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A518 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 820. Februar 2004
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ur 60 km trennen an der schmalsten Stelle Pana- mas den Atlantik vom Pazifik. Seit im Jahr 1501 der erste Spanier die panamesi- sche Landenge betrat, wurde das historische Schicksal die- ses Gebiets primär von seiner verkehrsgünstigen geographi- schen Lage bestimmt. Zwei verschiedene Goldstraßen führten in der Kolonialzeit über die enge Landbrücke, die Nord- und Südamerika zusammenhält. Doch im 17.Jahrhundert machten eng- lische Seeräuber die Städte an der Atlantikküste dem Erdboden gleich und zerstör- ten auch Panama-Stadt voll- ständig. Nach der größten Katastrophe in ihrer Kolonial- geschichte gab die spanische Krone Panama auf. Das pe- ruanische Silber wurde schwer bewacht wieder auf dem 8 000 Kilometer langen Um- weg um Kap Hoorn nach Spanien gebracht.
Doch 1849 begann der kali- fornische Goldrausch und schwemmte nach hundert Jahren Einsamkeit plötzlich eine halbe Million nordameri- kanischer Glücksritter durch Panama. Der Schienenstrang der Panama Railroad Com- pany machte die Goldstraße endgültig überflüssig. Erst Ende des 19. Jahrhunderts wurde der alte Traum von
einer Schifffahrtsroute zwi- schen den Ozeanen jenseits von Kap Hoorn Wirklichkeit.
Der französische Versuch un- ter Lesseps, dem erfolgrei- chen Planer des Suezkanals, endete allerdings in einem gi- gantischen Korruptionsskan- dal. So blieb der Kanalbau den USA überlassen. In ei- nem Meisterstück amerikani- scher Kanonenbootdiploma- tie schuf Präsident Roosevelt vor gut hundert Jahren aus einer Region, die bis dato Teil Kolumbiens war, den Staat Panama. Zwölf Tage nach der Unabhängigkeit wurde der Panamavertrag unterzeich- net, der den USA alle Rechte und die Kontrolle über eine 16 Kilometer breite Kanal- zone auf ewig garantierte.
Um den Kanal zu bauen, wurde der Rio Chagres ge- staut und damit ein künst- licher See geschaffen. Das gespeicherte Wasser wird da- zu benutzt, die Schiffe in den drei Schleusen erst 26 Meter
über den Meeresspiegel zu heben, um sie nach der Durchfahrt wieder auf Mee- resniveau abzusenken. Der so entstandene Gatúnsee hat nicht nur einen Teil der alten Goldstraße, sondern auch die erste transkontinentale Ei- senbahn verschluckt. Eine ei- serne Lok und die alten Schienenstränge liegen auf dem Grunde des Sees, ebenso die Überreste von 20 Indianer- dörfern, die dem Kanalbau weichen mussten. Der nach dem Jangtse-Staudamm zweit- größte künstliche Stausee hat aber auch neue Welten ent- stehen lassen. Die zu Inseln mutierten Urwaldhügel sind ein einmaliges Laboratorium der Natur.
In den ehemaligen US-Mi- litärbasen entlang den künst- lichen Wasserstraßen wurden bis zur Kanalübergabe unter idealen Bedingungen Spezial- truppen für den Dschungel- kampf ausgebildet. Auch vie- le lateinamerikanische Offi- ziere und spätere Diktatoren durchliefen die militärischen Trainingscamps der USA in der Kanalzone, von denen die berüchtigte School of America als Folterschule traurige Be- rühmtheit erlangt hat.
Erst zu Beginn 2000 über- nahm Panama die Hoheits- rechte über den 80 Kilometer langen Kanal. Aber vertrag- lich steht den USA jederzeit das Recht zur erneuten Über-
nahme zu. Und noch immer kontrollieren die USA Wirt- schaft und Politik, nicht ein- mal eine eigene Währung besitzt Panama. Der Balboa existiert nur als Münze bis 50 Cent, ansonsten wird mit Dollar bezahlt. Trotzdem hat sich seit der Rückgabe des Kanals Ende 1999 vieles zum Positiven verändert. Außer den Kanalarbeitern durfte bis vor vier Jahren niemand die 16 Kilometer breite Kanal- zone betreten. Für alle ande- ren war am Zaun Schluss.
Heute hat man mit dem Taxi schnell die hypermoderne Skyline von Panama-City ver- lassen und kann die Container- schiffe von der Puente de las Americas aus bewundern, der einzigen Brücke, die Nord- und Südamerika miteinander verbindet. Gerade rechtzeitig zur Hundertjahrfeier bauen Bilfinger und Berger eine zwei- te. Die Einnahmen aus dem Kanalgeschäft kommen jetzt dem Staat Panama zugute. 40 Schiffe begeben sich täglich auf die achtstündige Durchfahrt, die sich die Reedereien immer- hin 50 000 Dollar im Schnitt kosten lassen.
Für die Jahrhundertfeiern seiner Staatsgründung hatte sich Panama herausgeputzt.
Viele Häuser in der zum Weltkulturerbe erklärten Alt- stadt von Panama-City wur- den restauriert. Im neuen Panama-City fanden zahl- reiche kulturelle Veranstal- tungen zum Jahrestag der Staatsgründung statt. Ein be- sonderer Höhepunkt ist die 80 km lange Zugfahrt ent- lang dem Kanal zwischen Panama-City und Colón mit der neu eröffneten Panama Canal Railway. Informatio- nen im Internet: www.visit panama.com. Roland Motz Die Puente de las
Americas ist die einzige Brücke zwischen Nord- und Südamerika.
Panama
Neue Welten
Zahlreiche kulturelle Veranstaltungen fanden anlässlich des Jahrestages der Staatsgründung statt.
Feuilleton
Fotos:Roland Motz
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