Spektrum der Woche Aufsätze Notizen
Friedrich der Einzige
1920
In Berlin eröffnete ich ein Büro und installiere mich dort als Astrologe und Magnetopathischer Heiler. In München, dem Wunsch meiner Pa- tienten folgend, gründe ich einen spiritistischen Zirkel. Damals lernte ich eine junge Baronin kennen und lieben, die reich an besonderen und internationalen Bekannten ist.
1930
Zu 6 Wochen Gefängnis verurteilt wegen versuchter Gaunerei, setze ich meine Arbeit in Berlin fort, indem ich mit Erfolg die Badeorte an der Ostseeküste besuche. Ich werde von neuem in eine Irrenanstalt eingelie- fert. Dort mache ich die Bekannt- schaft eines Irren-Malers, dem ich bei der Arbeit zuschaue. Auf seinen Rat beschaffe ich mir Material und beginne zu zeichnen (Abbildungen 1 bis 4 — bisher um veröffentlichte Bil- der aus der Sammlung Dr. in der Beeck — auf Seite 2387).
Danach meine Entlassung (ich wer- de verurteilt: Verletzung des Geset- zes die Heilmittel betreffend, betrü- gerische Ausübung der Medizin, Fälschung von Medikamenten).
1937
Berlin — öffentliche Fürsorge: Im zweiten Weltkrieg werde ich als Kontrolleur eines Luftwaffendepots mobilisiert, aber schnell wieder ent- lassen als „ungeeignet zur Arbeit" — endgültig.
1944
Mit meiner Schwägerin installiere ich mich in dem Keller einer Ruine.
Ich verkaufe Feuerholz, das ich in den Trümmern gesammelt habe.
1949
Meine Beine sind voller Wasser, ich kann keine Schuhe mehr anziehen und bleibe zu Hause. Zu der Zeit erinnere ich mich an den irrenmaler, der mir Mut gemacht hatte; ich be- gebe mich in den Zustand, der mir bis dahin unbekannt war. Ich habe bereits einige hundert Farbzeich- nungen gemacht, als ich Professor Kubisczek treffe, der sich für meine
Arbeiten interessiert und sie 6 Wo- chen studiert. Die Galerie Springer kauft meine 20 besten Zeichnungen und unterstützt mich seitdem. Die meisten der Professoren der Kunst- akademie in Berlin-West behandeln mich mit Verachtung. Man wollte mir den Zutritt zur Akademie ver- wehren unter dem Vorwand, daß ich durch meine Reden und Arbeiten Verwirrung unter den Studenten säe, darüber hinaus seien sie porno- graphisch.
1959 Finale
Ihr habt meine Hoffnung zerbro- chen, meinen Geist geknebelt, mei- ne Seele gemartert, und jetzt, stin- kende Brut, wollt Ihr, daß ich für Euch stimme, — ich stimme für mich selbst."
Geisteskranker oder Künstler?
Friedrich Schröder-Sonnenstern lebt jetzt in Berlin. Zwischenzeitlich bedurfte er mehrmals psychiatri- scher staionärer Unterbringung und Behandlung; denn schon lange hat er sich dem Alkohol zugewandt.
Er wurde gefeiert, gelobt, ausge- nutzt und beschimpft. Ausstellun- gen wurden veranstaltet, Filme ge- dreht, alle repräsentativen Werke über moderne Malerei setzen sich mit ihm auseinander. Monogra- phisch umfassend dargestellt, ana- lysiert und gewürdigt hat ihn der Lausanner psychopathologische Ausdrucksexperte und Privatgelehr- te Alfred Bader: „Geisteskranker oder Künstler?"
Literatur beim Verfasser
Anschrift des Verfassers:
Dr. med. Dr. phil.
Manfred in der Beeck Landeskrankenhaus 2380 Schleswig
Karl IV. in Nürnberg
Wer an der Geschichte und Kunst des Mittelalters interessiert ist, dürf- te sie nicht versäumen: die nur noch bis zum 15. Oktober 1978 andauern- de bedeutende Ausstellung über Kaiser Karl IV. in der alten Kaiser- burg zu Nürnberg.
Eine der markantesten europä- ischen Herrschergestalten wurde dank privater Initiative wieder ins Licht der Öffentlichkeit gerückt: Karl IV., der als Sohn Johanns von Böh- men 1316 zu Prag geborene erste deutsche Kaiser aus dem Hause Luxemburg.
Warum gerade Nürnberg? Die Ant- wort ist einfach: Weil Karl IV. Nürn- berg liebte! Es gibt dort eine Urkun- de aus dem Jahr 1366, in der zu lesen ist, daß Karl die Stadt als
„führnehmbste und gelegigste stadt des Reiches" bezeichnete. Zehn Jahre vorher hatte er in der „Golde- nen Bulle" bestimmt, daß fortan je- der neugewählte deutsche Herr- scher seinen ersten Hoftag in Nürn- berg zu halten habe.
Die alte Kaiserburg bot sich als idea- ler Ausstellungsort an: Die herrli- chen Räume, voran Rittersaal, Kai- sersaal und obere Burgkapelle, bie- ten faszinierende Möglichkeiten zur Plazierung der fast zweihundert Ex- ponate. Wegen der hohen Lichtemp- findlichkeit der vielen Handschrif- ten, Archivalien, Buchmalereien und Textilien zog man es vor, Dunkelräu- me zu schaffen, deren gedämpftes künstliches Licht nicht schaden kann. Daß fast zwangsläufig beim Besucher der Eindruck gewisser Feierlichkeit erweckt wird, wie in sa- kralen Räumen, dürfte kein Zufall sein.
Eine Ausstellung, die zu den großen zählt, die obendrein Eindrücke von Kunst und Kunstgewerbe aus der Zeit vermittelt, einige hervorragende Plastiken der Parler-Werkstatt vor- stellt sowie zauberhafte Stücke der Gold- und Silberschmiedekunst aus der Mitte des 14. Jahrhunderts zeigt. Britta Steiner-Rinneberg
2388 Heft 41 vom 12. Oktober 1978 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT