Zur Fortbildung Aktuelle Medizin AUSSPRACHE
Diagnostische Methoden
zur Erkennung allergischer Krankheiten
Zu einem Beitrag
von Prof. Dr. med. Wilhelm Grone- meyer und Privatdozent Dr. med.
habil. Erich Fuchs
In ihrer präzisen Übersicht be- schreiben die Autoren unter ande- rem den von Gronemeyer und Mit- arbeitern schon früher angegebe- nen Reibtest, der als „praktisch un- gefährliche Vorprobe" bezeichnet wird und der „in jeder Praxis aus-
führbar" sei; dabei wird das „nati- ve Allergen." verwandt, unter ande- rem in Form einer „Medikamenten-
lösung".
Die umfänglichen Erfahrungen der Autoren zur Testung von Inhala- tions- und Nahrungsmittel-Allergien lassen offenbar eine derartige Empfehlung zu. Gegen eine Arznei- mitteltestung in der von den Auto- ren angeregten Form bestehen meines Erachtens jedoch Beden- ken. Sie kann zu schwerwiegenden Testzwischenfällen führen, da sie die Konzentration des jeweiligen Medikamentenwirkstoffs nicht be- rücksichtigt.
Nach den im dermatologischen Schrifttum mitgeteilten Erfahrun- gen kann bei anaphylaktisch gegen einen Arzneistoff sensibilisierten Patienten bereits der Epikutantest in der für diesen Test üblichen Wirkstoffkonzentration zum ana- phylaktischen Schock führen. Bei einer Patientin von uns begann zehn Minuten nach Auflage von Testpflastern mit Aminophenazo- nen eine Schocksymptomatik. Die Testkonzentrationen für epikutane Arzneimitteltests liegen meist im Bereich von ein bis zehn Prozent.
Da beim Reibtest wohl größere
Substanzmengen die Haut passie- ren als bei einfacher Testpflaster- auflage in den ersten 15 bis 20 Mi- nuten, sollten nach meiner Auffas- sung seine Testkonzentrationen die des Epikutantests bei hochgra- dig Sensibilisierten zumindest nicht überschreiten.
Wenn die Autoren für den Reibtest das native Allergen verwenden und als Beispiel unter anderem eine Medikamentenlösung nennen, so muß das bedeuten, daß der Reib- test zum Beispiel mit Isocillin-Saft, Durenat-Tropfen oder Novalgin- Tropfen durchgeführt werden kann;
die jeweiligen Wirkstoffkonzentra- tionen betragen dann 600 000 I. E.
pro Milliliter, 20 Prozent, 50 Pro- zent (1); die üblichen Epikutantest- konzentrationen für diese Wirkstof- fe dagegen 100 000 I. E. pro Millili- ter, fünf Prozent. Ein Reibtest mit derart hohen Wirkstoffkonzentratio- nen kann meines Erachtens nicht als „praktisch ungefährliche Vor- probe" bei hochgradig Sensibili- sierten gelten.
Es wäre zu begrüßen, wenn die Au- toren ihre Empfehlungen zum Reib- test dahingehend modifizieren könnten, daß der Reibtest mit Me- dikamenten nur von Ärzten, die spezielle Erfahrung mit Arzneimit- teltestungen haben, vorgenommen werden sollte.
Privatdozent
Dr. med. D. Kleinhans Hautklinik
Stuttgart-Bad Cannstatt 7 Stuttgart 50
Prießnitzweg 24
Schlußwort
Ob die von Herrn Privatdozent Dr.
med. D. Kleinhans geltend ge- machten Bedenken zur Durchfüh- rung des von uns angegebenen Reibtests mit Medikamenten in
„Normal"-Konzentration bezie- hungsweise nativer Medikamenten- zubereitung zu Recht bestehen, läßt sich auf Grund unserer eige- nen umfangreichen Erfahrungen nicht bestätigen. Denn bei Durch- führung einiger tausend Reibtests
in Fällen von „highest sensitivity type" sind uns bedrohliche Schock- erscheinungen nicht begegnet.
Dies dürfte im Gegensatz zu ana- phylaktischen Zwischenfällen bei der Epikutantestung durch folgen- de Umstände bedingt sein:
O Der Reibtest unterliegt im Ge- gensatz zum Epikutantest der stän- digen Sichtkontrolle und wird nicht durch das Testpflaster „zuge- deckt", so daß die Entwicklung des Reaktionsausfalles der direkten Beobachtung entzogen ist. Bei anamnestisch hohem Sensibilisie- rungsgrad und sich bereits ab- zeichnender urtikarieller Reaktion, die zunächst immer klein-papulös, bisweilen schon nach zwei bis drei Minuten sichtbar wird, kann der Test durch Abwaschen des appli- zierten Allergens oder Medika- ments sowie Auftragen einer Korti- sonsalbe, notfalls auch Anlegen ei- ner Staubinde, jederzeit abgebro- chen werden.
Der Reibtest wurde von uns als
„Vorprobe" bei anamnestisch ho- hem Sensibilisierungsgrad empfoh- len. Er soll aus den bereits erwähn- ten Gründen tatsächlich auch stets
— inbesondere bei Vorliegen eines Sofortreaktionstypus — vor allen anderen Tests, also auch vor dem Epikutantest, rangieren und durch- geführt werden. Wenngleich wir — im Gegensatz etwa zur Intrakutan- testung mit mir einer Einheit Peni- cillin G-Natrium — beim Reibtest bisher keine hämatogenen Schock- fragmente beobachtet haben, er- scheint uns die von Herrn Dr.
Kleinhans vorgeschlagene Empfeh- lung, „den Reibtest 'mit Medika- menten nur von Ärzten, die speziel- le Erfahrung mit Arzneimitteltestun- gen haben", durchführen zu las- sen, dennoch berechtigt und be-
achtenswert.
Professor Dr. ,med.
W. Gronemeyer Privatdozent
Dr. med. habil. E. Fuchs Fachbereich Allergologie Deutsche Klinik für Diagnostik 62 Wiesbaden
Aukammallee 33
1694 Heft 23 vom 6. Juni 1974 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT