Verbale und nicht-verbale
Kommunikationsformen und ihre Bedeutung für das Mathematiklernen
Andrea Peter-Koop Institut für Mathematik
Universität Oldenburg
SINUS Transfer Tagung „Mathematik und Sprache“
8. September 2005 in Berlin
Schwerpunkte des Mathematikunterrichts
FERTIGKEITEN
STRATEGIEN
MODELLBILDUNG
Strategien sind im Unterricht nur dann nützlich,
wenn sie kommuniziert
werden können.
Kommunikationsformen
Austausch von Strategien zwischen Schülerinnen und Schülern
Kommunikation von Strategien zwischen Schülern und der Lehrerin
Diskussion von Strategien unter
(angehenden) Lehrerinnen und Lehrern
Dimensionen der Artikulation
Handeln (flüchtig)
Ikonische Texte
Verbale Erklärungen (flüchtig)
Schriftliche Texte
(E – I – S)
Dimensionen der Artikulation
Handeln (flüchtig)
Ikonische Texte
Verbale Erklärungen (flüchtig)
Schriftliche Texte
Faltplakate Videoposter
Konstruktionsbe- schreibungen zu Elementarbildern
Ikonische Texte im MU
These 1:
Gerade jüngere Kinder brauchen beim Mathematiklernen materialgestützte
Artikulationsangebote jenseits mündlicher oder schriftlicher
Kommunikationsformen.
Ikonische Texte im MU
Handlungsorientierung und Sprachkompetenz
Elemente der Papierfaltgeometrie sind den Kindern aus dem Kindergarten oder ihrem Spiel vertraut
(Papierschiffchen, Himmel und Hölle ...)
Handlungserfahrungen können effizienter
angenommen werden als zu anderen geometrischen Arbeitsumgebungen
Handlungserfahrungen und Handlungswissen können angereichert werden, bevor die Gegenstände und Sachverhalte in Sprache gefasst werden
(allgemeiner Befund: Handlungskompetenz geht der Sprachkompetenz voran!)
Ikonische Texte im MU
Arbeitsumgebung Papierfalten
Produkte
(Tiere, Würfel, Häuschen etc.)
Werkzeuge
(DIN-Papier, Origami-Papier, Pappschablonen etc.)
Dokumente – Protokolle und Anleitungen zugleich
(Faltbücher, Faltplakate, Video-Poster)
Ikonische Texte im MU
Arbeit in Kleingruppen
1. Falten Sie den Stern nach!
2. Reduzieren Sie das Plakat auf 6 Schritte!
(Meta-Aufgabe)
3. Vergleichen Sie die verschiedenen Plakate hinsichtlich ihres Aufbaus!
4. Welche Bewertungskriterien sind
angemessen?
Sprache und Sprachproduktion im MU
These 2:
Die selbstständige Sprachproduktion ist ein wesentliches Element beim
Erlernen von Mathematik.
Sprache und Sprachproduktion im MU
Spracheinsatz im Mathematikunterricht
Gesprochene Sprache
Dialog zwischen Lehrer/-in und Schüler/- innen
Geschriebene Sprache
Schulbücher, Lerntagebücher etc.
Computersprache
Kommunikation mit dem Computer
(Maier & Schweiger 1999)
Sprache und Sprachproduktion im MU
Mathematische Texte
Prägnanz – Zweckmäßigkeit – Vollständigkeit
„Wichtig ist, dass mathematisches Wissen von den Schülern durch die Sprache
verstanden und nicht auf eine reproduzier- bare sprachliche Speicherleistung reduziert wird.“
(Maier & Schweiger 1999, 75)
Sprache und Sprachproduktion im MU
Textliche Eigenproduktionen
(Selter 1994)„Das selbstständige Formulieren von Geschriebenem verlangsamt gleichsam den Prozess der sprachlichen Äußerung und lässt dem Schüler Zeit, seine
Beobachtungen zu strukturieren, seine Gedanken zu sammeln und zu ordnen sowie sorgfältig überlegt
darzustellen.“ (Maier & Schweiger 1999, 187)
Eigenproduktionen adressatenbezogen
zweckbestimmt
zeitbasiert
Sprache und Sprachproduktion im MU
Kompetenzmodell nach Wollring
Leitideen
Inhalte Ausprägung
Artikulation
Konstruktionsbeschreibungen zu Elementarbildern
Elementarbilder
kooperative Lern- und Arbeitsumgebung
Entwickeln und Nutzen von Verständigungssystemen
zweckbestimmt und adressatenbezogen
zunehmende Standardisierung der Texte
spezifische Materialgrundlage
(Wollring 2003)
Konstruktionsbeschreibungen zu Elementarbildern
Materialgrundlage
Quadrat mit der Seitenlänge 4 cm
Rechtwinkliges Dreieck Kathetenlänge 8 cm
Rechtwinkliges Dreieck Hypothenuse 8 cm
Konstruktionsbeschreibungen zu Elementarbildern
Arbeitsauftrag
Legt eine Figur aus drei Teilen.
Ihr müsst dabei mindestens zwei verschiedene Formen verwenden.
Jede Form muss mindestens eine andere Form in einem Punkt, einer Seite oder einem Teil einer Seite berühren, so dass eine zusammenhängende Figur entsteht.
Schreibt auf, wie man die Figur herstellen kann.
Konstruktionsbeschreibungen zu Elementarbildern
Original
Figur SASCHA
Reko
Figur DENNIS
Figur OLIVER
Konstruktionsbeschreibungen zu Elementarbildern
Komplexitätsklassen
Komplexitätsklasse 0
Die Bilder dienen einem einfachen Einstieg in das Verfahren und verdeutlichen die geome- trischen Zusammenhänge der einzelnen Formen
Hermine Komplexitätsklasse 1
Figuren aus drei bis sechs Formen, bei denen alle Seiten benachbarter Figuren genau aneinander passen. Zwei oder mehr Formen dürfen auch Spitze auf Spitze stehen → Mädchenbilder
Ron Komplexitätsklasse 2
Die Seiten benachbarter Formen passen nicht in allen Fällen genau aneinander. Zwei oder mehr Formen dürfen auch Spitze auf Spitze stehen
→ Jungenbilder
Konstruktionsbeschreibungen zu Elementarbildern
Didaktische Begründungen
Möglichkeiten zum selbstständigen Entdecken von geometrischen Besonderheiten
Verbindung der Fächer Mathematik und Deutsch durch die Konstruktionsbeschreibungen
inhaltsbezogenes kooperatives Lernen
Verbindung zum Fach Kunst durch die
gestalterischen Aspekte beim Legen der Figuren
Schulung der Feinmotorik
Konstruktionsbeschreibungen zu Elementarbildern
Übersicht über die Unterrichtseinheit
3 Doppelstunden im Rahmen eines Fachpraktikums Erste Doppelstunde: „Dreierbilder“
Zweite Doppelstunde: „Viererbilder“
Dritte Doppelstunde: Meta-Aufgaben
21 Kinder 11 Jungen
10 Mädchen 6 Studentinnen
Erste Doppelstunde: „Dreierbilder“
Figur: VEIKO
Es besteht aus einem kleinen Quadrat
Ein großes Dreieck und ein kleines Dreieck.
Das kleine Dreieck ist unter dem linken
Quadrat und rechts stet das große Dreieck auf der Spieze.
(Renke & Anastasia)
Zweite Doppelstunde: „Viererbilder“
Anhand von drei Konstruktionsbeschreibungen (getippt) aus der letzten Stunde werden Rekos in Partnerarbeit zu allen drei Figuren erstellt (siehe Arbeitsblatt)
CHRISTIAN
DANIEL TANJA
Erstellung von Rekos in Zweiergruppen Auswertung im Kreisgespräch
Unterscheidung: Jungenbilder - Mädchenbilder
Zweite Doppelstunde: „Viererbilder“
Figur im Original
Anzahl der korrekten Rekos
Anzahl der Rekos mit einem Fehler
Anzahl der Rekos mit zwei Fehlern
Anzahl der Rekos mit drei Fehlern
10 0 0 0
9 0 1 0
8 0 2 0
Zweite Doppelstunde: „Viererbilder“
Figur im Original
Anzahl der korrekten Rekos
Anzahl der Rekos mit einem Fehler
Anzahl der Rekos mit zwei Fehlern
Anzahl der Rekos mit drei Fehlern
10 0 0 0
9 0 1 0
8 0 2 0
Befunde der sprachlichen Analysen
Schreibverhalten
Weber (1982) unterscheidet vier verschiedene Kategorien des Sprach- und Schreibverhaltens:
egozentrisches Schreibverhalten → Wahl der 1. Person Plural und des Perfekt
gruppenspezifisches Schreibverhalten → Schreiber äußern sich in der 1. Person Plural und im Präsens
leserorientiertes Schreibverhalten → Texte sind in der 2.
Person Plural im Präsens verfasst
neutrale Einstellung → Verwendung des unbestimmten Pronomens „man“ signalisiert unpersönliche Einstellung gegenüber der Handlung
Befunde der sprachlichen Analysen
Einsatz mathematischer Begriffe
Schüler/innen verwenden in textlichen Eigenproduktionen
„zumeist einen äußerst kleinen Anteil mathematischen Vokabulars“ (Maier & Schweiger 1999, 111).
Dreieck (klein/groß bzw. blau/rot) Quadrat (Viereck)
Beschreibung zu Lukas:
„ ... niemt ein gelbes und legt es das die Spitze
nachch oben“
Befunde der sprachlichen Analysen
Lagebeziehungen und Platzierungen
„In allen vom Original abweichenden Rekonstruktionen ist das Dreieck ausschlaggebend für den Misserfolg und nicht das Quadrat.
Diese Tatsache begründet sich vermutlich auf dem beschriebenen Missverhältnis bezüglich der Anzahl der Lagemöglichkeiten von Dreiecken und Quadraten.“
(Schotter 2005, 77)
Dritte Doppelstunde: Meta-Aufgabe
Drittklässler überarbeiten Konstruktionsbeschreibungen von Studierenden, die zu fehlerhaften Rekos führten Gegeben: Original, Reko und Konstruktionsbeschreibung
der Studierenden Arbeitsauftrag:
1. Verbessert den Text.
2. Benotet die Beschreibung der Studierenden mit einer Note von 1 – 5 und begründet, warum ihr diese Note gebt.
3. Sucht euch eine Partnergruppe aus und überprüft, ob der neue Text zu einer richtigen Reko führt.
(5) Meta-Aufgaben zu Elementarbildern
Figur: TIM
Originaltext: Ein großes Dreieck und auf der Spitze 2 Vierecke aber die Kanten der Vierecke liegen zusammen. Das kleine Dreieck mit der Spitze oben auf dem Mittelpunkt der beiden Vierecke (wo die Vierecke zusammenstoßen).
Überarbeitung:
Nehmt ein rotes Dreick, zwei gelbe Quadrate und ein blaues Dreick. Nehmt ein rotes Dreick und nehmd zwei gelbe Quadrate legt sie mit der Seite zu samen und dann dut sie mit der mitte der langen Seite auf das rote Dreick, und dann nehmt ein blaues dreieg und legd es mit der spietze auf den Mittelpunkt auf der oberen längeren seite der 2 Quardrate.
(Ole, Carsten & Jan) Sönke & Lieselotte
Literatur
Wollring, B. (2002). Ein vielseitiges Falthäuschen.
Grundschulzeitschrift 16, (159), 22-24,41-42.
Wollring, B. (2000). Faltbilderbücher, Faltgeschichten und Faltbildkalender. Grundschulzeitschrift 14 (138), 26, 43-47.
Wollring, B. (1997). „Man darf nicht immer gleich aufgeben, wenn es mal nicht klappt.“ Mädchen und Jungen bauen gemeinsam Würfel aus Papier. Sache Wort Zahl, 25 (7), 25-39.