• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Krankenhausbedarfsplanung: Kaum brauchbar für die Praxis" (09.11.2001)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Krankenhausbedarfsplanung: Kaum brauchbar für die Praxis" (09.11.2001)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

E

in Krankenhausplanungsgutachten ist wie ein Laternenpfahl für den Betrunkenen. Es dient nicht zur Er- leuchtung, sondern nur zum Festhal- ten.“ So urteilte der Geschäftsführer der Krankenhausgesellschaft Schles- wig-Holstein, Bernd Krämer, Kiel, bei einem Expertenforum anlässlich der Biersdorfer Krankenhausgespräche im September in Biersdorf/Eifel über den Aussage- und praktischen Umsetzungs- wert oftmals hoch dotierter Gutachten, die zur Krankenhausbedarfsplanung von interessierter Seite „bestellt“ wur- den. Oftmals sind die herangezogenen Planungs- und Prognosekriterien ein- dimensional, zum Teil basieren sie auf überholten Statistiken und beinhal- ten eine Leistungsplanung oh-

ne jeden Kapazitätsbezug. Der traditionelle Ansatz der Kran- kenhausplanung nach der so genannten Hill-Burton-Formel*

mit gängigen Indikatoren, wie etwa der Einwohnerzahl, der Krankenhaushäufigkeit, der Liegedauer und der Bettennut- zung als einzige Richtschnur zur Bemessung des Bettenbe- darfs, scheint inzwischen „out“

zu sein. Vielmehr ist die Kran- kenhausbedarfsplanung auf Länderebene nur bedarfsge- recht, wenn sie differenziert ist

und sich an den Leistungen der Plan- krankenhäuser orientiert. So auch das Bekenntnis des Präsidenten der Kran- kenhausgesellschaft Nordrhein-West- falen, Dr. rer. pol. Rudolf Kösters, Mün- ster, und der ehemaligen Gesundheits- senatorin von Berlin, Beate Hübner

(CDU), über zum Teil irreale und längst überholte Bedarfs- und Kapa- zitätsanpassungsprognosen.

In Biersdorf wurde vor 200 Klinik- managern berichtet: Die von einigen Bundesländern, etwa in Nordrhein-West- falen, Berlin, in Schleswig-Holstein und Sachsen eingeholten Krankenhauspla- nungsgutachten haben zwar einen hef- tigen Streit zwischen den Parteien und einen hohen Beachtungswert in der Öffentlichkeit erzielt. Tragfähige Ent- scheidungen sind auf dieser Basis aber bisher kaum getroffen worden. Im Vor- feld der Bundestagswahl im kommen- den Jahr herrscht mancherorts hekti- scher Stillstand, Gutachten und Gegen- gutachten stehen sich gegenüber, so wie

beispielsweise in Nordrhein-Westfalen, wo nach Ankündigung von Sozial- und Gesundheitsministerin Birgit Fischer (SPD) Ende dieses Jahres eine Vorent- scheidung über den Bettenabbau und eventuelle Schließungen von Kranken- häusern fallen soll.

Das von Dipl.-Math. Prof. Dr. rer. nat.

Hans Heinrich Rüschmann, dem Direk- tor der Gesellschaft für Systemberatung im Gesundheitswesen, Kiel, im Auftrag P O L I T I K

A

A2918 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 45½½½½9. November 2001

Krankenhausbedarfsplanung

Kaum brauchbar für die Praxis

Harsche Kritik an den aktuellen Gutachten auf Länderebene.

Bedarfspläne werden revidiert.

Bernd Krämer

Beate Hübner

*Die Hill-Burton-Formel (analytische Bedarfsformel) be- misst die Zahl der bedarfsnotwendigen Betten in Abhän- gigkeit von Einwohnerzahl, Krankenhaushäufigkeit, Ver- weildauer und Auslastungsgrad.

Fotos: privat/Johannes Aevermann

die mitbetroffenen Angehörigen unter- stützen und durch ihre Arbeit der Ge- fahr der Ökonomisierung entgegenwir- ken.“

Dr. med. Leonhard Hansen, der Zweite Vorsitzende der Kassenärztli- chen Bundesvereinigung, stellte in Kö- nigswinter einen Aspekt der Patienten- beteiligung zur Diskussion, die der Poli- tik Anlass zur Nachdenklichkeit geben müsste. Er sagte: „Patientenorientie- rung muss in Zukunft auch heißen, Selbsthilfegruppen und legitimierte Pa- tientenvertreter stärker als bislang in die Diskussion über Chancen, Risiken und Kosten des medizinischen Fort- schritts, über die Folgen der demogra- phischen Entwicklung, über die Bud- getpolitik und die schleichende Ratio- nierung der Versorgung als direkte Fol- ge einzubeziehen.“

„Wir sind schon überreguliert“

Die Vertreter der Politik – neben Regi- na Schmid-Zadel waren Wolfgang Loh- mann (CDU) und Detlef Parr (FDP) nach Königswinter gekommen – konn- ten jedenfalls den Eindruck mitneh- men, dass es der Ärzteschaft ernst ist mit einer stärkeren Beteiligung der Pa- tienten an den Abläufen im Gesund- heitswesen. Ob dieser Eindruck dazu führt, dass die Bundesregierung auf ein Patientenschutzgesetz verzichtet, ist derzeit noch nicht absehbar. Christian Nachtigäller, Geschäftsführer der Bun- desarbeitsgemeinschaft Hilfe für Be- hinderte e.V., sähe das nicht so gern. Er plädierte in Königswinter für die Kodi- fizierung der an verschiedenen Stellen verankerten Patientenrechte in einem neuen Gesetz, das auch die kollektive Beteiligung regeln solle. Weder Regina Schmid-Zadel noch Wolfgang Loh- mann sprachen sich entschieden gegen die Weiterverfolgung einer derartigen Gesetzesinitiative aus. Dies tat lediglich Detlef Parr: „Wir sind ohnehin schon völlig überreguliert“, meinte der Libe- rale. „Die Interessen der Patienten müs- sen auch anders aufgenommen werden können.“ Wie genau, das könnten die ärztlichen Organisationen zeigen, wenn sie die begonnenen Aktivitäten mit Nachdruck und für die Öffentlichkeit erkennbar forcieren. Josef Maus

(2)

der Landesregierung Schleswig-Hol- stein erstellte Gutachten (von Mitte April 2000) kommt zum Ergebnis, dass im nördlichsten Bundesland rund 1 900 Klinikbetten kurzfristig abge- baut werden müssten, wenn die im Gutachten herangezogenen Methoden und Kriterien anerkannt und für die Entscheidung ausschlaggebend wären.

Die angepeilte Zahl resultiert sowohl aus Schließungen von Krankenhäu- sern und Abteilungen, einer Neustruk- turierung, der Aufnahme neuer Klini- ken in den Bedarfsplan und der Geneh- migung von weiteren Vertragsbetten als auch aus dem Aufbau und der Ver- größerung von Abteilungen und von Fachgebieten, die bisher unterversorgt waren.

Das Kieler Gutachten empfiehlt, zwölf Akutkrankenhäuser und zwei Abteilungen bis 2003 aus dem Plan her- auszunehmen. Dies entspräche einem Abbau von 1 916 Planbetten. Damit würden fast 12 Prozent der 1998 vorge- haltenen 16 432 Krankenhausbetten abgebaut. Die Bettendichte läge dann bei 5,2 Betten je 1 000 Einwohner (Bundesdurchschnitt: sieben Betten je 1 000 Einwohner). Gleichzeitig sollten allerdings ambulante Operationszen- tren neu eingerichtet und Klinik-De- pendancen eröffnet werden. Außerdem sollte die praxisklinische Versorgung gefördert werden. Zusätzlich sollen zwei Krankenhäuser und in bestimmten Fachgebieten zusätzliche Vertragsbet- ten bewilligt werden. Künftig sollen insbesondere die Bereiche Geriatrie, Frührehabilitation, Psychiatrie (auch Tageskliniken) und Praxiskliniken ge- fördert werden.

Der Geschäftsführer der Landes- krankenhausgesellschaft, Krämer, be- richtete, dass der Krankenhausbedarfs- plan im „Planungsblatt“ künftig so- wohl die Zahl der Planbetten als auch die Fallzahlen vorgeben wird. Verbind- lich genannt wird künftig die Gesamt- zahl der Planbetten. Die Gesamtfall- zahlen sollen ebenso vorgegeben, die Zahl der Abteilungen soll dagegen le- diglich nachrichtlich mitgeteilt werden.

Schleswig-Holstein geht von einer der- zeitigen Kapazitätsauslastung von 86 bis 90 Prozent aus. Dabei wird für das Fachgebiet Pädiatrie mit 82 Prozent von einem unteren Wert bei der Kapa-

zitätsauslastung ausgegangen. Für Be- legabteilungen gelten ohnedies abwei- chende Auslastungsvorgaben.

Mit dem Rüschmann-Gutachten kon- trastieren die Ergebnisse der Landes- krankenhausplanung: Diese weisen für das Jahr 2000 insgesamt 16 528 Plan-

betten, für das Jahr 2001 genau 16 163 Betten und in der Zielplanung für 2005 rund 16 200 Betten aus. Der rechneri- sche Saldo zwischen Auf- und Abbau von Krankenhausbetten liegt in Schles- wig-Holstein bei 365 Betten.

Vorerst keine Klinikschließungen

Trotz aller Restriktionen ist die Landes- krankenhausgesellschaft mit den kurz- fristigen Planungsabsichten einverstan- den. Danach soll kein Krankenhaus an der Waterkant vorschnell geschlossen werden. Allerdings will man auch mit- hilfe der neu einzuführenden diagno- seorientierten Fallpauschalen (DRGs) ab 2003 beziehungsweise 2004 Anrei- ze über das Regionalbudget und Kom- plexpauschalen setzen. Krämer be- richtete, es sei ein „heilsamer Schock“

des Rüschmann-Gutachtens für die Krankenhausträger gewesen, dass die Diskussion über Krankenhauskoopera- tionen und -fusionen forciert worden ist, der Trend zur Privatisierung be- schleunigt werden könnte und Regio- nalkonzepte realisiert werden sollen.

Es müsse allerdings noch eingehend überprüft werden, ob die Kranken- hausplanungsabsichten des Landes ge- richtsfest sind. Nach Angaben Krämers sind bereits Klagen gegen mögliche

Feststellungsbescheide angedroht wor- den. Unter dem Strich resultieren aus dem zu revidierenden Krankenhaus- plan in Kiel Mehrforderungen der Krankenhäuser in Höhe von 60 Millio- nen DM pro Jahr (Schlaganfallversor- gung: 12 Millionen DM jährlich; Geria- trie: rund 30 Millionen DM jährlich) – all dies unter der Vorgabe, die Planungsabsich- ten möglichst kostenneutral um- zusetzen.

Die Krankenhausmanager bekundeten in Biersdorf ein- mütig: Die Landeskranken- hausplanung muss auch künftig

„genuine“ Aufgabe der Bun- desländer bleiben, ebenso der Letztentscheid und die Auf- sicht der Landesbehörden, die für die Krankenhausplanung zuständig sind (Regierungsprä- sidenten). Daran dürfe auch das neue pauschalierte Vergütungssy- stem auf der Basis der Diagnosis Re- lated Groups nichts ändern.

Vor einer voreiligen Bettenschlie- ßung, ohne das Morbiditätsrisiko der Bevölkerung bei der Bemessung der Bettendichte zu berücksichtigen, warn- te der Präsident der Krankenhaus- gesellschaft Nordrhein-Westfalen, Dr.

Rudolf Köster. Wer stationäre Kranken- hauskapazitäten abbauen wolle, müsse zunächst den erheblichen Nachholbe- darf im komplementären Bereich „be- dienen“. Es sei notwendig, teilstatio- näre Kapazitäten, das ambulante Ope- rieren im Sektor der niedergelassenen Fachärzte und im klinischen Bereich zu fördern und mehr vertragsärztliche Leistungserbringer an das Kranken- haus zu binden. Dies seien allesamt be- währte Instrumente, um den vollsta- tionären Sektor kostenwirksam zu ent- lasten.

Allerdings gibt es nach Überzeugung des Sprechers der nordrhein-westfäli- schen Krankenhäuser an Rhein und Ruhr und in Westfalen-Lippe derzeit kei- nen Anlass, wegen besonders hoher Fall- kosten Betten stillzulegen. Die Kranken- hauskosten je Fall betragen in Nord- rhein-Westfalen im Durchschnitt 6 000 DM (im Jahr 2000), wohingegen die Fall- kosten im stationären Bereich im Durch- schnitt aller Bundesländer zurzeit bei 6 335 DM liegen. Dr. rer. pol. Harald Clade P O L I T I K

Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 45½½½½9. November 2001 AA2919

Hans Heinrich Rüschmann Rudolf Kösters

Fotos: privat/JArchiv

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Das Schlauchstück, welches das Azotometer mit der Birne verbindet, soll so lang sein, daß die hochgehobene Birne noch über den Trichter reicht.. Es wird vor dem ersten

An dieser Stelle sei bemerkt, daß bei ausgezeichnet entlüfteten Apparaturen, welche kleinste Mikro- blasen geben und deren vorbehandeltes Verbrennungsrohr (eventuell Vakuum)

Die nach einem der beschriebenen Verbrennungsverfahren erhaltene Lösung wird zur Füllung der Phosphorsäure in einem siedenden Wasserbade erhitzt. Inzwischen bereitet man 15 ccm

Zur nassen Verbrennung der Substariz werden 3 bis 6 mg in ein Mikro-Kieldahl—Kölbchen eingewogen (s. In das Zersetzungskölbchen füllt man weiters 0,5 ccm konzentrierte Schwefelsäure,

Diese Bestimmung wurde nach der Makromethode von R. Prinzip: Das nach der Zeiselschen Methode erhaltene Jodalkyl wird in eine alkoholische Lösung von Trimethylamin aufgefangen,

langten, wurden gelegentlich Blindwerte beobachtet. Es hat sich gezeigt, daß das Ausdämpfen der Apparatur vor den Bestimmungen nicht immer seinen Zweck erfüllt. Ein

Glukose als Reduktionsmittel ist wesentlich günstiger als die Verwendung von Metallen, da die Veraschung und die Reduktion in einem Prozeß vor sich geht und die Gefahr, _ daß die

Auch auf die Frage, wie sie alles in allem ihre wirt- schaftliche Situation zum Erhebungszeitpunkt ein- schätzten, antworteten die Krankenhäuser deutlich op- timistischer als noch