Von Stickstoff und anderen Nährelementen
Was brauchen Pflanzen zum Leben – mehr als Luft und Liebe? Klaro, ohne Wasser läuft gar nichts, Sonnenlicht ist auch notwendig. Und was sonst noch?
Machen wir doch einen Versuch: Wir stellen eine kleine Topfpflanze, nennen wir sie Erna, aufs Fensterbrett. Hübsch ins Licht, gut belüftet. Erna haben wir aus einem Samen gezogen, den wir in Anzuchterde gelegt und angenehm warm sowie gut befeuchtet gehalten haben (siehe auch Kapitel
„Keimung“). Schon bald wuchs Erna kräftig und bildete immer neue Blätter.
Doch es kam der Tag, da sah Erna kläglich aus. Das frische Grün der Blätter war nur noch fahl, eher schon gelb. Zuwachs? Auch keiner mehr. Die ersten Blätter fielen ab. Warum nur? Wir haben doch belichtet, gelüftet, gegossen – da sollte pflanzliches Leben doch prächtig möglich sein (siehe auch Kapitel „Photosynthese“). Was hat sie nur, die Erna. Fehlt ihr was?
Nochmal überlegen: Pflanzen müssen wie alle Lebewesen trinken (gegossen haben wir) – und auch
„essen“. Was essen Pflanzen denn eigentlich? Kohlendioxid? Schon, aber es braucht halt noch mehr, um aus Zucker alle möglichen Pflanzenbausteine aufzubauen. Schnell recherchiert: Was steckt eigentlich alles in Chlorophyll, ohne das autotrophes Pflanzenleben nicht möglich ist?
Aha. In ihm steckt neben C (Kohlenstoff), H (Wasserstoff) und O (Sauerstoff), die aus dem CO2
(Kohlendioxid) und H2O (Wasser bei der Photosynthese stammen können, noch N (Stickstoff) und Mg (Magnesium). Wo kommen diese Elemente denn her?
Anfangs zehrte Erna vom Nahrungsvorrat, der im Samen steckte. Da waren die wohl drin, oder? Aber begrenzt, denn in einen solchen Samen passt ja nicht soooo viel hinein. Und Erna legte doch kräftig zu. Kein Wunder, dass solche Stoffe bald Mangelware werden. Wie bei einem Hausbau, wenn es keinen Sand für Beton mehr gibt, wenn andere Länder sämtliches Holz aufkaufen, stoppt das
Unternehmen. Und verkommt vielleicht zur Ruine, sofern nicht beizeiten für Nachschub gesorgt wird.
Erna ist also ein Torso…
Ihr fehlen neben C, H und O ganz einfach viele weitere Bauelemente, nämlich Mineralstoffe oder Nährsalze. Hauptsächlich Stickstoff (N), Phosphor (P), Kalium (K), Magnesium (Mg), Calcium (Ca) und Schwefel (S), daneben in viel geringerem Maße aber auch Eisen (Fe), Mangan (Mn), Kupfer (Cu), Zink (Zn), Bor (B), Molybdän (Mo) und Chlor (Cl). Erna bildet ja nicht nur Blattgrün, sondern auch
Aminosäuren, die sie zu Proteinen oder Eiweißen (siehe auch Kapitel „Primäre Inhaltsstoffe“) zusammenfügt – für Enzyme, Strukturen, Transport oder als Speicher. Ohne Aminosäuren keine Vervielfältigung der Erbsubstanz, damit keine Zellteilung. Auf einen knappen Punkt gebracht: Ohne Stickstoff und so einige weitere Sachen geht nichts.
Und wo kommt’s her? Sicher nicht aus dem Supermarkt oder vom Restaurant. Pflanzen sind doch autotroph (selbsternährend). Ihre Lebensgrundlage ist der Boden, die Erde. Und genau darin stecken Mineralien, teilweise gelöst im Bodenwasser. Dieses nährende Nass können Pflanzen prima mit ihren Wurzeln aufschlürfen, quasi wie einen Powerdrink. Geklärt…
Aber was ist jetzt mit Erna? Ganz einfach, die Anzuchterde ist extrem arm an Nährsalzen, damit die zarten Würzelchen der Keimlinge keinen Schaden nehmen. Zu viele Nährsalze würden nämlich verhindern, dass die Pflänzchen Wasser aufnehmen (dazu später mehr im Kapitel „Wasserhaushalt“).
Anfangs war das unserer Erna auch mehr als recht, nur allmählich fehlten die Mineralstoffe bzw.
Nährsalze für fortschreitende Wachstum. Und wir haben ja nur gegossen, in diesem Wasser sind herzlich wenig solcher Bestandteile.
Und so kam es, wie es kommen musste: Als erstes entstand ein katastrophaler Mangel an Stickstoff.
Erna hatte alles verbraucht und eingebaut. Aufgrund akuter Unterversorgung mit Stickstoff aber konnte Erna kein weiteres Chlorophyll bilden, auch viele andere Wachstumsvorgänge kamen zum Erliegen. Erna wurde fahl und schwächelt jetzt.
Was tun? Richtig: düngen, Nährstoffe reichen. Aber bitte ausgewogen, von allen wichtigen Stoffen die erwünschte Menge. Nichts zu wenig – sonst stockt das Wachstum bald erneut – und nichts zu viel. Sonst wird Erna krank, durch Überfütterung.
Und wie geht das jetzt bei Karlchen, Philipp, Mareike und Gertrud? Den Pflanzen, die nicht von uns als Samen in einen Topf mit Anzuchterde gelegt werden, sondern ganz alleine in freier Natur sehen müssen, wie sie weiterkommen? Wer düngt denn die?
Warum ist es günstiger, Brennnesseln und Löwenzahn nachmittags statt sehr früh am Tag für die Küche zu sammeln?
• Stickstoffverbindungen werden von den Pflanzen in gelöster Form (Nitrat, Ammonium) mit dem Wasser aus dem Boden aufgenommen,
• über Wasserleitungen (Transpirationssog) in die Blätter transportiert,
• erst wenn die Sonne scheint, mit Hilfe von Energie aus der Photosynthese in Aminosäuren (Bausteine für Eiweiß) eingebaut
• über die Pipelines mit Zucker in alle Pflanzenteile verteilt
• an Ort und Stelle in Eiweißstoffe eingebaut
• Morgens – noch keine Photosynthese, viel Nitrat unverarbeitet in den Blättern
• Mittags – Photosynthese läuft, Energie steht zur Verfügung, Nitrat kann in Aminosäuren eingebaut werden
→ siehe auch:
https://www.quarks.de/umwelt/landwirtschaft/das-passiert-wenn-zu-viel-nitrat-in-die-umwelt- kommt/
Wieso sind manche Wiesen wahre Meere von Löwenzähnen, wo andere kaum gelbe Tupfen zeigen?
Warum wächst überall Löwenzahn? Weil er, wie Heinz Erhardt seinerzeit dichtete, bei gutem Wind seine Fallschirmtruppen massenhaft feindwärts ziehen lässt? Pusteblume! Seine invasive Kraft zieht der Löwenzahn aus dem Boden. Wo viele Kuhblumen stehen, gibt es Nährstoffe satt. Blühende Löwenzahnwiesen sind zwar ein sehr schönes Bild, aber arm an anderen Arten. Löwenzahn (Zeigerpflanze für Stickstoff, Nitrophyt) kommt mit einem Überangebot an Stickstoff, aufgebracht durch mineralischen Dünger oder Jauche, am besten klar. Mit seiner tiefreichenden Pfahlwurzel kann der Löwenzahn außerdem Stickstoff aus tieferen Bodenschichten aufnehmen, wo andere Pflanzen ihn nicht mehr erreichen. Viel Dünger gleich wenig Vielfalt.
Ein Lehrsatz der Ökologie: Die Pflanze, die einen Nährstoff an einem bestimmten Standort am effizientesten nutzen kann, hat einen Konkurrenzvorteil. Löwenzahn kann Stickstoffvorräte im Boden optimal nutzen und schnappt sie anderen Pflanzen auf der Wiese weg. Dadurch setzt er sich mehr und mehr durch.
Noch ein Lehrsatz der Ökologie: Pflanzenwachstum nimmt auf einer Wiese nach Düngung ganz generell zu, dadurch gelangt weniger Licht in die unteren Pflanzenschichten und in der Folge verschwinden diejenigen Arten, die die stärkere Beschattung nicht tolerieren können. Löwenzahn wächst sehr rasch und wirft mit großen Blattrosetten viel Schatten, lässt also anderen Pflanzen kaum Licht und Raum.
Schon gewusst? Wie der Wiesenkerbel (Anthriscus silvestris) und der Wiesenbärenklau (Heracleum sphondylium) ist auch der Löwenzahn ein sog. Güllezeiger. Wo diese Pflanzen gehäuft auftreten, weiß man schon vom Weitem, was passiert ist.