A1786 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 25⏐⏐22. Juni 2007
A K T U E L L
RISKANTER ALKOHOLKONSUM
Verantwortung für die Jugendlichen
Rund sechs Millionen erwachsene Bundesbürger trinken in einem Um- fang, der riskant ist. 1,7 Millionen sind abhängig vom Alkohol. „In Deutschland wird noch zu viel und zu regelmäßig Alkohol getrunken“, sagte die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Sabine Bätzing, anlässlich der bundesweiten Akti- onswoche vom 14. bis 18. Juni „Al- kohol – Verantwortung setzt die Grenze“. Viele Erwachsene würden mit ihrem Trinkverhalten ihrer Vor- bildfunktion für Kinder und Jugend- liche oftmals nicht gerecht.
Deren Alkoholkonsum nehme wieder zu, erklärte Prof. Dr. Elisa- beth Pott von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Ei- ner Studie zufolge ist der Anstieg bei den 16- bis 17-jährigen Jungen besonders auffällig: Lag die durch- schnittliche wöchentliche Trink- menge 2004 bei 127 Gramm reinem Alkohol, sank sie 2005, auch auf- grund der Alcopopssteuer, auf 108 Gramm. 2007 liegt der Wochen- durchschnitt bei 150 Gramm. So- wohl bei den Jungen als auch bei den Mädchen nimmt die Bereit- schaft zu, innerhalb kurzer Zeit
mehr als fünf Gläser alkoholischer Getränke zu trinken.
„Etwa jeder zehnte Erwachsene, der eine Arztpraxis aufsucht, hat ein behandlungsbedürftiges Alkohol- problem“, sagte Dr. med. Christoph von Ascheraden, stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses Sucht und Drogen der Bundesärztekam- mer. Die meisten verheimlichten oder verleugneten ihr Alkoholproblem auch vor dem Hausarzt. Deshalb sei es besonders wichtig, dass Ärzte Suchtprobleme erkennen könnten und sich entsprechend fortbildeten.
10 000 Ärzte hätten in den vergan- genen Jahren die Fachkunde Sucht- medizin absolviert. „Die Ärzte- schaft ist in der Suchttherapie ange- kommen“, betonte von Ascheraden,
„aber es gibt noch viel zu tun.“ PB
FORTSCHRITTE BEI XENOTRANSPLANTATION
Angesichts des Mangels an menschlichen Spenderorganen setzen Mediziner große Hoffnungen in die Xenotransplantation – die Übertragung von Zellen und Organen von Tieren auf den Menschen. Schweine sind die favorisierten Spendertiere wegen ihres Stoff- wechsels, der dem des Menschen ähnelt, we- gen der vergleichsweise großen mikrobiologi- schen Sicherheit und aus Kostengründen. Hin- dernisse für die Xenotransplantation sind die Abstoßungsreaktionen des Immunsystems, die physiologischen Unterschiede zwischen tierischen und menschlichen Organen und die mögliche Übertragung von Mikroorganismen, wobei porcine endogene Retroviren (PERV) ein besonderes Problem darstellen. Diese Viren sind im Erbgut aller Schweine verankert, können als Viruspartikel freigesetzt werden und menschliche Zellen infizieren.
Wie kürzlich bei einer Tagung der Deut- schen Arbeitsgemeinschaft Xenotransplanta- tion im Berliner Robert-Koch-Institut berichtet wurde, konnten in den letzten Jahren Strategi- en entwickelt werden, welche die Übertragung von PERV bei der Xenotransplantation verhin- dern sollen. Besonders effektiv sei die Strate- gie, genetisch veränderte (transgene) Schwei- ne zu gewinnen, bei denen die Virusaktivität durch die RNA-Interferenz unterdrückt wird.
Dabei schleusen die Wissenschaftler erbgut- ähnliche regulatorische Moleküle („shRNA“) in Schweinezellen ein, entnehmen den Zellkern und züchten daraus Schweine. Durch die ein- geschleusten Blockademoleküle können die in den Schweinezellen vorhandenen viralen Gene nicht aktiviert und keine neuen Viruspartikel hergestellt werden,die im Fall einer Übertra- gung der Schweinezellen auf den Menschen
möglicherweise eine Erkrankung verursachten.
Joachim Denner vom Robert-Koch-Institut und Heiner Niemann vom Institut für Tierzucht in Mariensee konnten so die weltweit ersten Schweine gewinnen, bei denen in verschiede- nen Organen die Produktion der Retroviren herunterreguliert wurde.
Erste klinische Behandlungen sind für das Jahr 2010 geplant
In einzelnen Fällen gibt es bereits experimen- telle klinische Ansätze. So berichtete ein neu- seeländisches Unternehmen, dass ein Diabeti- ker, der vor fast zehn Jahren Inselzellen vom Schwein erhalten hatte, immer noch funkti- onstüchtige Schweinezellen in sich trüge und es keine Anzeichen für eine Infektion mit porci- nen Viren gebe. Die Forschergruppen planen erste klinische Behandlungen für 2010. EB DEUTSCHER ETHIKRAT
Bundesrat gibt grünes Licht
Der Weg für die Einrichtung eines
„Deutschen Ethikrates“ ist frei. Der Bundesrat hat am 8. Juni einen ent- sprechenden Gesetzesbeschluss des Bundestages vom April gebilligt.
Demnach soll das 26-köpfige Gremium die Arbeit des bisherigen Nationalen Ethikrates übernehmen und sich vordringlich mit Fragen befassen, die sich mit den „Ent- wicklungen auf dem Gebiet der Le- benswissenschaften und ihrer An- wendung auf den Menschen“ erge- ben. Die Experten sollen je zur Hälfte auf Vorschlag des Bundesta- ges und der Bundesregierung beru-
fen werden. SR
Riskanter Alko- holkonsum:Viele Erwachsene sind in ihrem Trinkverhal- ten keine Vorbilder für Kinder und Ju- gendliche.
Foto:dpa