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Archiv "Umweltmedizin: Auswirkungen der Energiewende" (24.10.2014)

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P O L I T I K

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ier der sechs Reaktorblöcke des Kernkraftwerks Fukushi- ma Daiichi wurden infolge des Erd- bebens vor der Küste Japans am 11. März 2011 zerstört. In drei Blö- cken kam es zu Kernschmelzen.

Auf der internationalen Bewertungs- skala für nukleare Ereignisse bewer- tete die japanische Atomaufsichts- behörde die Katastrophe mit der Höchststufe 7. Die Auswirkungen für Menschen und Umwelt werden noch sehr lange gravierend sein.

Die Auswirkungen der Katastro- phe sind auch in Deutschland weit- reichend. Denn in der Folge hat die Bundesregierung die Energiewende beschlossen. Von der Ärzteschaft wird sie begrüßt. „Der Ausstieg aus der Atomenergie ist der richtige Weg“, betonte die Vizepräsidentin der Bundesärztekammer (BÄK), Dr. med. Martina Wenker, bei ei- nem Expertenworkshop, den die BÄK zusammen mit der „Health and Environment Alliance“ (HEAL) und der Gesellschaft für Hygiene, Umweltmedizin und Präventions- medizin (GHUP) am 8. Oktober in

Berlin veranstaltet hat. Nun komme es jedoch darauf an, dass die neuen Energieformen, was ihren Nutzen und ihre Risiken betreffe, mindes- tens ebenso gut seien wie die alten, wenn nicht besser.

Renaissance der Kohle

„Die Energiewende hat ein großes Potenzial, positiv auf die menschli- che Gesundheit zu wirken“, meinte André Conrad, Sprecher des Ar- beitskreises „Umweltmedizin, Ex- positions- und Risikoabschätzun- gen“ der Deutschen Gesellschaft für Epidemiologie, der Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention und der Deutschen Ge- sellschaft für Medizinische Infor- matik, Biometrie und Epidemiolo- gie. Gesundheitliche Aspekte der Energiewende würden zum Teil nicht ausreichend berücksichtigt, befand Conrad: „Fachleute des Ar- beitskreises sprachen sich daher für eine frühzeitige systematische Analyse der Maßnahmen aus, um Risiken kleinhalten und die Ge- sundheitsgewinne voll ausschöp-

fen zu können.“ Ein Instrument für diese Analyse sei die Gesundheits- folgenabschätzung (GFA) – eine systematische Beurteilung einer Strategie hinsichtlich ihrer gesund- heitlichen Auswirkungen und de- ren Verteilung in der Bevölkerung.

Einer der Gründe dafür, dass eine solche Abschätzung bislang kaum vorgenommen werde, sei, dass es noch zu wenige GFA-Fachleute in Deutschland gebe.

HEAL weist darauf hin, dass die Stromgewinnung aus Kohle derzeit eine Renaissance erlebt. „Kohle ist immer noch eine wichtige Energie- quelle für Europa und liefert etwa ein Viertel der gesamten Strom- menge“, heißt es in einem aktuellen UMWELTMEDIZIN

Auswirkungen der Energiewende

Die Energiewende kommt. Doch welche Folgen hat sie für die Gesundheit der Menschen? Auf einem Workshop der Bundesärztekammer diskutierten Experten über Kohle, Fracking und Windenergie. Fazit: Das Neue ist eher besser als das Alte.

Braunkohle - kraftwerk und Windräder nahe des rheinischen Kirchtroisdorf:

Energie gibt es nicht ohne Energiegewinnung.

Fotos: picture alliance

A 1842 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 111

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Heft 43

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24. Oktober 2014

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Bericht von HEAL zu den Auswir- kungen von Kohlekraftwerken auf die menschliche Gesundheit. Koh- lekraftwerke seien eine bedeutende Quelle industrieller Luftverschmut- zung in Europa. Ihre hohen Emis- sionen müssten allerdings vor dem Hintergrund der vielen anderen Sektoren betrachtet werden, die ebenfalls zur Luftverschmutzung beitragen, zum Beispiel dem Ver- kehr, der Beheizung von Wohnräu- men und der Landwirtschaft.

Probleme durch Kaminöfen Im Auftrag von HEAL haben Ex- perten die Folgen geschätzt, die die Emissionen von Kohlekraftwerken für die Menschen in Europa haben.

Demnach sterben durch Kohleab- gase pro Jahr 18 200 Menschen in Europa vorzeitig, und mehr als 8 500 Menschen erkranken neu an chronischer Bronchitis.

Für die Entwicklung insbesonde- re von chronischen Atemwegser- krankungen wie Asthma und Bron- chitis sei die Innenraumbelastung allerdings relevanter als der Außen- raum, betonte BÄK-Vizepräsiden- tin Wenker. In mittels energetischer Sanierung und moderner Fenster hermetisch abgeriegelten Wohnräu- men, in denen Menschen rauchten, eine vermehrte Allergenbelastung zum Beispiel durch Schimmelpilze oder Katzen bestehe oder die offene Feuerquellen enthielten, seien die Menschen individuellen Belastun- gen durch inhalative Schadstoffe ausgeliefert, welche nicht durch ex- terne Umwelteinflüsse verursacht würden.

„Wir haben zunehmend Proble- me mit Kaminöfen“, ergänzte Prof.

Dr. med. Thomas Eikmann vom Institut für Hygiene und Umwelt- medizin am Universitätsklinikum Gießen und Marburg. Denn diese belasteten die Menschen durch Partikelemission unmittelbar. Bei Messungen werde diese Expositi-

on jedoch nicht zwangsläufig er- fasst. „Wir wissen also gar nicht, wie hoch die Exposition vor Ort ist“, erklärte Eikmann.

Zum Thema Fracking stellte Bernd Kirschbaum vom Umwelt- bundesamt (UBA) die Ergebnisse zweier aktueller Gutachten vor, die das UBA in Auftrag gegeben hatte.

„Das Umweltbundesamt empfiehlt, wegen der bestehenden Wissens - lücken derzeit auf eine flächende- ckende kommerzielle Gewinnung von Schiefergas durch Fracking in Deutschland zu verzichten“, erklär- te Kirschbaum. Zudem solle vor je- der Fracking-Operation eine Risiko- bewertung vorgenommen werden.

Ein generelles Fracking-Verbot sei aber von den Gutachtern nicht emp- fohlen worden.

„Sehr kritisch betrachten wir den sogenannten Flowback, der auch bei der konventionellen Erdgasförde- rung auftritt“, betonte Kirschbaum.

Bei jedem Bohrloch fördere man auch Lagerstättenwasser zutage, das unter anderem Schwermetalle, radio- aktive Stoffe oder Benzol enthalten könne. Bei der Behandlung und Entsorgung dieses Lagerstätten - wassers bestehen große Defizite, da derzeit weder national noch auf europäischer Ebene ein „Stand der Technik“ festgeschrieben sei.

Der volkswirtschaftliche Nutzen des Schiefergases spiele überdies im Rahmen der Energiewende kei- ne Rolle, so Kirschbaum. Denn we- der würde es kurz- und mittelfristig den Gaspreis verändern noch die Importabhängigkeit Deutschlands, da das Gas nur langsam und schritt- weise gefördert werden könne.

Im Gegensatz zum Fracking er- warten die Experten kaum Belastun- gen durch Windräder. „Die Folgen des Betriebs von Windenergieanla- gen für die menschliche Gesundheit sind gering“, sagte Dr. PH Dorothee Twardella vom Bayerischen Landes- amt für Gesundheit und Lebensmit-

telsicherheit. Zwar gebe es Schall- immissionen, und gesundheitliche Wirkungen durch gestörten Schlaf seien deshalb nicht ausgeschlossen.

Doch durch den sogenannten Infra- schall, der bei Windenergieanlagen schon bei geringem Abstand unter- halb der menschlichen Hörschwelle liegt, seien „keine gesundheitlichen Wirkungen zu erwarten“.

„Dass manche Anwohner sich von den Geräuschen der Windener- gieanlagen belästigt fühlen, obwohl sie sehr leise sind“, so Twardella weiter, „kann daran liegen, dass die Geräusche der Rotorblätter peri- odisch auf- und abschwellen und deshalb leichter wahrgenommen werden und dass die Sichtbarkeit der Windräder schon als Belästi- gung empfunden wird.“

Krankheitslast untersuchen „Gesundheitseffekte, die messbar und besorgniserregend sind, liegen nicht in erster Linie bei den neueren Energien“, resümierte die Präsiden- tin der GHUP, Prof. Dr. med. Caro- line Herr. „Bei Kohlekraftwerken haben wir Belastungen, die messbar sind. Bei anderen Energien wie Windräder oder Hochspannungslei- tungen gibt es kleine Ungewisshei- ten. Wir können nicht ausschließen, dass es zu Belastungen für die Ge- sundheit kommt, aber die Tendenz ist: Das Neue ist nicht schlechter als das, was wir bisher haben.“

Ärztliche Verantwortung sei es festzustellen, welche umweltmedizi- nischen Informationen wirklich gesi- chert seien und diese Informationen zu kommunizieren, erklärte Wenker abschließend. „Wir müssen aber ge- nauso kommunizieren, wenn Er- kenntnisse nicht gesichert sind und wo es noch offene Fragen gibt.“ In jedem Fall zu fordern sei eine klein- räumige Gesundheitsforschung, mit der die Krankheitslast regional un- tersucht werden könne.

Falk Osterloh

A 1843

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