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Palliative Care und Hospizarbeit eine Versorgungsphilosophie

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P Katja Goudinoudis

Zentrum für Ambulante Hospiz- und Palliativversorgung, Taufkirchen

Geschichte und Entwicklung

Im Mittelalter waren Hospize meist von Ordensleuten betrie- bene Ruhestätten für müde, alte, verletzte, kranke und/oder sterbende Pilger, die zumindest vorübergehend ihren Weg nicht mehr fortsetzen konnten (Kränzle, 2013). Nachdem die meisten dieser Einrichtungen im Laufe der Jahrhunderte der Säkularisation zum Opfer gefallen waren, eröffnete Ende des 19. Jahrhunderts die Gründerin des Ordens Irish Sister of Cha- rity, Mary Akinhead, das erste „moderne“ Hospiz in Dublin. In diesem Haus sollten „die Menschen alles finden und bekom- men, was sie für den letzten Abschnitt auf der Pilgerreise ih- res Lebens benötigten“ (ebd.). Anfang des 20. Jahrhunderts eröffneten dann Mitschwestern ein ähnliches Haus in London, das St. Joseph‘s Hospice (ebd.). So verbreitete sich diese Idee allmählich in ganz Europa und auch in Amerika erkannte man die Notwendigkeit solch spezieller Einrichtungen der fürsorgli- chen Pflege. Mitte des 20. Jahrhunderts gründete eine Gruppe von Sozialarbeiterinnen in New York die Gesellschaft Cancer Care Inc. mit dem Ziel, Menschen beim Sterben zu Hause zu unterstützen.

Die Krankenschwester und Sozialarbeiterin Cicely Saunders begriff Anfang der 1950er-Jahren, dass das Wissen dieser bei- den Professionen noch nicht ausreichte, um die Leiden Ster- bender zufriedenstellend zu lindern, vor allem die Schmerz- therapie wies große Lücken auf. So ließ sie sich noch zur Ärztin ausbilden, um auch den körperlichen Leiden besser begegnen zu können. Als ausgebildete Ärztin konnte sie dann in den spä- ten 1950er-Jahren im St. Joseph‘s Hospice erste Erfahrungen im Umgang mit und im Einsatz von Morphinen zur Linderung

starker Schmerzen sammeln. Nie verlor sie dabei ihren Traum aus den Augen, einen Ort zu schaffen, an dem den Bedürfnis- sen Sterbender auf allen Ebenen Rechnung getragen würde und sie so in Würde sterben könnten. David Tasmar, ein unheil- bar an Krebs erkrankter polnischer Jude, den sie 1948 kennen und lieben lernte, bestärkte sie in ihrem Traum und hinterließ Saunders 500 Pfund Sterling mit den Worten: „Ich werde ein Fenster in Deinem Haus sein.“ Dieses Fenster existiert heute noch in St. Christopher‘s (Kränzle, 2013). Unermüdlich war sie viele Jahre unterwegs, um eigene Erfahrungen im Umgang mit Sterbenden und ihren Nöten zu sammeln, aber auch um ande- re von ihrer Idee zu begeistern.

Nach fast 20 Jahren Vorbereitung konnte sie ihren Traum einer speziellen Einrichtung außerhalb der Regelstruktur eines Kran- kenhauses dann 1967 verwirklichen und mit St. Christopher‘s eröffnete das erste moderne Hospiz, das man als „Mutter“ der Hospize bezeichnen kann und von dem bis heute innovative und kreative Impulse zur Weiterentwicklung der Hospizidee ausgehen (Kränzle, 2013). Von Anfang an verstand sich St.

Christopher‘s auch als Ausbildungs- und Forschungsstätte, wes- halb hier auch die Ursprünge von Palliative Care, der ganzheitli- chen lindernden Fürsorge, zu suchen sind (Pleschberger, 2001).

Zunächst breitete sich – mit Saunders als Leitfigur – diese Idee eines würdigen, schmerzfreien und selbstbestimmten Lebens bis zum Tod für unheilbar erkrankte Menschen in nicht europä- ischen Länder aus: zunächst in Amerika über Australien nach Neuseeland, dann nach Skandinavien und in viele weitere Län- der. Anfang der 1970er-Jahre entstand in New York das erste

„Hospital Support Team“ im St. Louis Hospital.

Palliative Care und Hospizarbeit –

eine Versorgungsphilosophie

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SCHWERPUNKT

Während die Hospizbewegung sich Anfang der 1980er-Jahre zunächst im ambulanten Sektor entwickelte – es entstanden

„zahlreiche lokale Hospizgruppen mit dem Ziel, den Umgang mit Sterbenden zu enttabuisieren und die Versorgungssituati- on für Sterbende und ihre Angehörigen durch Aufklärung und Begleitung zu verbessern“ (Pleschberger, 2001) – wurde die erste Palliativstation 1983 in der Chirurgischen Abteilung der Universitätsklinik Köln unter der Leitung von Prof. Dr. Pichlmay- er eröffnet. Im Jahr 1986 öffnete das erste stationäre Hospiz

„Haus Hörn“ in Aachen seine Tore, es folgten weitere stationäre Hospize und ambulante Hospizgruppen. Die Palliativstation in Köln hingegen blieb bis in die 1990er-Jahre die einzige ihrer Art und erst ein Modellprogramm des Bundesgesundheits- ministeriums ließ von 1991–1998 weitere 16 Stationen in Deutschland entstehen (ebd.). Ein umfassendes Konzept zur strukturierten Umsetzung von Palliative Care in Deutschland fehlte, was wichtige Impulse missen ließ und die Entwicklung vom Engagement Einzelner oder dem zufälligen Vorhanden- sein von Hospizgruppen abhängig machte (Pleschberger &

Heimerl, 2005).

Beide Stränge, Hospiz und Palliativ, sind heute untrennbar mit- einander verbunden. Christoph Student, ein deutscher Pionier der hospizlich-palliativen Versorgung, bezeichnet Palliative Care als die Handlungsmethode, die das Hospizkonzept um- setzt (Student & Napiwotzky, 2007).

In einer Ist-Analyse erkennt Pleschberger 2001 in Deutschland neben dem Bedarf der Etablierung spezialisierter stationärer Strukturen und der Integration der Philosophie von Palliative Care in die Regelstrukturen vor allem die Notwendigkeit zur „Ori- entierung an der häuslichen Versorgung“ und fordert eine deut- lichere Profilierung der Rolle der Pflege, das stringente Voran- treiben der Forschung sowie der systematischen Qualifizierung aller Professionen in Palliative-Care-Fragen (Pleschberger, 2001).

Erst einige Jahre später wurde 2007 Pleschbergers Forderung

„Orientierung an der häuslichen Versorgung“ mit Einführung Zur gleichen Zeit begann in Amerika eine junge Schweizer

Psychiaterin, Elisabeth Kübler-Ross, mit ihrer bahnbrechenden Arbeit und trat mit sterbenden Menschen und ihren Ange- hörigen in den Dialog, um so deren Bedürfnisse zu erfahren, sie zu systematisieren und zu veröffentlichen. In zahlreichen Arbeiten und durchgeführten Workshops auf der ganzen Welt brachte sie ihre Art zu denken und zu arbeiten in den Umlauf und noch heute beeinflusst dies die Arbeit in Palliative Care (Kränzle, 2013). Der Kanadier Balfour M. Mount, ein Schüler Saunders, versuchte dann diese Idee von eigenständigen Häu- sern weiterzuentwickeln und eröffnete 1974 eine Abteilung für unheilbar Kranke innerhalb des Royal Victoria Hospital in Montreal, Kanada (Pleschberger, 2001). Da es in Montreal be- reits ein Hospiz gab, war dieser Begriff besetzt und so nannte er sein Projekt „Palliativeinheit“ und prägte damit die weitere Ent- wicklung von „Palliative Care“ und versuchte damit innerhalb der Regelversorgung Strukturen für einen besseren Umgang mit sterbenden Menschen zu schaffen (ebd.)

Entwicklung in Deutschland

In Deutschland tat man sich mit dieser Idee von einem „neu- en“ Umgang mit Sterbenden lange schwer. Als im Juni 1971 zu später Stunde im deutschen Fernsehen der Dokumentar- film von Pater Reinhold Iblacker über St. Christopher‘s „ Noch 16 Tage ... eine Sterbeklinik in London“ ausgestrahlt wurde, löste dies große Empörung aus. Beeinflusst von den Euthana- sieverbrechen während des Nationalsozialismus stieß die Idee, Sterbende in Spezialeinrichtungen „abzuschieben“ nicht zu- letzt bei beiden großen Kirchen in Deutschland auf breite Ab- lehnung (Kränzle, 2013). Als Grund für diese Ablehnung wird der Titel „Sterbeklinik“ gesehen, denn dieser implizierte einen Schritt in Richtung Euthanasie (Pleschberger, 2001). Zugleich wurden Sterbebegleitungen zu Hause oder im Krankenhaus von jeher von kirchlichen oder karitativen Gruppierungen im Rahmen eines bürgerschaftlichen Engagements meist „unbe- merkt von der breiten Öffentlichkeit“ geleistet (Kränzle, 2013).

Auch eine von der damaligen Bundesregierung in Auftrag gegebene Befragung der Wohlfahrtsverbände, Kirchen, Kran- kenhaus- und Krankenkassenverbände sowie anderer Exper- tInnen zu diesem Thema zeigte als Ergebnis die einstimmige Forderung, „Sterben als Teil des Lebens aufzufassen, überall ein menschenwürdiges Sterben zu ermöglichen, und die entspre- chenden Qualifikationen dazu bei den Gesundheitsberufen zu schaffen“ (Pleschberger, 2001).

Dies führte auch zu dem getrennt verlaufenden Engagement der Hospiz- und Palliativbewegung, was im internationalen Vergleich bis heute einzigartig ist. Auf der einen Seite die Hos- pizbewegung, aus dem bürgerschaftlichen Engagement ent- sprungen und für eine besondere Haltung zu sterbenden Men- schen und ihren Angehörigen stehend, und auf der anderen Seite die Palliativmedizin, die sich zunächst als ärztlich domi- nierte Fachrichtung im stationären Krankenhausbereich entwi- ckelte, anfangs im Schatten des gesamten Gesundheitswesens.

Kinder-

hospize Stationäre Hospize Palliativ-

stationen SAPV-

Teams Ambulante Hospize 14

214 250 270

> 1500

Abbildung 1:

Übersicht über die Anzahl an spezialisierten Einrichtungen in Deutschland (Deutscher Hospiz- und Palliativverband e. V.).

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der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV) Rechnung getragen. Bis dahin fokussierte sich die Palliativver- sorgung auf den stationären Bereich. Heute kann man sagen, dass Palliative Care und Hospizarbeit nach der Pionierphase über die Differenzierungsphase in der Integrationsphase in der deutschen Versorgungslandschaft angekommen ist. In beiden Sektoren der Gesundheitsfürsorge, stationär und ambulant, hat die palliativ-hospizliche Versorgung von Menschen mit unheilbaren und zum Tode führenden Erkrankungen ein festes Standbein und ist hier weitgehend als Partner akzeptiert.

Auch die Ausbildung der in Gesundheitsberufen Tätigen hat große Fortschritte gemacht, so gibt es mittlerweile über 8000 ÄrztInnen mit der Zusatzbezeichnung Palliativmedizin, über 20 000 Pflegende mit der Zusatzqualifikation Palliative Care und 12 Professuren in Palliativmedizin an deutschen Univer- sitäten (Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin e. V., 2014).

Für weitere Berufsgruppen, wie Sozialarbeiter, Seelsorger, Phy- siotherapeuten, Psychologen und Pharmazeuten, wurden Cur- ricula entwickelt, die vor allem an den zahlreichen Akademien für Hospizarbeit und Palliative Care vermittelt werden.

Dies sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Hospizar- beit und Palliative Care bislang vor allem in spezialisierten Berei- chen Einzug gehalten haben und hier noch immer vorwiegend Menschen mit onkologischen Erkrankungen versorgen und unterstützen. In der allgemeinen Versorgung – wie ambulante Pflege, stationäre Altenhilfe, allgemeines Krankenhaus – steckt die palliative Betreuung noch in den Kinderschuhen und hat noch lange keinen ausreichenden und umfassenden Einzug ins Versorgungssystem gefunden. Randgruppen unserer Gesell- schaft, wie Menschen mit geistiger Behinderung, Obdachlose, Menschen mit Migrationshintergrund und Asylanten finden bis- her nur ansatzweise Zugang zu dieser Versorgung. In weiteren medizinischen Disziplinen wie der Gynäkologie und Notfallme- dizin hat Palliative Care nur rudimentär Zugang oder ist hier als ein Angebot integriert. Auch die zentrale Rolle der Pflege in die- ser Versorgungsform ist nicht ausreichend profiliert, sie ist noch immer in allen Bereichen der originär pflegerischen Tätigkeiten, wie z. B. Wundversorgung, auf die Anordnung und Kooperation der Ärzteschaft angewiesen und hat ihr eigenes Profil noch lan- ge nicht ausreichend zur Geltung gebracht.

Definition

Palliative Care, so hat es die WHO 2002 definiert, ist „an ap- proach that improves the quality of life of patients and their families facing the problem associated with life-threatening illness, through the prevention and relief of suffering by means of early identification and impeccable assessment and treat- ment of pain and other problems, physical, psychosocial and spiritual (World Health Organization).“

fasser auf einer Jahrestagung des Deutschen Hospiz- und Palliativ- verbandes treffend bezeichnet. Vor fast 60 Jahren hat in Großbritan- nien ein Umdenken im Umgang mit Sterbenden begonnen und hat nun in über 100 Ländern Einzug gehalten. Auch in Deutschland ist diese Versorgungsphilosphie mit seinen Kernelementen in speziali- sierten Bereichen etabliert.

ting of the German Association of Hospice and Palliative Care. Almost 60 years ago a rethinking in how to take care of people dying has star- ted in UK and is established now in more than 100 countries. In Germa- ny also this philosophy of patient care with its core elements is in place in specialized areas.

Palliative Care · Hospizarbeit · Lebensqualität Palliative Care · Hospice Care · Quality of life

Palliative Care will also die Lebensqualität von Menschen, die an lebenslimitierenden Erkrankungen leiden, sowie ihrer Fa- milien durch Vorbeugen und Linderung erhalten oder verbes- sern. Dies geschieht durch die frühzeitige Erkennung und ein- wandfreie Beurteilung und Behandlung von Schmerzen und anderer Probleme physischer, psychischer und spiritueller Art.

Palliativ, abgeleitet vom lateinischen Wort „pallium“, will mit einem „Mantel“ Schmerzen und Leiden umhüllen und lindern und von den betroffenen Menschen fernhalten (germanisch

„pelte“ = Schutzhülle zur Abwehr von Speeren und Bösen – im übertragenen Sinn von Schmerzen und anderen Leiden). In Palliative Care ist der Funktionserhalt, das Wohlbefinden und die Verbesserung der Lebensqualität oberste Prämisse, diesem Ziel wird alles andere untergeordnet (Radbruch, Nauck & Aul- bert, 2007). Dies erfordert einen Paradigmenwechsel von allen Beteiligten. Wenn keine Heilung mehr möglich ist, darf nicht mehr die Verlängerung der Überlebenszeit um jeden Preis im Vordergrund stehen, sondern es müssen die Wünsche, Ziele und Bedürfnisse der Betroffenen sein. Sterben ist vor allem ein sozialer Prozess, der von allen Beteiligten zu gestalten ist (Schneider, Hayek & Preffer, 2009) und ein Phänomen komple- xer Entscheidungen (Müller-Busch, 2015).

Säulen der Palliative Care

Die vielfältigen Herausforderungen bestimmen auch die Angst vor dem Sterben und neben Schmerzen und Luftnot erleben die Patienten und ihre Familie auch körperliche Veränderun- gen, psychische, soziale und spirituellen Bedrohungen. Die damit einhergehenden, subjektiv sehr unterschiedlichen Be- dürfnisse erfordern einen bewussten Umgang mit Sterben und Tod (Müller-Busch, 2015). Deshalb darf Palliative Care nicht auf Schmerztherapie und Sterbebegleitung für Krebspatienten re- duziert werden, sondern muss in ihrer Multidimensionalität, d.

h. für alle Menschen, die es brauchen, unabhängig von der Art ihrer terminalen Erkrankung, und in ihrem holistischen Ansatz, erkannt und beachtet werden.

Kommunikation

Als Kernelemente der Palliative Care können neben Symptom- linderung, transparentem Handeln, Behandlung der Patienten in verschiedenen Umgebungen mit einem „high person – low technology“-Ansatz, Kontinuität der Versorgung, Forschung und Ausbildung der beteiligten Professionen vor allem eine effektive Kommunikation und reflektierte Entscheidungen ge- nannt werden. Effektive Kommunikation bedeutet, die Erkran- kung nicht als pathophysiologische Funktionsstörung wahr- zunehmen, sondern als Prozess und individuelle Erfahrung zu berücksichtigen (Müller-Busch, 2015) und dabei den Menschen nicht auf seine Defizite und Einschränkungen zu reduzieren, sondern seine Ressourcen in allen Dimensionen (sozial, phy- sisch, psychisch und spirituell) wahrzunehmen und zu stärken.

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SCHWERPUNKT

Integration von Ehrenamt

Durch die Integration von ehrenamtlichen Mitarbeitern kommt ein Stück Normalität in eine existenzielle Ausnahme- situation. Nicht weil sie dafür bezahlt werden, sondern weil sie ein Zeichen der Solidarität setzen und somit Sterbebegleitung zu alltäglicher mitmenschlicher Begegnung machen wollen (Student & Napiwotzky, 2007), besuchen ehrenamtliche Hos- pizbegleiter Patienten, die mit dem eigenen Tod konfrontiert sind, und zeigen ihnen so, dass sie ein wertvoller Teil unserer Gesellschaft sind. Andersherum tragen die ehrenamtlichen Mitarbeiter durch ihr Engagement den Gedanken für einen anderen Umgang mit Sterben und Tod wieder zurück in ihre Gesellschaft. Durch Gespräche in der Familie oder mit Freun- den und Bekannten machen sie so darauf aufmerksam und tragen damit zu einer Aufklärung und Bewusstseinsbildung in der Öffentlichkeit bei. Hospizbegleiter sind meist an einem Hospizverein oder eine Hospizinitiative angebunden, werden für diese Tätigkeit in vielen Stunden, die über mehrere Wochen verteilt sind, sorgfältig vorbereitet und in ihrer praktischen Tä- tigkeit von einer Einsatzleitung angeleitet.

Weitere Grundsätze

Das Unterstützungsangebot in der Palliative Care sollte im Sin- ne einer „early integration“ schon früh im Verlauf der Erkran- kung, auch in Verbindung mit anderen lebensverlängernden Therapien beginnen und dem Patienten Unterstützung anbie- ten, um so aktiv wie möglich bis zum Tod leben zu können. Pal- liative Care bejaht das Leben und sieht Sterben als normalen Prozess an, will das Sterben weder beschleunigen noch hinaus- zögern. Die Betreuung soll kontinuierlich rund um die Uhr und an allen Orten des Aufenthaltes des Patienten erfolgen und en- det nicht mit dem Tod des Patienten, sondern reicht auch in die Zeit nach dem Versterben des Patienten in die Trauerzeit der Familie hinein. Durch Forschung, systematische Dokumentati- on und Ausarbeitung der Behandlungsergebnisse (Radbruch, Nauck & Aulbert, 2007) sollen die krankheitsbedingten Be- schwerden und klinischen Komplikationen besser verstanden und behandelt werden können (World Health Organization).

Die Ausbildung aller beteiligten Berufe, von Ärzten über Pfle- gende bis zu den Seelsorgern, Physiotherapeuten und Apothe- kern, ist ein weiterer grundlegender Grundstein.

Strukturen in Palliative Care

Palliative Care sollte ein sektorenübergreifendes und abgestuf- tes Konzept verfolgen. Nicht alle sterbenden Menschen brau- chen spezialisierte Einrichtungen, aber in den meisten Fällen brauchen sie eine einfühlsame und empathische Haltung der Betreuenden sowie entsprechende Fachkenntnisse.

Spezialisierte Einrichtungen:

Palliativstationen: eigenständige, an ein Krankenhaus an- gebundene oder integrierte Station, mit besonderem Per- sonalschlüssel, für Menschen mit unheilbaren, zum Tode Ihn in seiner individuellen Lebenssituation zu verstehen, seine

Werte zu achten und im Dialog mit ihm seinen Willen bzgl. Le- bens- und Sterbewunsch, Therapiewunsch oder -beendigung reflektieren und auf dieser Grundlage zu entscheiden und die- se Entscheidungen auf Basis einer vertrauensvollen Beziehung mit allen Beteiligten gemeinsam tragen (ebd.).

Leidenslinderung

Für ein würdiges Leben bis zuletzt ist die Schmerz- und Sym- ptombehandlung von entscheidender Bedeutung. Diese soll nach den Prinzipien von Palliative Care von Spezialisten erbracht werden (Radbruch, Nauck & Aulbert, 2007). Cicely Saunders hat mit ihrem Total-Pain-Modell schon früh darauf hingewiesen, dass die Behandlung von Symptomen von ei- nem umfassenden Verständnis von Leiden auf physischer, psy- chischer, sozialer und spiritueller Ebene begleitet werden und dabei auch die existenziellen Sorgen und Bedürfnisse mitauf- genommen werden müssen (Saunders, 1993).

Interdisziplinäres Denken und Handeln im multiprofessionellen Team

Dies beansprucht nicht nur eine hohe fachliche Kompetenz jedes einzelnen Beteiligten, sondern auch die Abstimmung und koordinierte Zusammenarbeit vieler unterschiedlicher Berufe, die im sonstigen Alltag nicht alle selbstverständlich miteinander zu tun haben. Zur Umsetzung des biosozial und spirituell orientierten Palliative-Care-Konzepts ist es nicht aus- reichend nebeneinanderher zu arbeiten und den jeweils ande- ren von seinem Tun zu informieren, schon die Entscheidung, wer wann was wie tut, muss im Dialog, unter Berücksichtigung des Willens und Wunsches des Patienten und seiner Familie gemeinsam getroffen werden. Über das eigene fachspezifi- sche und persönliche Blickfeld in die Perspektiven der anderen Professionen, Disziplinen und Personen hineintauchen und die jeweilige Situation aus diesen verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten, lässt Überlegungen und Lösungsansätze zu, die über eine monoprofessionelle Denkweise hinausreichen (Mül- ler-Busch, 2015). Dieses transdisziplinäre und -professionelle Denken und Entscheiden im multiprofessionellen Team erfor- dert letztendlich auch ein solches Handeln und ist eine weitere tragende Säule in der Palliative Care. Gleichsam das Lebensen- de zu orchestrieren (Loewy, 1999) – in der Vielfalt sollte mitein- ander darum gerungen werden, die vom Patienten vorgegebe- nen Bedürfnisse und Wünsche umzusetzen. Dazu muss nicht nur jeder einzelne sein Fach exzellent beherrschen, sondern je- der muss bereit sein, sich koordinieren zu lassen. Wer diese Ko- ordination übernimmt, muss miteinander festgelegt werden, das kann in dem einen Fall die Ehefrau sein, in einem anderen Fall die Pflegekraft und wieder in einem anderen Fall der Haus- arzt. Zudem muss jeder nicht nur seine Einsätze wahrnehmen, sondern auch seine Pausen akzeptieren und einhalten und keinesfalls dürfen die „Trompeten“ die „Triangeln“ übertönen.

Jeder in diesem Orchester hat seinen Beitrag dazu zu leisten, das Lebensende orchestral zum Erklingen zu bringen.

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Interessenkonflikt

Die Autorin bestätigt, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Literatur

CHARTA zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen;

http://www.charta-zur-betreuung-sterbender.de/ [25.05.2015].

Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin e. V. 2014. Die DGP: Eine leben- dige Gesellschaft. 1. Aufl. Berlin. URL: https://www.dgpalliativmedizin.

de/images/stories/pdf/RZ_140703_Imagebrosch%C3%BCre_

Doppelseiten_online.pdf [25.05.2015].

Kränzle, S. (2013). Geschichte und Selbstverständnis. In S. Kränzle, U.

Schmid, C. Seeger (Hrsg.), Palliative Care: Handbuch für Pflege und Begleitung (S. 4–8). Berlin, Heidelberg: Springer.

Loewy, E. H. (2000). ORCHESTRIEREN oder TÖTEN. In E. H. Loewy, R. Gro- nemeyer (Hrsg.): Hospizbewegung im internationalen Vergleich: Do- kumentation des ersten Gießener Symposiums vom 10. bis 12. De- zember 1999, 7–17.

Müller-Busch, H. C. (2015). Vielfalt der Palliative Care. pflegen: palliativ 7(26), 4–8.

Pleschberger, S. (2001). Palliative Care: ein Versorgungskonzept für ster- bende Menschen. Bielefeld: Veröffentlichungsreihe des Instituts für Pflegewissenschaft an der Universität Bielefeld. http://uni-bielefeld.

de/IPW [25.05.2015].

Pleschberger, S., & Heimerl, K. (2005). Palliative Versorgung in Deutsch- land und Österreich: Angebote und Strukturen. In S. Pleschberger, K.

Heimerl, M. Wild (Hrsg.): Palliativpflege: Grundlagen für Praxis und Unterricht (S. 46–67). Wien: Facultas Universitätsverlag.

Radbruch, L., Nauck, F., & Aulbert, E. (2007). Grundlagen der Palliativme- dizin: Definition, Entwicklung und Ziele. In E. Aulbert (Hrsg.): Lehr- buch der Palliativmedizin (S. 1–14). Stuttgart: Schattauer.

Saunders, C. (1993). Hospiz und Begleitung im Schmerz: Wie wir sinnlo- se Apparatemedizin und einsames Sterben vermeiden können. Frei- burg, Basel, Wien: Herder.

Schneider, W., von Hayek, J., & Pfeffer, C. (2009). „Sterben dort wo man zuhause ist…“: Organisation und Praxis von Sterbebegleitungen in der ambulanten Hospizarbeit. Ergebnisbericht - Langfassung. Augsburg.

Student, J.-C., & Napiwotzky, A. (2007). Palliative Care: Wahrnehmen – verstehen – schützen. inklusive DVD mit 21 Filmen und weiteren Ex- tras. Stuttgart: Thieme.

World Health Organization (WHO). WHO Definition of Palliative Care http://www.who.int/cancer/palliative/definition/en/ [25.05.2015].

Angaben zur Autorin Katja Goudinoudis

Palliative Care Pflegefachfrau, MAS (PalliativeCare)

Sprecherin der Sektion Pflege der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin e. V. (DGP) und Beisitzerin im Vorstand Leitung des ZAHPV

Zentrum für Ambulante Hospiz- und Palliativversorgung München Land, Stadtrand und Landkreis Ebersberg, der Caritas Dienste im Landkreis München (ZAHPV) Innerer Stockweg 6, 82041 Oberhaching

Katja.Goudinoudis@caritasmuenchen.de führenden Erkrankungen und belastenden Symptomen,

die einer Krankenhausbehandlung bedürfen, meist DRG- finanziert; Aufenthaltsdauer durchschnittlich ca. 10–14 Tage

Konsiliardienst: ein Team aus speziell geschulten Ärzten und Pflegekräften, idealerweise auch Sozialarbeit und/oder Psychologen, betreuen in enger Zusammenarbeit mit den Kollegen auf anderen Stationen im Krankenhaus die Pallia- tivpatienten; dies kann von der Beratung und Anleitung des Stationsteams bis zur Mitbehandlung der Patienten reichen

stationäres Hospiz: eigenständige Einrichtung mit eigenstän- diger Organisationsstruktur; hier werden Schwerkranke und Sterbende mit sehr begrenzter Lebenserwartung aufgenom- men, bei denen eine Krankenhausbehandlung nicht nötig, aber eine ambulante Betreuung nicht möglich ist; finanziert über die Kranken- und Pflegekassen sowie einem Eigenanteil der Träger, für die Patienten entstehen keine Kosten

spezialisierte ambulante Palliativversorgung: Teamkom- plexleistung aus Medizin und Pflege für Menschen mit un- heilbaren Erkrankungen, komplexen Symptomen und auf- wendigem Versorgungsgeschehen

Allgemeiner Bereich

Nicht alle Schwerstkranken und Sterbenden benötigen spezi- alisierte Strukturen. Ein Großteil verstirbt noch immer im all- gemeinen Bereich, doch dafür fehlen stationär wie ambulant bisher tragbare und umsetzbare Konzepte.

Ausblick und Zukunft von Palliative Care

Im Rahmen einer Nationalen Strategie geht es nun darum, die in der „Charta zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen“ formulierten Leitsätze – auch mit Unterstützung der Politik – so umzusetzen, dass jeder Betroffene unabhängig von der zugrundeliegenden Erkrankung, der persönlichen Le- benssituation oder des Versorgungsortes eine qualitativ hoch- wertige palliative und hospizliche Behandlung und Begleitung erhält. Das bedeutet die Implementierung einer Hospizkultur und Palliativkompetenz in den stationären Einrichtungen genauso wie die Erfassung der gesellschaftlichen Randgrup- pen, wie Obdachlosen, Menschen mit Migrationshintergrund, Strafgefangenen und allen voran Menschen mit demenziellen Erkrankungen. Ein wichtiger Schritt zur Verbesserung der Hos- piz- und Palliativversorgung ist mit dem Entwurf des Hospiz- und Palliativgesetz getan, es wird sich zeigen, ob er weit genug gefasst ist, alle Probleme zu lösen. 

spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV)

Krankenhausstationen (Gynäkologie, Geriatrie, Intensiv, ...)

Pflegedienst Hausarzt Pflegeheim spezialisierter ambulanter Bereich

allgemeiner ambulanter Bereich

allgemeiner stationärer Bereich

Abbildung 2: Übersicht stationäre und ambulante Strukturen der Palliativversorgung.

Referenzen

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