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Archiv "2. GKV-Neuordnungsgesetz: Streit um die besonderen Therapierichtungen" (16.05.1997)

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ach §135 Abs. 1 des SGB V dürfen neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versor- gung nur erbracht werden, wenn der Bundesausschuß der Ärzte und Kran- kenkassen entsprechende Empfeh- lungen über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse abgegeben hat. Nun soll es zusätzlich heißen: „. . . in der jeweiligen The- rapierichtung.“

Angriff auf die Schulmedizin

Kritiker sehen darin einen An- griff auf die bislang allgemein an- erkannte Bewertungsmethodik der Schulmedizin. Durch den genannten Zusatz wären paramedizinischen Vor- stößen Tür und Tor geöffnet. „Unwis- senschaftliche medizinische Verfah- ren beanspruchen zunehmend für sich den Begriff der besonderen Therapie- richtungen“, kritisiert die AWMF in einer Resolution zur Drucksache Nummer 13/7264 des Bundestages, in welcher die Änderung zu finden ist.

„Für diesen Begriff“, heißt es weiter,

„gibt es keinen definierbaren Inhalt außer den Verzicht auf wissenschaftli- che Überprüfbarkeit.“ Würde allen

„selbsternannten“ besonderen The- rapierichtungen das Recht zuerkannt, die Methoden für den wissenschaftli- chen Erkenntnisgewinn selbst zu defi- nieren, ließen sich keine allgemein- verbindlichen Grenzen mehr festle-

gen. Damit verbunden sei eine Ko- stenexplosion, welche in keiner Weise mehr überschaubar wäre.

Daß der Änderungsentwurf mit insgesamt 60 Neuerungen von der Koalition erst einen Tag vor der ab- schließenden Bundestagssitzung vor- gelegt worden war, bekräftigt die Kri- tiker in ihrer Einschätzung einer

„Nacht- und Nebelaktion“ zugunsten umstrittener Therapierichtungen.

Den Vorwurf, die besonderen Therapierichtungen gegenüber der rein naturwissenschaftlich orientier- ten Medizin nachhaltig stärken zu wollen, wies die Initiatorin der „textli- chen Ergänzung“ des Paragraphen 135 auf Anfrage des Deutschen Ärz- teblattes nicht zurück. Beatrix Phi- lipp, Bundestagsabgeordnete der CDU und Mitglied im Ausschuß für Gesundheit, hält es vielmehr für un- abdingbar, den besonderen Therapie- richtungen „endlich den Stellenwert einzuräumen, den sie verdienen“.

Viel zu lange schon seien die Me- thoden beispielsweise der Homöopa- thie, der Anthroposophie oder der Phytotherapie von den Schulmedizi- nern belächelt und als Scharlatanerei abgetan worden. Außerdem ließe sich durch intensiveren Einsatz der beson- deren Therapierichtungen Geld ein- sparen, da diese oft weitaus kosten- günstiger seien als die Schulmedizin.

Der eigentliche Änderungsent- wurf stammt aber nicht aus ihrer Feder, sondern ist einem Brief der Hufelandgesellschaft für Gesamt- medizin e.V. an den Bundesgesund- heitsminister und den Bundestags- Gesundheitsausschuß vom 16. Januar 1997 entnommen worden.

Auf die geplante Gesetzesände- rung reagierte das Bundesministeri- ums für Gesundheit vergleichsweise gelassen. Trotz des Zusatzes „. . . in der jeweiligen Therapierichtung“ lie- ge die Gewichtung nach wie vor auf den wissenschaftlichen Erkenntnis- sen, erklärte eine Sprecherin des Mi- nisteriums. Wissenschaft per Definiti- on könne sich nie allein auf ein Teilge- biet beziehen. Vielmehr impliziere der Begriff Wissenschaft die not- wendigen Maßstäbe zur Beurteilung neuer Behandlungsmethoden. Diese Maßstäbe seien in der Medizin bezie- hungsweise in den Naturwissenschaf- ten als Ganzem begründet.

Auch die besonderen Therapie- richtungen kämen somit nicht um die MethodenderVeri-oderFalsifizierung umhin. Für die Beurteilung durch den Ausschuß „Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden“ (NUB), den zuständigen Arbeitsausschuß des Bundesausschusses, wird sich nach Darstellung des Bundesgesundheits- ministeriums daher im wesentlichen nichts ändern. Der Ausschuß wäre lediglich gehalten, grundsätzlich den Argumenten aus dem Lager der „be- sonderen Therapierichtungen“ stär- ker Gehör zu schenken.

Obwohl der Bundesrat den Ge- setzentwurf am 25. April abgelehnt hat, wird das 2. GKV-Neuordnungs- gesetz dennoch voraussichtlich zum 1. Juli 1997 in Kraft treten, da das Ge- setz nicht zustimmungspflichtig ist.

Änderungen, die Aussicht auf Erfolg haben, können jetzt lediglich von der Regierungskoalition selbst noch vor- geschlagen werden. Marc Seidel A-1327

P O L I T I K AKTUELL

Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 20, 16. Mai 1997 (23)

2. GKV-Neuordnungsgesetz

Streit um die besonderen Therapierichtungen

Auf den ersten Blick scheint es sich nur um eine Marginalie zu handeln, doch der Zündstoff steckt im Detail. Bei den Schlußberatungen des 2. GKV-Neuordnungsgesetzes wurde in letzter Minute ein Passus hinzugefügt, der nicht nur die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) auf den Plan ruft.

Es geht um die Beurteilung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden und dabei vor allem um die „besonderen Therapierichtungen“.

Beatrix Philipp, CDU-MdB aus Düsseldorf, Mit- glied im Ge- sundheitsaus- schuß, brachte den Änderungs- vorschlag zum

§ 135 SGB V in den Bundestag ein. Sie hält eine

Stärkung der „besonderen Therapierichtungen“ für längst überfällig. Foto: Deutscher Bundestag

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