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Archiv "Soziale Lebensformen" (15.06.1989)

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Paul Wunderlich hat jüngst die Freunde seiner Malerei mit einer völ- lig neuartigen Lithographie-Technik überrascht, die jedes seiner

1988/89 gestalteten Blätter wie eine Gouache prunken läßt. Ebenso überraschend ob der Vielzahl der zwischen 1968 und 1987 geschaf- fenen dreidimensionalen Werke: der jetzt in der Edition Volker Hu- ber, Offenbach (Main), vorgelegte großformatige Bildband, in dem alle Skulpturen und Objekte Wunderlichs wiedergegeben und vom Leiter des schleswig-holsteinischen Landesmuseums, Prof. Dr.

Heinz Spielmann, wissenschaftlich eingeordnet und interpretiert werden. Der Band umfaßt 316 Seiten mit überwiegend farbigen Ab- bildungen; die höchst differenzierten Werke wurden von Karin Szö- kessy kongenial fotografiert. Abgerundet wird das Buch durch ein bis 201 numeriertes Werkverzeichnis der Skulpturen und Objekte, das Carsten Riediger erarbeitete, der in der gleichen Edition bereits das Werkverzeichnis der Druckgraphik Paul Wunderlichs gestaltet hat (Leinen, 35 x 30 cm, 128 DM)

liehe, religiöse, politische, philosophische und manch andere Wahrheit — häufig klafft indes ein unüberbrück- barer Widerstand zwischen dieser und jener Wahr- heit . . ."

Wie sich Freud mit dem Phänomen Religion ausein- andergesetzt hat, wie sich dieser Prozeß einer zugleich wissenschaftsorientierten, dabei aber nicht zuletzt phi- losophisch eminent „attrakti- ven" (Marquard) Auseinan- dersetzung über die Tiefen- psychologie und deren nam- haftesten Repräsentanten hinaus entwickelt hat, wel- che wesentlichen Entspre- chungen diese Entwicklung im jeweils zeitgemäß philo- sophischen Kontext gefun- den hat und welche Fragen bzw. Aufgaben vor dem Hin- tergrund dieser geistesge- schichtlichen Entwicklung sich, nicht zuletzt für die Epistemologie, bzw. für die Ideologiekritik stellen, wird von Rattner trotz aller Knappheit differenziert ab- gehandelt.

All unsere Wissenschaft — nach Rattner die geisteswis- senschaftlichen Disziplinen mehr als die Naturwissen- schaften (weil sie „in das menschliche Leben selbst eingebettet sind") — „können in hohem Maß der 'Existenz- erhaltung' dienen, haben sich aber auch allzu oft in den Dienst der 'Existenzver- dunkelung' stellen lassen".

Rattners Buch, aus dessen Gedankenfülle hier nur eini- ge Aspekte herausgegriffen wurden, darf sehr wohl als ein Beitrag gewertet werden, der für die Forschung einen Weg weist, welcher den Ge- fahren der „Kulturbarbarei"

zuwiderläuft, indem er nach den Chancen für ein „ver- nünftiges Menschentum"

sucht. Damit empfiehlt sich das Buch nicht nur an der Tiefenpsychologie oder der Religion interessierten Le- sern, sondern allen an der Ideengeschichte und Er- kenntnistheorie Interessier- ten.

Jürgen Ph. Furtwängler, Gießen

Soziale Lebensformen

Norbert Elias: Die Gesell- schaft der Individuen, Her- ausgegeben von Michael Schröter, Suhrkamp Verlag, Frankfurt/M., 1987, 320 Sei- ten, Leinen, 34 DM

Die Soziologen beschäfti- gen sich gegenwärtig makro- skopisch mit der Entwicklung zur „Weltgesellschaft" (Ni- klas Luhmann) und mikro- skopisch mit der „Individuali- sierung der Lebensstile"

(Wolfgang Zapf), da legt ihr Altmeister, Norbert Elias, ein Buch vor, das drei Arbeiten zum Thema „Individuum und Gesellschaft" enthält — sozu- sagen in synthetischer Per- spektive. Es ist seine Lebens-

geschichte als Werkgeschich- te. Die erste Studie „Die Ge- sellschaft der Individuen"

wurde 1939 geschrieben für eine geplante schwedische Zeitschrift, die angesichts des Krieges niemals das Licht der Welt erblickt hat. Der Text gehört in den Umkreis seines Hauptwerkes „Über den Pro- zeß der Zivilisation" (Basel 1939, Frankfurt am Main 1976) und entfaltet noch ge- nauer die These, daß Indivi- dualität und Gesellschaftlich- keit psychologische bezie- hungsweise soziologische Ab- straktionen sind, deren Wirk- lichkeit in einer Wechselwir- kung von Bewußtsein und Gefühlen hier und sozialen Konfigurationen dort liegt.

Der Mensch wird — vom Kind bis zum Erwachsenen — ge- prägt durch die sozialen Le-

bensformen, in denen er auf- wächst und sich heranbildet, und er schafft mit seinen so- zialen Beziehungen und Handlungen eben diese ge- sellschaftliche Welt — in ei- nem permanenten Prozeß der Zivilisation.

Die zweite Studie „Proble- me des Selbstbewußtseins und des Menschenbildes"

stammt aus den 40er bis 50er Jahren und modifiziert das Thema von 1939. Wir behan- deln und begreifen uns ge- genseitig als „denkende Sta- tuen", in innerlich selbstge- wisser Welteinsamkeit, und sind doch nur Zivilisations- elemente der „Individualisie- rung im Gesellschaftspro- zeß". Die Philosophen haben von Descartes über Kant bis Husserl (und Heidegger) vom Fiktionspunkt des „homo clausus" ihre Erkenntnissy- steme gebaut; der Soziologe zeigt, daß die Bedingungen der Möglichkeit des Selbstbe- wußtseins und die transzen- dentalen Formen des Be- wußtseinsstromes in den ge- schichtlichen Formen des Gegeneinanderhandelns und Miteinanderdenkens, also im Prozeß der Selbstkultivierung gegründet sind.

Die dritte Studie schließ- lich über die „Wandlungen der Wir-Ich-Balance", 1987 verfaßt, zeigt den Formen- wandel unserer Ich- und Wir- Identität vom Verwandt- schaftsverband der Sippe über die kriegerische oder wirtschaftliche Vereinigung des Stammes, dann über die Sprach- und Rechtsgemein- schaft des Staates zur Weltzi- vilisation. Noch sind Elemen- te der Sippen- und Stammes- haftungen — zum Beispiel in der Dritten Welt — oder — auf der nördlichen Halbkugel — des Nationalstaats lebendig;

aber „im Zuge eines macht- vollen Integrationsschubes"

bilden sich „Zentralinstitutio- nen" mit ersten Sanktiosge- walten, wie die UNO oder Weltbank, und eine imperati- ve Weltöffentlichkeit, in die wir zunehmend als Individu- en eingepaßt werden.

Horst Baier, Konstanz A-1870 (78) Dt. Ärztebl. 86, Heft 24, 15. Juni 1989

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