung in Erhaltungsdosierung
Normothermie und Normoglykämie gewährleisten
DER HÄMORRHAGISCHE SCHLAGANFALL
• Pat. mit hämorrhagischem Insult häufig mit Kopfschmerzen, Erbrechen und Bewusstseinsveränderung
• GCS in 38% der Fälle < 14, in 19% der Fälle < 8
• Bei ischämischen Infarkten pädiatrischer Patienten dezentere Klinik, GCS häufig ≥ 14
→ bei zerebraler Hämorrhagie Notwendigkeit der Intubation wesentlich häufiger
Quelle: Yock-Corrales A, Mackay MT, Mosley I et al. Acute childhood arterial ischemic and hemorrhagic stroke in the emergency department. Ann Emerg Med.DOI 10.1016/j.annemergmed.2010.10.013
DER HÄMORRHAGISCHE SCHLAGANFALL
• Stellenwert der dekompressiven Kraniotomie bei hämorrhagischen Infarkten nicht geklärt
präklinisch klinisch
ABC Schema berücksichtigen
Neurochirurgische Vorstellung, ggf. Intervention Arterielle Normotonie, Vorsicht mit Antihypertensiva
Sauerstoffsättigung > 95%
Neurologischen Status engmaschig kontrollieren
Behandlung hämostaseologischer Blutungsursachen Euvolämie durch Vollelektrolytlösung
Normothermie und Normoglykämie gewährleisten
HIRNDRUCKZEICHEN
• Anamnestisch: Nackenschmerzen, Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen, Schläfrigkeit
• Klinische Untersuchung:
→ Bei Säuglingen gespannte Fontanelle, klaffende Schädelnähte, Sonnenuntergangs-Phänomen
→ (einseitige) Mydriasis
→ fehlendes Puppenkopf-Phänomen (= okulocephaler/vestibulookulärer Reflex) keine Testung bei HWS-Trauma
→ Cushing-Trias als spätes Hirndruckzeichen (art. Hypertonus, Bradykardie, Hypopnoe/Apnoe)
DER PSYCHOGENE KRAMPFANFALL
• Vorübergehende Bewusstseinsstörung auch bei psychogenem, nicht-epileptischem Anfall möglich
• Charakteristika:
→ meist adoleszente Patienten
→ Anfälle meist in Anwesenheit weiterer Personen
→ oft keine Begleitsymptomatik
→ hämodynamische und vegetative Veränderungen möglich
→ selten Verletzungen durch Sturz
→ Eigenanamnese erfolgt ruhig und unbeteiligt
→ Erinnerung an Details, die auf einen erhaltenes Bewusstsein hindeuten
INTOXIKATIONEN
• Zweigipflige Altersverteilung bei den Intoxikationen im Kindesalter
• Akzidentelle Ingestion im Alter von 1-5 Jahren
• Bewusste Ingestion zwecks Selbstschädigung im Alter von 13-16 Jahren
• Häufig Tablettenpackungen in der Nähe des Kindes auffindbar
• Vom klinischen Aspekt her häufig im Verlauf zunehmende Bewusstseinsstörung
ABC-Schema, Therapie nach Maßgabe der Giftnotrufzentrale, Antagonisierung selten möglich
STOFFWECHSELNOTFÄLLE
• Dominierende Krankheitsbilder bei endokrinologisch bedingten Bewusstseinsstörungen sind die Hypoglykämie und die diabetische Ketoazidose
• Akute Enzephalopathien als Manifestation einer angeborenen Stoffwechselstörung sind selten
• ca. 1% der auftretenden Bewusstseinsstörungen sind durch eine angeborene Stoffwechselstörung bedingt metabolische Leitbefunde Wichtige Laborparameter
metabolische Azidose Blutgasanalyse
Hyperammonämie Ammoniak
Hypoglykämie Glucose
Hyperlaktatämie Laktat
Ketonkörper im Urin
STOFFWECHSELNOTFÄLLE – KLINIK DER KETOAZIDOSE
• Klinische Symptome: Verwirrtheit, Sehstörungen, Adynamie, Polyurie, Polydipsie
• Als Zeichen der Hypovolämie: Hypotonie und Tachykardie
• Im weiteren Verlauf Pseudoperitonitis mit Übelkeit und Erbrechen möglich
• Typische Kussmaul-Atmung mit Azetongeruch durch Ketonämie
• Diagnosestellung oftmals einfach: Erhöhter BZ, positiver Ketonkörpernachweis im Urin
DIE KETOAZIDOSE - EINTEILUNG
• Absoluter BZ-Wert hat keine Aussagekraft über den Schweregrad des ketoazidotischen Notfalls
• ausschlaggebend sind azidotische Entgleisung und Exsikkose
Eine schwere Ketoazidose kann im schlimmsten Fall einen letalen Ausgang haben
Quelle: S3-Leitlinie Therapie des Typ-1-Diabetes – 2. Auflage / 2018
leicht mittel schwer
pH < 7,3 ≤ 7,2 ≤ 7,1
Bikarbonat < 15 mmol/l < 10 mmol/l < 5 mmol/l
DIE KETOAZIDOSE – THERAPIEPRINZIPIEN
• Therapieansatz: Ausgleich des Insulinmangels, der Dehydratation sowie der Elektrolytverschiebungen
• Präklinisch Kreislaufstabilisierung mit initialer Volumengabe von 1-1,5 l NaCl 0,9% in der ersten Stunde
• Gesamter Flüssigkeitsbedarf liegt bei 15% des Körpergewichts, ggf. auch darüber
• Präklinisch keine Gabe von Insulin
• Oberstes Gebot: BZ-Senkung keinesfalls schneller als 50-100 mg/dl pro Stunde (Gefahr des Hirnödems)
• wenn notwendig O2-Gabe mit 2-3 l/min über Sauerstoffbrille
STOFFWECHSELNOTFÄLLE – DIE HYPOGLYKÄMIE
• per Definition bei BZ < 40 mg/dl
• Glucosegabe ggf. auch bei bloßem Verdacht auf hypoglykämisches Koma
• Ein hypoglykämisch bedingter Krampfanfall kann fokal ablaufen und auch in einen Status epilepticus übergehen Glucose 10% mit 2,5 ml/kgKG i.v., 30 µg/kgKG Glukagon i.m., insbesondere bei fehlendem Gefäßzugang
Bei anschl. Hyperglykämie Rebound-Phänomen mit Hyperinsulinämie und erneuter Hypoglykämie möglich
Bei Krampfanfall niedrigen BZ immer mitbehandeln
STOFFWECHSELNOTFÄLLE – DIE LAKTATAZIDOSE
• Mögliches Symptom einer Mitochondriopathie
• Ausreichende Zufuhr von Flüssigkeit, Energie und Elektrolyten
• Vermeidung oder Beendigung von Zuständen mit erhöhtem Energieverbrauch (Fieber, epileptischer Anfall)
• Vermeidung von Medikamenten, die die Atmungskette hemmen
Medikamente mit Atmungskette hemmender Wirkung (exemplarisch)
Amiodaron Simvastatin Paracetamol
Haloperidol Diclofenac Valproat
Metformin Propofol Tetracycline
FIEBER BEI BEWUSSTSEINSGESTÖRTEN KINDERN
• Infektionen häufigste Ursache für die Aufnahme bewusstseinsgestörter Patienten auf die päd. Intensivstation
• Dementsprechend Fieber präklinisch wichtiges Diagnostikum bei Bewusstseinsstörung
• Rasche Differenzierung, ob afebriler oder febriler Krampfanfall
Quelle: Wong CP, Forsyth RJ, Kelly TP et al. Incidence, aetiology, and outcome of non-traumatic coma: a population based study.
Arch Dis Child 2001; 84: 193–199
Häufigkeit Aufnahmediagnosen PICU bei komatösen Patienten
Infektionen 38%
Intoxikationen 10%
Epileptische Anfälle 10%
Stoffwechselnotfälle 5%
ZNS-INFEKTIONEN
• Bei febrilen Krampfanfällen Differenzierung zwischen klassischem Fieberkrampf oder epileptischem Anfall im Rahmen einer ZNS-Infektion schwierig
• Langsame Erholung nach Krampfereignis ist verdächtig auf eine Infektion des ZNS
• bei kurzen Transportwegen < 30 min keine spezifische/antibiotische Therapie erforderlich
• Falls vorhanden ggf. 100 mg/kg Cefotaxim/Ceftriaxon als ED
• darüber hinaus Versorgung des Patienten nach dem ABC-Schema
ZNS-INFEKTIONEN
• Bei komplizierten Fieberkrämpfen ist immer eine LP indiziert, um ZNS-Infektion auszuschließen
• In diesem Zusammenhang zudem höhere Wahrscheinlichkeit eines Status epilepticus
• Bei Status epilepticus (KA > 30 Minuten) ca. 10% durch bakterielle Meningitis bedingt
• Cave: Bei vorbestehender oraler Antibiose ggf. abgeschwächte Symptomatik Der komplizierte Fieberkrampf
Alter < 6 Monate oder > 5 Jahre Anfallsdauer > 15 Minuten
Fokaler Ablauf oder postiktales neurologisches Defizit Rezidiv innerhalb von 24h
ALGORITHMUS FÜR BEWUSSTSEINSGESTÖRTE PATIENTEN
GCS < 15
Nein
→ transiente Störung
Ja
ABC
Unfall Kein Unfall Anamnese/Szenario
Nach: Merkenschlager, A.: Akute Bewusstseinsstörungen im Kindesalter, Notf.med. up2date 2006; 1(2): 125-146
Bewusstseinsstörung Neurologie
Fieber ? Blutzucker
Epileptischer Anfall Intoxikation ZNS-Infektion
Stoffwechselentgleisung
cMRT EEG
Erweiterte Stoffwechseldiagnostik Keine Klärung Neurologischer Kurzbefund
Temperatur messen
Blutzucker = wichtigster Laborwert
WEITERFÜHRENDE DIAGNOSTIK IN DER KLINIK
• Wenn Ursache der Bewusstseinsstörung nicht eindeutig zuzuordnen ist → MRT
• CT zum Ausschluss Schädelfraktur, zum reinen Blutungsausschluss auch MRT möglich
• Differentialdiagnostisch Ausschluss akute disseminierte Enzephalomyelitis (ADEM)
→ meist durch Virusinfekte ausgelöste Autoimmunerkrankung
→ Kernsymptom: Enzephalopathie
• Bei unauffälligem MRT Durchführung EEG z. A. nichtkonvulsiver Status epilepticus