I 098/2005 POM 15. Juni 2005 46C Interpellation
1956 Fuchs, Bern (SVP)
Weitere Unterschriften: 3 Eingereicht am: 21.04.2005
Arbeitslosengeld und Kinderzulagen für Strafgefangene in Berner Gefängnissen?
Straftäterinnen und Straftäter die sich im Strafvollzug befinden, werden offenbar je nach Strafvollzugskonkordat für ihre Arbeitsleistung entlöhnt. In diesem Zusammenhang wird im Hinblick auf die Berner Gefängnisse der Regierungsrat um die Beantwortung der folgenden Fragen gebeten:
1. Nach welchen Kriterien wird die Höhe der Entgelte festgelegt und wie hoch sind diese?
2. In welchen Zeitintervallen werden die Entgelte ausbezahlt bzw. überwiesen?
3. Werden den Entgelten (Pekulium) auch Sozialleistungen wie AHV/IV und ALV abgezogen?
4. Beziehen Strafvollzugsinsassen auch Kinderzulagen und wenn ja, wie hoch sind diese und wie erfolgt hier die Auszahlung?
5. Trifft es zu, dass Strafvollzugsinsassen Arbeitslosengelder erhalten, sofern sie grundsätzlich gewillt sind, eine Arbeitsleistung zu erbringen, aber aufgrund fehlender Aufträge keine solche tätigen können?
6. Wenn ja, wie hoch sind die Taggelder und wie lange werden diese entrichtet?
Antwort des Regierungsrates Einleitung
Für den Kanton Bern gelten die Bestimmungen des Bundesrechts über den Straf- und Massnahmenvollzug sowie die Vorschriften des Konkordates als übergeordnetes Recht.
Insbesondere durch Artikel 46 des Straf- und Massnahmenvollzugsgesetzes und die Art.
56 bis 59 der Straf- und Massnahmenvollzugsverordnung werden Bundesrecht und Konkordatsvorschriften bezüglich des Arbeitsentgeltes im kantonalen Recht präzisiert.
Der Kanton Bern ist Mitglied im Strafvollzugskonkordat der Nordwest- und Innerschweiz.
Innerhalb des Kantons Bern gelten die Anstalten Thorberg, Witzwil und Hindelbank, sowie das Massnahmenzentrum St. Johannsen als Konkordatseinrichtungen für den Vollzug von Strafen und Massnahmen. Seit dem 14. November 1986 existieren die aktuell gültigen generellen Richtlinien des Konkordats über den Verdienstanteil von Strafgefangenen.
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Personen, die gestützt auf Bestimmungen des Strafgesetzbuches in eine Anstalt eingewiesen werden, wird für die ihnen zugewiesene Arbeit bei gutem Verhalten und befriedigender Arbeitsleistung ein Verdienstanteil (in der Fachsprache Pekulium) entrichtet. Dies schreibt Art. 376 StGB so vor.
Zu den einzelnen Fragen
1. Der Verdienstanteil bemisst sich in erster Linie an der Einstellung zur Arbeit, der Arbeitsleistung sowie dem Verhalten am Arbeitsplatz. Die Konkordatskonferenz legt einen mittleren Ansatz fest, welcher Eingewiesenen bei befriedigender Qualifikation gutzuschreiben ist, dieser beträgt zurzeit Fr. 26.00 pro Tag. Die Ansätze für Pekulien in bernischen Strafvollzugsanstalten liegen zur Zeit - je nach der regelmässig erfolgenden Qualifikation - bei:
à Anstalten Thorberg maximal Fr. 26.40
à Anstalten Witzwil Fr. 14.00 bis Fr. 30.00 (Fr. 25.80 im Durchschnitt)
à Anstalten Hindelbank Fr. 15.00 bis Fr. 30.00 (maximal Fr. 26.00 im Durchschnitt) + Fr. 4.00/Tag im Anlehrprogramm bei sehr guter Leistung
à MVZ St. Johannsen Fr. 18.05 bis Fr. 28.05
2. Der Verdienstanteil wird den Insassen der Anstalt während der Dauer der Freiheitsentziehung gutgeschrieben (Art. 377 StGB). Dieser wird im Verhältnis 60 zu 40 auf das Frei- resp. das Sperrkonto der Eingewiesenen aufgeteilt. Über das Freikonto kann dieser frei verfügen. Beim Sperrkonto steht im Anstaltsreglement, ob und wie weit während der Dauer der Freiheitsentziehung aus dem Verdienstanteil Auslagen zugunsten des Insassen oder dessen Familie gemacht werden dürfen. Bei der Entlassung aus der Anstalt verfügt die Anstaltsleitung nach freiem Ermessen, ob der Betrag ganz oder teilweise dem Entlassenen, den Organen der Bewährungshilfe, der Vormundschaftsbehörde oder der zuständigen Sozialhilfebehörde zu sachgemässer Verwendung für den Entlassenen auszuzahlen ist (Art. 378 StGB).
Die Abrechnung in Form der Gutschrift der Pekulien erfolgt entweder a) in der Regel monatlich
b) auf den Austrittstag hin.
Während des Strafvollzuges erfolgen Barauszahlungen in der Regel nur im Hinblick auf Urlaube. Innerhalb der Vollzugsanstalten ist – mit Ausnahme der Anstalten Hindelbank, welche aus konzeptionellen Gründen auf „Plastikgeld verzichtet“ – kein Bargeldverkehr vorgesehen.
3. Zur Vermeidung von Versorgungslücken bei den dereinstigen AHV-Renten wird in der Regel der jährliche Minimalbetrag (zurzeit Fr. 425.00) ab dem Sperrkonto einbezahlt.
4. Nein
5. Es werden keine Entschädigungen im Sinne der Arbeitslosenversicherung ausbezahlt.
Zutreffend ist hingegen, dass bei Krankheit, Unfall, unabsichtlich herbeigeführter Arbeitsunfähigkeit oder fehlender Beschäftigungsmöglichkeit ein reduziertes Pekulium (in der Regel 50% des zuletzt angerechneten Tagessatzes) gutgeschrieben wird (Art.
59 Straf- und Massnahmenvollzugsverordnung).
An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, dass die Ausrichtung von reduzierten Pekulien infolge fehlender Arbeitsmöglichkeiten äusserst selten zur Anwendung gelangt. In den Anstalten Witzwil z.B. konnten in den letzten 20 Jahren immer allen
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Insassen Arbeit zugewiesen werden, auch im Massnahmenvollzugszentrum besteht seit Jahren für jeden Eingewiesenen ein Arbeitsplatz.
6. siehe Antwort zu Frage 5 oben.
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