• Keine Ergebnisse gefunden

Gemeinsame Begeisterung für die Künste reicht nicht mehr aus

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Gemeinsame Begeisterung für die Künste reicht nicht mehr aus"

Copied!
17
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

THEA TER. WEL TEN 11 /2020 MENSCHEN Cultural Leadership

Prof. Dr. Birgit Mandel

Gemeinsame Begeisterung für die

Künste reicht nicht mehr aus

Veränderungen im Cultural Leadership

öffentlich geförderter Kulturorganisationen

durch neue Generationen von Führungs-

kräften

(2)

f. Dr. Birgit MandelGemeinsame Begeisterung für die Künste reicht nicht mehr aus

Was unterscheidet Ziele, Arbeitsweisen und Führungsstile von Leitungen öffentlich geförderter Kultureinrichtungen in Deutschland, die den jün- geren Generationen X und Y angehören von denen der älteren Genera- tionen der sog. Babyboomer und 68er? Verfolgt eine neue Generation von Führungskräften andere Ziele und Werte mit ihrer Arbeit und im Um- gang mit Mitarbeitenden?

Der Beitrag skizziert zentrale Ergebnisse einer qualitativen Befragung von Führungskräften in öffentlichen Kultureinrichtungen und leitet daraus Konsequenzen für ein zukunftsfähiges Cultural Leadership ab.

Die Befragung zeigt intergenerationelle Unterschiede in den Zielen und Ansprüchen an die eigene Einrichtung und den Umgang mit Mitarbei- tenden. Die jüngeren Generationen betonen nicht nur die Bedeutung einer ausgewogenen Work Life Balance, sondern äußern auch verstärkt Erwartungen an Partizipation, Diversität und nachhaltiges Handeln. Ver- festigte institutionellen Strukturen und Logiken werden generationen- übergreifend als Hemmnis für gelingende Transfomationsprozesse iden- tifiziert. Ein pro-aktiver Umgang mit veränderten Erwartungen jüngerer Generationen an die Arbeit in und von kulturellen Einrichtungen kann zum Motor für Innovationen werden.

Inhalt

1. Einführung 1

2. Ergebnisse einer Befragung von Führungskräften unterschiedlicher

Generationen in Kulturorganisationen 3

3. Zusammenfassende Thesen zum Wandel von Cultural

Leadership 10

4. Konsequenzen für Führung in Kulturorganisationen 12

5. Schlussbemerkung und Ausblick 12

Prof. Dr. Birgit Mandel

(3)

THEATER.WELTEN 11/2020 MENSCHEN Cultural Leadership

1. Einführung

Verfolgt eine neue Generation von Führungskräften – viele davon Absolvent*innen von Kul- turmanagement-Studiengängen – andere Ziele und Werte mit ihrer Arbeit und im Umgang mit Mitarbeitenden? Wie interpretieren sie jeweils Herausforderungen durch kulturpoliti- sche Ansprüche und gesellschaftliche Megatrends wie Digitalisierung, Migration, Internati- onalisierung, und welche Folgerungen ziehen sie daraus für ihre Arbeit?

Angehörige der sogenannten Generationen Golf und Y (Geburtsjahrgänge zwischen 1971 und 1985 sowie zwischen 1986 und 2000) nehmen zunehmend Leitungspositionen in Kul- turorganisationen ein. Oft lösen sie dabei Führungskräfte ab, die der sog. 68er-Genera- tion (Geburtsjahrgänge zwischen1940 und 1955) angehören. Der Großteil der derzeitigen Führungskräfte im Kultursektor stammt noch aus der sog. Babyboomer-Generationen (Ge- burtsjahrgänge zwischen 1956 und 1970) (Einteilung nach Hurrelmann/Albrecht 2016).

Generationen unterscheiden sich vor allem durch prägende gemeinsame Erfahrungen in ihrer Jugendphase (Hurrelmann/Albrecht 2014). Die dabei erworbenen Werthaltungen und Einstellungen zum Leben und zur Arbeit dürften sich auch darauf auswirken, wie Führungs- aufgaben und Ziele einer Organisation wahrgenommen werden. Wie unterscheidet sich das Führungsverhalten zwischen älteren und jüngeren Generationen von Führungskräften? Wie interpretieren sie die Herausforderungen an ihre Arbeit durch kulturpolitische Ansprüche und gesellschaftliche Megatrends wie Digitalisierung, Migration, Internationalisierung, und welche Folgerungen ziehen sie daraus?

Eine Befragung von Führungskräften unterschiedlicher Generationen in öffentlich geför- derten Kultureinrichtungen in den Bereichen Museum, Bildende Kunst, Theater, Orchester, Tanz, Literatur und Medien gibt darauf erste Antworten und skizziert Konsequenzen für die intergenerationelle Zusammenarbeit.

Cultural Leadership

Die Kulturmanagementforschung hat sich bislang wenig mit der Frage von (Personal-) Füh- rung in Kulturorganisationen befasst (u.a. Hausmann 2019, Klein 2009, Zierold 2017). Ein Grund könnte darin bestehen, dass im Kultursektor in der Regel von einer hohen Arbeits- motivation und identitätsstiftenden Kraft des Gegenstandes Kunst und Kultur ausgegan- gen wird, so dass eine strategische Beschäftigung mit dem Thema Führung hier weniger notwendig erschien. Ein weiterer Grund ist vermutlich der hohe Anteil öffentlich geförder- ter Kultureinrichtungen in Deutschland, der aufgrund einer nur geringen Marktabhängig- keit effektive Führung weniger überlebensnotwendig für eine Organisation machte.

Für die Reflexion von Führung in öffentlichen Kulturorganisationen bietet sich der aus dem Angelsächsischen entlehnte Begriff des „Cultural Leadership“ vor allem aus zwei Gründen an: Zum einen, weil er über Führungsstile/-kompetenzen und strategisches Management in arbeitsteiligen Kulturorganisationen hinaus auch Verantwortung für gesellschaftliche Ziele impliziert und auch die Mitwirkung in kulturpolitisch motivierten Cultural Governance Pro- zessen beinhalten kann (British Council 2014, Zierold 2017). Zum anderen wegen des beson- deren Gegenstandes: Kunst und Kultur, der es notwendig macht, manageriale Effektivität

(4)

TER.WELTEN 11/2020 MENSCHEN Cultural Leadership

mit den Erfordernissen künstlerisch-kreativen Schaffens und gesellschaftlichen Werten auszubalancieren (Schramme 2016: 48).

Die Generation Y auf dem Weg in die Führungspositionen

Hurrelmann und Albrecht identifizieren in qualitativen Befragungen der Generation Y als zentrale Merkmale „ihre pragmatische und zugleich sondierende Grundhaltung, die ihr den Namen Generation Why gegeben hat“ (Hurrelmann/Albrecht 2014: 30). Sie stellen als Fazit ihrer Untersuchung die These auf, dass durch diese Generation starke Veränderungen im Arbeitsleben und der Gesellschaft insgesamt ausgelöst würden: „Sie sind heimliche Revo- lutionäre, denen man ihr Umstürzlertum nicht ansieht. Auf leisen Sohlen, scheinbar ange- passt und still sondierend und taktierend, sanft und unbemerkt mischen sie Bildung und Beruf auf, krempeln das Familienleben um, unterwandern Politik und Gemeinschaftsleben, setzen neue Maßstäbe in Medien und Freizeit, Konsum und Wirtschaft, sorgen für ihre Zu- kunft vor und demonstrieren, wie man das alles schaffen kann, ohne ständig vom Burnout bedroht zu sein […].“ (Hurrelmann/Albrecht 2014: 43).

Beeinflusst sei die Generation Y in ihren Einstellungen durch Themen die in ihrer prägen- den Jugendphase allgegenwärtig waren bzw. sind wie v.a. Digitalisierung, Agieren in sozi- alen Netzwerken, Globalisierung, Migration, religiöser Terrorismus, den Banken-Clash und dadurch ausgelöste Zweifel an der Wachstumslogik, Erkenntnisse zum Klimawandel (Man- gelsdorf 2014; Hurrelmann/Albrecht 2014). Als Charakteristika der Generation Y werden in anderen Studien u.a. genannt „ihr hohes Ausbildungsniveau, hohes Maß an Flexibilität und Mobilität, geringe Machtdistanz, starkes Selbstbewusstsein, hohe Freiheitsorientierung, starke Skepsis, globales Denken“ (Schulenburg 2016:10).

Eine Befragung der Generation Y zu den von ihnen präferierten Arbeitsbedingungen zeigt, dass sie sich neben der Vereinbarkeit von Familie und Beruf eine abwechslungsreiche Tä- tigkeit wünschen und vor allem eine „freundschaftliche Arbeitsatmosphäre“. Generation Y arbeite am liebsten im Team mit flachen Hierarchien. Die Autor*innen konstatieren einen Wertewandel und betonen, dass Generation Y „nicht mehr bereit ist, den Inhalt der Arbeit über das eigene Wohlbefinden zu stellen“ (Frohne/Günter,/Weyermanns 2018, S. 55).

Angehörige der Generation Y sind nicht nur Mitarbeitende, sondern über- nehmen zunehmend auch Führungspositionen in Kulturorganisationen.

Inwiefern unterscheiden sie sich dabei in ihren Einstellungen und Ansprüchen von älteren Führungskräften? Welchen Einfluss haben neben der Generationenzugehörigkeit andere Faktoren wie die Unternehmens- bzw. Institutions-Kultur, globale Trends, aktuelle kultur- politische Herausforderungen, Ausbildungshintergrund oder Geschlecht auf Führungsstile, Missionen und Strategien von Führungskräften in öffentlichen Kulturinstitutionen?

Hierzu wurden in Leitfadeninterviews 41 Führungskräfte öffentlich geförderter Kulturein- richtungen befragt, die jeweils etwa zur Hälfte den jüngeren und zur Hälfte den älteren Generationen angehören.

(5)

THEATER.WELTEN 11/2020 MENSCHEN Cultural Leadership

2. Ergebnisse einer Befragung von Führungskräften unterschiedlicher Generationen in Kulturorganisationen

Ausbildungshintergrund: Mehr Quereinsteiger*innen bei den älteren Generationen

Die befragten Führungskräfte der älteren Generationen sind häufiger Quereinsteiger*innen im Kulturmanagement und häufig auch in Bezug auf die Kunstsparte, wohingegen jüngere Führungskräfte oft sowohl eine auf Kulturmanagement bezogene Ausbildung wie auch ein spezifisch auf die Kunstsparte bezogenes Studium absolviert haben.

Einstellungen zum Kulturmanagement: Betonung eines kunst- und kulturadäquaten Managements

Kaum generationenbezogene Unterschiede gibt es in den Einstellungen gegenüber Kultur- management, das als selbstverständlicher Bestandteil der eigenen Arbeit als Führungs- kraft begriffen wird und auch vor dem Hintergrund eines entsprechenden Studiums vor allem „on the job“ erlernt würde ohne, dass man sich selbst als „Kulturmanager*in“ be- zeichnet. Die überwiegende Mehrheit vor allem der jüngeren Befragten, identifiziert sich in ihrer Tätigkeit jedoch auch als Kulturmanager*in.

„Wenn man mich fragt was ich mache, bin ich nicht Kulturmanagerin, sondern Museums- leiterin. Eine der Kompetenzen, die ich für diesen Job brauche, ist eine Kulturmanagement- kompetenz. [...] Diese ist immer ein wichtiger Teil meiner Tätigkeit, aber es geht für mich nicht darin auf.“ (jung)

Auf die Frage nach der Bedeutung von Kulturmanagement für die eigene Arbeit wird von vielen auch der jüngeren Befragten eine Ambivalenz bezüglich des Begriffs Kulturmanage- ment geäußert und vor allem von Vertreter*innen der älteren Generationen betont, dass sich dieses deutlich vom Wirtschaftsmanagement unterscheiden müsse, indem es die

„menschliche Dimension“ betone und die künstlerischen Inhalte in den Mittelpunkt stelle.

Instrumente des Kulturmanagements seien notwendig, müssten aber immer an die beson- deren kulturellen und sozialen Gegebenheiten und den besonderen Gegenstand angepasst werden.

„Wichtig ist, dass man beim Managen den Menschen in den Mittelpunkt stellt.“ (alt)

„Ich bin Kulturmanager, in dem Sinne, dass ich dieses Haus auch als eine Managementauf- gabe verstehe. Aber letztlich entscheidend ist immer der Inhalt. Die Relevanz eines solchen Hauses entscheidet sich an der Qualität der Inhalte.“ (alt)

Sowohl Vertreter*innen der älteren wie der jüngeren Generationen nutzen externe Bera- tung für bestimmte Kulturmanagement-Herausforderungen. Dabei werden folgende Aspek- te von den Älteren öfter genannt: Audience Development, Finanzen und Sponsoring sowie juristische Beratung. Die Jüngeren wiederum nennen häufiger: Strategien im Bereich Su- pervision, Evaluation, Change Management.

(6)

TER.WELTEN 11/2020 MENSCHEN Cultural Leadership

Zentrale Aufgaben als Führungskraft

Generationenunabhängig werden als zentrale Führungsaufgaben definiert:

ʘ Strategische Planung,

ʘ programmatische Ausrichtung,

ʘ Sicherung von Kontinuität und künstlerischer Qualität, ʘ operative Steuerung

ʘ und Aktivierung menschlicher Ressourcen.

Inhaltlicher Entscheidungsspielraum von Führungspersonen in öffentlichen Kultureinrichtungen wird generationsunabhängig als hoch eingeschätzt

Grundsätzlich wird der eigene Entscheidungsspielraum in Bezug auf Programme und Pro- grammatik von den jungen wie den älteren Führungskräften als sehr hoch bewertet, so lan- ge es gelinge, finanziell auskömmlich zu wirtschaften mit den vorhandenen (öffentlichen) Mitteln. Vor allem Vertreter*innen der älteren Generationen betonen die Bedeutung hoher Auslastungszahlen für ihre Akzeptanz und ihren Freiraum als Leitung.

„So lange wir am Ende eine schwarze Null schreiben, haben wir große Freiheit.“ (alt)

„Ich kann fast alles so machen, wie ich das haben will, da ich ein Intendant bin. Niemand ist über mir. Ich kann meine Entscheidungen treffen. Natürlich gibt es ein Grundnetz und natürlich gibt es Regeln, aber im Großen und Ganzen kann ich das so machen, wie ich das machen will. Das war mit ein Grund, warum ich wieder nach Deutschland gekommen bin.

Ich bin mein eigener Boss.“ (alt)

Vertreter*innen jüngerer Generationen deuten an, dass sie klare kulturpolitische Signale in Bezug auf bestimmte Veränderungsstrategien vermissen.

„Im Grunde habe ich relativ viel Entscheidungsspielraum. Der, den ich vorgegeben bekom- me, ist diffus.“ (jung)

Kommunikativer Chef versus Moderator*in: Generationenspezifische Unterschiede im Führungsverhalten

Ältere Führungskräfte plädieren für eine kommunikative und transparente Führung, aber betonen ihre Richtlinienkompetenz und ihren Entscheidungsvorbehalt:

„Am Ende muss ich die Entscheidung treffen und dafür die Verantwortung übernehmen.“

(alt)

Die jüngeren Generationen möchten eher flache Hierarchien und stärkere Partizipation der Mitarbeitenden und begreifen sich zum Teil eher in der Moderationsrolle.

„Ich sehe mich gar nicht unbedingt als Chef, sondern eher als Moderatorin, die unterschied- liche Interessen produktiv zusammenbringt.” (jung)

(7)

THEATER.WELTEN 11/2020 MENSCHEN Cultural Leadership

Es wird mehrfach danach gefragt, inwieweit sie ihren persönlichen Führungsstil im Ver- lauf ihrer Tätigkeit verändert haben und generationenunabhängig wurde geantwortet, dass Veränderungen aufgrund von schlechten Erfahrungen mit zu vielen Freiheiten für Teammit- glieder oder durch eine Vergrößerung des Teams erfolgten. Ein weiterer genannter Grund ist die zunehmende persönliche Souveränität.

Von einigen wird hervorgehoben, dass die Art der Führung keineswegs nur von ihren per- sönlichen Vorstellungen abhänge, sondern auch von den Mitarbeitenden, bei denen es sehr unterschiedliche Ansprüche an Führung gäbe.

„Ein libertärer Führungsstil setzt voraus, dass alle Beteiligten auch der Verantwortung, die ihnen damit zukommt, mitreden und mit entscheiden zu können, gewachsen sind.“ (alt) Einige benennen auch veränderte Erwartungen jüngerer Mitarbeiter*innen, die sich ten- denziell mehr Verantwortung und Selbstbestimmung wünschen, während ältere häufig kla- re Vorgaben verlangen.

Auf die Frage nach ihren Vorbildern für gute Führung werden insgesamt weniger prominen- te Idole genannt als vielmehr persönliche Vorbilder aus Kolleg*innen- und Bekanntenkreis, die auf eigenen Erfahrungen basieren und vor allem menschliche Werte fokussieren.

Vertreter*innen der jüngeren Generationen erinnern sich vor allem an negative Vorbilder von Führungspersonen, von denen sie sich deutlich abgrenzen wollen. Sie gehen mehrheit- lich davon aus, dass sich bestimmte hierarchische Führungsstile durch junge Führungs- kräfte verändern lassen.

„Ich glaube schon, dass es einen Generationenwandel gibt und sich dann diese Theater- landschaft auch verändert. Das Regime der - darf ich das sagen ohne zu sehr zu genera- lisieren?- der alten weißen Männer, die eher restriktiv führen und glauben, dass sie die Alleinherrscher sind und ihr Wort gesetzt ist, wird verändert durch junge Menschen.“ (jung) Dabei betonen einige der jüngeren Befragten die Notwendigkeit einer kollektiven Zusam- menarbeit, um die vielfältigen Herausforderungen bewältigen zu können.

„Ich kann kein Top-Down-Management machen, sondern ich muss offen sein, kommuni- zieren, Vertrauen aufbauen, und kooperativ führen, indem ich eine Allianz aus Überzeugten bilde. [...] Man muss klar machen, dass man den Einzelnen aus der Reserve locken muss, damit alle insgesamt stärker werden und dadurch profitieren, dass jeder sich mit seiner Kompetenz und mit seiner Erfahrung einbringt.“ (jung)

Als wesentliche Einflussfaktoren auf Führung werden gleichrangig Generationenzugehörigkeit und institutionelle Logiken sowie Größe der Institution genannt; als weniger stark wird der Ausbildungshintergrund angesehen, viel mehr seien die Berufserfahrungen entscheidend für Führungsstil und Führungskompetenz

Jüngere wie ältere Befragte werten die Generationenzugehörigkeit als wichtigen Faktor für das Führungsverhalten. Die ältere Generation beschreibt die jüngere sehr ausführlich: als flexibler, kommunikativer, dialogorientierter, als „Generation Praktikum“, „Generation Pro- jekt“ und auch als „nicht mehr bedingungslos leistungsbereit“ sowie als „chaotischer“.

„Jüngere Kollegen tun sich überhaupt nicht schwer damit, bereits im Vorstellungsgespräch zu fragen, wie es mit Teilzeit aussieht, wie wir zu Telearbeit stehen, welche Möglichkeiten wir von Betriebssport oder was auch immer wir zur Verfügung stellen. Während zu meiner

(8)

TER.WELTEN 11/2020 MENSCHEN Cultural Leadership

Zeit - ich bin ja noch ein typischer Babyboomer, wir froh waren überhaupt irgendwo unter- zukommen - wir sind eigentlich immer nur angetreten und haben gesagt, also ich bin be- dingungslos leistungsbereit, wenn ich nur überhaupt erst mal bei Ihnen anfangen darf. Das ist schon eine Veränderung der Welten, die manchmal auch zu Konflikten führt innerhalb der Abteilung.“ (alt)

Befragte der jüngeren Generationen beschreiben sich selbst im Vergleich zur älteren Ge- neration als „aktiver und mutiger“ und auf eine ausgewogene Work-Life-Balance achtend.

„Dass Arbeit auch endlich mal wieder als Mittel zum Zweck gesehen werden darf und nicht unbedingt als 100 Prozent Lebensinhalt. Sondern, dass auch viele einfach sagen: „Wir gehen auf Teilzeit und zwar beide in einer Partnerschaft“. Oder einfach zu sagen, es ist schön und gut, wenn es passt mit dem Job und es ist toll, wenn es 100 Prozent passt, aber es ist nicht der einzige Lebensinhalt. Sondern Arbeit ist auch der Ort, wo ich das Geld verdiene für den Rest der Zeit. Ich glaube, das ist unsere Generation, die darauf mehr Wert legt.“ (jung) Obwohl Überstunden von allen als selbstverständlich angesehen werden im Kultursektor betonen die jüngeren, dass es dafür auch Zeitausgleich, flexible Arbeitszeiten und Home Office geben müsse.

“Da kann ich nur für unser Theater sprechen, dass sich da viel getan hat und dass wir jetzt zum Beispiel einer Kollegin, die ein sehr konkretes Modell nachgefragt hat mit einer Kombi- nation aus Home-Office und vor Ort arbeiten und auch noch Teilzeit, nachgekommen sind, weil wir die Kollegin eben gerne halten wollten.” (jung)

Überforderung der Mitarbeitenden durch zunehmende Anforderungen wird als Problem v.a. von Führungskräften der jüngeren Generationen genannt

Befragt nach den potentiellen Konfliktherden im Team werden v.a. die hohe Arbeitsbelas- tung, Kommunikations- und Informationslücken, finanzieller Druck und Konkurrenzdenken innerhalb der Teams genannt.

Obwohl auch Vertreter*innen der jungen Generationen überzeugt sind vom hohen Sinnstif- tungspotential ihres Gegenstands, deuten sie an, dass dies alleine nicht mehr ausreiche, sondern es auch guter Arbeitsbedingungen im Sinne einer partizipativen Atmosphäre und ausgewogenen Work-Life-Balance bedürfe.

Ein weiterer beschriebener Konflikt ist die langfristige Belegung von Führungspositionen durch die ältere Generation, die keinen Platz ließe für die jüngere.

„Und die kleben an ihrem Stuhl und wollen gar nicht in Rente gehen.“ (jung)

„Überall sitzen die Alten, haben die dicken guten Verträge, die super Absicherung. Und für junge Leute ist es wahnsinnig schwer überhaupt reinzukommen.“ (jung)

Zugleich vermuten die Jüngeren, dass sich mit dem Generationenwechsel in der Führung von Organisationen Veränderungen nicht nur in der Arbeitsgestaltung, sondern auch in der inhaltlichen Ausrichtung entwickeln würden.

„Für meine Institution sehe ich es als eine große Herausforderung tatsächlich einen Gene- rationenwechsel zu gestalten zwischen älteren Mitarbeitern, die in naher Zukunft aufhören und jüngeren, die noch gefunden werden müssen. Auch tatsächlich diesen Diversitätsan- spruch umzusetzen und andere Menschen in Führungs- und Gestaltungspositionen reinzu-

(9)

THEATER.WELTEN 11/2020 MENSCHEN Cultural Leadership

Einfluss von Geschlecht wird eher von weiblichen Führungskräften wahrgenommen

Während vor allem die männlichen Befragten der Ansicht sind, dass es kaum Unterschiede mache, ob eine Frau oder ein Mann eine Einrichtung führe, sehen weibliche Führungskräfte Frauen tendenziell als weniger macht- und statusorientiert und häufiger als kommunika- tiver und teamorientierter. Mit mehr Frauen in Führungspositionen würde es zu spürbaren Veränderungen von Führung kommen.

„Man merkt einfach, dass da die Führungsstile sozialer sind - das sind keine Vorurteile - so- wie dialogorientierter.“ (jung)

Institutionelle Strukturen werden als Begrenzung der persönlichen

Gestaltungsfreiheit empfunden: Change Management Prozesse in öffentlichen Institutionen sind besonders schwer durchsetzbar

Obwohl ein Großteil der Befragten grundsätzlich einen großen Freiraum von kulturpoliti- schen Auflagen für die eigene Einrichtung sieht, würden der Führungs- und Gestaltungs- spielraum durch finanzielle Begrenzungen und auch durch gewachsene Strukturen und eine unflexible Mitarbeiterschaft eingeschränkt.

Einig sind sich die Generationen darin, dass in öffentlich geförderten Einrichtungen Ver- änderungen besonders langsam vorangehen aufgrund von Verwaltungshürden, Bürokratie und tradierten institutionellen Logiken. Die Umsetzung ganzheitlicher Konzepte v.a. in gro- ßen Häusern mit langer Tradition sei mit großem Aufwand verbunden.

„Wir spüren ein hohes Maß an Überbürokratisierung in Bezug auf unterschiedliche The- men wie etwa EU-Ausschreibungsrecht, Datenschutz, Datenhoheit, Brandschutz, aber auch Gendermainstreaming, Gesundheitssicherung, Behindertengerechtigkeit, - das alles sind sehr gute und vernünftige Ansätze, nur sie verlangen enormen Aufwand in ihrer rechtlich einwandfreien Umsetzung. [...] Damit sind wir sehr lange beschäftigt, ohne dass man von außen als Kunde irgendeine Veränderung in den Programmen sieht Es ist einfach so, dass im Verlauf der letzten 20 Jahre sehr viel stark überreguliert wurde.“ (alt)

„Man würde gerne seine eigenen (institutionellen) Logiken kreieren. Man möchte eigentlich ein freies Klima gestalten, aber das ist schwer in einer großen Institution.“ (jung)

Zentrale zukünftige Ziele: Vertreter*innen der jüngeren Generationen sehen sich stärker in der Verpflichtung auf den gesellschaftlichen Wandel proaktiv zu reagieren

Gefragt nach den zentralen Zielen der von ihnen geleiteten Kultureinrichtungen überwie- gen die Gemeinsamkeiten zwischen den Generationen. So nennt ein Großteil der Befragten die Ermöglichung und Vermittlung von Kunst, die Förderung von Künstler*innen, Ansprache eines möglichst breiten Publikums und Ermöglichung kultureller Bildung. Generationenun- abhängig betonen die Befragten die Herausforderung durch strategisches Handeln Finan- zierung und Erhalt ihrer Einrichtung langfristig zu sichern.

Während ältere Generationen jedoch stärker die „Wahrung eines hohen künstlerischen Niveaus“ und die „Generierung von Besucher*innen“ als Herausforderung benennen, sprechen jüngere Generationen selbstkritischer davon, die eigene Organisation zu hin- terfragen und neu auszurichten angesichts veränderter gesellschaftlicher Interessen. Vor- wiegend Vertreter*innen der jüngeren Generationen weisen darauf hin, dass es auch um

(10)

TER.WELTEN 11/2020 MENSCHEN Cultural Leadership

die Zukunftsfähigkeit der Einrichtung in Bezug auf die Relevanz für nachfolgende Generati- onen gehe und dass damit große Veränderungsprozesse verbunden seien.

„Verändern und zukunftsfähig machen ist bei uns ein fortlaufender Prozess.“ (jung)

Vertreter*innen der älteren Generationen verweisen auf die Bedeutung der 68er-Jahre als einen gesellschaftlichen Umbruch im Sinne einer Demokra- tisierung, in dessen Folge sich Ziele und Umgangsweisen im gesellschaft- lichen Leben und auch im Kulturbetrieb bereits stark verändert hätten.

Deutlich wird, dass bei den älteren Generationen die Sicherung einer hohen künstlerischen Qualität und Freiheit als Ziel im Vordergrund steht, während die jüngeren soziale und ge- sellschaftspolitische Ziele ihrer Arbeit als gleichrangig begreifen und damit auch die Krite- rien für den Erfolg breiter definieren.

Generationenunabhängig wird die Überalterung des Kulturpublikums und das mangelnde Interesse nachwachsender Generationen an Angeboten der öffentlich geförderten Kultur- einrichtungen als Problem begriffen. Vertreter*innen älterer Generationen kritisieren v.a.

verändertes Freizeitverhalten mit weniger Freiraum für außerschulische künstlerische Inte- ressen, mangelnde Enkulturation durch die Schulen sowie eine Tendenz zur Eventisierung des Kulturlebens. Vertreter*innen jüngerer Generationen benennen eher die mangelnde Relevanz vieler Kulturangebote für nachfolgende Generationen und schauen selbstkriti- scher auf das Angebot der eigenen Einrichtung.

„Die Idee ist, nicht nur mit Marketing zu verändern, sondern auch die Kunst dahin zu verän- dern, dass sich dann andere darin wieder finden können und Interesse dafür haben, weil es eben nicht die klassische deutsche Kultur ist, sondern Kultur eben nochmal anders verstan- den wird, die auch die Grenze zur E-Kultur deutlich überschreiten kann.“ (jung)

Höherer Anspruch jüngerer Generationen an Relevanz und gesellschaftspolitisches Engagement ihrer Einrichtungen

Ältere wie jüngere Generationen sehen die Notwendigkeit Programme und Publikum ih- res Hauses aufgrund neuer gesellschaftlicher Herausforderungen und demografischen Wandels zu verändern. Jedoch betonen die jüngeren Führungskräfte dabei noch öfter die gesellschaftliche Verantwortung von Kultureinrichtungen und artikulieren den Anspruch, proaktiv vorzugehen. Auch betrachten sie ihre eigene Einrichtung deutlich selbstkritischer.

„Ich möchte bei allem was wir machen immer zeigen, welchen Bezug das zur Gegenwart und zur Lebenswelt der Menschen hat.“ (jung)

„Gesellschaftliche Veränderungen wirken sich auf unsere künstlerische Ausrichtung aus.

Das heißt, alle Themen, die die Gesellschaft betreffen, wollen wir gerne auf der Bühne ha- ben und dementsprechend verändern wir auch kurzfristig unseren Spielplan und unsere Thematiken und auch die Tiefe, mit der wir sie behandeln.“ (jung)

Zunahme an unterschiedlichen Erwartungen und Ansprüchen an öffentliche Kultureinrichtungen

Führungskräften in öffentlich geförderten Kulturorganisationen müsse der Spagat zwi- schen zunehmenden und zum Teil sehr unterschiedlichen Erwartungshaltungen an ihre Arbeit gelingen. Dabei müssten sie die verschiedenen Ansprüche zwischen den Polen „Kul- tur-für-Alle“ und „Avantgarde-Kunst für wenige“ und divergierenden Vorstellungen von Pu-

(11)

THEATER.WELTEN 11/2020 MENSCHEN Cultural Leadership

„Es ist ein ständiger Aushandlungsprozess zwischen den Polen Kultur-für-Alle und „Avant- garde-Kunst für wenige“ zu changieren [...] und dabei eine Öffnung in viele unterschiedliche Richtungen zu vollziehen wie Soziokultur, Kultur für Geflüchtete, für Kinder usw.“ (jung)

Digitalisierung wird als Notwendigkeit für Kommunikation und Präsentation begriffen, von einigen auch als Chance für die künstlerische Produktion

Einig sind sich die Generationen über den hohen Einfluss digitaler Medien, auf den sie in ihrer Öffentlichkeitsarbeit wie auch in ihren Programmen reagieren müssen, was mit deut- lich erhöhtem Aufwand verbunden sei.

Einige sowohl der jüngeren wie der älteren Befragten bedauern, dass digitale Medien noch zu wenig in künstlerische Produktion und Präsentation einbezogen sind.

„Ich bin bei der Digitalisierung immer ungeduldig und habe das Gefühl, da passiert zu we- nig, nicht nur bei uns im Haus. Es bewegt sich was im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit und des Marketings und sonst fließt relativ wenig in den künstlerischen Bereich ein, das finde ich sehr schade.“(alt)

Gleichzeitig wird aber sowohl von Angehörigen der älteren wie der jüngeren Generationen betont, dass es bei Live-Produktionen auch Freiraum von digitalen Medien geben müsse.

„Es ist ja das Schöne, dass das Theater eben nicht so digital ist und die Leute ja noch wei- terhin ins Theater gehen, um ihr ganzes digitales Leben so lange mal digital sein zu lassen.“

(jung)

Anspruch an Inklusion und Diversität in der jüngeren Generation stärker ausgeprägt

Vertreter*innen der jüngeren Generationen formulieren stärker den Anspruch, viele der unterschiedlichen Themen abbilden zu wollen, die aktuell gesellschaftlich relevant seien und benennen öfter dezidiert das Ziel einer höheren Zugänglichkeit und Diversität ihrer Einrichtung.

Ein stärker internationales Publikum wird in den Einrichtungen v.a. durch Mehrsprachigkeit und spezifische Adressierung von Migrant*innen bedacht.

Ihre Mitarbeiterschaft v.a. in Bezug auf Herkunft wird mehrheitlich als aktuell wenig divers eingeschätzt.

„Wir haben einfach keine oder nur an sehr unwesentlich beteiligten Positionen „People of Colour“ oder Menschen mit Einschränkungen. [...] Wir setzen uns aber mit der Notwendigkeit Menschen mit anderen kulturellen und ethnischen Hintergründen einzustellen auseinander und wollen das auch in absehbare Zukunft umsetzen, aber es ist bisher noch ein Vorsatz.“

(jung)

Häufiger äußern Vertreter*innen jüngerer Generationen einen Wandel in der Personalpoli- tik als Teil der Organisationskultur einleiten zu wollen.

„Für meine Institution sehe ich es als eine große Herausforderung tatsächlich einen Genera- tionenwechsel zu gestalten zwischen älteren Mitarbeitern, die in naher Zukunft aufhören und jüngeren, die noch gefunden werden müssen. Auch tatsächlich diesen Diversitätsanspruch

(12)

TER.WELTEN 11/2020 MENSCHEN Cultural Leadership

umzusetzen und andere Menschen in Führungs- und Gestaltungspositionen reinzuholen, die wir bisher im Kulturbereich noch kaum in diesen Positionen haben.“ (jung)

„Wie schafft man es, auch intern zu kommunizieren, dass da ein Wandel stattfindet, den man aktiv und nicht nur hinterherlaufend gestalten sollte.“ (jung)

Insgesamt plädieren die befragten Führungskräfte für eine kooperative Führung. Allerdings benennen viele der Befragten junger wie alter Generationen, dass bestimmte Hierarchien oft durch institutionelle Strukturen sowie die Erwartungen von Mitarbeitenden vorgegeben seien und dadurch auch Einfluss auf das Führungsverhalten nehmen.

Zugleich wird deutlich, dass sich die Führungsstile der Generationen unterscheiden: die Äl- teren bevorzugen einen kommunikativen, entscheidungsstarken Stil während die Jüngeren eher für flache Hierarchien und stärkere Partizipation plädieren. Auch fällt auf, dass Vertre- ter*innen der jungen Generationen stärker den Anspruch haben, bestehende institutionel- le Logiken und Ordnungen zu durchbrechen, flexiblere Arbeitsstrukturen zu ermöglichen und trotz hoher Sinnhaftigkeit der künstlerisch-kulturellen Arbeit Raum schaffen zu wollen für ein Leben jenseits der Arbeit. Dies wird durch die wahrgenommene zunehmende hohe Arbeitsbelastung mit zunehmenden, vielfältigen Ansprüchen von außen an die Organisa- tion verstärkt. Selbstreflexives Hinterfragen der eigenen Rolle und daraus resultierende Flexibilität und Kommunikativität werden als Führungshaltung von den jüngeren Genera- tionen betont.

3. Zusammenfassende Thesen zum Wandel von Cultural Leadership

1. Jüngere Führungskräfte hinterfragen den Status Quo ihrer Einrichtungen selbstkritischer vor dem Hintergrund globaler Herausforderungen Ältere wie jüngere Generationen von Führungskräften identifizieren gesellschaftliche Megatrends wie Globalisierung, Migration und Digitalisierung als Herausforderungen für ihre Einrichtungen. Die jüngeren Generationen leiten daraus jedoch stärker die Not- wendigkeit ab, durch programmatische und strukturelle Veränderung ihrer Einrichtung proaktiv zur Lösung gesellschaftlicher Probleme beizutragen. Für Vertreter*innen der älteren Führungskräftegenerationen bleibt das zentrale Ziel ihrer Arbeit stärker auf die Sicherung künstlerisch-kultureller Qualität sowie eine solide Finanzierung ihrer Einrich- tung konzentriert.

(13)

THEATER.WELTEN 11/2020 MENSCHEN Cultural Leadership

2. Cultural Leadership ist in öffentlichen Kultureinrichtungen v.a. durch ins- titutionelle Strukturen und Normen geprägt, - auch wenn neue Generationen stärker auf Veränderung zielen, scheitern sie oft an gewachsenen Strukturen Überbürokratisierung, gewachsene Strukturen, teilweise innovationsskeptische Mitar- beitende sowie institutionalisierte Normen und Erwartungen zentraler Anspruchsgrup- pen werden generationsübergreifend als Hemmnis für Veränderungen in Programma- tik, Formaten, Arbeitsstrukturen und Personal wahrgenommen trotz potentiell großer Entscheidungsspielräume der Führungskräfte.

3. Zunehmende gesellschaftliche Ansprüche an Inklusion, Diversität und institutionelles Change Management öffentlicher Kultureinrichtungen ohne gleichzeitige klare kulturpolitische Vorgaben schränken Veränderungspoten-

tiale ein Während Führungskräfte sich früher auf ihre künstlerisch-inhaltliche Programmgestal- tung und Vermittlung konzentrieren konnten, sehen sie sich nun unter zusätzlichem Druck zu Problemlösungen etwa im Bereich Bildung oder Integration beitragen zu müssen. Die unterschiedlichen Erwartungen verschiedener Stakeholder führen zu einer Überforderung oder subjektiven Priorisierung auf Seiten der Führungskräfte, wenn Kul- turpolitik keine klare Prioritätensetzung erkennen lässt und Unterstützung für Verän- derungen bietet.

4. Shared Leadership und stärker partizipative Führung als Antwort auf zunehmende Komplexität von Aufgaben und Ansprüchen an öffentliche Kultureinrichtungen Während ältere Führungskräfte sich eher als alleinverantwortliche Führungsfigur mit klarer Richtlinienkompetenz begreifen, sehen jüngere die Notwendigkeit, mit einem partizipativen Führungsstil, mit Aufgabenteilung und gemeinsamen Entscheidungen auf eine wachsende Komplexität der Führungsaufgaben wie auf Ansprüche neuer Ge- nerationen von Mitarbeitenden nach Mitbestimmung zu reagieren. Sie betonen aber zugleich die Schwierigkeit, alle mitzunehmen in Prozessen des „Shared Leadership“.

5. Intrinsische Motivation und Begeisterung für die Künste auch im Kultursek- tor nicht mehr ausreichend aufgrund veränderter Ansprüche neuer Generatio- nen an Arbeits- und Lebensgestaltung Die scheinbar selbstverständlich gegebene sinnstiftende Mission in einem Sektor, der meritorische, künstlerisch-kulturelle Güter pflegt und hervorbringt ist bei jüngeren Generationen von Mitarbeitenden nicht mehr ausreichend für ihre Arbeitsmotivation.

Sie erwarten zugleich ein angenehmes Arbeitsumfeld mit Mitbestimmungsmöglichkei- ten sowie ausreichend Zeit für ein Leben außerhalb der Arbeit. Dies wird von jüngeren Führungskräften eher berücksichtigt. Die selbstkritische Auseinandersetzung mit neu- en Leadership-Konzepten ist auch im Kultursektor notwendig geworden im Umgang mit einer Generation, die sich aufgrund der demografischen Veränderungen ihren Arbeits- platz auch in Kulturorganisationen zunehmend aussuchen kann.

(14)

TER.WELTEN 11/2020 MENSCHEN Cultural Leadership

4. Konsequenzen für Führung in Kulturorganisationen

Konflikte zwischen den noch einige Jahre aktiven Mitarbeitenden der Generation Baby- boomer und denen der Generation Y sind unausweichlich. Hier prallen unterschiedliche Einstellungen zu Arbeit und Leben aufeinander, da sehr unterschiedliche gesellschaftli- che und berufliche Rahmenbedingungen in der Jugendphase gemacht wurden. Notwendig ist die proaktive Reflexion dieser Konflikte und die gemeinsame Erarbeitung von Kompro- miss-Lösungen.

Gerade wenn nicht mehr von einer bedingungslosen Begeisterung und Einsatz für die in- haltlichen Gegenstände ausgegangen werden kann, braucht es eine Stärkung der Eigenver- antwortlichkeit aller Mitarbeitenden. Die Führung muss Mitarbeitenden die Freiheit ermög- lichen, eigene Projekte zu entwickeln und bis zum Schluss verantwortlich durchzuführen, um die intrinsische Motivation zu stärken.

Agilität in wechselnden Teams und Projekten statt traditioneller Hierarchien in Abteilungen können dazu beitragen, dass Mitarbeitende sich mit neuen Aufgaben identifizieren, eige- ne Ideen einbringen und umsetzen und ihre Arbeit abwechslungsreich gestalten. Durch die mindestens temporäre Auflösung traditioneller Arbeitsstrukturen können zudem neue Perspektiven und Innovation für die Organisation entwickelt werden.

Die Selbstausbeutungsmentalität von Kulturschaffenden ist offensichtlich mit Generation Y deutlich zurück gegangen. Das bedeutet für Führungskräfte, dass sie sich in der Konkur- renz um fähige Mitarbeitende für ihre Organisation um gute Arbeitsbedingungen bemühen müssen. Dazu gehört es z. B. entgegen einer traditionellen Wachstumslogik, ihr Angebots- und Aufgabenspektrum auf einem gut zu bewältigenden Niveau zu halten und sehr genau wahrzunehmen, wenn es zu Überforderung bei Einzelnen oder im Team kommt.

Strukturen in der Arbeitsorganisation müssen verändert werden.Wenn es jüngeren Gene- rationen wichtiger ist mehr frei verfügbare Zeit zu haben, müssen Stellenreduktion, Ho- meoffice Tage und individuelle Einteilung von Arbeitszeiten selbstverständlich sein ohne die Verbindlichkeit in der Zusammenarbeit zu schmälern. Dafür müssen mit allen Beteilig- ten neue Modelle der Teamarbeit und der Kommunikation entwickelt werden, die auf Ver- lässlichkeit, klaren Absprachen und wechselseitigem Vertrauen basieren.

5. Schlussbemerkungen und Ausblick

Kaum verwunderlich ist es, dass eine jüngere Generation, die mit digitalen Kul- turen von sozialen Netzwerken, Prosuming, Feedback und Gamification auf- gewachsen ist, den tendenziell besonders hierarchischen und bürokratischen Führungsstrukturen öffentlicher Kulturbetriebe partizipativere und flexiblere Führungs-

(15)

THEATER.WELTEN 11/2020 MENSCHEN Cultural Leadership

Teams stärker reflektieren und genau wissen, wie sie nicht leiten wollen, sowie Struktu- ren und Programme ihrer Einrichtung selbstkritisch beschreiben und sich auch in ihrer beruflichen Tätigkeit für einen größeren globalen Zusammenhang verantwortlich fühlen.

Zugleich benennen die jüngeren Führungskräfte, dass sie daran scheitern verfestigte Strukturen in ihren Einrichtungen aufzubrechen.

Die Transformation der öffentlich geförderten Kultureinrichtungen in Deutschland ist eine zentrale Führungsaufgabe, wenn die weltweit einzigartige dichte kulturelle Infrastruktur auch in Zukunft bestehen und Legitimität in einer zunehmend pluaralisierten und indivi- dualisierten Gesellschaft behalten soll.

Die wahrgenommene Zunahme unterschiedlicher gesellschaftlicher Ansprüche an öffent- liche Kultureinrichtungen spricht für Konzepte von „Shared Leadership“, mehr Partizipa- tionsmöglichkeiten in wechselnden Teams sowie eine höhere Reflexion von Führung, um der Komplexität der Aufgaben gerecht zu werden. Zugleich beinhaltet dies die Suche nach einem möglichst diversen Personal, in Bezug auf ethnische Herkunft und soziale Milieus, aber auch in Bezug auf Geschlecht und Generationen, um unterschiedlichen Perspektiven und Kontakten mehr Raum zu geben.

Der anstehende Generationenwechsel in Führungspositionen kann zu neuen Formen von Cultural Leadership führen, bei denen künstlerische Qualität, aktive Verantwortungsüber- nahme für gesellschaftliche Probleme und kulturmanageriale Effizienz unter Beachtung einer ausgewogenen Work-Life Balance gleichberechtigte Faktoren sind.

Das könnte nicht nur dazu beitragen, öffentliche Kultureinrichtungen als weiterhin attrak- tives Arbeitsfeld für Kulturschaffende zu erhalten, sondern auch zeitgemäße Programme und Formate zu schaffen, die einer veränderten Bevölkerung in ihrer Vielfalt stärker ent- gegenkommen.

Literatur

[1] British Council (2014): What is cultural leadership?, https://creativeconomy.britishcouncil.

org/media/uploads/files/Cultural*Leadership*2.pdf.

[2] Frohne, Julia, Günter, Martin & Weyermanns, Michaela (2018): Berufseinstieg der Genera- tion y: Was Kulturinstitutionen wissen sollten, In: Handbuch Kulturmanagement Ausgabe 63 2018, S. 39 - 62.

[3] Hausmann, Andrea (2019): Cultural Leadership I. Begriff, Einflussfaktoren und Aufgaben der Personalführung in Kulturbetreiben, Wiesbaden: Springer VS.

[4] Hurrelmann, Klaus & Albrecht, Erik (2014): Die heimlichen Revolutionäre, Wie die Genera- tion Y unsere Welt verändert, Weinheim und Basel: Beltz.

(16)

TER.WELTEN 11/2020 MENSCHEN Cultural Leadership

[5] Klein, Armin (2009): Leadership im Kulturbetrieb, Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissen- schaften.

[6] Mangelsdorf, Martina (2014): Generation Y, Offenbach am Main: GABAL.

[7] Schramme, Annick (2016): Cultural leadership from a European perspective, In: IFACCA, 7th Word Summit on Arts & Culture, Valletta, S. 44 - 51.

[8] Schulenburg, Nils (2016): Führung einer neuen Generation, Wie die Generation Y führen und geführt werden sollte, Wiesbaden: Springer.

[9] Zierold, Martin (2017): Cultural Leadership als Zukunftsaufgabe, In: Cultural Leaders- hip, Weimar: KM Kulturmanagement Network GmbH.

Prof. Dr. Birgit Mandel ist Professorin für Kulturvermittlung und Kulturmanagement und Direktorin des Instituts für Kulturpolitik an der Universität Hildesheim. Sie leitet den Masterstudiengang Kulturvermittlung sowie den Bachelor Studiengang Kulturwis- senschaften und ästhetische Praxis.

Sie hat diverse Forschungsprojekte an der Schnittstelle von Kulturvermittlung, kul- tureller Bildung, Audience Development, Kulturmanagement und Kulturpolitik sowie Besucherstudien und Bevölkerungsbefragungen durchgeführt und ist Autorin vieler

(17)

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Auch diese eher begrenz- te Transaktionszielstellung des EUTF scheint hinsicht- lich der relativ geringen zur Verfügung stehenden Geldmenge (dem EUTF stehen 1,982 Milliarden Euro

Die Regierungen der betreffenden Länder versuchen gar nicht erst, die Kredite zurückzuzahlen, sie werden ja ohnehin bald gestrichen.. Nur dort, wo die Last des

Bleibt der institutionelle Rahmen für den Güterverkehr ein nationaler und zeichnet sich dieser noch durch eine Marktabschottung aus, können die Vorteile des

„Marktübersicht – Bio allein genügt nicht mehr“, lautete der Titel des Vortrags von Jörg Reuter, Co-Geschäftsführer von Grüne Köpfe, einem Berliner Strategieberatungsbüro

Mit der Abwertung des EDF ma- chen die Mitgliedstaaten deutlich, dass sie nicht gewillt sind, mutige Schritte hin zu einer Europäisierung der Rüstungspla- nung und -beschaffung

Die Vertreter der Partei für Freiheit und Gerechtigkeit betonen immer wie- der, dass sie weder eine Theokratie anstrebten noch einen religiösen Staat, sondern einen „zivilen

Wo jenes Vertrauen in Richterrecht und Rechtsdogmatik fehlt, sieht sich der Gesetzgeber zu umfassenden und sich in Details verlierenden Rege- lungssystemen gezwungen. Auch auf

Und auch wenn die genetische Methode nicht der Herstellung eines Designerbabys gilt, was Reproduktionsmediziner glaubhaft versichern, so führt dennoch kein Weg daran vorbei, dass die