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enerationen von unlusti- gen Klavier- und Geigen- schülern haben es wohl geahnt: Stundenlanges Üben am Instrument ist ungesund, und die Nachricht ist nicht neu. Bereits im 19. Jahrhun- dert häufen sich mit Beginn der Spezialisierung und Inten- sivierung der Übungszeiten Be- richte über spezielle gesund- heitliche Beschwerden promi- nenter Musiker. Berühmtes Opfer seiner Begabung wurde Robert Schumann, der nach dem Klavierstudium unter chronischen Bewegungsstö-rungen der rechten Hand litt, die ihn zwangen, seine Karrie- re als Konzertpianist aufzuge- ben und auf Komponieren umzustellen.
Die damals noch seltene Erkrankung ist heute als Mu- sikerkrampf oder fokale Dys- tonie weit verbreitet und kann bei Musikern aller In- strumentengattungen auftre- ten. Prof. Eckart Altenmüller, Musikhochschule Hannover:
„Diese Störung feinmotori- scher Bewegungsabläufe ist zu einem der zentralen The- men der Musikermedizin ge- worden.“ Ein Begriff, der selbst noch jung und erst seit zwei Jahrzehnten Gegen- stand öffentlichen Interesses
ist. Ähnlich wie die Sport- medizin, bei der es um die Gesundheitsversorgung von Sportlern geht, hat sich von den USA aus auch in Europa das Fach Musikermedizin eta- bliert. Es ist bisher allerdings an keiner medizinischen Fa- kultät oder Universitätsklinik in Deutschland vertreten. Der einzige Lehrstuhl für Musi- kermedizin in Hannover ist an der dortigen Musikhoch- schule angesiedelt.
Das neu gegründete Frei- burger Institut für Musiker- medizin ist in seiner Art ein- malig. Gemeinsam widmen sich Musikhochschule, medi- zinische Fakultät und Unikli- nik den speziellen Gesund- heitsproblemen von Musi- kern. Das vom Land Baden- Württemberg mitfinanzierte Projekt wird sich neben der fachspezifischen medizinischen Behandlung von Sängern und Instrumentalisten auch in For- schung und Lehre der Prä- vention von Musikerkrank- heiten widmen.
Die Beteiligten sind sich ei- nig, dass sich das Fachgebiet Musikermedizin in Deutsch- land in einem rasanten Tem- po entwickelt, sodass es nicht übertrieben erscheint zu sa- gen, dass im Vergleich mit an- deren europäischen Ländern diesem interdisziplinären Be- reich eine Vorreiterrolle zu- kommt. Und das war wohl auch an der Zeit. Studien zei- gen, dass zwischen 39 und 87 Prozent der Berufsmusiker über gesundheitliche Proble- me klagen. Das gilt für klassi- sche Musiker mehr als für die Jazz-, Rock- und Popszene, aber auch für viel Übende wie zum Beispiel Gitarristen, Pia- nisten und Geiger sowie für Spieler von großen, schwer zu haltenden Instrumenten wie Bratsche oder Fagott.
Eher überraschend für schöngeistige Liebhaber klas- sischer Kompositionen: Hin- ter der gehörten Klanghar- monie verbergen sich bei den Vortragenden häufig chroni- sche Schmerzen, Verlust der feinmotorischen Kontrolle (Musikerkrampf), Hörstörun- gen und Ängste. Hoher äuße- rer Erwartungsdruck, innerer Perfektionszwang sowie un- mittelbare und äußerst kriti- sche Kontrolle durch das ei- gene und das Gehör des Pu- blikums erzeugt bei Musi- kern Stress und Lampenfie- ber. Altenmüller: „50 Prozent aller Musiker und 70 Prozent aller Studierenden der Musik leiden unter Aufführungs- ängsten, die sie bedrohen, und die oftmals zum Abbruch
der Karriere führen. Im Ver- gleich zur Gesamtbevölke- rung treten Angstsymptome bei Musikern etwa dreimal so häufig auf.“ Noch nicht wirk- lich erforscht, aber nachge- wiesen: Die Schallqualität – nicht die Lautstärke – ist ent- scheidend für das menschli- che Ohr. Altenmüller: „Hoch strukturierter Schall in der klassischen Musik belastet bei gleichem Schalldruckpe- gel das Gehör sehr viel weni- ger als wenig strukturierter Schall von Heavy Metal und unstrukturierter Industrie- schall.“
Mit der Prävention im Be- reich Musikermedizin hapert es noch. Nur 17 Prozent der Orchestermusiker waren in Umfragen der Auffassung, von ihren Ausbildungsinstitu- ten ausreichend auf den be- ruflichen Alltag vorbereitet worden zu sein. Altenmüller:
„Der Umgang mit berufli- chen Stressoren und mit dem eigenen Körper sollte an Konservatorien und Musik- hochschulen thematisiert und in Kursen praktisch geübt werden.“ Ulla Bettge V A R I A
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A134 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 3⏐⏐20. Januar 2006
Musikermedizin
Angst vor dem falschen Ton
Untersuchungen belegen, dass zwischen 39 und 87 Prozent der Berufsmusiker über gesundheitliche Probleme klagen.
Bei einer Pianistin wurde mithilfe eines EEGs die Veränderung der Großhirnvernetzung durch das Erlernen des Klavierspiels gemessen.
Fotos:Institute of Music Physiology and Musicians’ Medicine (IMMM)
Ein Querflötenspieler, umgeben von Bewegungskameras im Mo- toriklabor
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