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Erst durch einen Bericht anonymer Herkunft, wurde die Öffentlichkeit über acht konkrete, und zum Teil gravierende, Vorfälle bei der Kantonspolizei informiert

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I 154/2003 POM 17. Dezember 2003 46C

Interpellation

3652 SP (Marti Anliker, Bern)

Weitere Unterschriften: 35 Eingereicht am: 16.06.2003

Polizeiaffäre – ist die vollumfängliche Transparenz garantiert?

Das Vertrauen der Bevölkerung in die Arbeit der Kantonspolizei ist im Mai 2003 massiv erschüttert worden. Erst durch einen Bericht anonymer Herkunft, wurde die Öffentlichkeit über acht konkrete, und zum Teil gravierende, Vorfälle bei der Kantonspolizei informiert. Es handelt sich um massive Anschuldigungen, die Palette reicht vom respektlosen Umgang mit einem toten Menschen, bis zum Korruptionsverdacht.

Die Polizei hat in einem Rechtsstaat notwendigerweise das Gewaltmonopol. Die Polizei muss sich deshalb zwingend korrekt verhalten. Gerade deshalb ist es unverständlich, wenn nun die Öffentlichkeit über Verfehlungen von KantonspolizistInnen erst unter einem solchen Druck erfährt.

Die Polizeidirektorin Dora Andres hat eine Untersuchung durch eine externe Stelle veranlasst. Die Geschäftsprüfungskommission des Grossen Rates hat am 27. Mai in ihrer schriftlichen Stellungnahme festgehalten, vorerst keine weiteren Schritte zu unternehmen, sondern den Schlussbericht der Untersuchung von Herrn D. Niedermann abzuwarten.

Im Zusammenhang mit dieser Polizeiaffäre bitten wir den Regierungsrat folgende Fragen zu beantworten:

1. Wie wird sichergestellt, dass die Geschäftsprüfungskommission (GPK) vollumfänglich und ungefiltert über den Bericht von Herrn Niedermann informiert wird?

2. Wie wird sichergestellt, dass mit der laufenden Untersuchung grundsätzliche Abklärungen zur Polizeiarbeit gemacht werden. Gibt es weitere Vorfälle, über welche die Öffentlichkeit bis jetzt nicht informiert worden ist?

3. Wie wird die Öffentlichkeit zukünftig über Verfehlungen von KantonspolizistInnen informiert? Existiert ein Kommunikationskonzept für solche Fälle? Wenn ja, wie ist der Inhalt dieses Konzeptes?

4. Welche Schlussfolgerungen werden aus dieser Affäre gezogen bezüglich der Handhabung des Öffentlichkeitsprinzipes in der Justiz? Gibt es ein Kommunikationskonzept bei den Untersuchungsbehörden für Fälle, in denen zwischen dem Persönlichkeitsschutz und dem Öffentlichen Interesse nach Information über eingeleitete Verfahren abgewogen werden muss?

Es wird Dringlichkeit verlangt. Abgelehnt: 19.06.2003

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Antwort des Regierungsrates

Die Anschuldigungen, die im veröffentlichten anonymen Schreiben erhoben worden sind, sind derart schwer wiegend, dass nur eine umfassende und unabhängige Klärung der Fakten und Hintergründe das unabdingbare Vertrauen in die Kantonspolizei wieder festigen kann. Der Regierungsrat stellt fest, dass mit einer Untersuchung durch eine aussenstehende neutrale Person, welche die Polizei- und Militärdirektorin eingeleitet hat, und die Ermittlungen durch die Anklagekammer des Obergerichts und des Generalprokurators des Kantons Bern dazu umgehend die erforderlichen Voraussetzungen geschaffen worden sind. Die Ermittlungen der Justizbehörden sind inzwischen abgeschlossen und veröffentlicht worden. Ohne die Vorfälle selbst zu beschönigen kann festgestellt werden, dass die Anschuldigungen des nicht korrekten Verhaltens des Polizeikommandos gegenüber den einzelnen Fällen widerlegt worden sind.

Zu den einzelnen Fragen:

Frage 1

Der Bericht mit Empfehlungen des Untersuchungsbeauftragten Dr. Dieter J. Niedermann, Public Management Consulting, St. Gallen, wird der Geschäftsprüfungskommission des Grossen Rates vollumfänglich zur Kenntnis gebracht. Über den Verfahrensverlauf und das Ergebnis der Untersuchung wird nach deren Abschluss auch die Öffentlichkeit informiert, wie das die Justizbehörden in ihrem Zuständigkeitsbereich bereits gemacht haben.

Frage 2

Die grundlegenden Fragen der Polizeiarbeit sind Bestandteil des laufenden Projektes AIDA zur Überprüfung der Aufgaben, Strukturen und Bestände der Kantonspolizei. Dieses Projekt ist auf Initiative der Kantonspolizei im August 2002 gestartet worden (RRB 3050 vom 21.8.2002) und wird konzeptionell im Frühjahr 2004 abgeschlossen sein.

Zielsetzungen sind die gezielte Erhöhung der subjektiven und objektiven Sicherheit, die Ausschöpfung realisierbarer Synergiepotenziale, die haushaltneutrale Ausrichtung des Mitteleinsatzes auf die künftigen Herausforderungen und die Umsetzung der SAR- Beschlüsse. Von besonderem Gewicht ist das Ziel, die bei der Personalbefragung aufgezeigten Schwachstellen mit geeigneten Massnahmen zu minimieren. Die Reorganisation soll auch für die Mitarbeitenden spürbare positive Auswirkungen haben und die Attraktivität des Polizeiberufs insgesamt steigern (Personalentwicklung, Laufbahnplanung). Sollten sich aus dem Untersuchungsbericht Niedermann bisher nicht bekannte Feststellungen und neue Empfehlungen ergeben, werden diese geprüft und in die Umsetzungsplanung von AIDA integriert.

Frage 3

Zu unterscheiden ist zwischen Fällen, bei denen es um möglicherweise strafbare Handlungen von Angehörigen der Polizei geht, oder um Vorfälle, die nicht offensichtlich einen strafrechtlichen Charakter haben. Möglicherweise strafrechtlich relevante Vorfälle fallen in die Zuständigkeit der Untersuchungsbehörde. Entsprechend macht das Polizeikommando bei Bekannt werden von derartigen Vorwürfen gegen Mitarbeitende der Kantonspolizei Meldung an das zuständige Untersuchungsrichteramt. Für die Information der Öffentlichkeit über strafrechtlich relevante Vorfälle sind die Untersuchungsbehörden mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft sowie – nach Überweisung eines Falles – das urteilende Gericht sachlich zuständig (Art. 71 StrV, vgl. Antwort auf Frage 4). Für Vorfälle, die keine strafrechtlichen Folgen haben, ist die Information Teil der Führungsaufgabe der Korpsleitung im Einvernehmen mit der Polizei- und Militärdirektorin. Die Information folgt dem allgemeinen Informationskonzept der Kantonspolizei. Es ist nach rechtsstaatlichen Erfordernissen der Einzelfall zu untersuchen, zu beurteilen und die Frage der Information abzuwägen. Dabei sind nach pflichtgemässem Ermessen sowohl die Interessen der betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, der Untersuchung und der Öffentlichkeit gegeneinander abzuwägen. Dies ist im Bewusstsein, dass gerade die Polizei wegen ihres Gewaltmonopols und ihrer Vertrauensstellung besonders exponiert ist. Dem wird mit einer offenen Fehlerkultur Nachachtung verschafft. Die Kantonspolizei steht auch in der

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Öffentlichkeit aktiv zu ihren Fehlern. Auf der andern Seite sind ihre Angehörigen vor falschen Anschuldigungen zu schützen und die ihnen zustehenden Rechte zu wahren.

Frage 4

Kantonsverfassung, Bundesverfassung sowie Europäische Menschenrechtskonvention statuieren für Gerichtsverhandlungen den Öffentlichkeitsgrundsatz (Art. 97 der Verfassung des Kantons Bern (KV; BSG 101.1), Art. 30 Abs. 3 der Bundesverfassung (SR 101), Art. 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention (Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten; EMRK; SR 0.101)). In Übereinstimmung mit diesem Grundsatz schreibt Art. 64 Abs. 2 StrV fest: Die Verhandlungen vor den urteilenden Gerichten sind im Haupt- und Rechtsmittelverfahren öffentlich. Dennoch kann nicht von einem Öffentlichkeitsprinzip in der Justiz gesprochen werden. Die Bestimmung von Art. 64 StrV hält in Abs. 1 fest, dass das Vorverfahren ist geheim. Ausnahmen regelt das Gesetz.

Polizeiliche Ermittlungsverfahren und Voruntersuchungen sind deshalb grundsätzlich geheim. Die Bekanntgabe von Fakten aus einer Voruntersuchung verletzt die in Art. 69 StrV statuierte Geheimhaltungspflicht und ist nach Art. 320 des Strafgesetzbuches (StGB;

SR 311.0) strafbar. Nur ausnahmsweise kann im Vorverfahren - gestützt auf Art. 71 StrV - über Erkenntnisse aus einem polizeilichen Ermittlungsverfahren oder einer Voruntersuchung in der Öffentlichkeit berichtet werden. Im Hauptverfahren ist somit die Öffentlichkeit das Prinzip, das mit wenigen, hier nicht interessierenden Ausnahmen, gilt. Im Vorverfahren ist die Geheimhaltung die Regel, die Information der Öffentlichkeit die Ausnahme.

Im bernischen Strafverfahren legt somit Art. 71 fest, dass die Untersuchungsbehörde befugt ist, mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft in folgenden Fällen bereits während der Voruntersuchung die Öffentlichkeit über ein Strafverfahren zu orientieren:

1. wenn die Mitwirkung des Publikums bei der Aufklärung einer strafbaren Handlung geboten ist,

2. wenn es sich um besonders schwere oder Aufsehen erregende Straffälle handelt, oder 3. es zur Berichtigung falscher Meldungen, zur Warnung oder Beruhigung der Öffentlichkeit angezeigt ist.

Die Untersuchungsbehörde hat beim Entscheid über die Information der Öffentlichkeit vielfältige, teilweise sich widerstreitende Interessen abzuwägen. Die wesentlichen Gesichtspunkte sind:

- Das Informationsinteresse der Bevölkerung

- Der Schutz der Persönlichkeit von Beteiligten (Parteien, Angeschuldigte, Opfer, weitere Personen)

- Das Interesse von Angeschuldigten und der Justiz, Vorverurteilungen zu vermeiden (Unschuldsvermutung)

- Sicherung des Untersuchungszwecks (Wahrheitsfindung), der nicht gefährdet oder beeinträchtigt werden darf. Taktische und ermittlungstechnische Gesichtspunkte zur Vermeidung der Beweisverdunkelung sind zu berücksichtigen, damit das Fahndungsziel erreicht werden kann.

Das bernische Informationsgesetz (IG; BSG 107.1) regelt die Information der Öffentlichkeit durch staatliche Organe. In Art. 2 Abs. 3 Informationsgesetz werden aber die besonderen Prozessgesetze über das Verfahren vor den Justizbehörden ausdrücklich vorbehalten.

Die Anklagekammer hat - in Übereinstimmung mit dem Informationsgesetz und gestützt auf Art. 71 Abs. 5 StrV - in einem Kreisschreiben Richtlinien zur Information der Öffentlichkeit erlassen (Kreisschreiben Nr. 4, Fassung vom 16.11.1999, abrufbar auf der Homepage des Obergerichts unter www.be.ch/og). Dieses regelt umfassend und unter Einbezug der gesetzlichen Normen, in welchen Fällen bereits im Vorverfahren die Öffentlichkeit informiert werden kann bzw. soll, und wie dies inhaltlich und formal zu geschehen hat. Des Weiteren hat das Obergericht am 19. Dezember 1996 ein Reglement über die Information der

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Öffentlichkeit durch die Zivil- und Strafgericht erlassen (BSG 162.13), welches Zuständigkeiten regelt.

Die Entscheidung, ob und wann im Vorverfahren (polizeiliches Ermittlungsverfahren, Voruntersuchung) die Öffentlichkeit informiert wird, ist nach den wiedergebenen Voraussetzungen und Abwägung der erwähnten Gesichtspunkte im Einzelfall von der Verfahrensleitung zu treffen. Weil die angemessene Information und die Entscheidung über das Ob und das Wie eine wichtige und anspruchsvolle Tätigkeit ist, hat sie in Absprache mit der Staatsanwaltschaft (Vieraugenprinzip) zu geschehen. Nur die Verfahrensleitung, welche den Fall in den Details kennt, ist, zusammen mit der Staatsanwaltschaft, in der Lage, sachgerecht zu entscheiden. Diese Kriterien gelten uneingeschränkt auch in Fällen, in denen es um möglicherweise strafbare Handlungen von Angehörigen der Polizei geht.

Bei den sechs allfällig strafrechtlich relevanten Vorfällen betreffend Kantonspolizei, welche im Mai dieses Jahres publik geworden sind, wurde in einem Fall (Vorfall Nr. 2, Einbruchdiebstahl bei Regionalfahndung Thun) eine Pressemitteilung erlassen. In den anderen Fällen unterblieben Orientierungen der Öffentlichkeit, vermutlich, weil teils (bis im Mai 2003) gar keine Ermittlungsverfahren eröffnet wurden (Fall 4 Identifikation Brandleiche;

Fall 5 angeblicher Möbel-/Gelddiebstahl in Landiswil 1991), bzw. nach Ansicht der Untersuchungsbehörde kein strafbares Verhalten vorlag (Vorfall Nr. 6 Nichtweiterleitung von sichergestelltem Haschisch/Ungereimtheiten bei Abnahme einer Urinprobe), oder weil die Täterschaft noch völlig offen und heikle Ermittlungen im Gange waren (Vorfall 1, Verschwinden eines Observationsfahrzeuges; Vorfall Nr. 3, Diebstahl von Drogengeld aus Tresor bei der Regionalfahndung Thun). Keiner dieser Fälle gelangte bis zur Überweisung eines Angeschuldigten an ein urteilendes Gericht.

Nach Ansicht des Obergerichts sowie insbesondere der Anklagekammer, die der Regierungsrat teilt, sind die vorhandenen Rechtsgrundlagen, welche die Information der Öffentlichkeit regeln, genügend und auch zeitgemäss. Weitere oder detailliertere Richtlinien oder Weisungen zu erlassen, wären nicht sachgerecht, weil den - juristisch geschulten - Verfahrensleitungen insofern Handlungsspielraum belassen werden muss. Es liegt in der Natur der Sache, dass im Einzelfall bei nachträglicher Betrachtungsweise Entscheidungen der Untersuchungsbehörden betreffend Information unterschiedlich bewertet werden können.

An den Grossen Rat

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